Heute überkam es mich und ich habe mal gerechnet, wie lange ich schon trockenes Fußes durch die Gegend laufe. Seit Oktober 2002 trinke ich zwar immer noch aus Gläsern, aber diese enthalten im Gegensatz zu früher keinen Alkohol mehr. Ich habe also völlig unbemerkt die ersten 1000 trockenen Tage überschritten. Ein Grund zum Feiern, zum Jubeln, zum Loben? Für mich nicht. Ich bin einfach nur zufrieden abstinent. Ich habe in meinem Leben so viel Alkohol getrunken, dass ich gut und gerne in der noch vor mir liegenden Zeit keinen einzigen Gedanken mehr dafür verschwende, es wieder zu tun.
Und ganz nebenbei: Ich habe es ganz alleine geschafft, ohne Selbsthilfegruppen, ohne Therapien, ohne andere Hilfen – nur für mich. Weil ich vom Tage X an nie wieder dahin wollte, wo ich mal war: Bei einer Abhängigkeit von alkoholischen Produkten, die heute für mich nur noch eklig sind. Heute frage ich mich, wie ich mir so was und vor allem so lange antun konnte. Und ich sage weiterhin: Nein danke! Ohne Entschuldigungen, ohne Ausreden – und es geht mir gut dabei.
Gut, dass du gezählt hast, so sehe ich auf einen Blick, dass ich auch schon über 1000 trockene Tage erlebt habe (seit Ende Juli 2002). Ich bin zufrieden und dankbar, dass es so gekommen ist.
Anfang 2002 war ich bei meinem Hausarzt und jammerte ihm vollkommen verkatert was vor, ich sei so unglücklich mit meinem Alkoholkonsum. Der Hausarzt überwies mich zu einem Spezialisten für Abhängigkeitskrankheiten, der eine Tagesklinik für ambulante Therapien betreibt. Dort kam ich in einem Zustand an, wie ich ihn nie wieder erleben möchte. Das Gespräch lief darauf hinaus , dass ich - nach Klärung der Kostenübernahme - sofort mit der Therapie beginnen könnte. Ich hatte und habe keinerlei Therapieerfahrung, und die Vorstellung, ich sollte eine "Entziehungskur" machen, hat mich vollkommen verschreckt. Sooo weit war ich meiner Meinung nach ja doch noch nicht, und wir vereinbarten, dass ich zwei Tage später meine Entscheidung mitteilen werde. Zwei Tage später gings mir schon wieder einigermaßen gut, und nichts lag mir ferner als eine Therapie. Dem Arzt sagte ich, ich werde es allein versuchen, ich hätte ja schon immer längere Trinkpausen einlegen können. Der Arzt musste natürlich meine Entscheidung akzeptieren, sagte mir aber sinngemäß, wenn ich es allein schaffen würde, wäre ich Weltmeister. Er empfahl mir, mich zumindest einer SHG anzuschließen. Habe ich nicht getan und wollte mir beweisen, dass ich das Zeug zum Weltmeister habe. Einige Zeit gings gut, bis ich im Juli 2002 an meinem absoluten Tiefpunkt angelangte. Da wars mit meinen Alleingängen vorbei. Ich bin sofort zu den AA gegangen und besuche seitdem die Gruppe zweimal wöchentlich. Es tut mir einfach gut.
Aber so kann man mal wieder sehen, wie unterschiedlich die Wege in die Trockenheit sind.
1000 Tage ist eine stramme Leistung, vor allem, weil du erst mal nachrechnen musstest, wo du schon angelangt bist. Folglich ist die Abstinenz in Fleisch und Blut übergegangen und das Normalste überhaupt für dich geworden.
Aber egal. Nicht die Tage sind wichtig, finde ich, sondern die innere Einstellung. Dann dürfte die Abstinenz zu einem Selbstläufer bis ans Ende aller Tage werden. Also, dann mal weiter auf deinem, unserem Weg.
Ich danke recht herzlich für eure Glückwünsche und euer Feedback.
@Friedi: Weltmeister wollte ich nie werden, aber ich gebe dir Recht, dass es hier die unterschiedlichsten Wege gibt. Wichtig ist ja, da anzukommen, wo man hin möchte.
@ Saftnase Laila: Abstinenz ist mir wirklich in Fleisch und Blut übergegangen. Ich kann und will gar nicht mehr anders.
heute kommt man mit dem gratulieren ja kaum nach. erst die sache mit der faust, und nun NoAlktoday, und das gleich tausend mal.
aber hier gratuliere ich mal nicht, denn in dem sinn habe ich dich jutta verstanden, und so geht es mir selbst auch:
die zufriedenheit nicht mehr zu trinken, lässt sich nicht in tagen messen .
das was der zähler als geschafft empfindet, entpuppt sich im falle eines rückfalls zum countdown.
es geschafft zu haben, scheint mir das gfefühl zu sein, nichts (mehr) schaffen zu müssen, und da ist der youngster nicht weiter von entfernt, wie der tagedino.
und dazu gratuliere ich dir jetzt jutta, und den aspirantinnen die hier ihre 1000 tage ahnen, (und an deren röcke ich mich zu heften beabsichtige :grins2, gleich mit.
glückwunsch zum tag , wo du nicht mehr zählen musstest!
ps. ich habe mir zum glück, das datum meines letzten schluckes, ins profil gemeisselt. kann ja nie wissen, ob mir nicht einmal nach protzen ist.
ich freu mich auch für Dich, das Du es geschafft hast .
Ich versuche auch, ohne Therapie und SHG das zu schaffen. Das Du das geschafft hast macht mir Mut, vor allem weil ich so oft gehört habe, das es nicht klappen kann.
ich kann deine Zufriedenheit sehr gut nachempfinden, denn mir geht es ähnlich. Mein Weg war dem deinen gar nicht so unähnlich und habe auch schon vor längerer Zeit mit dem Tagezählen aufgehört. Komme aber der Tausendermarke immer näher und näher.
Heute schätze ich mein Leben wie nie zuvor. Es ist einfach schön, morgens nüchtern aufzustehen und so weit es geht jeden Tag auf meine Art und Weise genießen zu können. Naja, es ist nicht täglich ein Genuss, aber alkfrei ein bewusstes Leben und ich bin dankbar, die Sucht zum Stillstand gebracht zu haben.
Liebe Jutta, ich wünsch dir, dass du deine Zufriedenheit über viele, viele Jahre weiterhin genießen darfst und wünsche dir alles Gute.
- die ihr mir trotzdem gratuliert habt, auch wenn der Thread eigentlich dafür gar nicht gedacht war
Ich will auch kein Vorbild sein, denn immer wieder wird auf die Gefahren hingewiesen, selbst zu entziehen und sich keine Hilfe zu holen. Gedankenaustausch in Selbsthilfegruppen ist für die meisten erforderlich und hilft auch - habe ich hier gelesen. Ich bin aber ein Dickschädel und wollte auch mir etwas beweisen, was mir meiner bescheidenen Meinung nach auch gelungen ist. Nicht nur meiner Familie, die es mir nicht zutraute, aus der Saufpause eine Abstinenz zu machen. Heute stehe ich lachenden Auges daneben, wenn die Familie trinkt und vor allem: Angebote in Supermärkten etc., aufgereihte Flaschen mit Alkohol, Bierkästen, MonCherie oder Edle Früchte in Alkohol oder was es da alles gibt, locken mich nicht mehr. Sie dürfen neben mir existieren, aber ich will sie nicht mehr.
Und das ist ein Gefühl, was nicht zu beschreiben ist! Tankstellen benutze ich nur noch zum Tanken und sogar beim Ausgehen ist es für mich ganz selbstverständlich, ganz einfach eine Frucht-Schorle oder ein Wasser zu bestellen.
Ich gehe viel entspannter mein Tagwerk an, kann frei entscheiden, was ich machen möchte, brauche keine Zeit mehr für mich, um den Pegel aufzufüllen und vor allem: Ich kann Leuten ohne Abstand gegenüber treten, es gibt keine Fahne mehr, die sie riechen könnten.
Und deswegen habe ich meinen Beitrag unter Positives geleistet, auch wenn ich sonst hier kaum etwas anzumerken habe
Ich grüße euch und wünsche euch dieselben schönen Erfahrungen!