es ist jetzt genau eine Woche her seit meinem letzten posting. Mittlerweile hat sich viel bewegt in mir und um mich herum orientiert sich einiges in die richtige Richtung, was wohl die logische Konsequenz meines "inneren Aufbruchs" ist.
In dieser Zeit habe ich im Saufnix gelesen, wie in einer Enzyklopädie über das Phänomen meiner Krankheit. Ich habe eure zum Teil ernüchternden, zum Teil auch sehr erfreulichen und Mut machenden Threads verfolgt. Ich habe mich endlich mit meiner Krankheit angenommen und nehme mich, mein Leben und die dazu notwendige Abstinenz ernst.
Die Wahrheit ist, ich kann nicht mit Alkohol umgehen. Das ist schön, denn ich muß es ja auch nicht. Keiner zwingt mich dazu. Was ich sagen möchte: Ich habe meine Einstellung zu mir geändert. Dadurch änderte sich auch die zum Alkohol.
Wenn ich mich nicht annehme und liebe, so wie ich bin, wer soll es dann tun? Und selbst wenn man mir Mitgefühl entgegenbringt, macht mich das nicht wirklich heil. Es wird mir immer entwas fehlen, wenn ich mich selbst mit meinen Bedürfnissen und Wünschen nicht achte und respektiere.
Solange ich versuche mir und allen anderen in einer Maske der Unfehlbarkeit vorzugaukeln, dass ich ja eigentlich gar nicht so bin, wie es den Anschein hat, gar nicht krank und bedürftig, werde ich auch nicht für mich sorgen können, weil ich Erwartungen an meine Umwelt habe oder versuche, sie dafür verantwortlich zu machen, dass ich gar nicht der sein darf, der ich im Grunde bin.
Außerdem geht die ganze schöne Lebensenergie flöten für das Verheimlichen meiner Sucht, das im ständigen Wechsel Aufsuchen von diversen Supermärkten im Umkreis von einer von mir noch vertretbaren Kilometerzahl. Ebenso das aufwendige Entsorgen von Flaschen in der Größenordnung eines mittleren Saufgelages.
Diese Energie - juhu!!! - steht mir jetzt zum Leben zur Verfügung!! Und ich stelle fest: Das Leben ist schön.
Als weitere positive Begleiterscheinung ist das langsame aber stete Abtreten meiner Verlustangst zu verzeichnen.
Denn was kann ich verlieren, wenn ich loslasse?
Nichts!... im Gegenteil, ich gewinne mich selbst. Ich vertraue mir wieder und ich gebe acht auf mich, wie auf ein zartes, wunderschönes, junges Pflänzchen im Stadtpark, von dem ich nur wenigen erzähle, bedacht darauf, es erst wachsen und sich zu entfalten zu lassen, bis es groß und sichtbar auch für andere seine Schönheit entfalten kann ohne von der Unberechenbarkeit der vielen Ausdrucksformen des Lebens im wahrsten Sinn des Wortes überrannt zu werden.
Und das ist diesmal anders.
Seit ich hier angemeldet bin hatte ich zwei Rückfälle. Mit jedem wurde mein Wunsch nach "lebenslanger Abstinenz" (endlich hört sich das richtig gut und befreiend für mich an) größer und richtiger.
Es ist schön, Abstinenzler zu sein!
Es ist schön, bei vollem Bewußtsein und klarem Verstand zu leben und zu lieben.
beim lesen deines Textes bekomme ich eine Gänsehaut, so schön ist er. Du hast es auf den Punkt gebracht, das Gefühl, abstinent sein zu können und zu dürfen ist so beruhigend so tröstlich und so wunderbar nach der ganzen schweren Zeit der Trinkerei. Danke dafür.
So ähnlich war es bei mir auch. Nach ettlichen Versuchen war plötzlich etwas anders. Die Einstellung zu mir, zum Alkohol und überhaupt.
Immer wieder bin ich erstaunt, was die Seele alles zu bieten hat und ich habe das Alles einfach so verschüttet. Ich bin dabei, mich endlich richtig kennen und mögen zu lernen. Ein wunderbares Gefühl. Warum sollte ich das zerstören, was ich doch eigentlich sehr mag. Nahestehenden Personen würde ich das auch nicht antun wollen, was ich mir selbst jahrelang angetan habe.
Ganz viel Erfolg wünscht Dir Seele
Es sind nicht alle Tage so wie dieser heute,aber nimm auch die trüberen Tage mit Humor und laß Dich von ihnen nicht runterziehen!
in den letzten Tagen werde ich hier wunderbar ausgebremst oder zumindest auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Mensch Leute, warum fallt ihr denn plötzlich reihenweise um?
Es gibt Momente da muß ich mich ganz schnell hier ausloggen, damit ich nicht auch gleich noch einen Rückfall baue. Es überfordert mich dann maßlos und ich bin froh, dass ich ganz langsam anfange, meine innere Stimme wieder wahrzunehmen, zu lauschen: was geht in mir vor? was brauche ich?
Es gab seit meinem letzten Rückfall schon die ein oder andere Situation in der sich meine innere Anspannung kaum mehr aushalten lies. Gott sei Dank hörte ich rechtzeitig die Alarmglocken schellen und ich habe erst mal tief durchgeatmet.
( Das mit dem Atmen ist mein neuester Trick, so komme ich auch nicht auf die Idee mir eine Zigarette anzumachen. Ganz tief luftholen ohne Zigarette ist echt um einiges gesünder als mit:sly
Was mir hilft um einem Rückfall vorzubeugen:
jeden Abend telefonieren mit einem jahrhunderte lang trockenen Alkoholiker, der mir den Kopf zurechtrückt.
ohne Rücksicht auf Verluste, meine Wahrheit sagen, meine Eindrücke und Empfindungen schildern, wissend es gibt nix Absolutes.
ehrlicher und offener Umgang mit meinen Kindern. (ich bin so dankbar, dass die beiden Buben mir wieder ihr Vertrauen schenken, dass ich um keinen Preis der Welt wieder enttäuschen will!)
wenn ich merke, mich stresst was ganz gewaltig, halte ich inne; und meistens merke ich dann, dass ich eine Situation überbewerte oder ich mich überfordere und dann schalte ich zurück, auch wenn das anderen vielleicht nicht passt.(Ich bin mir wichtig!)
ich bin dankbar für das Erreichte, für jeden Tag der Trockenheit und beim geringsten Anflug von Übermut mache ich mir klar, dass zuviel Euphorie mich stark gefährdet. (Ich bin krank und die Genesung dauert... jeder Rückfall ist ein Beweis dafür!!)
mir hat der Wein bzw. der Whisky wirklich geschmeckt, aber auf die verheerenden Folgen verzichte ich gerne mein Leben lang, ich kann mit Alkohol nicht umgehen, ich finde kein Mass. (Ich könnte mir gut vorstellen, dass das Zeug irgendwann gar nicht mehr schmeckt, ausprobieren will ich's aber net wirklich)
Die allergrößte Motivation ist mir aber: ich will mich endlich kennenlernen, so wie ich wirklich bin. Und ich merke schon, da lauert eine ganz vielschichtige, vielseitige Marianne unter der Suchtdecke!
Denn nur, wenn ich authentisch bin, kann ich zufriedene und gewinnbringende Beziehungen zu meinen Mitmenschen aufbauen. Kann ich mit Zurückweisungen umgehen, weil ich ja hinter mir und dem was ich tue voll und ganz stehe.
Und der Witz ist ja, je mehr ich ich selbst bin, desto mehr werde ich ernst genommen.
Huch, das ist aber lang geworden, das sind also meine philosophischen Gedanken zum Mittwoch.
Wer's bis hierher geschafft hat sei herzlichst gegrüßt
hallo Seelchen, ". . . und ich bin froh, dass ich ganz langsam anfange, meine innere Stimme wieder wahrzunehmen, zu lauschen: was geht in mir vor? was brauche ich?" // Dank dir für einen solchen schönen Beitrag zum Mittwoch in der Frühe !! Solch klaren und auch fröhlichen Beitrag habe ich lange nicht gelesen oder gehört, Max
ich freu' mich so, dass ihr euch so mit mir freut!!
Nebenbei muß ich aber noch meinen Abgesang von gestern ergänzen:
ich habe einen einfühlsamen Suchtberater, der mich mit den richtigen Fragen zu plausiblen Antworten führt.
ich gehe (leider nur) alle zwei Wochen in eine SHG, in der sich mehrere Urgesteine tummeln, die mir mit ihrer jahrelangen Abstinenz Mut machen.
.... und ich habe euch....
Außerdem noch eine kleine Geschichte:
Mein großer Sohn (10 J.) bekommt seit zwei Jahren Medikinet. Ein Medikament für ADS-Kinder. Bei seiner Therapeutin sind wir in sehr guten Händen und sie gab mir auch bis vor kurzem immer ein positives Feedback über seine Entwicklung und meinen guten Einfluss.
In der Zeit, als das mit dem Alkoholkonsum bei mir eskalierte und ich den Kindern bereits nach der Schule besoffen die Tür öffnete, hatte ich einer Not gehorchend und bedingt durch die bevorstehende Medikation durch die Ärztin beschlossen, dem kleinen (7 J.) ohne vorherige Absprache ebenfalls dieses Med. zu verabreichen.
Grosses Fehler 1. ist das wohl strafbar und 2. hat mein Nochman das mitgekriegt und sofort die Ärztin angerufen und ihr nebenbei erzählt, dass ich wohl ein Alkoholproblem hätte.
Die Ärztin hatte daraufhin mich angerufen und einbestellt.
Und so, wie sie mich da angeschaut hat, habe ich sie noch nie gesehen. Sie hat mir durchdringend in die Augen geschaut und ich wußte, sie wollte sehen, ob ich was getrunken hab. Sie hat intensiv die Nüstern gebläht um eine eventuelle Fahne zu erschnuppern und ich konnte nur in mich hineingrinsen.
Mann, das hat so gut getan. Ich habe sie mit meiner Trockenheit konfrontiert.
Natürlich habe ich ihr nicht die ganze Story erzählt sondern nur die Spitze, um die es ja schlußendlich auch ging, aber dennoch konnte ich ihr wohl glaubhaft versichern, dass ich jetzt für mich sorgen werde und auch für die Kinder keine Gefahr mehr darstelle.
Als sie mich fragte, ob ich Angst hätte, der Vater könne mir die Kinder wegnehmen , habe ich ihr mit nein geantwortet, Stand heute nicht, und diese Angst will ich auch nicht mehr haben müssen.
Das war am 15.11. Ich habe ihr sämtliche Umstände, die zu meiner Eigenmächtigkeit führten erklärt. Phil wird das Medikament auch bekommen.
Eine andere Geschichte ist, dass ich immer mehr ahne, dass diese vermeindliche Hyperaktivität mit meiner Sucht zusammenhängt. ... was heißt, wenn ich trocken bleibe, haben wir alle Chancen der Welt eine tolle Familie zu sein.