Du schreibst, dass Du schon zweimal Deinen Suchtberater aufgesucht hast und nun, um in den Genuss einer 8-wöchigen stationären Therapie zu kommen, sollst Du einen Motivationslehrgang/therapie machen damit man Dir die Thera bezahlt?
Ich glaube Dir das schon…aber ich habe noch nie davon gehört!?
Wenn ich mich selbst aus eigenem Willen entschlossen habe, eine stationäre Therapie zu machen, muss doch genügend Motivation in mir sein, dass ich mich nicht noch mehr motivieren muss??
Irgendwie beißt sich da was.
Anders verhält sich das natürlich bei Abhängigen die eben diese stationäre Therapie als Auflage von seitens irgendwelcher Behörden bekommen haben (Gerichtsbeschluss, Strafvollzug etc.) oder wie eben bei Deinem Nachbarn wegen der MPU.
Was kostet das und wer bezahlt das denn?
Denn umsonst ist in Deutschland sicher nix mehr!
Ich halte das für eine Geldschneiderei…..ehrlich.
Ich persönlich habe eine 16-wöchige Therapie im Jahr 2000 gemacht, da war nur mein persönlicher Wille, etwas gegen meine Krankheit zu tun und ein entgifteter Körper Voraussetzung.
Der Zeitraum von der Antragstellung bis zum Antritt meiner Thera betrug ca. 8 Wochen.
Auch wurde der Antrag von seitens der LVA ohne Auflagen genehmigt.
Natürlich wurde vorher durch meine Suchtberaterin ein Sozialbericht usw. erstellt.
Wenn Du so einen Horror vor dem Besuch dieser “Motivationstherapie. eben aus den von Dir angeführten verständlichen Gründen hast, würde ich mit meinem Suchtberater mal ganz offen und ehrlich darüber sprechen!
Mir persönlich haben diese Gespräche, eben mit der Suchtberatungsstelle, in Vorbereitung auf die Thera sehr viel gegeben.
Ich wünsche Dir trotzdem viel Kraft und Stärke für die zukünftigen Tage Marie!
diese Motivationsgruppe von der Suchtberatungsstelle hab ich auch im Dezember mitgemacht. Sie war zwar kein MUSS, wurde mir aber doch dringendst empfohlen, weil ich zu der damaligen Zeit noch nicht sicher wußte, ob ich eine LZT machen möchte oder nicht oder wie ich sonst weiter vorgehen möchte.
Diese Motivationsgruppe ging über 6 Abende, einmal pro Woche, 90 Minuten. Wir waren so 8 bis 12 Leute, alle standen vor der Frage: Wie gehts jetzt weiter? Manche entschieden sich hinterher für eine LZT, manche wollten eine Tagklinik besuchen, nur therapeutische Einzelgespräche absolvieren oder sich eine Selbsthilfegruppe suchen.
Wir begannen immer mit einem "Blitzlicht", einer kurzen Berichterstattung über die letzte Woche, ob wir getrunken hatten oder nicht und wie es uns ging. Anschließend konnte es sein, daß wir noch einen Alkoholtest hatten, sprich "blasen" mußten.....war natürlich mega-peinlich, wenn man vorher großspurig erzählte, daß man abstinent war, hinterher aber den Test kleinlaut verweigerte.....
Für den Rest der 90 Minuten entstand immer eine Diskussion zu einem Thema, das sich entweder aus dem Blitzlicht ergeben hatte oder von dem Therapeuten vorgegeben wurde.
Also ich hab damals diese Gruppe schon als recht hilfreich bezüglich meiner Entscheidung erlebt - allerdings bei weitem nicht so hilfreich wie dieses Forum (obwohl es ja immer heisst, daß persönliche - direkte - Erfahrungen wichtiger seien als die virtuellen, aber bei mir war es eben nicht so).
entschuldige wenn ich mich hier einmische aber auch mir wurde vor der LZT mitgeteilt dass ich eine SHG besuchen muss damit der Kostenträger erkennen kann dass es mir ernst ist mit der LZT und ich wirklich das Trinken aufhören will. Die Krankenkasse verlangte dies als "Krankheitseinsicht" um den Antrag weiterzuleiten an die BfA zur Bewilligung,ferner teilte mir die Krnakenkasse mit dass sie bei Antrag auf eine LZT mit dem Blauen Kreuz zusammenarbeite und ich mir dort einen Thermin holen müsse. Das Blaue Kreuz erstellte dann einen Sozialbericht. Mit dem Sozialbericht und dem Besuch einer SHG wurde dann die Therapie von der BfA genehmigt.
Es scheint aber durchaus verschiedene Voraussetzungen für die Genehmigung einer Therapie zu geben. "Meine" Suchtklinik teilte mir auch vor Antritt der Therapie mit dass sie nur entgiftete Patienten aufnimmt.
Von Anderen habe ich inzwischen gehört dass dies von Bundesland zu Bundesland, bzw. von Klinik zu Klinik verschieden zu sein scheint.Es gäbe auch Suchtkliniken die Entgiftung nicht zur Bedingung machen.
Marie Luise postet hier eine mir unbekannte Variante, aber gerade was Suchterkrankungen angeht ändern sich ja ständig die Bedinungen.
Ja in der Tat strebe ich die Therapie aus eigenem Willen an. Da aber viele Menschen diesen Schritt nur gehen weil sie unter sozialem Druck stehen (ohne eigene Motivation) möchte der Kostenträger (LVA) das man vorher eben eine Motivationsgruppe besucht.
Mein Nachbar hat keinerlei Auflagen bekommen. Er hofft größere Chancen zu haben seinen Führerschein zu bekommen wenn er eine Gruppe besucht hat.
Mit meinem Suchtberater hab ich gestern telef. Er hält es für eine weitere Hürde die zu nehmen ist. Auf dem Weg in die richtige Richtung. Er ist der Meinung das ich meine Sucht öffentlich machen sollte um mich nicht mehr verstecken zu müßen.
Na ja,möglicherweise hat er ja recht. Kann auch sein daß ich das alles in ein paar Monaten anders sehe.Im Moment ist mir das alles einfach nur peinlich.
Wo nehmt Ihr nur alle Eure Kraft her. In der Hoffnung mal da zu stehen wo Du jetzt bist grüsst Dich
Zitat Mit meinem Suchtberater hab ich gestern telef. Er hält es für eine weitere Hürde die zu nehmen ist. Auf dem Weg in die richtige Richtung. Er ist der Meinung das ich meine Sucht öffentlich machen sollte um mich nicht mehr verstecken zu müßen.
……na denne, wenns denn sein muss Marie und sicher hat er nicht ganz unrecht. Denn das ewige „Sich verstecken müssen“ kann auch ganz schön zehren und Dir die Kraft rauben die Du sicher noch für andere Dinge in Deinem Leben benötigen wirst. Und ich bin mir ganz sicher das sich Dein Blickwinkel auf die Dinge die noch kommen, auch auf die die gewesen sind, enorm verändern wird! In ein paar Wochen lachst Du darüber…glaub mir. Bei mir war es auch immer nur der erste Schritt der sagenhaft schwer fiel. Ich bin auch nicht der geborene „Coole“ der jede Tür beim ersten Mal aufgestoßen hat und gedröhnt hat: „Hello hier bin ich“…grins.. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Besuch bei der Suchtberatung erinnern..lach.. Da bin ich vor der Tür auf und ab gegangen und hab gequalmt bis ich meine Zunge nicht mehr gespürt habe.. Klar und danach bin ich hingegangen als wäre es das normalste der Welt. Und da ich im Bezug auf meine Sucht ziemlich offen war/bin hat es mir auch ne ganze Menge gebracht…die Gespräche mit der Suchtberaterin…sie hat mir Dinge über mich gesagt da wäre ich von allein nie drauf gekommen. Ja..es war schon sehr interessant und aufschlussreich für mich, einmal die Meinung anderer über den“Alki“ Reiner zu hören, noch zudem von einem Profi!
Ja und was die “Motivation“ Deines Nachbarn angeht da bin ich echt gespannt……lach.. Wenn er echt so denkt wie Du es beschrieben hast…..“Die Säufer……“etc. wird er wohl schlechte Karten haben….aber soll ja nicht Deine Sorge sein. Vielleicht bleiben wir im Dialog..?...und Du kannst weiter berichten Marie?
Weiterhin viel Kraft und einen schönen Tag
wünscht Dir Reiner
P.S. Ach ja vielleicht kannst Du mal rausbekommen, wer die Motivationsgruppe leitet..?..und vor allem „Wer bezahlt das?“
erst mal freut es mich natürlich, dass du die Entscheidung getroffen hast, eine Therapie zu machen.
Deine Ängste/Befürchtungen vor einem Gruppenbesuch kann ich sehr gut verstehen, da ich sie genauso hatte.
Wobei ich sagen muss, wenn ich gewusst hätte, dass dort ein Nachbar hingeht, der das nur wegen dem Führerschein macht und schon vorab auf die "blöden Säufer" schimpft, wäre ich ehrlich gesagt wohl nicht hingegangen.
Denn den Tratsch der Nachbarn hätte ich am Anfang meiner "Trocknung" wirklich nicht brauchen können.
Die Meinung deines Suchtberaters
Zitat ...Er ist der Meinung das ich meine Sucht öffentlich machen sollte um mich nicht mehr verstecken zu müßen.
kann ich so nicht teilen.
Klar muss sich niemand verstecken, oder entschuldigen, wenn er keinen Alkohol trinkt. Warum auch ?
Aber: Wem ich den wahren Grund meiner Abstinenz erkläre, und wem nicht, dass entscheide ich persönlich ganz alleine und nicht irgendein Nachbar.
Ich wüsste nicht, was es mir bringen sollte, wenn ich jedem "Deppen" von meiner Alkoholkrankheit erzähle.
Grundsätzlich halte ich natürlich den Besuch einer Gruppe - auch nach der Therapie - für äußerst wichtig. Deshalb stellt sich mir die Frage, ob diese Motivationsgruppe denn wirklich die einzige Möglichkeit eines Gruppenbesuches in deiner Nähe ist??
Oder gibt es da auch noch andere?
Ich verstehe natürlich wenn die BFA sagt, man soll eine Gruppe besuchen. Aber macht sie denn die Genehmigung einer Therapie allgemein vom Besuch einer Gruppe abhängig, oder vom Besuch exakt dieser Gruppe?
Letzteres würde mich zwar wundern, aber man weiß ja nie...
Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen, dass du eine für DICH befriedigende Lösung findest.
die Aussagen von Reiner und Frankie kann ich nur bekräftigen. Und das mit dem "öffentlich machen" ist sicherlich nicht so gemeint, dass du im Büßergewand mit einem Schild " ich bin Alki und bereue" durch die Strassen schleichen sollst. Vielmehr geht es doch um die Situation, wenn du tatsächlich einmal angesprochen wirst, das du zugeben kannst, das du mit Alkohol nicht umgehen kannst. Es macht sicherlich wenig Sinn, wenn du dich so schämst, dass du zum Beispiel sagst: Nein, ich bin nur aus Neugierde hingegangen oder ich habe mich nur einmal für eine Freundin erkundigen wollen etc. Du wirst sehen, die Menschen reagieren durchaus positiv, wenn du dich deinem Problem nicht nur stellst, sondern auch etwas dagegen tust. Mir hat am Anfang folgendes Zahlenbeispiel recht gut getan: Es gibt ca.3 Mio. registrierte Alkoholiker plus eine Dunkelziffer in gleicher Höhe. Also ca. 6 Mio. Die durchschnittliche deutsche Familie besteht aus mindestens 3 Personen. Macht insgesamt also mindestens 18 Mio. Menschen, die mittel-und unmittelbar vom Alkoholismus betroffen sind. Macht ergo fast ein 1/4 der Gesamtbevölkerung.Und wenn ich dann durch die Strassen geschlendert bin, habe ich insgeheim immer vor mich hingezählt. Und bei jedem 4. habe ich innerlich dann zu mir gesagt:"Willkommen im Club". Ziemlicher Blödsinn, aber es hat eine beruhigende Wirkung. Also Kopf hoch und durch. Gruß
Ich finde es toll, daß Marie Louise hier Hilfe und Tips erhält mit denen sie etwas anfangen kann.
Und ich traue mich fast nicht, angesichts der "Euphorie", die glücklicherweise am Anfang oft vorhanden ist, wenn sich Betroffene endlich einmal entschieden haben etwas gegen ihre Sucht zu tun, mir eine kritische Bemerkung zu erlauben.
Jedenfalls hoffe ich sehr, daß es weder von M.L. noch von Euch falsch verstanden wird!
Ich kann Frankies Meinung und Standpunkt zu der "Veröffentlichung" der eigene Sucht nur voll und ganz unterstützen. Und ganz ehrlich: Ich wäre sofort davon gelaufen, wenn mein Suchtberater mir so etwas gesagt hätte. (Vorausgesetzt er hat es "generell" gemeint, und nicht nur im "privaten" Bereich)
Da ich jedoch beruflich nahezu täglich mit Personalproblemen, und dabei eben oft mit Suchtproblemen am Arbeitsplatz zu tun habe, kann ich nur jedem raten äußerst überlegt und vorsichtig mit "seiner Offenbarung" umzugehen. Vielleicht "steht" heute noch der AG dazu und bietet seine Unterstützung an. Aber morgen vielleicht, wenn es an Entlassungen geht, schon nicht mehr. Und dann ist (leider) immer wieder gerade dieser Personenkreis der erste, der in die Waagschale geworfen wird. Zwar nicht gerecht - aber man "meint" einen "offensichtlichen" Grund zu haben. Genauso ist es in größeren Firmen fast generell so, daß "anerkannte trockene Alkis" bei Beförderungen ganz hinten anstehen müssen.
Meine Erfahrung war auch nicht, daß bei der Offenbarung eines Suchtproblems die Umwelt des Betroffenen "Hurra" schreit, und "gerne" ihre Unterstützung anbietet. Eher ist in den meisten Fällen genau das Gegenteil der Fall und der Betroffene ist dann erst recht "abgestempelt".
Deshalb: Warum sollte es sich jemand, der ohnehin einen schweren, oft sehr steinigen Weg in die Trockenheti vor sich hat, das antun? Meiner Meinung genügt vollauf, wenn zuerst der engste, familiäre und private Kreis Bescheid weiß. Und der Rest der Welt, der könnte mich mal Kreuz-weiss.
zunächst einmal nochmals: "öffentlich machen" heißt nicht, immer und überall auf sein Alkholproblem hinzuweisen. Es bedeutet eigentlich nichts anderes,als für sich selbst diese Krankheit akzeptiert zu haben und sie auch vor anderen eingestehen zu können.Jedenfalls ist das meine feste Überzeugung. Das man nicht jedem in der Firma seine Probleme erzählen sollte, halte ich auch für selbstverständlich. Aber, erstens ist ein Alkoholiker nur bis zu einem bestimmten Punkt in der Lage sein kleines Geheimnis zu wahren, weil er über kurz oder lang sowieso auffällig wird und zweitens kannst du dir wahrscheinlich nicht annähernd vorstellen, was es für eine Kraft kosten kann, ständig und überall auf Betiebsfeiern oder beim Essen mit Kollegen, die angebotenen Alkoholika abzulehnen.Nicht unbedingt weil man gerne mitsaufen will, sondern weil man auch permanent ein ganz übles Gefühl hat, wenn man immer ablehnt(Oh Gott,was denken die anderen?).Ich hatte jedenfalls immer schon Schweißausbrüche, wenn ich nur an die nächste Betriebsfeier dachte. Mittlerweile bin ich zwar selbstständig, aber das ist mir heute noch in äußerst unangehnemer Erinnerung. Und auch deinen anderen Punkt, das Alkoholikern eher gekündigt wird und sie seltener befördert werden, kann ich so nicht nachvollziehen. Ich kenne sehr viele, mittlerweile trockene Alkoholiker. Und alle sind nicht nur aufgrund ihrer jetzigen Leistung in ihren Firmen hoch angesehen, sondern einige haben auch eine Karriere hingelegt, von der sie früher nicht einmal träumen konnten. Das liegt sicherlich auch oft daran, dass trockene Alkis ein ausgeprägtes Pflichtgefühl und eine hohe Leistungsbereitschaft zeigen. So nach dem Motto: Ich habe ja etwas gut zu machen.
Hi Spieler, das was Du da beschreibst kommt nicht so ganz mit Alk hin. Hört sich sehr nach anderen Drogen an.Einen "nassen" Alki steht es ins Gesicht geschrieben,dass er säuft. Diese Leute können, Können einfach nicht mehr...oder doch?
Ich selber bin sehr im Aufbruch und sehne mich nach ein "ANDERES LEBEN".Jetzt wo alles weg ist,kommt mir die Idee,dass es für mich keinen Sinn mehr macht zu trinken. Erst jetzt ist mir klar (fast)...da ist keiner mehr. Morgen ist wie heute und nichts ändert sich. Trinke ich ...oder nicht?...Leben verpassen...überhaubt schon mal gelebt? Mal sehen....wie was ändern?....ohne Wollen kaum möglich....Krampfanfälle...wer weiss?.... Panik?.....oder sich eine Klink suchen....ist sinnvoll ?!..welche Klinik ist gut?.... Wenn es hier nicht passt,dann schmeisst mich aus diesem Forum raus. Gruss, ,,,,...wer bin ich eigendlich ?????
vor gut zehn Jahren habe ich in einem großen Verlag gearbeitet. In meiner Abteilung gab es einen trockenen Alkoholiker - still, freundlich, total gepflegt und was die Arbeit anging absolut korrekt - feiner Mensch. Ich hatte damals fast so eine Art Ehrfurcht vor ihm - von ihm ging einfach etwas aus, das kann man nicht beschreiben. Ich hatte einen Mords-Respekt vor ihm.
Und wer glaubt ihr, hat immer die interessantesten und schwierigsten Arbeiten bekommen? Auf wen haben sich die Chefs immer verlassen können? Und wer arbeitet dort heute noch - im Gegensatz zu vielen anderen, die wegrationalisiert wurden? Genau er. Und an ihn muß ich heute noch oft denken - ich hätte ihm wohl mittlerweile viel zu erzählen.
Unter anderem habe ich dort auch mit zwei extrem nassen Trinkern zusammengearbeitet, die mittlerweile auch trocken sind. Aus früheren Zeiten weiß ich noch, wie nervig es war, diese Kollegen mit durchschleusen zu müssen - trotzdem wird ihnen heute größter Respekt entgegengebracht - weil sie zu ihrer Krankheit gestanden haben und dagegen angegangen sind. Und alle sind sich einig: Sind das feine Menschen - jetzt wo sie nicht mehr saufen. Es wird ihnen auch nichts nachgetragen - die Kollegen und Vorgesetzten gehen da total klasse mit um. Ich freue mich immer, wenn ich sowas erzählt bekomme - und es bestätigt doch, daß trockene Alkoholiker beliebte Mitarbeiter sind.
natürlich schreibe ich über Alkohol. Ohne jetzt die verschiedenen Formen und unterschiedlichen Trinkgewohnheiten der einzelnen Alkoholiker spezifizieren zu wollen, schildere ich dir nur mein eigenes Trinkverhalten und meine Außendarstellung. Ich habe in den letzten Jahren vor meinem Trockenwerden grundsätzlich nie während der Arbeit und nur abends getrunken.Richtig zugeschüttet habe ich mich auch nur am Wochenende. Während der Woche abends habe ich maximal 2 Flachmänner Korn und 0,33 L Jägermeister getrunken. Aufgrund meiner körperlichen Konstitution (1,85, 90kg) war ich nicht mal richtig besoffen. Da ich Anzugträger war, keine rote Knollennase hatte und auch keine geplatzten Äderchen im Gesicht, wirkte ich mit Sicherheit auf Aussenstehende nicht wie ein typischer Alki. Und es hat wirklich bis zu meiner endgültigen Kapitulation funktioniert. Nur irgendwann fordert die Sucht ihren Tribut. Übrigens ich kenne viele trockene Alkis, deren Trinkgewohnheiten ähnlich waren. Aussenstehende können oftmals die für Alkoholiker typischen Verhaltensmuster nicht erkennen ( z.B. Fahrigkeit, Vergesslichkeit,Unsicherheit,Schweißausbrüche,oft schwitzige Hände infolge Entzugserscheinungen). Du kannst so ein Verhalten sicher über einen längeren Zeitraum durchhalten, aber niemals dauerhaft.
Zunächst einmal „erstmalig“: Ich weiß, was „öffentlich machen“heißt, Spieler. Das heißt, eben schlicht und einfach „öffentlich machen“. Wenn Du es anders, auf deine Art, auslegst, dann ist das deine Auslegung. Wenn ich jedoch als Suchtberater zu jemand sage „Du mußt deinen Alkoholismus öffentlich machen“, dann heißt das zuerst einmal „damit in die Öffentlichkeit gehen“. Und das, für mein Verständnis, ist nun einmal nicht die Familie oder der engste Freundes und Bekanntenkreis.
„und sie auch vor anderen eingestehen zu können.“
Auch damit habe ich „Probleme“. Also nicht mit dem „eingestehen können“, sondern mit dem „vor anderen“. Weil es mir einfach schnurzegal ist, was andere über mich meinen oder denken. Weil eben genau dieses „sich rechtfertigen“ und „anderen eingestehen müssen“ u.a. ein Zwang ist, der ganz schnell in die Suchtspirale führt.
„für sich selbst diese Krankheit akzeptiert zu haben“
Wenn Marie-Louise tatsächlich an dieser Stelle schon angekommen ist, wo sie ihren Alkoholismus voll und ganz akzeptiertund so hochmotiviert ist keine Alk mehr zu trinken, wie es offenbar ihr Suchtberater möchte, dann erübrigt sich diese ganze Diskussion hier. Und wenn alle dermaßen hochmotiviertund akzeptanzfreudig sind, dann erübrigt sich gar gleich noch das ganze board (nicht weinen tommie)
Ich gestehe ohne Wenn und Aber: Bei mir hat die wirkliche, reale, faßbare und verstehbare Akzeptanz meines Alkoholismus gut und gerne mehrere Jahre gedauert. Nicht das „nachplappern“ „Hallo, ich heiße X und bin Alkoholiker“. Sondern das echte, innerliche, für mich begreif- und realisierbare, ohne Haken, Ausflüchten und Ösen mir selbst Eingestehen „Ich bin Alkoholiker und gegenüber dem Alkohol (bei Genuß) völlig machtlos“.
Was mich persönlich an der Aussage diese Suchtberater völlig irritiert ist genau der Punkt, den auch Rainer angesprochen hat: Wenn ich mich selbst aus eigenem Willen entschlossen habe, eine stationäre Therapie zu machen, muss doch genügend Motivation in mir sein, dass ich mich nicht noch mehr motivieren muss?? Und kann mir mal jemand sagen, inwieweit mich der Tratsch und Klatsch der Nachbarn etc. „motiveren“ könnte? Ich verstehe zudem eines überhaupt nicht: Einerseits, und das habe ich hier am Board schon sehr oft gelesen, gehen wir (Ausnahme, daß ich von „wir“ schreibe, weil diese Annahme ein ziemlich allgemein gültige ist) davon aus, daß man keinen nassen Alkoholiker „mit Druck und Zwang“ trocken bekommt. Und nun will jemand „von sich aus“ trocken werden, da wird dann gleich vorgelegt: „Du darfst trocken werden und eine Therapie machen, wenn Du die Hürde a, b, und c erfüllt hast“.??
Also ich bin 2000 Prozent davon überzeugt, daß ich so in meinem Bereich nicht einen einzigen, der auch nur ein Fünkchen von Eigenmotivation mitbringt, zur Therapie bewegen könnte. Da müßte der Betroffene schon so weit unten sein, was Marie-Louise ganz offensichtlich nicht ist, daß ihm sowieso allmählich alles egal ist. Und da frage ich mich dann: Kann man bei so jemand seine Sucht „noch öffentlicher machen“, als seine ohnehin dann ja permante öffentliche Besoffenheit?
(Entschuldigt bitte meine ausführlichen Gedankengänge dazu, aber ich bin zur Zeit etwas irritiert, nicht nur hier, weil es plötzlich wieder überall so unendlich viele Verunsicherungen in der Ratgebung für Betroffene gibt – der eine rät dies, der andere jenes, und der Betroffene bleibt dabei auf der Strecke, weil wenn er jedem Ratschlag nachjagd, dann kommt er gar nicht mehr dazu trocken zu werden, und kann den ganzen Zirkus nur noch nass überstehen)
„Aber, erstens ist ein Alkoholiker nur bis zu einem bestimmten Punkt in der Lage sein kleines Geheimnis zu wahren, weil er über kurz oder lang sowieso auffällig wird“ ((wie dazu dein nächster Beitrag paßt, bleibt dein Geheimnis: „Da ich Anzugträger war, keine rote Knollennase hatte und auch keine geplatzten Äderchen im Gesicht, wirkte ich mit Sicherheit auf Aussenstehende nicht wie ein typischer Alki.“))
Mit Verlaub wage ich hier aber deutlichst zu wiedersprechen! Es gibt eine ungezählte Menge von Alkoholikern, die ihr ganzes Leben lang nie irgendwo „auffällig“ geworden sind. Erst recht nicht an ihrem Arbeitsplatz. Aber ich denke, so „ausschließlich“ wie Du hier deine Meinung zu vertreten meinst, erübrigt sich darüber eine weitere Diskussion, oder?
„zweitens kannst du dir wahrscheinlich nicht annähernd vorstellen, was es für eine Kraft kosten kann, ständig und überall auf Betiebsfeiern oder beim Essen mit Kollegen, die angebotenen Alkoholika abzulehnen.“
Ups, nein? Da muß ich mal gründlich darüber nachdenken, was ich mir als langjähriger Trockener und noch längerjähriger Nasser so alles „annähernd“ vorstellen kann. Aber Du hast natürlich recht: Mir wurde die Trockenheit in den Schoß gelegt. Ich bin direkt am nächsten Tag nach meinem letzten Saufgelage in der Klapse aufgewacht, aufgestanden, wußte, dass ich ab jetzt ein anderer Mensch bin, habe meine Sachen gepackt, bin nach Hause, wo mich alle jubelnd und die Hüte in die Luft werfend begrüßt haben, und war ein „guter trockener Mensch“. Von dem alle sagte: „Das ist aber ein feiner Mensch, seit er trocken ist! Auf den möchten, nein können und müssen wir nie, nie wieder verzichten!“ Und in der Firma, da haben sie mir dann gleich einen Chiefposten nach dem anderen angetragen, weil sie so von meiner Zuverlässigkeit überzeugt waren. Und alle Menschen hatten mich lieb, hatten sich merkwürdigerweise auch gleich mitverändert, und schworen auf die Bibel, daß sie mir nie wieder Stöcke und Steine in den Weg legen würden, nie wieder schlecht über mich reden würden. Und meine Kollegen, die selbstverständlich meine Fehlzeiten während meiner nassen Zeit mühelos ausgeglichen und meine Arbeit, natürlich längstens nicht so gut wie ich, der Alki, zusätzlich getan hatten, die waren jetzt, wo ich trocken zurückkam, durchweg so durchdrungen von meiner „Feinheit“, daß sie sogar auf ihre Arbeitsplätze nur meiner Karriere willen verzichteten.
Und, bevor ich es vergeße, auf den Betriebsfeiern und Festen da sitze ich entspannt und lächeln da, und proste ohne den geringsten Hintergedanken mit meinem Saftschorleglas meinen, reichlich Alkoholika in sich reinschüttenden, Kollegen zu. Und weil ich so unmündig bin, versuchen sie mich auch noch nach dem vierhundertausendste „Nein, danke, ich trinke keine Alkohol“ davon zu überzeugen, daß mir Schnaps und Bier viel besser täte, als mein gehaltloses Säftchen. Und weil es für mich eher ein Problem wäre, „was die alle über mich denken, wenn sie wüßten, daß ich Alki bin“, habe ich überhaupt kein „übles Gefühl“, wenn sie sich was sonst in ihrer kleinen schmutzigen Gedankenwelt ausmalen. Aber da ich ja auch keine „Schweißausbrüche“ vor der nächsten Betriebsfeier habe, und „mein Alkoholismus“ kein „öffentliches Anliegen“, sondern „meine persönliche, ganz private Angelegenheit“ ist, befürchte ich gar fast, daß ich sowieso nicht von dieser Welt bin. Nach deinen Maßstäben gerechnet.
„Und auch deinen anderen Punkt, das Alkoholikern eher gekündigt wird und sie seltener befördert werden, kann ich so nicht nachvollziehen.“
Nein? Ich frage am besten gleich mal die sechs Kollegen, denen innerhalb der letzten 8 Monaten aus eben diesem Grunde, natürlich, da gesetzlich gar nicht erlaubt, nicht „offiziell“, gekündigt wurde, was sie zu deiner „Nachvollziehbarkeit“ meinen. Das ist ganz einfach nachvollziehbar, wenn man denn möchte: Der Alki, der sagt „Mich erwischt der Alk nie wieder“, der „könnte“ der nächste sein, der wieder an der Flasche hängt. Also von mir jedenfalls wird das nie jemand hören. Dazu habe ich viel zu großen Respekt vor dieser „Bestie“. Wenn ich aber „meinen Alkoholismus öffentlich gemacht habe“, dann hat das natürlich auch entsprechende Konsequenzen in der Personalakte. Mal abgesehen davon, daß es mich sehr irriteren würde, wenn man bei jeder noch so kleinen Grippe bei mir jedesmal gleich hinter vorgehaltener Hand vermuten würde „den hat es wieder erwischt“, wäre ich in oben besagtem „öffentlichen Fall“ reif für mindestens „eine Freistellung“, wenn ich wieder einen Rückfall hätte. Wahrscheinlicher aber, angesichts der zur Zeit sehr zurückhaltenden sozialen Einstellung der AG (aber ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, und werde die paar hundert Führungskräfte, die ich kenne dann mal kräftig auf den aktuellen Stand der Gegebenheiten hinweisen!), wäre eine letztmalige Abmahung mit anschließender Kündigung. Und „vielleicht“ die großzügige Geste „wiederkommen zu dürfen, wenn ich mich wieder gefangen hätte“. Ach ja und noch zur „Beförderung“. Die Personalchefs sind heute recht gut, wenn auch sehr einseitig, über Alkolismus am Arbeitsplatz informiert. Und nahezu alle „Suchthilfe Richtlinen“, die ich bisher von Firmen in den Händen gehalten habe, beinhalten u.a. die „Feststellung“, daß Alkoholismus am Arbeitsplatz häufig „auch“ mit „Belastbarkeit des Betroffenen“ zu tun hat. Was nichts anders heißen soll wie, daß der Betroffene eben nicht besonders belastbar ist – und im Fall einer außerordenlichen Belastung wieder zu saufen anfängt. Eine wunderbare Empfehlung für streßige Karriereposten, nicht?
„Das liegt sicherlich auch oft daran, dass trockene Alkis ein ausgeprägtes Pflichtgefühl und eine hohe Leistungsbereitschaft zeigen.“
Wenn diese Aussage meine Therapeuten lesen würden, sie würden nicht nur graue Haare bekommen, ich befürchte, sie würde gleich alle Haare verlieren. „Pflichtgefühl“ „hohe Leistungsbereitschaft“ – am besten gleich noch „besonders hohe, wegen „dem schlechten Gewissen“, das sind Begriffe, die passen am besten zu den ganzen hunderttausend Gründen, warum jemand meinte saufen zu müssen. Aber zu Trockenen? Also ich meine, wer das nicht lernt diese Begriffe völlig neu für sich zu definieren, der wird es sehr schwer haben mit der Trockenheit. Jedenfalls weiß ich von vielen Therapeuten, daß „die Wertigkeitsverschiebung“ solcher Begriffe ein nicht unwesentliche Rolle auf dem Weg in eine zufriedene Abstinenz spielt. Aber vielleicht wissen die ja alle auch gar nicht von was sie reden?
Ich lasse Dir gerne deine Meinung, und ich bewundere Dich geradezu, daß Du nur höchst elitäre, karrierestrebige und auch erfolgreiche Alkis kennst. Vielleicht ist das mein Problem deine Meinung „nachvollziehen zu können“? Weil die Mehrzahl der paar hundert trockenen und nassen Alkis, die ich wiederum kenne, die müßten dann eigentlich schon wieder bei „deinen“ zur Schule gehen. (Entschuldige meinen Humor!) Denn die sind eher auf der „Schattenseite“ des Lebens. Und „trocken“ froh, daß keinem Ruhm und Erfolg nachjagen müssen.