Auch mir waren sogenannte "normale" Leute immer ein Greuel. Sie wurden mir seit meiner Kindheit immer vor die Nase gehalten, als Vorbild. Ja nicht vom "Normalen" abweichen, als graues Männchen in der grauen Masse mitschwimmen.
Da ich aber nie ein graues Männchen bzw. Weibchen war, habe ich mich von Anfang an dagegen aufgelehnt. Das "Normale" war das Schrecklichste für mich. Meine Trinkerei war u.a. sicher einer von vielen Widerständen gegen die Normalität. Und natürlich der unsinnigste Widerstand von allen. Denn ich habe mir damit nur geschadet.
Trocken zu werden und zu sein, hat für mich nie bedeutet, "normal" zu sein. Also das zu sein, was ich unter normal verstehe. Angepasst, die gleichen Ideale, Ziele zu haben, wie die Allgemeinheit, etc. Ich konnte, als es mir wieder gut ging, meinen nicht-normalen Weg besonders schön ausbauen. Und das ging auch unter den Lebensbedingungen, die ich nun mal habe. Ich bin nie mit dem Strom geschwommen, wenn es mir gegen den Strich ging. Ich habe versucht, mich immer so zu verhalten und so zu handeln, wie es meiner Persönlichkeit nicht geschadet hat. So, dass ich zu meinen Handlungen "ja" sagen konnte. Natürlich habe ich auch Kompromisse gemacht. Aber ich habe sie nur gemacht, wenn die Personen, denen zuliebe ich mir zuwider gehandelt habe, auch mir mit Kompromissen entgegenkamen. Eine Hand wäscht die andere. Und natürlich klingt das jetzt ziemlich perfekt, wenn ich es aufschreibe, und war nicht so perfekt in der Praxis. Aber es war mir nur trocken möglich, richtig schön unnormal zu sein. Und im Grossen und Ganzen bin ich auch zufrieden mit mir. Es ist wunderbar, was ich von euch da lese. Ich bin also auch mit dieser Charaktereigenschaft nicht allein......
@Feli: Ruhige Menschen, die nicht von innen heraus ruhig sind, sondern nur den Anschein erwecken wollen, erkennst du ganz leicht bei Augenkontakt. Sie haben einen flackernden Blick, der nichts richtig fixiert. Die Ruhe, die ein Mensch ausstrahlt, ist in den Augen wunderbar zu erkennen. Von mir sagt man, dass ich eine grosse Ruhe ausstrahle. Wenn du aber mit mir in einem Raum, an einem Tisch bist, dann merkst du auch, dass ich trotz aller inneren Ruhe nicht stillsitzen kann. Z.B. Ich zapple herum, fuchtle mit den Händen, wenn ich rede, zupfe an Haaren und Gesicht herum. Und trotzdem strahle ich eine Ruhe aus. Komisch, gell? Aber es wurde mir glaubhaft schon von vielen Seiten gesagt. Deshalb mache ich auch nichts gegen mein Zappeln und Kugelschreiber-Zerpflücken. Was soll's. Normale Leute machen das natürlich nicht. Normale Leute verpassen ein ganz schönes Stück richtiges Leben. Zumindest erleben sie nie die Glückseligkeit, einen alten Kuli so richtig schön auseinanderzunehmen, auf dem Stuhl zu wackeln und nebenher ein tiefsinniges Gespräch zu führen.
Hallo an alle , jetzt habe ich auch wieder ein bißchen Zeit, um zu schreiben. Klasse Diskussion hier, macht Spass das alles zu lesen. Seit ich nicht mehr saufe, habe ich mich zu einem ganz anderen Menschen entwickelt (oder aus-gewickelt), als ich dachte sein zu müssen. Ich habe mich eine Zeit lang bemüht "normal" zu werden. Eben das, was man so vorgelebt bekommt in unserer Gesellschaft. Ging aber nicht, da ich in dem Sinne nie "normal" angepasst war. Bin ich auch heute nicht. Aber meine eigene "Normalität, die habe ich gefunden, bzw. finde sie immer weiter heraus ohne mich nach den Meinungen anderer zu richten. Ich habe nicht aufgehört zu trinken, um zu lernen, besser heucheln zu können, sondern um endlich zu wissen, wer ich denn bin, wenn ich mich pur erlebe. Ich muss mich nicht an den Lügereien "der anderen" beteiligen, sondern kann mir einen anderen Weg aussuchen und leben. Einen der mir gemäß ist, wo ich mich abends auch noch im Spiegel anlächeln kann. Ist zugegebenermassen nicht immer einfach, ( hat uns ja auch keiner versprochen, das das Leben einfach ist) aber ich habe heute ganz konkret etwas dagegen, mich verbiegen zu lassen. Das war ich zu lange. Ich kann heute ganz gut , wenn notwendig, Grenzen um mich ziehen ohne mich in einen "Menschenhasser" zu verwandeln, da ich meine Bedürfnisse kennengelernt habe und immer weiter kennenlerne. Meine Bedürfnisse, die für mich "normal" sind , gleichen längst nicht immer denen der anderen. Aber bis ich mir das gestattet habe, "mein eigener Mensch" (danke, Helena!!) musste ich an mir ganz schön leiden . Ich liebe mein trockenes Leben heute sehr, konnte mir in Saufzeiten gar nicht vorstellen, das dies möglich ist, gerne zu leben! Ich habe nie gerne hier gelebt, bin an der "Normalowelt" kaputtgegangen. Das ist jetzt wie ein Geschenk. Sogar Probleme lassen sich so besser lösen und aushalten. Es lohnt sich wirklich trocken zu bleiben und Schwierigkeiten zu überwinden. So, nun koche ich etwas zum Essen, gehe nachher ins Meeting und gucke später nochmal rein, denn mein Lebensgefährte hat 3 Tage Nachtschicht (bin immer noch ein Nachtrabe). Albatros
Die letzten Beiträge machen mir ja richtig Appetit auf eine lange Trockenzeit, den im herkömmlichen Sinne "normal" bin ich eben auch nicht. Ich kann es nur bestätigen, mit der Sauferei katapultierte ich mich nur selber ins Aus. Langsam sehe ich da die Möglichkeit , meine Fähigkeiten und Möglichkeiten zu nutzen, um Unangenehmes auszuhalten - das fällt mir am schwersten - eben die Dinge, die ich nicht ändern kann (ich bin zwar anpassungsfähig, aber ich lasse mich nicht verbiegen, denn das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge) - und Probleme in kleinen Schritten zu lösen, die für mich lösbar sind. Ich hatte meist das Motto " I want it all - and I want it now" Damit war das Ergebnis dann entweder extrem gut - oder extrem schlecht. Aber ich lerne langsam, dass es dazwischen auch noch was gibt, mit dem man durchaus leben kann. Der Umdenkprozess ist jedenfalls im Gange, ich denke für mich, das ist schon was. Mit vielen Beiträgen hier auf dem Board kann ich wirklich etwas anfangen. Gut, dass ich die Seite gefunden habe.
Wenn ich drüber nachdenke, kenne ich eigentlich nur Menschen, die von sich sagen, sie halten sich nicht für normal. Irgendwie ist das schon normal. Es gibt aber auch Menschen, die sich einfach normal finden und trotzdem was ganz Besonderes für mich sind. Ich denke, es hat wirklich damit zu tun, was wir als normal erleben mußten und gegen unser ureigenstes Empfinden verstoßen hat. Damit möchte man nichts mehr am Hut haben - zu Recht. Und davon darf man sich getrost abheben. Es sollte normal sein, so zu sein, wie man halt gedacht ist. Aber das sollte man jedem anderen auch zugestehen. Die, die das nicht können - die, die sich niemals ehrlich mit sich selbst auseinandergesetzt haben, und nur geiern, was die anderen machen - die sind in meinen Augen die Unnormalen. Oder?
Hallo an Alle! Helena, das ist gut ausgedrückt mit dem ureigenen Menschen. Genau das war mein Empfinden, als ich aufhören durfte zu saufen: ICH WILL ENDLICH WISSEN; WIE LEBEN GEHT! Da war so eine starke Sehnsucht in mir, Sehnsucht nach Leben. Und dann das starke Gefühl: dann muß ich mich aufmachen, so zu werden, wie ich ursprünglich "geplant" war!
Ist ein langer Prozeß und der endet erst, wenn der Deckel über mir zu geht. Es ist auch nicht alles perfekt, was ich heute, im Gegensatz zu früher gut aushalten kann. Bin ja auch nicht perfekt, Gott sei dank. Muß es auch nicht mehr vorspielen, weil ich meistens keinen Mangel oder Minderwert mehr in mir spüre. Ich darf so sein, wie ich bin und ich bin gewiss nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere.
Das war ein sehr grosses Problem von mir, ich habe grundsätzlich gedacht, die anderen sind alle besser als ich (wenn die wüßten, wie ich wirklich bin, würde mich keiner mehr lieben)oder als extremen Gegensatz dazu habe ich mich haushoch überlegen gefühlt. Sehr anstrengend! Es gibt so ein paar Grundsatzfragen in meinem Leben, die ich mir immer dann stelle, wenn ich etwas nicht empfinden kann oder nicht weiß, was ein Gefühl mit mir macht: Wie fühlt sich das an? Was macht das mit mir? Was ist das für ein Gefühl oder Ereignis, welchen Namen gebe ich dem?
Ist sehr wichtig für mich, denn früher, zu Saufzeiten, hatte ich nur einen Gefühlsmatsch in mir, den ich nicht definieren konnte, ausser das er "grau", zähe und arg depressiv war! Ich habe mich immer dafür entschieden, alles übel zu nehmen und ich war mein ärgster Feind!
Heute könnte ich trocken so nicht mehr mit mir leben und ich bin die einzige, mit der ich leben muß, bis an mein Lebensende!
Trotz längerer Trockenheit bin ich immer noch, wie alle, nur eine Armlänge vom 1. Glas entfernt und darum passe ich gut auf meinen Seelenzustand auf.
Und irgendwann möchte ich mal trocken in die Kiste springen und sagen können: ich habe doch gerne gelebt und versucht, das Beste draus zu machen. Ein Lebenslehrling eben. In diesem Sinne wünsche ich eine gute Zeit. Albatros
Ich will Euch mal schreiben, was ich in meiner Kindheit als normal erleben „durfte“. Erwachsene haben immer Recht. Eine eigene Meinung nannte man „Widerworte“ und dafür gab es was an die Backen. Meine Erzieherinnen im Kindergarten (Nonnen) hatte ich mit einem „Knicks“ zu begrüßen. Selbige durften mich ohrfeigen, wenn ich während der Mittagsruhe lachen mußte. Selbige ließen mich stundenlang vor meinem Teller Grießbrei sitzen, weil ich den nicht essen mochte (da waren immer so dicke eklige Klumpen drin, graus). Nach meinen Gefühlen wurde ich niemals gefragt. Ich hatte meinen Eltern bedingungslos und ohne Hinterfragen zu gehorchen. Ich hatte lieb, artig und unauffällig zu sein.
Das war meine Normalität und die Normalität aller anderen Kinder.
Heutzutage wird ja in der Erziehung schon größter Wert auf die Entfaltung der Individualität gelegt - meine Tochter kann mit ihren neun Jahren ihre Gefühle schon so großartig in Worte fassen, daß ich neidisch werden könnte. Ich bin stolz darauf, daß sie nach ihrer eigenen Meinung sucht und diese auch vor anderen vertreten kann. Zu meiner Zeit nannte man das „aufsässig“.
Ist es eigentlich ein Wunder, daß das Auflehnen gegen die Normalität ein Grundgefühl unserer Generation ist?
sollte man das Wort "Normal" nicht einfach ersatzlos streichen dürfen? Dieses Wort stammt doch noch aus einer Zeit,wo alle Leute die gleichen Denkmuster,Lebensrituale und Wertvorstellungen hatten.In diesen Zeit konnte man noch von Norm sprechen. Aber seitdem selbst der konservativste Deutsche so langsam zu ahnen beginnt,das es hinter der Grenze noch etwas anderes zu geben scheint,kann man nicht mehr von Normen sprechen. Es gibt eigendlich nur noch eine Lebensdevise mit der man extrem gut fährt:
Kenne ich auch nur so, artig und unauffällig sein zu müssen in der Kindheit. Das das, was ich denke und fühle nicht im geringsten zählt. Unauffällig und angepaßt sein, "normal" sein zu müssen, und daheim selbst lebten alle ihre Lügen. Der Alkoholismus meines Vaters wurde nach außen vertuscht (von allen) nach innen verleugnet oder verniedlicht (von der Mutter meines Vaters) oder diffus bekämpft (von meiner Mutter).Ich hatte da so gar keinen Platz und wurde - so empfand ich das - auch nicht sehr gemocht, außer von meiner Mutter, da hatte ich aber wiederum das Gefühl sie benutzt mich für sich selbst und ich bin nur "gut" wenn ich eben unauffällig bin. Was mir noch gut in Erinnerung ist, ist das ich immer wieder mit anderen - scheinbar so braven - Kindern verglichen wurde und so sein zu hätte. Das machte mich immer sehr fertig, schon damals, also das Gefühl das man mir gab selbst böse und nicht liebenswert oder nichts wert zu sein, wenn ich nicht so bin, wie meine Mutter das für "richtig" hielt. Alles in allem habe ich sehr früh gemerkt wie die Erwachsenen ihre "normal" show spielen. Das hat mich zerissen und so wollte ich nicht sein, aber wie ich sein wollte oder wer ich bin wußte ich auch nicht, hatte ich doch schon sehr früh beinahe selbstzerstörerische Tendenzen und trank schon gerne mit 16.
Es war ein sehr langer Weg bis heute, endlich genug Selbstbewußtsein zu besitzen und zu wissen ich bin wer. In all meinen Trinkerjahren wußte ich das nicht, ich suchte mir "gute Gefühle" in der Flasche. Was mein Gedankenkarussell ja nicht realer oder besser machte. Für mich hat das heute auch mit sich selbst erniedrigen zu tun. Ich habe mich durch mein Trinken selbst erniedrigt und hatte doch garnicht die Möglichkeit mich "normal" zu fühlen. Denn das empfinde ich heute als eine Art Befreiung. Endlich ich sein und "normal" sein zu dürfen. Und das hat für mich auch nichts mit angepaßt sein zu tun. Bin ich doch durch mein endlich "gut" Gefühl mit mir selbst erst in der Lage auch zu mir und meiner Meinung zu stehen. Trinkend war das eher Wischiwaschi lamentierend in der Kneipe. Vorgegaugeltes Selbstwertgefühl.
So, das war so was ich darüber denke in Verbundenheit Bea
Kinder sollten so früh wie möglich lernen, ihrer eigenen Wahrnehmung zu trauen. Zu meiner Zeit wußten Eltern gar nicht, daß Kinder so etwas wie eine Wahrnehmung besitzen. Irgendwann habe ich meinen eigenen Empfindungen nicht mehr getraut. Ich meinte, sie wären falsch - weil sie niedergemacht wurden. Das, was viele Kinder heute wie selbstverständlich mit auf den Weg bekommen, mußten viele Menschen in meinem Alter erst sehr spät lernen. Meine Mutter lernte das erst mit sechzig Jahren, ich selbst mit fast 40 Jahren: Mir selbst vertrauen dürfen. Wenn ich meinem Kind eines mit auf den Weg gebe, dann ist es genau das: Vertraue Deinen Wahrnehmungen, Deinen Bedürfnissen, Deinen Gefühlen - denn sie sind richtig - für Dich! Das heißt nicht, daß ich mir auf der Nase herumtanzen lasse - aber ich finde es halt wichtig. Ich kann einen Menschen nicht ein halbes Leben lang nicht für vollnehmen und dann anschließend sagen: So, jetzt bist Du 18 - erwachsen - und jetzt sei bitteschön selbstbewußt! Das funktioniert einfach nicht. Aber genauso habe ich es erlebt - Kleinbürgertum vom Feinsten. Obrigkeitsdenken - andere waren irgendwie immer mehr wert als man selbst. Aber so war auch Zeit - meine Eltern sehen heute auch einiges anders als damals. Die brauchten ja noch länger als ich, um sich von einigen Dingen frei zu machen und würden heute auch vieles anders machen. Naja - sie machen es gut: übers Enkelkind - das muß ich ihnen zugute halten.
war ich ziemlich faul in der letzten Zeit - könnte eine Folge der Normalität sein... Da wurde mir doch glatt gesagt, mein Innenleben sei mein subjektives Empfinden, während "objektiv" da draussen, die "Probleme" weiterhin bestehen - so viel kann ich da gar nicht abheben. So was ?!
@ Feli: Gegen die Sprünge ist gar nichts einzuwenden - wenn nicht der Aufprall so hart wäre. Und nach jahren folgt auf den Sprung nicht nur ein Aufprall, das ist dann eher schon wie bei einem Gummiball. Das witzige daran ist, dass man von den Mitmenschen für diese Eigenschaften, ausgelöst und ins groteske gesteigert durch die Erkrankung- hoch geschätzt wird - klar, sehen die doch Dinge, von denen sie bis dahin noch nicht mal wußten, dass es das gibt... Aber es ist das ganze letztendlich nicht Wert. Schön, mein Wort in meinem Ohr
Wie ich sehe: beim Thema "normal" ist so richtig die Post abgegangen Das kann man drehen und wenden wie man will: Der Arsch bleibt immer hinten !
Ja, wie war das in der Kindheit, was war da "normal" und was nicht ? War bei mir einfach: nichts war normal im herkömmlichen Sinn. Habe nie gelernt, was Kontinuität ist, was heute gut war, konnte morgen schlecht sein. Bezugsperson: ja, schon, aber. Vertrauen detto: heute ja, morgen nein. Auf der anderen Seite: grenzenlose Freiheit (die elterliche "Aufsicht" war auf Grund div. Krankheiten eingeschränkt), tun zu dürfen, was man will - aber nie eine Grenze - später sucht man sie vergeblich und begibt sich in die wahnwitzigsten Situationen. Einerseits überschäumede Liebe, Lust - andererseits Desinteresse, psychische Gewalt. Auch körperliche. Als Resultat: die Beschäftigung mit dem Tod, Rückzug vom Leben, Isolation, Tagträume, Sucht. (stets ein leichtes Hungergefühl, aber da kannst reinstopfen soviel Du willst, es ist ein Fass ohne Boden)
Das einzige, schöne waren unsere "depressiven" Urlaube in jener Gegend, die ich mal beschrieben habe.