Viele Häuser des 23.000 Einwohner zählenden Städtchens Cognac im Südwesten Frankreichs sind von merkwürdigen, grauschwarzen Flecken überzogen. Selbst neue Gebäude sehen nach kurzer Zeit vollkommen verschmutzt oder verrottet aus. Dabei handelt es sich allerdings keisenwegs um Staub oder Dreckt, sondern um einen ganz harmlosen Pilz mit Namen Torula compniacensis, der hier wie in keinem anderen Ort auf der Welt gedeiht. Der Grund für diesen ungewöhnlichen Pilzbefall ist die Tatsache, daß bei der Herstellung und Lagerung des Cognacs jährlich die schier unglaubliche Menge von zwölf Millionen Flaschen Cognac verdunstet. Nach dem zweifachen Brennen muß der frische Cognac viele Jahre in Eichenfässern gelagert werden, um seinen besonderen Geschmack und seine Bernstein-Farbe zu erhalten. Hierbei entweicht ein nicht unbeträchtlicher Anteil des Alkohols (ca. 3 - 4 % im Jahr). Insofern schwebt über dem Städtchen ständig ein süßlicher Alkoholduft. Genau von diesem Alkohol in der Luft im Zusammenwirken mit dem Salpetergehalt der Mauersteine kann sich der Cognac-Pilz ernähren.
Der Cognac-Pilz stellt somit den einzigen biologischen Organismus dar, der Alkohol notwendigerweise zum Leben braucht. Für alle anderen Pflanzen und Lebewesen ist Alkohol somit ein Gift, das auf die Dauer zu einer Vielzahl von Schädigungen führt.
(Aus dem Buch Lieber schlau als blau von Lindenmeyer)