ich finde putzen doof. das macht mir schlechte laune. trotzdem habe ich's gerne sauber um mich rum in der wohnung. weil - wenn überall die staubflocken rumliegen, dann kriege ich ein schlechtes gewissen und kann mich nicht mehr auf meine arbeit konzentrieren, bevor ich die nicht weggesaugt habe.
also leiste ich mir eine putzfrau, und zwar seitdem ich nicht mehr trinke. zur belohnung, quasi - und zur unterstützung meiner stabilen zufriedenheit! das hilft mir, meinen stress zu mindern. stress hat mir damals der arzt verboten. das gilt heute auch noch.
die putzfrau kommt alle 14 tage einen vormittag lang und macht alles blitzblank. das hilft mir auch, den dreck mal liegen zu lassen (denn übermorgen kommt sie ja...) und hat einen erheblich positiven einfluss auf meine laune. außerdem ist es immer noch biliger, als wenn ich noch trinken täte.
meine letzte putzfrau hat mich anfang juli nach drei jahren verlassen, weil sie wieder ne feste stelle hat. nun hatte ich gestern in unserem gemeindeblatt eine anzeige (ohne meinen namen, nur tel.no).
die erste bewerberin, die mich persönlich erreichte - ich nenne sie mal frau emma -, so stellte sich während des telefonates heraus, ist eine der vielen schwestern meiner vermieterin. ich habe sie dann gefragt, ob ihr das nicht komisch sei, im haus ihrer schwester zu putzen. sie meinte, nö. also habe ich sie für heute morgen eingeladen.
ich erzählte meiner netten vermieterin davon, was für ein zufall das doch sei...
meine vermieterfamilie weiß von meiner alkoholgeschichte - das habe ich ihnen kurz nach meinem einzug erzählt. das schützt mich vor nett gemeinten wein- und sektflaschen zu allen möglichen anlässen. schließlich ist hier eine weingegend: die reben beginnen gleich hinter dem haus und die winzergenossenschaft ist schräg gegenüber. die vermieter wissen auch von meiner selbsthilfegruppe, und dass ich einen verein für frauensuchthilfe gegründet habe. wie ich das alkoholproblem für mich löse, davor haben sie großen respekt.
nun ist aber frau emma genau DIE schwester meiner vermieterin, von der sie mir schon oft erzählt hat, dass sie gar nicht mehr weiß, was sie noch machen soll, weil frau emma säuft und säuft und keine therapie hilft und die ganze familie schwankt zwischen wut und verzweiflung (es sind immerhin acht geschwister).
mein erster gedanke war: sieh mal an. das ist ja eine gelungene koinzidenz, die mein kosmischer kellner mir da serviert hat! da kommt die alkoholkranke schwester zu mir zum arbeiten ohne zu wissen, dass ich quasi ein abstinenzkompetenzzentrum bin. vielleicht gibt ihr das ja einen guten anschubs in die richtige richtung...
als frau emma kam, heute früh um halb zehn, hatte sie eine fahne. ich roch die krankheit nicht nur, ich sah sie ihr auch an.
. einerseits dachte ich: okay, ich weiß ja selbst wie das ist - sie soll ihre chance kriegen. . andererseits: die fahne war heftig. der dunst scheint jetzt noch in der luft zu hängen und macht mich ganz unwohl. jedenfalls roch es auch heute mittag nicht lecker frisch geputzt in der wohnung, wie es hätte sein können...
also habe ich, bevor frau emma ging, mit ihr tacheles geredet: habe gesagt, dass ich selbst abstinente alkoholikerin bin; dass ich den eindruck habe, sie rieche nach alkohol; dass ich das nicht möchte und dass sie das abstellen müsse, wenn das hier was werden soll.
wir haben dann noch ne halbe stunde geredet über trinken und nicht trinken und meine geschichte und ihre geschichte... am ende kam ich mir vor wie eine therapeutin, die ihre klientin bezahlt für die arbeitstherapie.
die arbeit hat sie ordentlich gemacht. in zwei wochen kommt sie wieder.
nun habe ich das mal für den rest des tages sacken lassen und stelle fest: ich bin ganz durcheinander!
- mindert es meinen stress, wenn ich frau emma weiter bei mir saubermachen lasse? - baut es mein ego auf, wenn ich einer nassen alkoholikerin einen miniminiminijob gebe? - sichert es mir den lebenslangen dank meiner vermieter, wenn sich dadurch bei frau emma etwas zum positiven verändert? - übernehme ich mich, wenn ich mir einbilde, frau emma etwas gutes tun zu können? - ist das die alte 'amethysmena miss omnipotent' die hier wieder ans licht will und sich anmaßt, ohne entsprechende ausbildung therapeutisch wirken zu können, in gnadenloser selbstüberschätzung es allen recht zu machen und ihr eigenes wohlergehen am ende darüber vergisst?
so hocke ich also mitten in der nacht hier vor meinem klapprechner und mache meinen wirrwarr fürs forum öffentlich, kaspere nicht mehr wie früher alles mit mir alleine ab. schon allein dieses sortieren hilft mir, das knäuel zu lichten. also schaue ich mir beruhigt selber zu und sehe, dass ich was geändert habe im umgang mit mir selbst, mit anderen auch. ist das nicht wunderbar?!
ich bin ganz sicher, dass ich das auf eine für mich gute weise 'dingeln' und lösen werde.
denn letztlich geht es doch immer um dieselbe grundsätzliche entscheidung:
will ich das? - oder will ich das nicht? tut mir das gut? - oder tut es mir nicht gut? macht es mich stark? - oder schwächt es mich?
und genau diesen fragen werde ich jetzt noch mal nachspüren; wohl auch drüber schlafen, einmal oder zweimal oder sieben mal, wenn es sein muss....
trotzdem täte mich auch mal von euch die eine oder andere meinung zu der perlengeschichte interessieren, so ihr sie mit mir teilen möchtet....
puh, schwierig. Ich glaube, ich würde mir das nicht antun. Zum einen machen mir angetrunkene Menschen ein schlechtes Gefühl, ich meide sie schlichtweg aus Selbstschutz. Zum anderen hätte ich Schwierigkeiten mich abzugrenzen - sprich wieviel Unzuverlässigkeit wegen Suff z.B. kann ich wie lange noch tolerieren, typische Co-Problematik.
Erst mal finde ich total klasse, dass du sofort gesagt hast, was Sache ist, nämlich, dass du die Fahne nicht tolerieren wirst.
Und auch, dass du schon in der Vergangenheit den Grundstock gelegt hast, jetzt problemlos so handeln zu können - indem du auch deinen Vermietern gesagt hast, was Sache ist.
Das finde ich schon mal eine hervorragende Ausgangsposition. Ich glaube, ich würde es probieren, und gucken, wie es mir damit geht. Wenn's gefühlsmäßig und sauberkeitstechnisch okeh wäre, gut. Wenn nicht, müsste sich die Frau Emma halt 'ne andere Stelle suchen.
Und wenn sie fahnenlos das omnipotenzfachfrauliche Gespräch sucht, dann sag' ihr doch einfach, sie darf gerne zur Gruppe kommen.
du bist ja quasi Arbeitgeberin, was dich und deine beperlte Perle betrifft ... ich schreib dir mal was mein Arbeitgeber macht ...
Wenn ein Mitarbeiter "mit Alkohol" angetroffen wird schickt man den nach Hause ... allein schon versicherungstechnisch gesehen ... könnte ihm, dem alkoholisierten, ja "etwas passieren", unfalltechnisch und so, und dann spielt da die Versicherung nicht mit, weil der Arbeitgeber ja Kenntnis von der Alkoholisierung hatte und ab da nicht fürsorglich gehandelt hat ...
gefühlsmäßig habe ich da eher etwas Bauchschmerzen.
Es ist zu viel vermischt. Arbeitgeberin - Arbeitnehmerin trockene Alkoholikern - nasse Alkohlikerin Helfen wollende - Hilfe suchende???! (oder Putzstelle suchende?) Mieterin - Schwester von Vermieterin
In erster Linie geht es dir doch um die Dienstleistung für eine saubere Wohnung. Ihr geht es vermutlich um Geld beim Nebenjob zu verdienen.
Bei dieser Konstellation besteht die Gefahr, dass die anderen Faktoren weit größeren Raum einnehmen und auch viele Übertragungen stattfinden, aus deiner Erfahrung heraus, die aber durchaus von der anderen Seite (die ja nur eine Putzstelle wollte) übergreifend empfunden werden könnten. I.d.R. sagt auch jemand der noch nass ist und einen Putzhjob will (vielleicht sogar um die Sucht zu finanzieren) nicht, dass er daran gar nichts ändern will. Wenn man in der Sucht drin ist, kann man sich oft nicht abgrenzen, lässt sich überrollen und sagt, ja, man will was ändern, nur damit man in Ruhe gelassen wird (und den Job kriegt :sly.
Auch Probleme auf der sachlichen Ebene sind vorprogrammiert z.B. wenn du mit dem putzen mal nicht zufrieden bist, da es dann vermutlich sehr schnell auf die persönliche Ebene geht. Du weißt selbst, wie kritikfähig ein nasser Alkoholiker ist.
Deinen Wunsch zu Helfen und eine Suchtkranke nicht wegen ihrer Krankheit zu diskriminieren, kann ich aber sehr gut nachvollziehen.
Absehen davon würde es mich persönlich zu sehr stören, wenn die Wohnung nach dem putzen dann nach Alkoholausdünstungen riecht.
Auf eigene Grenzen achten hat da schon Vorrang.
Bei mir ist es z.B. auch so, dass ich gemerkt habe, dass mir allzuviel Gruppenkontakte nicht gut tun. Ich habe festgestellt, dass viele Kontakte einfach zu unsteht und mit zuviel Lügen (ich weiß, es ist die Sucht ) belastet sind und das es mir sehr schlecht damit geht. Vielleicht hatte ich das Pech, dass in meinen Gruppen immer noch zuviele (halb)trockene Alkoholiker waren, die noch nicht gefestigt waren. Aber seit ich mir mehr andere Gruppen gesucht habe vom Studium, Trommeln, Mütter etc. geht es mir viel besser, da die Kontakte verbindlicher, zuverlässiger und für mich ohne größere Ängste (z.B. ob aufgrund eines Rückfalles mir eine liebe gewordene Person von heute auf morgen wieder wegbricht) sind. Mir als trockene Alkoholikerin tut es sehr gut auch viele Kontakte außerhalb von Suchtgruppen zu haben. Ich empfinde das als sehr stabilisierend für mich. Wobei die Gruppen in meiner Trockenwerdung und in den ersten beiden Jahren sehr maßgeblich und wichtig waren. Aber das nur am Rande.
mit einer Perle, die eine Fahne hat, hätte ich Mühe. Wenn ich putze (ich mache es meistens noch gern), steige ich auch mal auf eine Leiter. Mit Alk im Blut wäre mir das zu gefährlich. Wenn sie stürzt und sich verletzt...
nun habe ich mal wieder eine ganz ganz schöne antwort an euch in die nicht wiederherstellbaren unendlichen weiten meiner 'fensterschließentastenkombination' versenkt...
deswegen nochmal neu und leider viel kürzer...
danke euch allen , für die wunderbaren gedanken, anregungen und von mir noch nicht bedachten aspekte! ihr seid echt klasse!
zur zeit beantworte ich meine kardinalfragen wie folgt:
- ich will nicht dass jemand mit fahne in meiner wohnung ist. ich will auch nicht angst haben müssen, dass das wieder passiert, oder dass sie beim nächsten mal kurzfristig absagt mit der entschuldigung, sie habe sich akut die leber verstaucht.....
- das tut mir nicht gut, wenn alles so verdingelt und vermischt ist..... (danke joosi, für deine liebevollen bauchschmerzen und das zurechtrücken meiner perspektive auf das wesentliche!)
- es macht mich nicht stärker, wenn ich das 'irgendwie aushalte'. es macht mich stärker, wenn ich weiterhin gut für mich selbst sorge.
daher tendiere ich dazu, frau emma wieder abzusagen und es mit einer von den anderen frauen zu versuchen, die sich gemeldet hatten ... aber die zicke braucht noch eine nacht, um sich in diesem fall gegen den engel ganz durchzusetzen
ps.an tommie: die teufelchen-heiligenschein-wippe passt nicht so ganz. kennste nicht nen link zu einer hübschen engelchen-zicken-wippe?! --- und danke nochmal für den arbeitgeberInnenhinweis. hat mir was klar geamcht!
pps. an alle: ich hatte die einzelnen dankeschöns ganz wunderbar aufgedröselt, bevor sie im orkus verschwanden... da bin ich jetzt zu ungeduldig für, mir das alles wieder zusammenzupusseln. ich bitte um nachsicht.
wirklich jede einzelne eurer antworten war mir hilfreich! vielleicht editier ich das noch mal in ner mußestunde.....
neinnein, doch kein nachträgliches edit meiner gesammelten dankeschöns ...
statt dessen die fröhliche mitteilung, dass mir seit anfang september eine ganz wunderbare frau im haushalt hilft, die selbst auch keinen alkohol trinkt. wunderbar! wir haben ne menge spaß miteinander und schuften den dreck weg wie nix !!!