Habe schon oft hier geschmökert und möchte mal ein Randthema anschneiden: "Die Ausnüchterungszelle" - Kurz zu mir: Habe eine 10-Jährige Trinkerkarriere hinter mir, und dass letzte nasse Erlebnis ist noch garnicht solange her, 5 Wochen. Ich möchte hier an dieser Stelle nicht darüber reden, dass es mir wieder leidlich gut geht ohne Alk, sondern einmal erwähnen, dass ich es auf stattliche fünf mal Ausnüchterungszelle gebracht habe, auch wenn ich nie aggressiv war im Rausch. Einmal fand ich so einen Raum in Norddeutschland vor, ohne Klo. Es gab eine Notklingel, aber die "Beamten" meinten nur "Na warten sie mal noch ein Stündchen". Was blieb mir anderes übrig, als in die Ecke zu pinkeln? Wochen später trudelte eine Rechnung in´s Haus wegen "Verunreinigung eines Dienstraumes". Aktuell war mir nun folgendes passiert: Vor sechs Wochen entschloss ich mich zu einer Entgiftung. Hatte einen Termin im Krankenhaus, tankte nochmal nach und ging zu meinem Hausarzt, einen Einweisungsschein zu besorgen. Direkt nach dem Arztbesuch schlief ich dummerweise im Hof auf der Eingangstreppe zur Arztpraxis ein - und wurde geweckt: Zwei Beamten standen vor mir und nahmen mich wieder mit in ihre hübsche Zelle. Mein Beteuern, ich sei auf dem Weg in die Klinik, nutzte nichts, sieben unendlich lange Stunden liessen sie mich nochmal ausharren. Ich sagte, ich sei Alkoholiker und es wäre gefährlich, mich hier "kalt" ausnüchtern zu lassen. - Ein "Dienstarzt" steckte daraufhin seine Nase kurz in die Zelle und attestierte mir sogenannte "Haftfähigkeit". Wochen später nun eine Rechnung über 120 Euro für das ganze. Was haltet Ihr davon? Ich nahm dann die Entgiftung wahr und es ging sehr schnell bergauf mit allem, und hoffentlich hält die Nüchternheit lange an! Es ist wunderbar, wieder klar im Kopf zu sein und autonom. Da ich aber noch Schulden habe, tun mir die 120 Euro ganz schön weh. Habe noch 3 Wochen Zeit, um Widerspruch einzulegen. Kennt sich da jemand aus? Eins möchte ich noch über die Beamten sagen (nenne sie bewußt nicht "Bullen", um mich nicht auf deren Niveau herabzulassen): Dass sie viel Ärger mit Randalierern und Besoffenen haben und von daher auch geprägt sind, ist klar. Das sie aber ihren ganzen Dienst- und Lebensfrust an akut Wehrlosen (Intoxikierten) abreagieren, ist ein Skandal. Ich selbst, immer friedlich, habe von denen die Nase voll, ager gestrichen. Meine Erlebnisse passen sehr zu dem Film "Die Hoffnung stirbt zuletzt". OK,- bin mal auf Reaktionen von Euch gespannt!
ZitatIch selbst, immer friedlich, habe von denen die Nase voll, ager gestrichen. Meine Erlebnisse passen sehr zu dem Film "Die Hoffnung stirbt zuletzt". OK,- bin mal auf Reaktionen von Euch gespannt!
Hallo Ozean,
herzlich willkommen hier im Forum.
ja hier gibt es bestimmt noch einige die so ihre negativen Erfahrungen und peinlichen Erlebnisse mit dem Alkohol hatten. Einschlieslich mir. Wenn auch nicht in und mit der Ausnüchterungszelle.
Wichtig ist, das diese Erfahrungen irgendwann mal so prägend sind, das du dir sagst das muss ich nicht nochmal haben. und wenn du das nächste mal Saufdruck haben solltest, dann weisste doch was du dir ins Bewusstsein rücken musst.
Aber mal zum jetzt, wie hast du dir denn deinen Weg jetzt nach der Entgiftung weiter vorgestellt ??
ZitatDa ich aber noch Schulden habe, tun mir die 120 Euro ganz schön weh. Habe noch 3 Wochen Zeit, um Widerspruch einzulegen. Kennt sich da jemand aus?
...vergiss es einfach Ozean. Verschwendede zeit und Kraft.
Ein guter Tipp... nimm alle deine Kraft und Energie und verwende sie für dich und deine zukunft dein Leben.
Du wirst sie brauchen, kann ich dir sagen und du wirst kein bisschen davon zu verschwenden haben.
Denn so richtig scheint mir, haste immer noch nicht gelernt. Die "Bullen" die sind weder an deiner Krankheit noch an deinen Besäufnissen schuld.
an deiner stelle würde ich die ganze geschichte bei sich beruhen lassen und mein augenmerk auf meine krankheit legen. was erwartest du denn von der polizei..? das sie auch noch drogenspezialisten und mediziener sind. wenn einer besoffen irgendwo rumliegt wird er mitgenommen...sollten sie dich liegenlassen ...? und wenn du denen in die ecke pinkelst sollen das die steuerzahler zahlen...? ich habe nach solchen "besuchen" den ball ganz flach gehalten. aber wenn du meinst das dir ein wiederspruch hilft trocken zu werden ...mach es.
zu deinen fragen: konzentration auf die trockenheit hat vorrang.
auch ich würde die dinge unter "lehrgeld" abhaken und es, wenn die kohle mir besonders weh tut, umso merklicher in der erinnerung bewahren. wenn du partout die letzte strafe momentan nicht zahlen kannst, lässt sich bei den zahlungsmodalitäten wahrscheinlich etwas aushandeln.
mir ist dergleichen zwar nicht passiert, doch mir passierte oft, dass ich mich anderntags nicht mehr recht entsinnen konnte, auch kenne ich noch meine dünnhäutigkeit gerade in der frischen ernüchterung. da kann das eine oder andere wahrnehmungsmässig und rekonstruktionsmässig schon zu meinen gunsten zurechtgebosselt worden sein, besonders wenn es mit grosser peinlichkeit und scham verbunden war.
wenn deine erinnerung und deine wahrnehmung durchweg der realität entsprechen sollte, bist du, wenn es hart auf hart kommt, allein und die anderen sind mehrere, und zwar amtspersonen. die glaubwürdigkeit deiner zeugenaussage wird aller wahrscheinlichkeit nach geringer bewertet werden als die der beamten.
die zellenpinkelei könnte strittig sein, denn notdurft ist notdurft, das ist wie atmen und kann im prinzip nicht verboten werden, und der ort der verrichtung war mit seinen gegebenheiten ein zwangsweiser. und doch wird sich das gegebenenfalls darstellen lassen derart, dass es die beamten von allen denkbaren verfehlungen entlastet. bei hart auf hart wirst du auch da kaum durchkommen, selbst wenn du der sache nach im recht sein solltest.
vielleicht, Ozean, willst du ja auch von deiner geschichte erzählen, deiner lage, deinen perspektiven ...?
Danke für Eure Rückmeldungen! Vielleicht klang mein Bericht ein bisschen wie Schuldzuschreibungen an die Polizisten. Das sollte es nicht sein: Als Selbstschutz radikal weggesperrt zu werden, ist eine existentielle Erfahrung, wenn man gerade "voll drauf" ist und meint, eine Flasche in Reichweite haben zu müssen. Ich glaube aber nicht, dass sowas der fehlende "Tritt in den A...ch" zum Nüchternwerden sein kann. Mich hatte eher gestört, dass es Gutdünken der Beamten sein kann, OB sie einen mitnehmen, wenn man öffentlich eingeschlafen ist und OB sie dann anschließend eine Rechnung schicken oder nicht (zweimal kam eine Rechnung, dreimal nicht). Zweimal war ich beim Versuch, zu Hause kalt auszunüchtern, in ein Volldelir gerutscht, aber sowas interessiert auf der Wache niemanden. Aber ich gebe Euch Recht und werde das ganze unter "Lehrgeld" abhaken. Paradox erschien mir die Geschichte nur, weil sie direkt auf dem Weg zur Entgiftung passiert ist. Und teuer deshalb, weil ich in dem Monat Hartz-Empfänger war.
Vielleicht etwas komisch, sich über das Stichwort "Ausnüchterungszelle" hier erstmals einzubringen? OK: Dann lege ich die Geschichte "Haftraum" jetzt als "Lehrgeld" zu den Akten und erzähle mal kurz noch was Positives: Habe gleich einen Tag nach der Entgiftung einen Arbeitsplatz im Büro bekommen, und das 1. Bei vielen Mitstreitern 2. Bei voller Angabe der Tatsache vor dem Chef, dass ich ich wegen Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit ein "Lücke" im Lebenslauf habe. > Es weiss zwar keiner, wie kurz eigentlich mein letzter Substanbzmißbrauch zurückliegt, aber es war a) ein tolles Gefühl sich mal zu outen und b) auch noch dabei akzeptiert zu werden. SOWAS ist für mich Anreiz, nüchtern zu bleiben.
Heute ist ja Samstag, mein "Risikotag": Der Verlockung, Stoff zu kaufen steht der Wille gegenüber, am Montag fit am Arbeitsplatz zu erscheinen. Keine Frage. Werde jetzt Tagesprogramm erledigen und heute abend zufrieden in´s Bett fallen. Wünsche Euch allen gute 24h!
ich finde das Vorgehen der Beamten auch mindestens bedenklich. Und wenn sogar der Arzt meint, einen Alkoholiker einfach mal in einer Zelle ausnüchtern zu lassen, obwohl der eine Einweisung zur Entgiftung bei sich hat, da fällt mir nix mehr ein... Doch, da fällt mir schon was ein, aber das sag ich besser nicht!
Den "Steuerzahler", wie du ja jetzt auch wieder einer bist, wärs billiger gekommen, wenn die Beamten dich in die Entgiftung oder nach Hause zu deiner Flasche gefahren hätten, meine ich.
250€ ist ja ein stolzer Preis für so ein schlichtes "Zimmer". Denke mal, da ist noch Strafe und "Arztrechnung" dabei, oder?
Bin kein RA, nur ein eingeschüchterter Bürger, aber ich vermute, ein Widerspruch ohne vorherige Konsultation mit einem RA wird dich nur Nerven kosten und nichts bringen. Wenns schlecht läuft, kommt dann noch eine Bearbeitungsgebühr oder sowas oben drauf, weiß nicht.
Hak's besser wirklich ab. Mach dich doch mal schlau, wie du die Zahlung "strecken" kannst, in kleinsten Raten oder Aufschub oder so... Tip: =click=>jurathek
Aber eine Beschwerde wegen dem Nicht-pinkeln-lassen wär vielleicht nicht schlecht. Egal, obs abgebügelt wird oder nicht, jedenfalls ists "aktenkundig" und wenn sich solche Beschwerden häufen, dann bringts vielleicht irgendeinem anderen Betrunkenen nach dir was. Man soll ja nicht immer nur an sich selbst denken...
@fallada: hat mir gefallen, was Du da geschrieben hast
´In meiner noch frischen Nüchternheit muss ich heute feststellen, dass ich mich 4 Wochen in Arbeit und Sport "geflüchtet" habe und heute, Samstag, mich grüblerisch schon den ganzen Tag hier am Board "herumtreibe" mit vielen neuen Anregungen und heute ist seltsamerweise der erste Tag, an dem mir das Nüchternsein sehr bewusst ist. Und ich muss an einen Buchtitel denken "Sie trinken jetzt nicht mehr, aber..." >>Was nun wohl für Marotten kommen? ´Habe mit meiner Abstinenz ein gutes Gefühl und rechne auch mit Tagen wie heute, an denen keine Ablenkung attraktiv erscheint und ich irgendwie dichter an mir dran bin. Sonst war samstags der Alk da. Besonders gefallen hat mir ein Satz hier irgendwo: "Ich war schon ganz unten, also kann mir nix passieren". Oder in einem anderen Thread, wo´s um Obdachlosigkeit ging, meinte jemand, dass sei eine Urangst von "uns", so zu enden. Ein interessanter Gedanke. ´Schiele auch immer zweimal rüber, wenn ich einen Obdachlosen sehe. Was mir fehlt, ist meine SHG zum Austausch, da bin ich jetzt immer noch arbeiten, wenn sie sich trifft. Werde mich also hier jetzt mal öfter beteiligen und vielleicht mal meine Geschichte posten. Liebe Grüsse an alle...
ZitatGepostet von Ozean Besonders gefallen hat mir ein Satz hier irgendwo: "Ich war schon ganz unten, also kann mir nix passieren".
... klar geht es noch weiter nach unten als "ganz unten": ca. 2 Meter unter der Erde, ein paar Meter mehr unter dem Meeresspiegel oder ... oder ... oder .... je nach Bestattungsart .
ZitatMich hatte eher gestört, dass es Gutdünken der Beamten sein kann, OB sie einen mitnehmen, wenn man öffentlich eingeschlafen ist und OB sie dann anschließend eine Rechnung schicken oder nicht (zweimal kam eine Rechnung, dreimal nicht).
Hallo Ozean,
es ist immer so eine Sache mit dem ordentlichen wegbaemen.
Wie gesagt, ich habe da auch meine ureigensten Erfahrungen damit.
In meinen Erinnerungen war auch blos noch das ich irgendwo eingeschlafen war...
Das Problem war, das ich echt nicht mehr erinnern konnte was denn wirklich davor war..
Es war einfach nicht mehr da... und so gesehen musste ich mir immer erzählen lassen was wirklich stattgefunden hat.
Und das Gegenteil beweisen konnt ich natürlich auch nicht. denn das was wirklich passiert ist war nicht mehr im gedächtnis vorhanden...
der Unten-Satz war von mir und bekommt, aus dem Zusammenhang genommen, natürlich eine andere Bedeutung.
Vielleicht hast du ihn, Ozean (weit und tief?), so verstanden, wie ich es gemeint hatte.
Klar kann man tiefer fallen, aber gemeint war der (in dem Fall meiner) persönliche Tiefpunkt, der mich zur Umkehr bewogen hatte. Mit anderen Worten, ich habe mir bewiesen, dass es zu schaffen ist, sich rauszuwurschteln. Ich habe mich klein, nutzlos, eben scheiße gefühlt und dennoch den Rückweg erkannt und genommen.
Menschen können mir weh tun, und vielleicht schafft es auch mal jemand, dass ich mich sehr schlecht fühle. Das macht Angst, das machte, dass ich Menschen und Situationen gemieden habe, durch die / in denen mir so was passieren konnte. Bis hin zur sozialen Phobie. Diese Angst ist mir nun zum großen Teil genommen, denn ich kenne den Rückweg, weiß, dass er möglich ist, wodurch sich die Angst auf ein aushaltbares Maß reduziert. Ich gehe den Menschen also nicht mehr aus dem Weg, stelle mich auch Situationen, die versprechen, unangenehm zu werden, weil, ich war da unten (an meinem Tiefpunkt), deswegen kann mir keiner mehr was.
Klar wird es hier und da weh tun (scheiß Liebeskummer z.B.), aber was soll 's? So isses eben.
@felidaela Ja, gut möglich, der obrige Satz war von Dir. Hatte gestern mal mehrere Deiner Beiträge durchgelesen, weil mir einzelne so gut gefallen hatten!
Das "tiefer unten geht nicht" kann man ja auch so sehen, dass wenn man es mal geschafft hat, sich ohne Job, ohne Geld, ohne PartnerIn etc. eine Weile durchzuschlagen und vielleicht sogar das Beste draus gemacht hat, dann braucht man etwa den Arbeitsplatzverlust nicht mehr als Urangst zu empfinden.
Oder wenn ich zurückdenke, in wieviele Fettnäpfchen ich promillisiert reingetreten bin, breitbeinig, dann relativieren sich die kleinen Missgeschicke eines nüchternen Alltags.
Oder etwa wenn ich mit diesem Wochenende nicht ganz zufrieden bin: Habe wenig auf die Reihe gekriegt. Nee, stimmt ja garnicht: ´Habe mehr hingekriegt als an allen versoffenen Wochenenden zusammen.
Und wer weiss, ob das "2 Meter tiefer" nicht doch ein höherer Zustand ist als die vielen Zustände, die man vorher durchmachen muss, namentlich als Trinker. Vorher stirbt man ja zig andere Tode. Der Verlust des Führerscheins war wie ein kleiner Tod, das Zittern im "Haftraum" wie die Hölle, der Verlust von Freunden ein soziales Sterben, auch mein Dispo war zu beerdigen, meine damalige Freundin plötzlich weg, eine Kündigung war wie ein Todesurteil. Zwei Zähne mussten bei einem Sturz dran glauben (selbst in der "Kiste" hätten sie wahrscheinlich noch Jahrzehnte gehalten ) Aber irgendwie kann man das alles auch positiv sehen: Ein Auto weniger auf unserem schönen Planeten, neue Freunde, neuer Arbeitsplatz, neues Leben. Zwei Schufaeinträge tun mir weniger weh, als anderen ein Magengeschwür. Der Eintrag im Führungszeugnis wegen "Trunkenheit im Strassenverkehr" hat, ehrlich gesagt, noch niemand wirklich interessiert. Für mich waren die Erlebnisse in der Zelle die erniedrigsten, meine persönlichen Tiefpunkte, vielleicht habe ich den Thread deshalb eröffnet, weiß es nicht so genau. Als Neuling hier ist mir aber schonmal was klar: Immer wieder liest man Beiträge nach dem Motto: Ich trinke soundso viel, bin ich schon abhängig? Fällt bei mir flach, zum Glück, da ist schon mal Klarheit: ´Bin Alkoholiker, wie er im Lehrbuch steht.