Ich heisse Ingrid, bin seit 8 Monaten trockene Alkoholikerin und bisweilen begeisterter Gastleser hier auf dieser exzellenten Seite. Daher möchte ich auch einmal einen kleinen - ersten - Beitrag liefern.
Nicht nur, aber auch unter Alkoholikern begeben sich ja mittlerweile viele Menschen in die Hände von Psychologen, Psychiatern etc. Oftmals nur auf Druck von aussen, wenn man selbst und die Umwelt mit dem Verhalten eines Einzelnen nicht mehr zurechtkommen und irgendwann von wem auch immer der Satz fällt "nun muss aber was passieren!" Dann wird schnell als Trumpf der Gang zum Psychodoc etc. als Pauschallösung aus dem Ärmel gezaubert, nach dem Motto "Ich tu doch jetzt was".
Die tragen dann ihre reparaturbedürtfige Seele zum Psychologen als ob es ein kaputtes Auto wäre - mit der Erwartung "bring das mal in Ordnung". So funktioniert das aber meiner Meinung nach nicht, und schuld ist dann natürlich der unfähige Psychologe.
Ein guter Psychologe ist zweifelsohne nicht zwangsläufig der, bei dem man nachher mit einem "guten Gefühl" wieder weggeht - wenn er z.B. gleich Patentlösungen parat hat, einem nach dem Munde redet oder das erhoffte Mitleid aufbringt (meist hat man ohnehin genug Selbst-Mitleid) . Vielmehr ist es für mich derjenige, der einen immer wieder individuellen - und manchmal notwendigerweise auch harten - Weg findet, an die Knackpunkte des Einzelnen heranzukommen und die Kräfte in ihm herausfordert, um diese aufzubrechen. Hilfe zur Selbsthilfe - und damit meine ich ganz bestimmt nicht das weichgespülte Abnehmen von Eigenverantwortlichkeit - ist hier meines Erachtens gefragt.
Ich glaube, die sog. "Professionellen" können und sollen auch nur unterstützen, einem Dinge bewusst machen (auch wenn's weh tut) und zum Hinschauen bringen. Die in der Seelenarbeit Tätigen legen nur die Samenkörner; ob die Saat jedoch aufgeht, liegt nicht in ihrer Hand. Die Hauptarbeit bleibt schon an einem selbst hängen, weil man erst mal die Einsicht und innere Bereitschaft gewinnen muss, etwas für sich selbst zu tun. Und zwar nicht, damit man seine Ruhe vor dem Gemecker anderer hat oder weil man es irgendjemandem "zuliebe" macht, damits dem besser geht. Sowas gelingt ganz sicher nur, wenn man selbst den tiefen und aufrichtigen Wunsch hat, sich zu seinem Wohl weiterzuentwickeln, mehr Lebensqualität zu gewinnen und quasi ein "besserer Mensch" werden zu wollen.
Dazu gehört vor allem die Fähigkeit, auch Unangenehmes für sich wirklich annehmen zu können und - noch viel wichtiger: Ehrlichkeit. Zu anderen, klar, aber in allererster Linie Aufrichtigkeit zu sich selbst. Und das ist wohl der alllerschwerste Teil des Ganzen: erst wenn man sich traut, sich selber wirklich rückhaltslos ohne Ausflüchte, Beschönigungen und Hintertürchen ins Gesicht zu schauen und bereit ist, sich selbst mit allen Licht- und Schattenseiten überhaupt zu erkennen, hat man eine reelle Chance auf eine tatsächliche Änderung. Denn nur wenn man seinen Feind (auch den in sich selbst) mit Namen kennt, kann man ihn auch allmählich bekämpfen und mit sich selbst Frieden schliessen.
Auch und besonders beim Kampf gegen den eigenen Alkoholismus. Und auch der Besuch von Selbsthilfegruppen kann nur unter dieser Prämisse zur Genesung beitragen, daher gilt der Großteil des hier Geschreibenen meiner Meinung nach auch durchaus dafür.
Mich würden da Eure Meinungen/Erfahrungen/Ansichten dazu interessieren!
erst mal herzlich willkommen und Hut ab für diese treffenden Darstellungen!
Dein Post würde ich glatt mitunterschreiben,ausser die kurze Passage mit dem Feind am Ende.
Zur erfolgreichen Innenschau gehört meines Erachtens auch,die Worte Kampf und Feind zu verbannen. Denn diese Teile seiner Selbst wird man selbst durch den zähesten und längsten Kampf niemals los...man kann nur durch Akzeptanz und Aussöhnung dafür sorgen,daß die ehemals quertreibenden Stimmen durch Eingliederung in den übrigen Verband immer leiser und friedlicher werden.
Und was mir noch gerade dazu einfällt ist,daß die wenigsten Alkoholiker überhaupt einen Psychologen oder Psychiater brauchen.Das ist meistens pure Augenwischerei und Zeitverschwendung. Um erfolgreich nüchtern zu werden ist ein kompetenter Suchtberater,der sich mit der Materie auskennt,weitaus mehr angebracht,als ein Psychologe,der bei der Ursachenforschung den Selbstläufer,der sich vor seinen Augen entwickelt,nicht erkennt.
Ich habe es übrigens geschafft,mich während meiner zwei Alibi-Psychotherapien so richtig in die Abhängigkeit zu süppeln.
hallo Ingrid, „Die tragen dann ihre reparaturbedürtfige Seele zum Psychologen“ bleiben selber solange zuHause, und gehen dann hin ihre reparierte Seele wieder abholen. „schuld ist dann natürlich der unfähige Psychologe.“ Richtig!! Gib’s ihm, gib’s ihm!!! (Aber da gibt es wirklich dolle Typen.) „Ich glaube, die sog. "Professionellen" können und sollen auch nur unterstützen, einem Dinge bewusst machen (auch wenn's weh tut) und zum Hinschauen bringen“ Ja!! Aber nur ganz behutsam. Die sind immer so schlau und bevormunden tun sie auch noch, wenn auch in bester Absicht. Der Alk hatte mich genug zugeschüttet, und seit Stunde "neues Leben" nie wieder!! Ich selber persönlich glaube grundsätzlich nur trockenen Alkoholikern, und dann auch nur wenn sie „ihre Geschichten“ erzählen, authentisch und barbarisch schonungslos, also sachlich freihändig und ohne Netz. Vergleichen kann ich ganz alleine (wenn ich das nämlich nicht könnte dann könnte ich gleich weitersaufen). Keine einzige Geschichte passt haargenau zu der meinigen. Aber alle Geschichten passen ja doch zu mir, mehr oder weniger stark. Und genau das gibt mir zu denken, also es ist Stoff zum Denken, mit Kopf Seele und Herz. Das bevormundet mich nicht . Das führt zu eigener Mühe & Aktivität!! Ich bestreite auch, dass ein Nichtsüchtiger sich echt einfühlen kann. Er kann dagegen sehr gut Prizipien darstellen oder Wege vorschlagen (wenn er es denn kann!). Aber mein Inneres würde ich niemals einem Seelendoc präsentieren (das ist jetzt gar nicht böse gemeint). Deinen Beitrag finde ich erfrischend angenehm. ich grüße dich, Max
Was soll ich denn nun bei der mir von der Agentur mit A... (die keine ist) aufgezwungenen Psychotherapie anfangen? - Dort den Schlußmonolog aus Faust (1.Teil) rezitiereren ?
Mitlesen tue ich hier schon längere Zeit, ab und zu gebe ich auch mal meinen Senf dazu.
Ich bin kein Typ, der bei jedem Anflug von schlechter Stimmung gleich von Depressionen redet und ich käme auch nie auf die Idee, mein Inneres zu einem Psychologen oder Ähnlichem zu tragen. Mitreden kann ich da also nicht, was eine derartige Betreuung anbelangt. Ich weiß nur, dass ich meine lange Saufgeschichte mit mir selber ausgemacht und auch die lange Leidensgeschichte alleine zum Abschluss gebracht habe. Ohne Hilfe von außen und trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb geht es mir jeden Tag besser.
Wenn ich im Nachhinein, wo ich selber entschieden habe, nicht mehr saufen zu wollen/zu müssen, die Vergangenheit wieder aufrollen würde, wäre das Anlass genug, wirklich eine Depression zu bekommen . Immerhin weiß ich selber am Besten, was ich in der Vergangenheit für Mist gebaut habe.
Ich bin in einer Suchtberatung und habe alle zwei Wochen ein Einzelgespräch mit einem Psychologen Ich kann da nicht behaupten dass er mir irgendwelche Sorgen oder Verantwortungen weg-oder übernehmen will...oder mir sagt, was ich tun muss
Nein er hört mir zu...wiederholt öfters meine gesprochenen Worte...macht mir dadurch die Situation oder mein Bedürfniss dadurch nochmals klar und lässt mich reden, reden und nochmals reden.
Ich selbst kenne ihn schon viele Jahre und er ist für mich nicht ein anderer Mensch oder ein psychologisch Studierter Nein er ist für mich wie ein grosser Bruder zu dem ich Vertrauen habe.
So wie Roswitha schon schreibt, braucht es eigentlich um zu "Kapitulieren" keinen Psychater. Und Jutta schreibt auch meine Ansicht: "Denn ich habe Mist gebaut und ich schaufele mir diesen Mist wieder weg"
Es gibt halt auch verschiedene Ansichten wie z.B. der Psychater soll mir nun sagen, was ich zu tun habe...oder er soll mir den Mist mal wegschaufeln ....bin ja schliesslich versichert und bezahle ja auch dafür Doch das funktioniert meiner Ansicht und auch wie ich oben lese deiner Ansicht nicht!
Das warum trinke ich?...was steckt dahinter?...warum zerstöre ich mich selbst mit dem trinken von Alkohol? Ich denke da ist es auch Hilfreich psychologische Begleitung zu haben.
D O C H das geht ja erst nach dem eigenem Kapitulieren
herzlich willkommen und vielen Dank für diesen bemerkenswerten Beitrag!
ZitatEin guter Psychologe ist zweifelsohne nicht zwangsläufig...
Den Abschnitt fand ich besonders treffend. Wenn es so einfach wäre, wie manche denken, gäbe es wohl keine Suchtprobleme.
Bei uns in der SHG gibt es Personen, die würden alles tun nur an das Grundproblem, da wo es Weh tut, wagen sie sich nicht ran. Wenn man Sie dann darauf hinweist ist man der Böse der ihnen nichts zutraut obwohl sie doch schon so viel geleistet haben. Da könnte man verzweifeln. Gut das ich kein Psychologe bin...
Ich hoffe wir dürfen noch öfters von dir lesen.
Ralf
[f1][ Editiert von Ralfi am: 01.09.2004 21:13 ][/f]
wenn du für dich mit dem Alk abgeschlossen hast,kann dir auch ein Psychodoc nicht schaden. Im Gegenteil.Nutz die Chance kostengüntig was für dich zutun.Ich denke mal,auch du hast noch andere Leichen im Keller als nur die Buddeln.... Was ich nur damit sagen wollte,ist,daß die Psychologen in den meisten Fällen Null Ahnung von Suchtproblematik haben und dementsprechend auch behandeln. Man kann sie ergo als nasser Alkoholiker so richtig prima verschaukeln....was man mit einem Sucht / Drogenberater nicht kann.
Jo,aaaaber,es gibt auch Psychologen,die in Suchtproblematik ausgebildet sind...so eine hatte ich auch zu Anfang meiner Reha. Ich fand die Dame damals etwas schnepfig,naja,war wohl eher meine eigene Persönlichkeit,die ich da sah....
Aber wie Ingrid schon sagte,ohne eigene Arbeit läuft da gar nichts!Und es muss wehtun,wenn's die lange gehegten und geschützten Knackpunkte aufbrechen soll.
Vielleicht ist das ja auch so, wenn man für sich ein "Ziel" vor Augen hat, quasi weiß " ja ich will mir helfen lassen in dem und dem Punkt" und nicht versucht sich weiterhin selbst (und den Psycho-Onkel bzw. Tante ) zu verschaukeln.
Ich denke das auch, mit einer Erkrankung muß man lernen zu leben - jetzt nicht nur was den Alkoholismus betrifft - der Arzt kann nur eine Diagnose stellen, für die Therapie und deren Einhaltung ist man letzten Endes selbst verantwortlich. Das kann niemand einem abnehmen.
Mein erklärtes Ziel damals war es,meine psychologischen Probleme in den Griff zu kriegen um nicht mehr unkontrolliert saufen zu müssen....
So ein Schmarrn .....hatte ich ein Problem bearbeitet,hab ich mir doch butz ein Neues gebastelt.
Um dann genauso unkontrolliert weiter zu süppeln wie vorher.
Zwischendurch kam's mir mal in den Sinn mit dem Rauchen zuerst aufhören zu wollen...natürlich ebenfalls ohne Erfolg...und in der Zwischenzeit hab ich mich immer über Gott,die Welt und meine Mutter aufgeregt...
Erst wars ne' Psychologin,bis mir in den Sinn kam,daß ich mit Männern wohl besser könnte.......dann hatte ich einen Psychologen,bis mir einfiel,daß es bestimmt nicht schlecht sei,mich mit den Frauen (Hühnern :rolleyes auszusöhnen.Da hab ich dem auch wieder gekündigt...
Ich hätte ewig so weitermachen können ....nur um die Suchtberatung,da hab ich immer einen grossen Bogen drumgemacht....
Und warum hast du jetzt lachen müssen ? (Nicht das ich denke ich hätte so einen Blödsinn geschrieben ) Weil du quasi das Pferd von hinten aufgezäumt hast, also zuerst weg mit den Problemen das du nicht mehr trinken mußt, als umgekehrt ? So als Alibi-Funktion ?
Zuerst das Trinken aufhören und dann den Kopf dafür haben, alles mal aus der trockenen Warte zu begutachten ? Was bekanntermaßen ja besser klappt
ja klar.Ich hab mich ja auch jahrelang mit mir selber rumgeschlagen und mich darüber beklagt,wiiiieeee schlimm doch alles ist. Ich hätte aus dem Stegreif heraus tausend Gründe aufzählen können,warum ich denn trinken muss.
Ja,und mein Ziel war es eben,erst meine Trink-Auslöser wegzutherapieren,um dann danach wieder kontrolliert trinken zu können.....Ich hatte eine Therapie und ein Ziel,nur leider das Falsche....und keiner meiner beiden Psychodocs hat sich mal die Mühe gemacht,mich aufzuklären... Das haben die dann in der Suchtberatung nachgeholt...und Ihr natürlich