Nur eine kurze Zwischen- bemerkung: Das mit der Arbeitslosig- keit hat "Gast" wohl ironisch gemeint. Ich denke sie wollte damit "belegen", daß eine Verbesserung von Lebensumständen im Moment aufgrund der Finanzen nicht möglich und nicht realistisch ist und das daher benachteiligten Menschen eben doch die KT angeboten werden sollte, als realistischeres Therapieziel.
So wie ich das sehe, habe ich schon ein paar kleine Gemeinheiten hingenommen, ohne mich zu äußern. Nun schreibst Du u.a.:
"So in der Gruppe sitzen und nicht über den Tellerrand schauen um zu sagen: Geht nicht! ist etwas einfach. Das hat auch nichts mit "weit sein" oder so zu tun, es ist ein Definitionsproblem, daß eben gerade aus der AA-Logik entstand."
Ich denke, dies ist -evtl. nicht nur, aber auch- an mich gerichtet.
Das Du mich als einfach strukturiert darstellst: na ja, das ist dann Deine Meinung. Bringe diese Ein- schätzung aber doch bitte nicht mit SH-Gruppen allgemein und mit AA insbesondere in Verbindung !
Ich mußte mich seinerzeit der Hilfe von -qualifizierter Entgiftung -Nachsorge-Gesprächen mit einem Psychologen -stationärer Langzeittherapie -Psychotherapie
und auch von mehreren (wg. Umzug) - SH-Gruppen bedienen, um nunmehr 12 Jahre rückfallfrei und zufrieden Abstinent zu leben.
Die SH- Gruppen waren aber keine der AA, sondern des Blauen Kreuzes, bzw. war ich einige Jahre stellver- tretende Sprecher einer "freien Gruppe".
Weiter bin ich Erzieher (=nasse Zeit) Sozialarbeiter (FH) und Magister (Päd.,Psy.,Soz.) (=in der trockenen Zeit).
Ich habe eine Suchtgruppe in einer JVA co-moderiert und bin innerstädtisch im Suchthelferteam (inkl. der entsprechenden FB´s).
Ca. 20 % meiner hauptberuflichen Klienten haben Sucht-probleme, seit gut 2 Jahren versuche ich hier sinnvoll zu helfen.
Wozu das ganze "Kompetenzgeprotze" ? Ich wollte nur mal deutlich nachweisen, daß für meine (Deiner Meinung nach) "beschränkte Weltsicht" EINES mit Sicherheit nicht der Grund ist: das ich als Laie seit Jahren in EINER (AA-) Gruppe sitze !
Das viele dieser Gruppen derselben Meinung sind wie ich, hat m.E. den Grund, daß diese Meinung eben richtig ist. Das was ich auch von der Theorie her als zutreffend ansehe, erweist sich in Gruppen täglich auch praktisch.
KT ist der falsche Weg. Dies Betroffenen als gleichwertiges Therapieziel anstelle zufriedener Abstinenz anzubieten ist fahrlässig, es kann und wird -eigentlich vermeidbare- Schäden anrichten.
Das bei mehrfach beeinträchtigten Menschen, bei sog. stark verwahrlosten Menschen, u.ä. möglicherweise bei Beginn der Hilfe zunächst deren Überleben gesichert werden muß und daher die Abstinenz nicht sofort im Fokus stehen kann, ist ein ganz anderes Thema.
noch einmal ganz kurz etwas zu den von dir anscheinend so geschätzten " Statistiken ". In den letzten Tagen habe ich mich da etwas eingelesen, speziell was die Eberhard-Karls-Universität Tübingen angeht - da die Universität Tübingen eines der wenigen Institutionen mit einem Forschungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Suchtforschung ist. Ich muss schon sagen, was DIE unter Statistik verstehen.............
Wenn auf DIESER Basis gearbeitet wird wundert mich so einiges NICHT mehr.
Mir ist schon klar, daß Prof. Körkels Theorien nicht auf mich zutreffen....alles schon probiert.....aber ich wollte ja unkontrolliert saufen, und nicht kontrolliert trinken!! Das war mir zu viel Realität!
Aber was mich schon interessieren würde: Gibt es hier irgend jemanden, der mit Körkels Methode seinen Alkohol-Konsum auf ein verträgliches und für ihn befriedigendes Maß eingependelt hat?? Ich glaub es zwar nicht - weil Menschen, deren Alk-Konsum für sie unproblematisch ist, ja nicht in einem Alk-Forum nachlesen....aber könnt ja sein!!!
Übrigens, für alle, die noch immer rauchen (Jaaaaaa so was soll es geben, Suchtverlagerung und so :cool: Für euch kommt jetzt nach Dr. Körkel der Dr. Drinkmann....vielleicht ist das kontrollierte Rauchen leichter als das Trinken......für Erfahrungen wär ich auch hier dankbar:
Beim Nachlesen der Diskussionen vor gut einem Jahr kann ich - für ein entsprechendes Klientel - doch einige Ansätze finden, die KT plausibel machen.....doch wundert es mich, daß es so wenig Eingang in das normale Leben gefunden hat! Entweder es hat sich nicht bewährt oder es ist als Therapieform zu teuer....oder paßt vielleicht eben nur auf 1% aller Alkohol Konsumierenden.....oder es entlarvt sich als Paradoxon, weil es, sobald "Therapieform" genannt, ja doch wieder zur Behandlung von Alkoholikern herhalten muß, was es ja augenscheinlich nicht kann......
guck Dir die beiden Seitean mal an (Rauchen und Saufen), die sind fast komplett gleich vom Design her und so. Das einzige was die wollen ist doch Geldverdienen. Es gibt soviele Raucher und Säufer die nicht ganz aufhören wollen, also bestellen sie da ein Buch oder eine *.pdf Datei. Für Geld... mei.
ein sehr schönes Board das Ihr da habt, echt klasse.
Follgendes vorab. Ich bin alkoholiker, und machte vor 2 Jahren als Versuchsperson bei Hr. Prof. Dr. Körkel beim Kontrollierten Trinken mit (kurz KT, sonst schreib ich mir die Finger wund).
Meine Frau hatte damals natürlich bemerkt das ich ein Alk-Problem habe. Ich habe das natürlich völlig anders gesehen, ich war ja auch kein bißchen auffällig. Trinken war normal. Nach mehrere Stereiterein zuhause hab ich mir einen Weg gesucht mich aus meiner "nichtexistenten" Sucht herauszumogeln. D.H. ich suchte ne Art "Freischein" um trinken zu können aber nicht mit meiner Frau streiten zu müssen.
Da fand ich einen Bericht über KT. Wow, das war es, genau das richtige für mich. Ich meldete mich dort an, wurde genommen und erstmal ausgehend ärztlich untersucht. Da ich nicht täglich getrunken habe und auch als einzige Auffälligkeit ein leichtes Zittern meiner Hände war, sowie meine Leberwerte noch im normalen Bereich (ca 18) waren, hat man mich auch genommen.
Ich machte dann dieses Programm mit. Es war sehr interessant, vorallem das führen eines Trinktagebuches wo man aufschreibt wieviel und wann und weshalb und wo man trinkt.
Mit sehr vielen Informationen und gutem Vorsatz endete das Programm dann. Ich konnte kontrolliert trinken, juhu. Meine Frau war glücklich, mein alkoholkonsum wurde auch etwas weniger. Also alle waren zufrieden.
Ca. 3 Monate nach ende des Programms fing ich an wieder mehr zu trinken. Anfänglich machte ich mir noch keine grossen Gedanken. Als ich dann mal die älteren Trinktagebücher hernahm um zu vergleichen viel mir auf das mein Alkoholkonsum um ca. 50 % nach ende des KT wieder gestiegen war und nur noch etwa 10 % unter meinem Konsum vor dem KT lag.
Hmm, war ich etwa doch alkoholiker ?? Konnte das sein das ich nicht kontrolliert trinken konnte. Natürlich nicht, ich war doch kein alkoholiker. So senkte ich den Konsum wieder. ----- Für etwa 2 Monate. Dann trank ich wieder soviel wie vor dem KT.
Shit, ich war alkoholiker. Dass musste ich erstmal verdauen. Es begannen wieder die Streitereine zuhause u.s.w.
Ich trank nochmehr, meist Phasenweise und immer unauffällig, nie in der Arbeit, nie wenn ich Auto fuhr u.s.w.
Vorgestern hab ich mich entschieden abstinent zu leben und zittere und schwitze mich seitdem durch die Welt.
Für alle die das KT verteufeln mir hat es sehr geholfen. Dadurch wurde mir erst bewusst das ich ein Problem habe und dieses nur mit abstinenz zu lösen ist. Der Weg zur Abstinenz ist noch weit, aber sichtbar.
Ich wäre niemals zu dem damaligem Zeitpunkt zur AA oder ähnlichem gegangen mit dem Vorwand "Dort sind eh nur totale Säufer und ich gehöre ja nicht dazu"
Ich weiss nicht wie meine Alk-karriere geendet hätte ohne das KT. Wahrscheinlich wären mir die Augen erst viele Jahre später geöffnet worden und da hätte schon vieles kaputt sein können.
Gruss
Margot
(
gelöscht
)
Beiträge:
24.07.2003 13:35
#39 RE: Kontrolliertes Trinken- Wahn oder Wirklichkeit ?
wow! Toller Bericht von Dir. Du schreibst sehr offen darüber dass Dir jetzt klar geworden ist dass Du Alkoholiker bist und Deinen Weg bis zu Deiner Erkenntnis.
So gesehen war das KT ein voller Erfolg. Finanziell woh ehrer ein Flop......
Aber helf was da helfen mag um einen dazuzubringen der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.
Ich glaube es gibt niemanden der sich gerne eingesteht dass er Alkoholiker ist.Jede Gelegenheit die "Heilung" verspricht kommt einem da gerade recht.Die Pille gegen Alkoholismus und alles ist gut? Jeder Alkoholiker würde sie gerne nehmen. Ebenso wie halt immer noch herumgeistert dass Alkoholiker das kontrolliertes Trinken erlernenen können.
Ist halt eine Mär.... genau wie es ein Märchen ist dass man Alkoholismus heilen kann. Jedenfalls ist dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt unmöglich. Auch die angebliche Erkenntnis dass es das sogenannte "Säufergen" gibt und eine Veränderung im Gehirn den Alkoholismus auslöst wird bei Alkoholikern immer noch gerne als Entschuldigung für ihre Sucht gerne genommen. Alles ist besser als sich eingestehen zu müssen dass man süchtig ist und niemand daran Schuld trägt ausser man selbst.
Dir hat also die "Bauernfängerei" des KT geholfen zu Deiner Selbsterkenntnis.
Durch Deine schonungslose Offenheit und Deine klare Erkenntnis dass Du Alkaholiker bist hast Du alle Chancen der Welt trocken zu werden. Es gibt jede Menge professionelle Hilfe die Du in Anspruche nehmen kannst und ich wünsche Dir dass Du das auch tust.
Niemand muss sich ob seiner Sucht schämen.Alkoholismus ist eine Krankheit gegen die man etwas tun kann und muss so man nicht frühzeitig sterben will.
Schämen muss man sich nur wenn man nicht aufsteht wenn man fällt. Und gefallen sind wir hier alle (soweit es sich um Alkoholiker handelt)aber jede/r kämpft auf seine Art um der Sucht den Kampf anzusagen, Du ja jetzt auch.
Glückwunsch dass Du den Kampf aufnimmst. Für mich war der Weg von der Sucht wegzukommen nicht leicht. Ich weiss aber auch dass ich heute tot wäre wenn ich weitergetrunken hätte.
Und tröste Dich Alkoholiker gibt es in allen Gesellschaftsschichten.Das Bild vom klassischen "Penner" mit der 2 Liter Buddel billigen Rotwein dient nur unserer Gesellschaft die auch trinkt als Feindbild um das eigene Trinkverhalten nicht in Frage stellen zu müssen.
LG Margot
Jan
(
gelöscht
)
Beiträge:
24.07.2003 16:46
#40 RE: Kontrolliertes Trinken- Wahn oder Wirklichkeit ?
na dann hat es sich für Dich ja gelohnt "Versuchskaninchen zu sein, bei der Erkenntnis die Du daraus gewonnen hast. Ich hoffe Du bist ohne Alkohol aufgekratzt? Jedenfalls wünsche ich Dir das. Nüchtern kann das Leben so schön sein.