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Saufnix  
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Dieses Thema hat 9 Antworten
und wurde 1.079 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
Alea ( gelöscht )
Beiträge:

02.09.2003 16:35
RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Örtlichkeiten spielen keine Rolle, denn es kann jedem passieren. Mein Bericht soll keine Aufmunterung sein, und ich sage auch nicht, es kann jeder schaffen. Dazu kenne ich zuviele Leute, die es nicht schaff(t)en. Aber die Möglichkeit besteht, wie beschissen es auch sein mag.

Geboren wurde ich auch, vor 42 Jahren, im Wonnemonat Mai. Das soziale Biotop indem ich aufwuchs, scheint prädestiniert für eine Karriere wie die meine. Väterlicherseits wurde getrunken was das Zeug hält, Suizide das tägliche Brot. Mütterlicherseits grassiert(e) die Paranoia, Schizophrenie, ambulant und stationär, und ebenfalls Alkoholismus. Wen wundert’s möchte man sagen – der Klassiker schlechthin. Eine These die ich so nicht unterschreiben würde, denn ergo wuchs ich mit ähnlich gelagerten "Fällen" auf, aber nicht jeder nimmt den Zug, den ich bestiegen habe.

Mit dem Seelentröster kam ich mit ca. 14 Jahren in Berührung. Das taten alle meine Freunde, mit denen ich aufwuchs, schließlich lebt man in dem Wahn den Männlichkeitsritualen (die da heißen Saufen, Rauchen, Schlägern usw. ), huldigen zu müssen.

Es ging sehr schnell – und ich war drauf. Ab ca. meinem 17. Lebensjahr begann ich bis zum Exzess zu trinken, Bewusstlosigkeit war das oberste Ziel. Mehrmals wöchentlich. Der Verlust des sozialen Umfelds ist die Folge,
Hygiene spielt keine Rolle mehr, die Nächte verbringt man sonstwo.
In meinem Trinken begannen sich paranoide Gedanken zu manifestieren, ich kann nur sagen, es war so schlimm, dass ich meist schweißgebadet aufwachte, Angst der ständige Begleiter. Das ging so weit bis ich mich eines Tages, 1983, zu einem Entzug entschloss.
Ich wurde medikamentiert, schwere Psychopharmaka, oft schlief ich, und wenn nicht hatte ich körperlichen Entzug, Entzugsträume und was es an Extras noch so gibt. Nach einem halben Jahr kam ich eine Therapiegruppe, welche ich 1987 beendete. Ich war trocken geblieben. Nach meiner „Resozialisierung“ stellte sich heraus – die Menschen mögen mich ! Ich verfüge über Witz, kann charmant sein, Schlagfertigkeit – im verbalen Sinn :-) - ist mir nicht fremd, mit einem Wort: ich komme bei den Menschen gut an.
1991 ziehe ich mit meiner damaligen Freundin zusammen, sie hat auch einen Sohn. Ein Jahr später unternehme ich eine Reise durch Südfrankreich, ein Monat lang. Es war in Bayonne – einer Stadt die ich nicht missen möchte ! – ich gehe in ein Restaurant, der Kellner nimmt meine Bestellung auf, empfiehlt mir dazu einen vorzüglichen Rotwein. Ich nehme an. Warum ? Es gab keinen Stress, ich war glücklich, zufrieden, es passte nach außen hin einfach alles. „Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er auf’s Glatteis tanzen“.
Zwei Jahre konnte ich kontrolliert trinken. Es schien kein Problem. Zu dieser Zeit bin ich, wie auch heute noch, beruflich erfolgreich, werde geschätzt etc. Nach dem Tod eines Familienangehörigen beginnt mein Trinken unkontrolliert zu werden. Aber es ist anders, als ich es früher tat.
Ich trinke nun nicht mehr bis zur Auslöschung. Ich weiß immer sehr gut – hinter einem Schleier – was ich tue. Und das ist nicht sehr schön. Ich betrüge meine Partnerin/nen, spiele und verliere. Beziehungen kommen und gehen, der Vorgang, betrügen, spielen, verlieren bleibt gleich. (Immer unter Alkoholeinfluss) Ich schaffe es immer wieder kalt zu entziehen. Jahre, Monate. Der Rückfall ist aber gewiss. Mittlerweile bin ich am Rande meiner Existenz angekommen, im materiellen Sinn (bin verschuldet für’s ganze Leben ). Die Exzesse wurden immer schlimmer. Beruf, Arbeit habe ich noch. Wenn ich trinke, dann ausnahmslos alleine.
Ich habe mich vor Wochen wieder zu einem Entzug entschlossen, bin in einer – hierzulande berüchtigten Anstalt, ambulant, - angekommen.
Werde auch wieder medikamentiert, dieselben Tabletten wie vor 20 Jahren.
Wiederum steht eine Therapie an, diesmal sollen diverse frühkindliche Traumata (von denen ich bei der ersten Therapie nichts wusste, dieses Wissen ergab sich erst später) aufgearbeitet werden. Entzug habe ich auch heute, manchmal rüttelts mich schön durcheinander, aber es geht gut.
Ich hoffe wieder, habe wieder eine schöne Beziehung, die ich nicht zerstören möchte.
Tja, die Menschen mögen mich, aber einer will mich offensichtlich nicht: ICH


Ameise Offline




Beiträge: 1.110

02.09.2003 18:02
#2 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Hi alea,

komme gerade von der Arbeit und wollte mal kurz übers board "fliegen".
Aber hier bin ich nun hängengeblieben.
Hat mir sehr gut gefallen Dein Beitrag. Und wenn Du so erzählst wie Du schreibst, dann glaube ich wohl, daß Deine Art gut bei den Leuten ankommt .
Ich finde, so gute Beiträge müssen irgendwie kenntlich gemacht werde, damit jemand, der neu ist, sie zuerst liest.
Denn kein Ratschlag kann so gut helfen, wie eine gut erzählte eigene Geschichte.
Gerade am Anfang, wenn man dabei ist, sein Problem zu erkennen.

Ich wünsche Dir gutes Gelingen -
ein "Aufgeber" scheinst du ja nicht zu sein!!
Alles Gute für Dich


Simone ( gelöscht )
Beiträge:

02.09.2003 19:08
#3 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Hallo alea,
toll, daß Du es geschafft hast.
Solche Geschichten, wie Deine machen Mut.
Leider kommt am Ende ein schrecklicher Satz

Zitat
Tja, die Menschen mögen mich, aber einer will mich offensichtlich nicht: ICH


Es ist so schade, daß jemand, der den Menschen in seiner Umgebung sehr wichtig ist, die ihn lieben, sich selbst nicht mag.
Ich wünsche Dir, daß Du das irgendwann einmal kannst.
Ein großes Stück meines Lebens hat mich Deine Einstellung auch begleitet. Erst, seit ich mich selbst auch mag, kann ich "richtig" leben.
Aber auch das muß von einem selbst kommen, ähnlich wie die Einsicht, aufhören zu wollen/müssen zu trinken. Es nützt nichts, wenn andere einem sagen, daß man toller, wertvoller, witziger, liebenswürdiger Mensch ist. Wenn man selbst nicht so von sich denkt, kommt das nicht bis ins Innere.
Aber das wünsche ich Dir! Daß bei Dir der Knoten platzt.

Liebe Grüße
Simone


Ameise Offline




Beiträge: 1.110

02.09.2003 20:43
#4 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Ja Simone - dieses sich selbst nicht annehmen können - das ist uns allen wohl mehr oder weniger gemein und zumeist auch Ursache der Trinkerei.
Ich habe jahrelang immer nur davon geträumt, wie ich sein möchte.
Und es stimmt: Da können andere einen noch so toll finden - wenn man sich selbst nicht aushält, dann bringt einem das gar nichts.
Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt mag, weil ich trocken bin, - oder ob ich trocken bin, weil ich angefangen habe, mich zu mögen.
Auf jeden Fall hat mir das Leben nie so viel Spaß gemacht wie in den letzten Monaten. Mein Leben ist mir einfach bewußt - ich selbst bin mir meiner bewußt.
Nicht immer und nicht jeden Tag -
manchmal wirft es einen auch Wochen zurück.
Aber es macht Spaß, trotzdem weiterzumachen.
Es lohnt sich auf jeden Fall.


alea Offline



Beiträge: 115

02.09.2003 21:20
#5 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Hallo Helena,

Du hast Recht, normalerweise gebe ich nur Briefe auf. Habe ich auch in der Vergangenheit nicht getanm mich aufgeben. Aber ich will die Resignation nicht verdammen: kann vielleicht eine Form von Einsicht sein.

Alea


alea Offline



Beiträge: 115

02.09.2003 21:50
#6 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Hallo Simone,

Geschafft hab ich's noch nicht, ist noch ein langer Weg, 2, 3 Jahre und auch danach...

Das ist das Grundproblem eines jeden der sich dem Alkohol ausliefert: man mag sich selbst nicht. Jedenfalls kenn ich keinen Alkoholiker, der sich selbst gut gesinnt ist.
Sich selbst mögen, das muss von Innen, einem selbst, kommen.
Bin auch gespannt wie lang ich dazu brauchen werde - ein Leben lang ?!

Liebe Grüße

alea


tommie Offline




Beiträge: 10.596

02.09.2003 22:12
#7 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von alea
Jedenfalls kenn ich keinen Alkoholiker, der sich selbst gut gesinnt ist.



Hallo alea ,

mein Name ist Thomas, ich bin trocken seit Juni '99, hier im Forum / Board heiße ich tommie.
So - nun 'kennst' du einen Alkoholiker der sich selbst gut gesinnt ist. Ich mag sogar meine Ecken und Kanten, die ich sicher habe. Dinge, die ich an mir selbst als eher negativ sehe interpretieren andere als positiv oder Stärken - und umgekehrt. Ich mußte lange lernen um erkennen zu können, daß viel am 'Einschätzen' zwei Seiten hat: die, die man selbst sieht und die, wie man bei anderen erscheint. Wichtig für mich ist, daß ich mit mir selbst im Reinen bin. Seit bei mir der Groschen gefallen ist, nämlich der, daß ich nicht schauspielern muß um immer Lieb Kind zu sein, seitdem habe ich meine innere Ruhe gefunden. Einige frühere Freunde haben mir schon geraten ich solle lieber wieder trinken, damals - nass - wäre ich 'einfacher zu handhaben' gewesen. Doch diesen 'Gefallen' tu ich ihnen nicht. Ich tu mir selbst einen und bleibe weiterhin mir selbst gut gesinnt - denn es geht zu allererst um mich - und dann um die anderen. Alles andere wäre Lüge.

Ich wünsche dir gute Gedanken und ein starkes Ego.

tommie


Simone ( gelöscht )
Beiträge:

02.09.2003 22:59
#8 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Hallo Tommie,
tja, fängt man endlich an, nicht mehr gegen sich selbst zu arbeiten, wird man "schwierig", aber ehrlich.
Da ist mir die zweite Variante allemal lieber.

Wer Freunde hat, die einen lieber "trinkend-bequem" sehen, statt "trocken-unbequem", der braucht wohl keine Feinde mehr.

Hach, ich hab die Smilies für mich entdeckt. Sind echt süß, die Dinger *g*

Liebe Grüße
und bleib lieber schwierig zu handhaben ;-)
Simone


alea Offline



Beiträge: 115

02.09.2003 23:27
#9 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

Hallo Tommie

Ja, so gesehen - dass, einmal Alki immer Alki, hast Du recht Und kenn ich jetzt einen - ich hoffe, ich werd auch mal so einer.

Schauspielen tu ich schon lange nicht mehr, ich bin der, der ich bin - was manchmal schlimm genug ist
Ich bin im großen und ganzen mit mir zufrieden - ungeachtet der Tatsache, wo ich heute angekommen bin.

Genug der Spässe: es stimmt schon, wenn Du bist, der Du bist wird man "unangenehm" - die guten Tips doch wieder "nass" zu werden - entspringen vinösen Betrachtungen ?!

Aber mein Hang zur Destruktivität, ist offenbar sehr ausgeprägt. Ich persönlich glaube gar nicht, dass ich des Alkohols bedurft hätte, um diesen auszuleben. Es war in meinen Kreisen - also wo ich herkomme - das geläufigste, billigste (damals... wär auch so ein Thema)Mittel.

Toll, dass Du schon solange durchhältst - aber siehe meine Bio, niemals vergessen, wer man ist und bleiben wird !!!!!



Alea


Ganznette Offline



Beiträge: 180

21.09.2003 23:03
#10 RE: Noch eine zweifelhafte Karriere Zitat · Antworten

ich kannte so jemanden wie dich. ein begnadetes, blondes künstlerkind aus einer akademikerfamily, papa arzt, mama lehrerin. und das kind ist schon in jungen jahren alleingelassen worden und in jungen jahren zum alki geworden....
ich könnte weitererzählen...
but time to go to bed
grüsse an alle


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