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Saufnix  
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Dieses Thema hat 23 Antworten
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 Ganz, ganz viele Fragen
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Gitti Offline




Beiträge: 314

15.08.2003 10:35
#16 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten


Mein Sohn mittlerweile 29 Jahre verbrachte seinen Urlaub bei mir, ich sprach ihn darauf an was er wärend meiner nassen Zeit darüber gedacht hat. er sagte das ihn alles sehr zu schaffen gemacht hat, aber das schönste was er sagte war:
So wie ihr euch verändert habt miteinander, möchte ich nicht missen schade nur das es mein Bruder nicht sieht, er hat was verpasst.
Aber mittlerweile habe ich auch wieder Kontakt zu meinem ältesten.Und es tut so gut.


Beachen Offline




Beiträge: 3.654

15.08.2003 10:36
#17 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Hallo Ihr !

Ich will mal versuchen zu formulieren wie es mir so ging, was ich heute darüber denke.
Auch ich bin ja mit Alkoholismus groß geworden, und dem Co-alkoholismus meiner Mutter. Ich kann sagen, das ich schon als Kind meinen Vater nicht haßte, er war trotz seiner Trinkerei nicht schlecht zu mir, wenn man davon absieht, das er sich nicht um mich kümmerte.
Viel schwerer haben mich die Begleitumstände bedrückt. Diese ewige laute Streiterei, dieses mich-von-ihm-fernhalten wollen und mich-für-sich-haben-wollen meiner Mutter, und das sie so sehr in mich hineingeguckt hat und ich irgendwie keine Möglichkeit hatte mich frei zu entwickeln.
Und natürlich diese ewige Lügerei und den Schein wahren fiel mir auch unsäglich schwer und schmerzte. Da findet man seinen Weg einfach nicht, weil man sich sehr nach außen orientiert und denkt was die anderen denn denken könnten, also keine Meinung und Standpunkt entwickelt.
Ich trank dann später auch um das alles zu vergessen und mich gut zu fühlen, vielleicht zum ersten mal. Alkohol wurde mein Selbstbewußtsein und mein Spaß.

Und um heute nicht mehr trinken zu müssen, mußte ich auch mit dieser Vergangenheit abschließen, und feststellen, das ich das nicht mehr ändern kann. Ändern kann ich nur den heutigen Tag. Ich mußte die Vergangenheit loslassen, von meinen Trinkgründen Abschied nehmen. Es machte mich nämlich kaputt. Und ich kam keinen Schritt vorwärts.
Es war auch nicht Hass, es war eher Verzweiflung und "sich-selbst-nicht-mögen". Ich bezog das ganze Drama auf mich und auf ein "ich-bin-nichts-wert" Gefühl.
Das mußte ich auch loslassen.

Anne, so unterschiedlich unsere Geschichten auch sind, Hass bringt einen nicht weiter.

Grüßle
Bea


Michimichi ( gelöscht )
Beiträge:

15.08.2003 14:38
#18 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Hallo Ihr Lieben!

Was ist Hass?

Mein Hass, der ist ruhig und kühl.
Ich bin abstinent von Alkohol, von sonstigen Drogen und von meinen Eltern. Ich zeige meinen Respekt ihnen gegenüber indem ich sie nicht belästige mit meinen Anklagen und Vorwürfen. Mir hat vor Jahren das Buch von Alice Miller die Augen geöffnet, man muß seinen Eltern nicht alles durchgehen lassen, man muß sie nicht so akzeptieren wie sie sind.

Mein Vater war kein Alkoholiker, er hat gern und viel getrunken aber er war ein (gesellschaftlich) geachteter Mann: Schulmeister, Internatsleiter und ist jetzt Studiendirektor außer Diensten. Und er war ein Sadist, er hat geprügelt und hat sich bei seinen Prügeleien gehen lassen. Das letzte Mal hat er mich geprügelt, da war ich 21 und bei der Bundeswehr, einen Kopf größer wie er und hätte mich wehren können. Ich hab ihn damals nur verachtet, was für ein tobendes prügelndes Männchen...

Für meinen Hass habe ich lange gebraucht, ich habe noch eine ganze Zeit, da war ich schon trocken und über dreisig, immer noch nach seiner Anerkennung gebettelt und nach dem, was ich für Liebe gehalten habe. Ich war wie so ein winselnder Hund, völlig ohne innere Selbstachtung. Verachtung war das Gefühl, das ich für die Welt übrig hatte und für mich.

Mein Hass hat mir geholfen, mich Stück für Stück aus diesem Sumpf zu ziehen. Er war es, der mir meine Kindheit ruiniert hat und mein Vertrauen in die Welt. Es gibt ein klar beschreibbares Verbrechen, das er begangen hat, und es interessiert mich dabei nicht im geringsten, ob er dabei seine Sexualität mitausgelebt hat, oder sein eigenes Opferdasein oder seine SS-Vergangenheit. Er war einfach ein prügelndes Schwein.

Seit ich ihn hassen kann geht es mir besser.

Seit einem Jahr besteht Kontakt zu meinem Schwiegervater. Und seit dieser Zeit habe ich mit heftigen Dep(p)ressionen zu kämpfen. Wir wohnen in einem (kleinen) Haus, das der Großvater (meiner Frau) gebaut hat. Dieses Haus steht nicht weit weg vom KZ, wo er (der Großvater) beschäftigt war, als SS-Beamter. Die Vergangenheit holt einen manchmal auf sehr seltsame Weise ein.

Ich wohne in diesem Haus, weil meine Kinder in einer Umgebung wohnen, die ich ihnen aus eigener Kraft nicht bieten könnte, sie haben einen großen Garten, und Platz zum wohnen, und immerhin können die nun gar nichts dafür.

Was ich immer noch spüre: Je mehr ich bei meinem Hass bin, wie jetzt wo ich das schreibe um so weniger spüre ich meine Dep(p)ression.

Hass ist der Bruder der Liebe, aber es sind Stiefgeschwister

tschüß
Michael


Rosa Krebs Offline




Beiträge: 436

15.08.2003 15:33
#19 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Ich möchte niemanden verletzten, oder irgendwelche Gefühle in Fragen stellen....

Wo sind die Eltern, Mütter, Väter, oder Erziehungsberechtigte die keine Fehler machen?
Meine ganz persönliche Meinung lautet: die gibt es nicht!

Wir alle tragen unsere ganz persönliche Geschichte in uns, und was wir daraus machen, können wir selbst bestimmen. Das beste wäre "aufstehen" und es anders / besser machen.

Ich hatte auch eine traurige Kindheit.... große Angst und die Verantwortung für 2 jüngeren Geschwister.
Wut, Scham und Verzweiflung kenne ich gut.

Als ich selbst Kinder hatte (Mitte 20) habe ich eingesehen, dass ich erst Vorwürfe an meine Eltern machen darf, wenn ich mein Leben besser und schöner hinbekomme, als sie es mir vorgelebt haben.

Außerdem meine ich, dass das "nicht Verzeihen können / wollen" einem die ganze Kraft raubt, die eigentlich gebraucht wird, um etwas sinnvolleres damit anzufangen.

Ich wollte nicht mein ganzes Leben dem "Leiden" opfern .... was so viel bedeutet wie, den anderen die Schuld für mein eigenes, gelebtes "Erwachsenenleben" zu geben.
Wer immer nur nach "hinten" schaut, hat Scheuklappen auf und sieht die ganze Pracht des Lebens, der Schöpfung / Natur nicht. Wir haben doch alle nur dieses "Leben" und das wollte ich nicht vergeuden.

Vielleicht hört sich das alles oberflächlich oder unsensibel an, aber das soll es nicht sein.

Ich habe das für mich geschrieben, weil Fehler habe ich genug gemacht.
Ich bin froh, dass ich vor vielen, vielen Jahren meinen Eltern vergeben konnte, denn heute als "Betroffene" weiß ich: "Wer im Glashaus sitzt sollte nicht mit Steinen werfen".

Ich habe mit meiner Vergangenheit abgeschlossen........

Mein Mann sucht noch......

@ Michael,
eigentlich sollte ich jetzt meinen Mann bitten etwas zu schreiben.
Er hat eine ähnlich Vergangenheit wie du erlebt. Heute ist er 55 Jahre alt und sagt auch, dass er mit seinen Eltern abgeschlossen hat. Aber bei jedem Anruf, ob Geburtstage oder Feiertage..... sind sie bei uns mehrtägiges Gespräch. Ich sehe wie er heute noch darunter leidet.... nie Liebe oder Anerkennung bekommen zu haben.
Seine "Arbeitssucht" kommt nicht von ungefähr.
Das Gefühl "Hass" kann oder will er nicht zu lassen. Er möchte, dass sie ihm endlich neutral, egal, gleichgültig werden, aber irgendwie will sich das Gefühl bei ihm nicht einstellen.


ameise Offline




Beiträge: 1.110

15.08.2003 17:44
#20 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Hallo Rosa Krebs,

Du schreibst:

Zitat
Vielleicht hört sich das alles oberflächlich oder unsensibel an, aber das soll es nicht sein.



Wie kommst Du darauf?
Deine Einstellung finde ich sehr sensibel und sehr klug.
Unsere Eltern sind ja auch mal Kinder von Eltern gewesen.
Heute sehe ich sie nicht nur als meine Eltern - sondern als einzelne Menschen, die sich genauso durchs Leben kämpfen wie wir alle.
Das Witzige ist - daß auch sie ihren Eltern für ihre eigene Unzulänglichkeit heute noch die Schuld geben.

Sicher versuche auch ich vieles anders zu machen als sie - das ist, denke ich Naturgesetz.
Auch meine Eltern haben bewußt alles anders gemacht, als sie es von ihren Eltern kannten.

Meine Eltern sind keine Alkoholiker, aber auch sie leben in ganz krassen Abhängigkeiten -
und auch in meiner Kindheit sind viele unschöne Dinge vorgefallen.
Die perfekten Eltern gibt es wohl nicht.

Meine Tochter liebe ich über alles -
sie ist sozusagen meine einzige große Liebe in
diesem Leben -
trotzdem bin ich nicht immer perfekt darin, ihr das auch zu zeigen.
Und sicher wird sie später auch mal viel zu meckern haben.
Das ist wohl das Los der Eltern -
Kinder erwarten von Eltern immer 100prozentig richtiges Verhalten - und manchmal ist es sehr schwer,
das zu erfüllen - 24 Stunden am Tag.

Michi, was Du erlebt hast, das ist krass - Gewalt und Sadismus sind mit nichts zu entschuldigen.
Und Dein Verhalten finde ich total in Ordnung.
Es gibt Menschen, die sind einfach kalt im Herzen.
Ich schreibe hier nur für die, die einfach nur krank sind - aber trotzdem ganz viel Liebe im Herzen tragen.


Michimichi ( gelöscht )
Beiträge:

15.08.2003 18:45
#21 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Hi Helena,
Rosa Krebs
und alle anderen Lieben

Der entscheidende Punkt im Verhältnis der Generationen ist die Einstellung der Eltern zu ihren Kindern.

Erziehung ist ein unmögliches Geschäft. Man kann nur versuchen sowenig wie möglich Fehler zu machen. Was ich von meiner Frau gelernt habe ist, dass ich keine Macht-Kämpfe (mehr) eingehen muß, und dass ich mich bei meinen Kindern (bei Fehlverhalten) auch entschuldigen kann. Ich glaube niemand wird eine ehrliche und herzlich gemeinte Entschuldigung ablehnen. Das zeigen so großartige Prozesse wie die Wahrheitskommision von Bischof Tutu in Südafrika, wo ja auch ganz grausame Sachen passiert sind.

Was meine Beziehung zu meinen Eltern zum Bruch hat kommen lassen, war, dass sie meine Sucht - da war ich zwei Jahre trocken und clean - dass sie die nicht akzeptieren wollten.

Meine Eltern haben meine Sucht verstanden als zusätzliche Bosheit, die ich ihnen zugefügt haben. Mein Vater hat mir immer ein Bier angeboten, wenn ich nachhause kam (als Pädagoge !) obwohl er wußte was mit mir los war.

Ich überlege es trotzdem immer wieder - ob ich nicht doch wieder Kontakt aufnehmen soll, weil ich meinen Kindern nette und großzügige Großeltern wünsche, wie ich sie selbst erlebt habe, aber ich habe ehrlich gesagt nicht den Mut. Ich habe Angst, dass sie einfach nur älter aber nicht einsichtiger geworden sind. Ich habe ein so mühsam erworbenes seelisches Gleichgewicht, dass ich es nicht so in Gefahr bringen möchte.

vielen Dank auch für deine/eure Antworten
Michael


Rosa Krebs Offline




Beiträge: 436

15.08.2003 18:50
#22 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Hallo Helena,

du schreibst:
Kinder erwarten von Eltern immer 100prozentig richtiges Verhalten - und manchmal ist es sehr schwer, das zu erfüllen - 24 Stunden am Tag.

Ich sehe das etwas lockerer. Wir Eltern dürfen auch Fehler machen. Wir müssen nur dazu stehen und nicht versuchen sie zu vertuschen.
Liebe Helena, ich hatte auch ein sehr inniges Verhältnis zu meinen Kindern, bis sie in die Pubertät kamen.
Da wollten sie mal innig geliebt, umsorgt und behätschelt werden und kurz darauf unabhängig und frei sein. Nicht immer nur Mamas "Liebling" sein. Die "Abnabelung" halt.

Heute haben wir ein offenes, freundschaftliches Verhältnis. Sie wissen beide, wir sind immer für sie da. Wir sind wahnsinnig stolz auf sie, weil sie versuchen ihr Leben selber zu "meistern" und uns Eltern nicht als "Problemlöser und Auffanglager" sehen.
Diese Bemerkung nur, weil ich da ein paar Fälle aus unserem Bekanntenkreis kenne.

Rosa Krebs

PS: Bitte nehme es mir nicht übel wenn ich das hier schreibe - du liebst dein Kind über alles, das finde ich absolut richtig und völlig in Ordnung, aber mache sie nicht zum Partnerersatz.


ameise Offline




Beiträge: 1.110

15.08.2003 19:23
#23 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Nein Rosa Krebs - das nehme ich Dir nicht übel.
Ich nehme es mir eher zu Herzen!


Rosa Krebs Offline




Beiträge: 436

15.08.2003 20:04
#24 RE: Alkoholsucht, Kinder und schlechtes Gewissen Zitat · Antworten

Hallo Michael,

du schreibst - Ich habe Angst, dass sie einfach nur älter aber nicht einsichtiger geworden sind. Ich habe ein so mühsam erworbenes seelisches Gleichgewicht, dass ich es nicht so in Gefahr bringen möchte.

Meine Güte, unter dieser Voraussetzung – würde ich am Liebsten schreien "Lass die Finger davon".

Ich kenne deine Eltern nicht, aber dieses ewige sich "demütigen" zu lassen haben wir auch hinter uns und dachten auch noch, dass wir unseren Kindern damit was "Gutes" tun, weil wir ihnen Oma + Opa erhalten.

Eigentlich hätte uns klar sein müssen, dass das nicht lange gut gehen konnte.

.... wenn Vertrauen und Respekt missbraucht worden sind ....
.... wenn man die nackte Wahrheit im Gesicht seines Peinigers gesehen hat ....
.... können sich Menschen wirklich ändern, die sich so vergessen haben (ohne Therapie) ....
.... wollen wir nur an das Gute glauben ....
.... das alles nicht wahrhaben ....
.... uns selber täuschen und alles schönreden ....

Ich weiß auch nicht weiter, aber wie gesagt, ich kenne deine Situation und deine Eltern nicht, aber deine Überlegung gab mir einen sehr tiefen, schmerzhaften Stich ins Herz und ich fühlte mich persönlich betroffen.

Heute sind meine Schwiegereltern alt und wollen / brauchen unsere Hilfe und zwar so, als ob wir eine heile Familie gewesen wären. Alles soll doch endlich vergeben und vergessen sein.
Ihre Meinung ist: Bub, du bist doch unser einziges Kind......

Michael, natürlich kann es bei euch auch völlig anders ablaufen und alles wird gut....
Hast du keine Geschwister, die dir berichten könnten, ob sich dein Vater zum Positiven geändert hat?


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