da ich hier immer noch fleißig mitlese, kann ich ja auch mal wieder einen Beitrag einbringen.
Ich war im Urlaub. Das dritte Mal in DK (Mön) auf dem selben Bauernhof. Also keins der dänischen Sommerhäuschen mit Pool und so. Nein, alles ganz einfach. Ein Haus, rundrum Felder, die nächste Siedlung etwa 5 km entfernt und das nächste Städtchen, wo es auch Einkaufsmöglichkeiten gibt, war in 14 km zu erreichen. Das schildere ich nur mal, um die Idylle, aber auch den Langeweilefaktor zu beschreiben.
Als ich das erste Mal da war (auch immer mit den selben Leuten: Freundin mit Mann + Tochter inzw. 15 und Partner mit seinen Kids + mein Sohn inzw. 13), habe ich die ersten drei Tage nichts getrunken, wobei ich den Versuch der Trockenheit erst gerade begonnen hatte. Dann habe ich aber aufgegeben, war doch öde. Die Abende wurden versübbelt an den Tagen war ich meist matt, hing rum (spürte nichts von Langeweile, denn mir ging es ja schlecht genug, hatte mit Leiden zu tun ), die Zeit verging. Anschauen kann man sich da viele Arbeiten von Künstlern, wie Keramiker und Maler. Die klapperten wir ab und waren auch mal in Kopenhagen.
Beim zweiten Mal, trank ich 14 Tage nicht, wobei ich vorher schon einen Monat nichts angerührt hatte. Nach diesen zwei Wochen malte ich mir aus, mich von einer Klippe zu stürzen. Ich war abends oft müde , wollte nicht mit am Feuer sitzen, weil da eben auch getrunken wurde. Konnte abends nicht mit im Garten sitzen, weil alle nett getrunken haben. Also drei haben getrunken, die Kinder ja eher nicht. Und: ich hatte ein schlechtes Gewissen, denn schließlich war ich doch mit meinem Partner da, der auch was mit mir erleben wollte. Ich wich ihm aus, war geladen, ertrug seine Kinder schon lange nicht mehr, weil die so ganz anders sind als mein Sohn und die Tochter meiner Freundin. Wenn sie doch mal Stress gemacht hätten, das hätte mich von mir abgelenkt, aber nein, sie sind papa-anhänglich, lieb, ruhig und nicht die Spur pubertär. Klingt für viele vielleicht toll, wünschten sich auch so artige Kinderlein. Mich hat das nur genervt, weil sie auch nichts unternommen haben. Saßen da im Garten und klebten an ihrem Vater. Nun gut.
Lange Rede. Ich dachte, um mir nicht das Leben zu nehmen, weil ich diese Ödnis nicht ertragen konnte, trink‘ ich lieber. Hab‘ ich gemacht. Es war wie ein Aufatmen, ein Loslassen, Freisein. Ich konnte wieder zugänglich sein, die Kinder belächeln (na toll) und das Familienleben ertragen.
Ich war in diesem Jahr das dritte Mal dort, weil wir es damals schon so geplant hatten. Nur diesmal ohne Partner und seinen Kindern, weil die Beziehung auch mit Alk nicht besser wurde Habe am 25.1.04 aufgehört zu trinken, und somit einen guten „Anlauf“ gehabt. Ich war mir sicher, dass nichts anrühren würde – Angst hatte ich doch, denn auf meine Gefühle war bisher nicht allzu großer Verlass.
In der ersten Woche war noch eine zusätzliche Freundin mit 5jähriger Tochter da. Zum Glück ist diese Frau sehr selbständig, war oft, lange und allein mit ihrem Kind unterwegs. Sie weiß, dass ich schnell genervt bin. Ich saß erstmal da und habe gewartet. Keine Ahnung worauf, guckte mir den Verlauf der Dinge nur an. Dann waren Mutter und Tochter weg. Hm.... was tun Lesen. Habe ungefähr 7 Bücher (darunter „Sakrileg“, sehr zu empfehlen) gelesen, musste immerzu irgendwelchen Lese-Schund nachkaufen, weil es an Deutschsprachigem da nicht so viel gibt. Zwischendurch div. Zeitschriften, dann in der Sonne liegen, hin und wieder zur nächsten Stadt, Geld ausgeben (+ Keramiker und Maler gucken) und dann auch die ersten Male mit dem Fahrrad unterwegs.
Nach zwei Wochen wollte ich nur noch eins: Nach Hause. Ich konnte nicht mehr lesen, wollte nichts mehr kaufen, keine Bilder mehr sehen und reden wollte ich auch mit niemandem mehr. Klar wusste ich, dass es mit Alk besser zu ertragen wäre, aber über diesen Gedanken ging es nicht hinaus. Ich saß wieder oft nicht mit unten, nur dass ich diesmal kein schlechtes Gewissen haben musste. Ich war bald stundenlang allein mit dem Fahrrad unterwegs. Los fuhr ich, um Zeit totzuschlagen (meinen Sohn zog es zum Strand, da halte ich es nicht aus), dann nach 'ner Stunde wurde es schön – frei. Dann konnte ich die Landschaft sehen und nach 3 Stunden machte ich eine Pause auf einer Raststätte (komisch, ich bleibe immer in der Nähe von Menschen, habe Angst im Wald allein, aber auch vor der wirklichen Nähe der Leute). Danach drei Stunden zurück.
Am nächsten Tag ging es mir besser. Ich war immer noch angenehm kaputt, nur diesmal nicht vom Alk und ich konnte auch wieder lesen und reden. Abends war ich schön müde – konnte schlafen.
Diese zähe, lähmende Langeweile war sehr heilsam. Erstens habe ich erkannt, dass niemand sonst Schuld daran war, außer ich selbst, dass ich die Jahre davor so genervt war. Ich habe MICH nicht ertragen, konnte nichts mit mir anfangen, hatte Angst, allein loszuziehen und ertrug es nicht, dass andere Leute einfach so im Garten sitzen und zufrieden sein konnten. Irgendwann war es so ätzend langweilig, dass es mich raus trieb. Und dann hatte ich endlich schöne erfüllende Erlebnisse.
Werde mir wahrscheinlich anstelle eines Autos ein gutes Fahrrad leisten (oder auch klauen lassen :grins2. Ja, das ist unbequemer, und vor allem zeitintensiver, was ich bisher nie aushalten konnte, denn alles musste schnell gehen, sofort erledigt sein – um nach Hause zu kommen und trinken zu können. Nun hat der Tag ja einige Stunden mehr – quasi. Und das ist schön.
Ich denke, ich habe es begriffen und die schlimmste Hürde genommen. Was ist eine alkgeschwängerte Party, von der man jederzeit gehen kann, gegen diesen Urlaub?
Nun, nächstes Jahr fahre ich dennoch nicht nochmal da hin . Meine Freundin schlug eine 7-Länder-Reise in 14 Tagen vor. Genau so habe ich mich dort auf dem Bauernhof (wo auch die dän. Familie mit ihren 4 Kindern wohnt) gefühlt. Ich wollte Input, nur um mich selbst nicht spüren zu müssen.
Es hat noch einen Vorteil. Ich habe das Ende dieser Ferien dann doch herbei gesehnt, kann beinahe genießend an die Arbeit gehen, habe mich auf meine Kollegen gefreut und alles ist gut. Nun habe ich wieder viel zu tun Muss allerdings aufpassen, nicht wieder in diese Tretmühle zu geraten. Aber so ein Fahrrad würde das vermutlich ziemlich ausbremsen, als mal schnell mit dem Auto 1000 Dinge zu erledigen. Und wenn es dann regnet......
Wünsche auch Euch auch viele, schöne, trockene Erkenntnisse .
Hi-Feli ....will Dir mal ganz spontan und herzlich für Deinen Beitrag danken... Ist schön zu lesen, dass Du nach Deiner jahrelangen Hatz und Suche vieleicht nu "das" gefunden hast hm... ich gönn Dir's auf jeden Fall Weißt Du, immer wenn ich Deinen Namen hier im Forum sehe fällt mir sofort ein Satz ein, den Du mir mal geschrieben hast: "Die im S. nennen mich schon Störung!!" ...der mir auch heut noch die Lachfalten ins Gesicht treibt.. ......isses immer noch so ??
Grüßle und ganz toller Daumendruck für Dich Reiner
Hi Felidaela, mir hat Dein Beitrag auch sehr gut gefallen. Überhaupt hört sich das gut an, wenn Du Dich hier meldest.
Das mit dem Fahrad kann ich Dir nur wärmstens ans Herz legen. Ich fahr auch meistens so zum Arbeiten, morgends direkt hin, abends heim quer durch die Pampa. Da sieht die Welt gleich anders aus.
Ein bißchen ähnlich wie dir ging's mir bei meinem diesjährigen Heimaturlaub in Österreich auch.
Bin erst mit vielen Erwartungen hingefahren (dachte, man wird sich um mich scharen...) - und musste dann feststellen, daß die meisten entweder nicht da waren oder arbeiten mussten.Wohnen konnte ich bei einem Bekannten, der aber auch auf Montage musste. Und dieses Kaff war auch ziemlich abgelegen, fast ne Stunde mit Bus in die nächste Stadt, der letzte ging schon um halb neun abends zurück.
Abgesehen von einer ausgiebigen 3Tage-Bergwanderung mit Kumpel passierte recht wenig.Und dann ging es mir ähnlich wie dir: hatte keine Lust, was zu lesen, TV zu gucken - war schon langweilig, am liebsten wäre ich wieder zurückgefahren, ging nur nicht, weil ich ein Spar-Ticket von der Bahn hatte.
Was ich gemacht habe, war eben einige langweilige Tage zu verbringen ohne diese in irgendwas anderes umwandeln zu wollen. Ich sagte mir: und wenn es das einzig positive ist, daß ich trocken geblieben bin, ist es schon top. Und genauso ist es - ich habe einige fade Tage erlebt:na und ?! Es muß nicht immer ein Mega-Event stattfinden oder die Super-Laune vorherrschen.
Auch mal Zeiten durchleben, die einfach nur so sind wie sie sind, nicht mehr.
Hi Feli, aus deinen letzten Beiträgen waren ja schon dein Umschwung und deine Zuversicht klar herauszulesen. Weil es ja nun keine dummen Fragen gibt einfach mal so : Kann es sein daß man, ähnlich wie beim Trinken, eigentlich als letzter mitbekommt wie man sich verändert ?
ZitatWeißt Du, immer wenn ich Deinen Namen hier im Forum sehe fällt mir sofort ein Satz ein, den Du mir mal geschrieben hast: "Die im S. nennen mich schon Störung!!" ...der mir auch heut noch die Lachfalten ins Gesicht treibt.. ......isses immer noch so ??
Nö, isses nicht und lustig fand ich das gar nicht mehr. Hatte ja ganz viel mit dem Alk zu tun. War nervös, unkonzentriert, lustlos..... Jetzt kann ich auch schon fast drüber lachen. Und wenn mal 'ne Störung passiert, ist es auch kein Beinbruch mehr. Abgesehen davon, passieren eben kaum noch welche.
Danke für deine „Meldung“.
@Minitiger
Warum bist’n du nicht mehr angemeldet?
ZitatDas mit dem Fahrad kann ich Dir nur wärmstens ans Herz legen
Danke! Das wollte ich hören. War eben auch gleich noch in einem entspr. Laden. Gucke aber die ganzen Tage schon mal, was es da so gibt. Hm, sind ja tolle Teile dabei.
Dir kann ich ohnehin immerzu nur danken, auch wenn es dir vielleicht langsam auf’n Keks geht. Mein Gehirn ist fleißig dabei, das Glücklichsein zu lernen, da die „Andockstellen“ dafür ja nun nicht mehr mit Alk belegt sind (mal vereinfacht dargestellt).
@Randolf/Robert
ZitatWas ich gemacht habe, war eben einige langweilige Tage zu verbringen ohne diese in irgendwas anderes umwandeln zu wollen.... ich habe einige fade Tage erlebt:na und ?!
Ja, ja, das ist schon schlau gemacht und leicht gesagt – ich meine das sehe ich ganz genau so. Aaaaaber, wenn sich dann die anderen Süchte breit machen wollen..... Allerdings gelingt es mir nüchtern, die besser „im Überblick“ zu behalten. Zucker hat nämlich eine ganz ähnliche chem. Struktur wie Alk, ne Max? Und eine, oder zwei Tafeln Schoki können schon sehr beruhigen und lahm legen, denn auch danach geht es mir schöööön schlecht und das nicht nur körperlich.
Mit Schoki-essen kann ich aber irgendwann aufhören und brauche am nächsten Tag garantiert keine.... nur der übernächste Tag kommt bestimmt
@Wolfgang
ZitatKann es sein daß man, ähnlich wie beim Trinken, eigentlich als letzter mitbekommt wie man sich verändert?
Hm, weiß nicht. Also innerlich bekommt man doch ziemlich schnell Veränderungen mit. Sei es das Schlafen, oder bessere Vertragen des Essens. Ruhe oder Euphorie machen sich breit. Vielleicht sind wir einfach zu sehr mit unseren „Innereien“ beschäftigt, dass wir den Spiegel der anderen zeitweise nicht beachten. Wenn also ein erstaunter Blick gesendet wird, weil wir mal anders reagiert haben, oder Leute machen keine Kontrollanrufe mehr, oder im Gegenteil, sie rufen nun wieder an. Das tun die vermutlich, weil sie Veränderungen sehen. Da wir aber noch den Blick nach innen gerichtet haben, merken wir es nicht.
Also so könnte ich deine Frage verstehen.
Zitataus deinen letzten Beiträgen waren ja schon dein Umschwung und deine Zuversicht klar herauszulesen.
Schön, dass du mir das mal so sagst, denn dafür fehlt mir tatsächlich der Blick. Ich meine, ich weiß für mich, wo ich stehe, kann aber nicht erkennen, ob mir das auch abgenommen wird.
Reiner hat sie ja mitbekommen, meine Anfänge hier.
ZitatIst schön zu lesen, dass Du nach Deiner jahrelangen Hatz und Suche vieleicht nu "das" gefunden hast
wenn ich im Büro sitz, bin ich nicht angemeldet. Hab mein passwort gar nicht da. Damit kommt auch irgendwie zum Ausdruck, daß mir nicht ganz koscher ist, wenn ich das bei der Arbeit mache. Kanns aber offensichtlich auch nicht bleiben lassen. Na ja, gibt schlimmere Sünden, und es ist uns erlaubt. Ist eh Standleitung, und solang ich meine Arbeit fertig krieg, interessierts keinen.
Zu Hause vergess ich das einloggen manchmal, ganz einfach. Aber sonst bin ich schon da.
Ich bin auch dankbar, daß mir einige Leute geholfen haben. Passt schon. Wenn Dir das wirklich geholfen hat, war es das beste, was passieren konnte.
Viel Glück mit deinem Fahrrad und ansonsten alles Gute
hi Feli, „Zucker hat nämlich eine ganz ähnliche chem. Struktur wie Alk, ne Max?“ Richtig, beides sind aliphatische Alkohole und sie werden ganz ähnlich abgebaut, also zum Energiegewinn verwendet. „Zuckersucht“ gibt es trotzdem nicht, das ist immer noch Naschsucht. aus deinem Urlaub: „Los fuhr ich, um Zeit totzuschlagen . ., dann nach 'ner Stunde wurde es schön – frei. Dann konnte ich die Landschaft sehen“ Super!! Natürliche Landschaft ist wertfrei, interessant, erkundenswert, macht niemals müde und es kann gar nicht genug davon da sein. Natur baut auf, meckert nicht rum, und beschönigt auch nicht. „ . . und nach 3 Stunden Pause . . . (komisch, ich bleibe immer in der Nähe von Menschen, habe Angst im Wald allein, aber auch vor der wirklichen Nähe der Leute).“ Dieses war der für mich bewegendste Satz deines Urlaubs. Könnte ich ganze Arien davon singen. Aber wenn du die Nähe suchst dann ist doch erstmal gut. Nun fehlt vielleicht als nächsten Schritt „na wer sind denn nun die richtigen?, die mich nicht ausnutzen, die mir nichts vorspielen, die mich tatsächlich auch mögen“. Und Angst davor kannst du ruhig haben finde ich, bloß kultivieren darfst du diese nicht. Und nach einem halben Jahr Trockenheit hatte ich auch noch reichlich Angst vor meinem neuen Leben, und habe „normale“ Leute gemieden, weil ich doch weniger wert war (so dämlich war ich damals, so wie sie es mir als Kind beigebracht hatten). Und dazu kamen noch Depressionen, ganz gemeine zwanghafte Vorstellungen, hartnäckig. Aber mit der Zeit wurde auch dies besser und besser. Inzwischen ist nichts mehr geblieben, aber einige Jahre dauerte das schon. Jetzt habe ich mich doch verplaudert, ich grüße dich, Max