Deine Geschichte ist wirklich ein gutes Beispiel dafür, wie schnell die Krankheit wieder ihren weiteren Verlauf nimmt - wenn erst auch schleichend - wenn man erstmal wieder am ersten Glas genippt hat. Ich muß an dieser Stelle mal zugeben, daß ich auch schon diesen verhexten Gedanken hatte, heute könnte mir ein Glas Wein nicht mehr schaden. Wohlgemerkt nur, wenn ich mal wieder meine fünf Minuten habe. Ich weiß, daß das nur ein ganz hinterlistiger Gedanke aus meinem Suchtgedächtnis ist, der mich kriegen will. Der kann auch sehr hartnäckig sein. Aber da ist auch etwas in mir wie der Hüter meines Gewissens. Schon allein bei dem Gedanken, ich würde tatsächlich das erste Glas anrühren überkommt mich sowas, was ich noch aus meiner Kindheit kenne: etwas furchtbar Verbotenes zu tun, das man lieber nicht tut. Ich weiß nicht wie ich das ausdrücken soll, aber es ist, als ob mein Gewissen total geschärft ist und mir das Verbotsschild vorhält. So wie vielleicht die Versuchung eines Ehebruchs - den man einfach nicht begehen kann, weil es dieses innere Verbot nicht zuläßt. Ich spinne meine verschrobenen Gedanken dann meist weiter und male mir aus, wie ich am nächsten Tag wohl aufwachen würde. Und dieses Gefühl, das ich dann haben würde, wird schon in meiner Vorstellung unerträglich für mich. Nun bin ich allerdings noch nicht so lange trocken wie Du es warst. Aber irgendwie auch schon lange genug, daß ich es mir nicht vorstellen kann, zuzugreifen. Wie es ein paar Monate oder Jahre später aussieht, weiß ich nicht. Ich besuche zur Zeit keine Gruppe. Da ich aber auch lernfähig bin von dem, was hier geschrieben wird, weiß ich, daß ich über kurz oder lang doch lieber eine aufsuchen sollte und auch werde. Im Moment trägt mich das board sehr gut durch meine Trockenheit. Aber ich werde natürlich wachsam bleiben. Zur Zeit wurde hier soviel über Saufdruck geschrieben, daß ich heute abend selbst schon auf dem Sofa saß und dachte, wie cool es doch wäre, wieder normal trinken zu können. Total bescheuert. Ich werde das natürlich nicht tun - aber diese bekloppten Gedanken waren einfach da. Die sind jetzt auch wieder verschwunden, aber man läßt sich da doch mitunter von der Stimmung anderer anstecken. Deswegen finde ich Deine Geschichte hier auch total wichtig. Bleib dran - ich weiß, Du wirst es schaffen.
Gerade haben wir in der Gruppe, in der ich vorgestern zum ersten mal war, über das Thema "Rückfall" und "Versagen" diskutiert. Ich bin derzeit zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Rückfall oder auch Saufdruck (unter dem ich diese Woche ernorm litt)eine Art Hilferuf meines Körpers/Seele ist, dass ich mich nicht gut genug um mich kümmere. Das ich Bedürfnisse ignoriere, die ich habe und dann kommt der blöde Schweinehund und ruft: Saufen! Saufen!
In meinem Fall hat mir der Kontakt mit Menschen, die mich verstehen und mit denen ich mich austauschen kann schon wieder den Druck genommen. Deshalb denke ich auch - wie es auch schon vielfach hier geschrieben wurde - eine Gruppe ist absolut wertvoll und wichtig!
Besonders gut gefällt mir der Satz von Nachteule:
ZitatAlkoholismus ist eine tödliche Krankheit...und sie sagt Dir, dass Du sie NICHT hast
Das trifft es!
Und auch Helena spricht hier Gedanken aus, die wohl jedem hier manchmal durch den Kopf gehen:
Zitatwie cool es doch wäre, wieder normal trinken zu können.
Aber was ist normal zu trinken? Haben wir jemals normal getrunken? Ich zumindest nicht! Deshalb werde ich es auch nie kennenlernen, weil ich es eben auch noch nie konnte.
Das wir hier immer wieder schreiben und lesen, unterstützt enorm, dass man nicht in die eigene Gedankenfalle laufen kann. Ich habe für mich festgestellt, dass Abkapselung und Rückzug absolut Gift für mich ist, zur Zeit. Ich muss unter Leute und ich brauche Freunde und Menschen, mit denen ich reden kann - nachdem ich hier mein letztes Thema verfasst hatte, ist mir das selbst erst so richtig klar geworden. Meinen Superfreund Alkohol hab´ich vor die Tür gesetzt - ist ein bißchen einsam ohne...und ihr wißt ja sicher wie das ist, wenn der Ex wieder an die Tür klopft und man sich gerade so einsam fühlt...
Lis, wenn ich lese, was du schon alles unternommen hast, damit es dir wieder gut geht, meine ich, dass du selbst gemerkt hast was du jetzt brauchst. Vielleicht hast du das vor dem Rückfall "überhört".