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Saufnix  
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Dieses Thema hat 4 Antworten
und wurde 554 mal aufgerufen
 Ganz, ganz viele Fragen
Prinz Eisenherz ( gelöscht )
Beiträge:

01.08.2003 19:17
RE: Viele Fragen ... und oft pauschale Antworten Zitat · Antworten

Hallo,
ich habe mich vor einiger Zeit ja schon einmal zu Wort gemeldet. Ich danke allen, die mir durch ihre Antworten sehr geholfen haben.
In der letzten Zeit hab`ich hier im Board einfach viel `rumgelesen.
Dabei viel mir auf, dass die Antworten oft doch sehr pauschal sind: ein Rezept für alle.
Damit meine ich z.B. den Tipp:-Entgiftung immer besser stationär oder die Schilderungen: Kotzen am morgen, Hände zittern am morgen etc.. Ich glaube aber, dass hier im Board ganz viele Menschen mit Alkoholproblemen schreiben, deren Problemlagen anders gewichtet sind.
Es fällt mir jetzt schwer auf den Punkt zu kommen. Beim Lesen hab`ich manchmal das Gefühl: Wer morgens nicht kotzt, wem nicht die Hände zittern, wer nur abneds trinkt und dann noch in der Lage ist, zu entschieden, ob er eine halbe Flasche Wein, eine ganze oder gar keine trinkt, der hat keine Alkoholproblem.
Da kann ich Euch nur sagen; "Dem ist nicht so"
Klar, ich denke dass viele von Euch so richtig am Ende waren
(Vor ihrer Entgiftung/Therapie). Ich hab beim Lesen aber oft gedacht, vielleicht ist das "völlige am Ende" sein ( mit all den geschilderten Nebenwirkungen) letzlich noch besser, als das (mit Alkohol) Funktionieren in einem sozialen Netz. Das macht es einem doch viel schwerer, sich einzugestehen, dass ein ERNSTHFTES Problem besteht. Versteht Ihr was ich meine?
Zusammenfassend will ich mal fragen (besonders Euch "alten Hasen"):Gibt es nicht für jeden Menschen einen anderen Weg?

Völlig nüchtern grüßt Euch Prinz Eisenherz, dem ist`s ums Herz so schwer.


Softeis Offline




Beiträge: 624

01.08.2003 20:03
#2 RE: Viele Fragen ... und oft pauschale Antworten Zitat · Antworten

Hiho Prinz,

natürlich gibt es für jeden Menschen einen anderen Weg.
Es ist nun mal so das man, wenn man merkt das man soweit
ist, besser ins Krankenhaus zur Entgiftung gehen sollte.
Das ist ja nichtmal das zittern, es ist das "schlechtgefühl"
so wie als ob man gleich kotzen muß (ohne saufen), Angst
vor allem (ich hatte mal ne Phase wo ich dachte n Krieg
fängt an und hab Bomber gehört...). Naja, also wenn das
so in etwa ist dann sollte man eine Entgiftung machen.

Das ist doch klar das man das pauschal sagt denn man will
nicht unbedingt auf den Menschen der noch Nass ist näher
eingehen (meine Meinung). Man kann das auch nicht. Man
ist ganz anders "drauf" wenn man Nass ist.
Man kann nur mitteilen wie der Weg ausschauen kann.

Jamei und des mit dem sozialen Netz... ich hab des ja
gehabt, bei mir wars n Krampfanfall beim Entzug allein
daheim.
Ich denk, es muß n Punkt kommen wo es "klickt". Vorher
ist es nur gerede "das man aufhören will, aber es wäre
doch auch mal ganz gut manchmal zu saufen..."

Wenn jemand Hilfe sucht und hier postet bekommt er ne
Antwort, was machn muß er dann scho selber.

Liebe Grüße
Andi


ameise Offline




Beiträge: 1.110

01.08.2003 21:40
#3 RE: Viele Fragen ... und oft pauschale Antworten Zitat · Antworten

Hallo Prinz Eisenherz,

ich verstehe sehr gut, was Du meinst.
Es gab mal eine Zeit hier im Board, da haben die Leute mehr über sich selbst geschrieben - ohne zu pauschalisieren.
In letzter Zeit lese ich hier auch nur noch LZT,
stationäre Entgiftung usw.
Aber die Wege zur und von der Abhängigkeit weg sind so verschieden wie die Menschen selbst.
Also tröste dich mal: ich selbst habe morgens nicht gekotzt - und ich konnte auch meine Tasse Kaffee ohne zu Zittern zum Mund führen.
Trotzdem war irgendwann der Punkt da, wo es mir persönlich halt einfach zu schlecht ging, um das noch länger mitzumachen.
Das hat Jahre gebraucht. Jahre, in denen ich äußerst
gut funktionierte.
Der persönliche Tiefpunkt liegt bei jedem anders.
Jeder Mensch hat seine eigene Leidens-Grenze.
Ich habe es ohne stationäre Entgiftung und Therapie geschafft, in ein zufriedeneres trockenes Leben zurückzukehren.
Obwohl zurückkehren kann man es auch nicht nennen, denn diese Zufriedenheit ist ein ganz neuer Zustand für mich, den ich in dieser Form noch nie vorher gekannt habe.
Ich habe mir das Stück für Stück erarbeitet - bin immer noch dabei.
Für mich ist es sehr wichtig geworden, authentisch zu sein und zu handeln.
Nur das kann mir auf Dauer Zufriedenheit geben (gel Bea? )
Ich umgebe mich gern mit positiven, fröhlichen Menschen - Menschen, die auch in sich stimmig sind.
Das sind Menschen, die ich nicht unbedingt in der Gruppe getroffen habe.
Dort ging es mir ehrlich gesagt manchmal doch etwas zu düster zu.
Ich baue mir mein Leben neu auf mit Menschen, die mir gut tun.
Und diese Gestaltung bestimme ich selbst.
Die Gruppe hat mir am Anfang gut getan, um meine traumatischen Alk-Erlebnisse verarbeiten zu können.
Mittlerweile gehe ich lieber meinen eigenen Weg und war auch schon lange nicht mehr in der Gruppe.
Ich bin erwachsen geworden - oder noch dabei, es zu werden.
Ich bin in der Lage, eigenverantwortlich - ohne Gruppenzwang - für mich selbst die Dinge zu entscheiden.
Es wird nicht gern gehört, wenn das jemand so sagt.
Es heißt immer, ohne Gruppe fängt man früher oder später wieder mit dem Trinken an.
Aber ich bin der Meinung, das sollte jeder für sich selbst entscheiden.
Ich fühle mich stark und ehrlich mir selbst gegenüber genug, um meinen Weg allein zu gehen - zufrieden trocken.
Ich weiß, daß das Thema Alkohol immer present sein wird - ich werde auch nicht vergessen, daß mich nur das erste Glas von dem Abgrund trennt -
aber ich weiß das auch ohne Gruppenbesuche und ohne Therapie.
Was nützt es mir, mich ständig mit trockenen Alkoholikern zu treffen, die mir nicht sympathsich sind?
Nur weil wir ein Problem teilen, muß ich sie nicht mögen.
Da finde ich es hier im board viel besser.
Ich kann meine Gedanken sortieren, mich austauschen - ohne mich in eine Gruppe zwingen zu müssen.
So sehe ich das mal für mich selbst.
Andere sehen es wieder anders.
Es gibt keine Schablone für alle.
Es liegt immer an einem selbst, was er aus seinem Leben macht.
Der eine oder andere hat schon zig Langzeittherapien hinter sich und ist immer noch nicht schlauer geworden.
Der andere hat für sich selbst erkannt, daß er etwas ändern muß.
Welchen Weg man geht, ist dann wohl jedem selbst überlassen.
Dir scheint es ja auch ganz gut zu gehen -
Deine Ansicht klang jedenfalls ganz gesund .

Sei lieb gegrüßt von


Rosa Krebs Offline




Beiträge: 436

01.08.2003 21:46
#4 RE: Viele Fragen ... und oft pauschale Antworten Zitat · Antworten

Hallo Prinz Eisenherz,

ich weiß nicht ob ich dir eine Frage beantworten kann ...........oder nach was du genau suchst

Also mein soziales Netz war während meiner Saufzeit und natürlich heute auch noch vollkommen in Ordnung.
Ich war sogar in der Lage die Sauferei so gut zu verheimlichen, dass ich meinen Mann täuschen konnte. Wer sagt denn, dass man erst völlig am Ende sei muss um damit aufhören zu können?
Bei mir war es so: 2 Jahre bevor ich endlich den Schlussstrich gezogen habe, wusste ich schon, dass ich ein mächtiges Alkoholproblem hatte. Aber damals jammerte ich mir selbst was vor. Es ist ja eh zu spät du bist ja schon so gut wie abhängig und ohne kann ich nicht leben, schluchz und heul, und habe weitergesoffen bis zur totalen Abhängigkeit.
Immer auf der Hut, totale Zeitplanung – immer mit Angst dass irgendwas dazwischen kommt und ich eine Änderung am Zeitplan vornehmen muss. X-Versuche, die Finger vom Alk zu lassen, schlugen fehl. Bin immer wieder schwach geworden. Was glaubst Du was das an Kraft kostet.
Am anderen Morgen wieder das Gefühl versagt zu haben – nicht Wut sondern Verzweiflung machte sich in mir breit und ich wollte am Liebsten für immer gehen. Ich wollte mich nicht outen, lieber wäre ich im Boden versunken oder einfach gestorben, aber so leicht stirbt es sich nicht. Als es ganz kritisch war und ich es kaum noch verheimlichen konnte und mein ganzes Lügengespinst drohte aufzufliegen, kam endlich die Kraft "der Klick" im Kopf. Ich wollte ein Spiegelbild sehen zu dem ich stehen konnte und mich nie mehr vor mir selber schämen müssen, dass war meine Erlösung, meine Befreiung.

Heute weiß ich oder vielmehr vermute ich, warum ich es geschafft habe. Es hat mir richtig Angst gemacht, das Wissen, gezwungen, oder sogar unter Druck gesetzt zu werden mit dem Saufen aufzuhören. Es war für mich damals einfach unvorstellbar. So was hätte ich mir nicht gefallen lassen.

Erst als ich es selbst wollte, als ich es einsah, dass es so nicht weitergehen kann und dass ich so nicht mehr weiterleben konnte, klappte es.... ich wollte / musste nicht mehr trinken .... ich brauchte es nicht mehr" – . Geholfen hat mir, dass ich niemanden Rechenschaft abgeben musste, keine Versprechen halten musste und ich mich nicht mehr belügen musste.

Da ich niemanden hatte bei dem ich mich aussprechen konnte / wollte, habe ich es hier im Forum gemacht / geschrieben. Mir wurde hier geholfen durchzuhalten, weiter trocken zu bleiben und mich endlich zu outen. Meinen Entzug habe ich zuhause gemacht, still und alleine aber mit viel Angst. Das nichts passiert ist, hatte ich wohl mehr Glück als Verstand. Heute würde ich das nicht mehr machen, (nur in ärztlicher Aufsicht) aber damals war ich zu benebelt und voller Schamgefühl.

Heute bin ich gute 4 Monate trocken und sehr stolz darauf. Leicht fällt es mir nicht immer, aber es wird immer besser diese Trugbilder "Saufen macht glücklich" wegzustecken.

Noch ganz kurz: meine Hände haben nie gezittert, habe nie morgens oder mittags trinken müssen, und musste auch nie ko.... trotzdem bin ich keinen Deut besser dran.... bin genauso eine Alkoholikerin wie jede andere auch ...... und genau das Wissen hält mich vom Saufen ab. Ich will nie mehr betrunken / abgefüllt sein.

Ich wünsche dir, dass du deinen richtigen Weg findest

Alles Gute
Rosa Krebs


cube64 Offline



Beiträge: 42

01.08.2003 23:06
#5 RE: Viele Fragen ... und oft pauschale Antworten Zitat · Antworten

Hallo Prinz,

eigentlich ist dem tollen Beitrag von Helena nichts hinzuzufügen. Er bringt auch den Gewinn, den man aus der Überwindung der Abhängigkeit ziehen kann, auf den Punkt. Alle Zweiflern/innen, die erst wenn sie morgens trinken oder zittern oder sich übergeben müssen aufhören wollen, sollten sich diese Vision eines neuen, lohnenden Lebens dreimal täglich zu Gemüte führen. Ich habe verdammt lange gebraucht, bis ich es kapiert habe ...

Auch ich habe morgens nicht "gekotzt", auch meine Hände haben nicht gezittert. Das Gefühl, nicht wirklich auf einem Board oder in einem Forum zum Thema Alkoholabhängigkeit am richtigen Platz zu sein, kenne ich bestens.

Ich habe auch "nur" abends getrunken und "nur" Bier - aber: "nur" Bier ist auch Alkohol, von dem man abhängig werden kann. Bei mir ist es - wie ich bei einem Selbstversuch mit dem Kontrollierten Trinken im letzten Jahr festgestellt habe - so: Ich könnte durchaus in Gesellschaft ein Glas Rotwein zum Abendessen trinken - über kurz oder lang wäre ich aber wieder auf meiner abendlich Dosis. Warum sollte ich das riskieren? Ich arbeite derzeit lieber daran, dass das nie passiert und stecke meine Energie in Planung und Realisierung eines aktiv von mir gestalteten - und möglichst faszinierenden :-)- Lebens. Zugeschaut, dabeigehockt, was-wäre-wenn-geträumt mit ner Flasche Bier in der Hand habe ich einfach zu lange.

LG
Cube


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