... meine Suchtkarriere begann vor mehr als 25 Jahren. Ich bin heute 43 Jahre alt, davon war ich 5 Jahre trocken, seit mehr als 1 Jahr trinke ich wieder.
Ich wurde als Nesthäkchen in eine Familie geboren, in der Probleme vom Vater mit Alkohol heruntergespült wurden, von der Mutter mit Beruhigungstabletten. Ich habe beides "geerbt", den Alkoholmissbrauch von meinem Vater, den Medikamentenmissbrauch von meiner Mutter. Beide Verhaltensweisen mit Problemen umzugehen habe ich mir entweder abgeguckt oder es gibt tatsächlich so etwas wie eine Suchtpersönlichkeit. Müßig darüber nachzudenken... Als übersensibles Kind litt ich häufig unter Kopfschmerzen, die von meiner Mutter sofort mit stärksten Waffen bekämpft wurden. Als Jugendliche stellte ich sehr schnell fest, dass man diese Mittelchen auch gezielt einsetzen kann, um sich zu betäuben und/oder besser zu fühlen. Was mir wenig später in Kombination mit Alkohol noch besser gelang. Ich habe nicht von Anfang an gesoffen, aber ich habe schon immer anders getrunken als andere "Normale". Ich war trotzdem relativ unauffällig bis ich mit 25 Jahren (wie ich finde, sehr spät) von zuhause auszog. Bis dahin hatte ich meist nur in Gesellschaft getrunken: Auf Geburtstagen, bei Feten, in Kneipen. Ab diesem Zeitpunkt nutzte ich meine neu gewonnene "Freiheit", um mich zuhause regelmäßig und allein systematisch zu betrinken. Mit 27 Jahren verlor ich aufgrund Alkohol am Steuer meinen Führerschein, mit 1,42 Promille kam ich zwar um die MPU herum, aber ich hatte mein Alkoholproblem jetzt schriftlich. Meinen einjährigen Führerscheinentzug verbarg ich geschickt vor meinem Arbeitgeber und vor nahezu allen Freunden. Spätestens hier war mir klar, dass ich ein Alkoholproblem habe und ich beschäftigte ich mich mit jeder Literatur, die es zum Thema Alkohol und speziell Alkohol bei Frauen gab. Geholfen hat es mir nichts, ich war nur belesener als jede(r) andere. Die nächsten Jahre habe ich mehr oder weniger durchgetrunken, meistens heimlich und immer so, dass ich weder beruflich noch privat aufgefallen bin. Bis ich mich mit 35 Jahren ernsthaft in einen Mann verliebte. Während der 2-jährigen Beziehung bin ich in jeder Beziehung an meine Grenzen gestoßen. Ich habe so getrunken, dass er nichts merken konnte, das heißt, ich habe zwischen dem Trinken immer einen Tag Pause gemacht, um mich zu "erholen". Habe gewartet, bis er im Bett war, damit ich richtig loslegen konnte. Habe Alkohol und Leergut versteckt, in der Küche beim Kochen und bei laufender Dusche getrunken, damit er nichts "merkt". Habe mich geschämt und gehaßt und alle meine Kräfte verbraucht, um zu funktionieren so gut ich eben konnte. Als er mich verließ, wegen einer anderen, nicht wegen Alkohol (man staune!), angeblich hatte er die ganze Zeit nichts "gemerkt", brach für mich eine Welt zusammen, ich war völlig am Ende, wollte nicht mehr weiterleben und wußte, entweder ich höre jetzt auf oder ich gehe vor die Hunde. Und habe zum ersten Mal wirklich den Arsch hochbekommen: Habe sofort mit dem Trinken (und den Medikamenten)aufgehört, ohne große körperliche Probleme, seelisch ging es mir allerdings beschissen. Habe mir eine Psychotherapeutin gesucht und sofort gefunden und habe über Jahre eine Selbsthilfegruppe (einen sogenannten Freundeskreis) besucht. Das alles hat mir sehr geholfen auf meinem Weg, der damit aber leider nicht zu Ende war und ist. Nach 1 1/2 Jahren schlichen sich so nach und nach die Medikamente wieder in mein Leben, nach wie vor habe ich oft Kopfschmerzen und muß im Beruf funktionieren. Ich war trotzdem 5 Jahre trocken, habe konsequent abstinent gelebt, obwohl ich leider zugeben muß, dass ich zu den Menschen gehöre, die nie von sich behauptet haben, dass sie ein Leben lang ohne Alkohol leben können und werden. Mir war immer klar, dass ich irgendwann wieder trinken werde. Natürlich habe ich geglaubt, dass ich zu dem verschwindend geringen Prozentteil von Menschen gehöre, die damit irgendwann umgehen und Alkohol kontrolliert trinken können. Obwohl ich von kontrolliertem Trinken überhaupt nichts halte. Aber ich habe halt auf einem zu hohen Roß gesessen und mich für überdurchschnittlich intelligent gehalten. Falsch gedacht.
Mein jetziger Lebensgefährte trinkt nur am Wochenende, aber dann sehr viel und starken Alkohol, ich behaupte, er hat selbst ein Alkoholproblem und er weiß es "eigentlich" auch. Er ist sehr gesellig, hat einen großen Freundeskreis, eine Feier folgt der nächsten. Es war nur eine Frage der Zeit, wann ich das erste Mal mittrinken würde. Die erste Party im neuen Freundeskreis habe ich noch nüchtern überstanden, es war nahezu unerträglich, binnen kürzester Zeit waren alle um mich herum sternhagelvoll und ich saß als Aussenseiter daneben. Und habe mich noch nie so unwohl und deplaziert gefühlt. Ich wollte dazu gehören und ich wollte auch endlich einmal wieder so "lustig" sein. Nicht so trocken, wie ich mich selbst erlebe, wenn ich trocken bin. Also habe ich beim nächsten Mal mitgetrunken und es war (leider) so, als hätte ich nie aufgehört. Natürlich war ich schnell sturzbetrunken, natürlich trinke ich immer noch wie früher, schneller als jeder "normale" und zielbestimmt. Ich schäme mich vor mir selbst, weil ich das einzige verloren oder aufgegeben habe, auf das ich wirklich stolz war. Jetzt trinke ich bereits seit 1 Jahr wieder, allerdings nur am Wochenende, aber das ist mir kein Trost. Denn nach jedem Besäufnis geht es mir körperlich und seelisch so schlecht, dass ich am liebsten sterben würde. Ich liebe meinen Freund über alles und er mich, das weiß ich, aber ich weiß auch, dass ich ohne Alkohol leben möchte und muß und dass ich das nur kann, wenn er mitzieht. Gut, ich könnte mich von ihm trennen, ich muß mir selbst der wichtigste Mensch sein, aber mein Leben vorher ohne Alkohol war zwar selbstbestimmt, aber leer und ohne Hoffnung.
Was habe ich für eine Wahl?
Danke für's Lesen, tut mir leid, dass es so lang geworden ist. Aber es tut gut, dass ich es loswerden durfte.
Liebe(s) Dinchen, es freut mich, dass Du mir geantwortet hast. Über Deine Signatur (ich denke, so nennt man den Spruch, der unter Deinem Namen steht) werde ich nachdenken, er hat mich sehr berührt...
Zitatdass ich zu den Menschen gehöre, die nie von sich behauptet haben, dass sie ein Leben lang ohne Alkohol leben können und werden.
Das ist meines Erachtens aber Voraussetzung für eine zufriedene Abstinents.
ZitatNatürlich habe ich geglaubt, dass ich zu dem verschwindend geringen Prozentteil von Menschen gehöre, die damit irgendwann umgehen und Alkohol kontrolliert trinken können.
Welcher Alkoholiker hat das nicht zumindest in Erwägung gezogen?
ZitatAber ich habe halt auf einem zu hohen Roß gesessen und mich für überdurchschnittlich intelligent gehalten. Falsch gedacht.
Sucht ist meiner Meinung nach mit Intelligenz nicht beizukommen. Der Sucht ist dein IQ genauso egal wie dein Bankkonto.
Zitataber mein Leben vorher ohne Alkohol war zwar selbstbestimmt, aber leer und ohne Hoffnung.
Könnte da unter Umständen ein direkter Zusammenhang dazu bestehen, daß du dir nie ein Leben ohne Alkohol vorstellen konntest?
ZitatIch liebe meinen Freund über alles und er mich, das weiß ich, aber ich weiß auch, dass ich ohne Alkohol leben möchte und muß und dass ich das nur kann, wenn er mitzieht.
Auch ich liebe meinen Freund - und er liebt mich. Aus diesem Grund habe ich auch Jahre darauf gewartet, dass wir 'zusammen' aufhören. Erst, als ich an dem Punkt war, dass ich einsehen musste, dass ich MEIN Trinken oder Nichttrinken nicht von ihm abhängig machen kann (dass ich ihn eigentlich zum Trinken schon lange nicht mehr brauchte), konnte ich handeln. Wir haben viele Jahre zusammen gesoffen. Und doch hatte jeder 'sein' Saufen, und mir ging es damit vor allem psychisch sehr viel schlechter als ihm. Will sagen: wenn DU weißt, dass du ohne Alkohol leben möchtest, dann musst DU aufhören zu trinken. Alles weitere wird sich daraus ergeben.
Rumpelstilzchen, gerade die Intelligenz (die ich nicht beurteilen kann) macht doch die Probleme. Das, verbunden mit einer gehörigen Portion Sensibilität und dazu das Nichteingestehen von Gefühlen...alles hinnehmen usw. Glaub mir, wenn Dich Dein Partner wirklich liebt, dann wird er, wenn du ernst machst, auch mitziehen. Liebe den Alkohol, oder die Menschen, die Dir wichtig sind. Beides zusammen geht nicht. Wohin willst Du Dich noch begeben, um die Beziehung zu kitten? Du willst aufhören, dann tu es!!! Klingt hart, hilft aber m.E.als einziges. Insofern, viel Glück.
Ich habe seinerzeit gelernt, dass man nur für sich selbst trocken werden kann. Es für einen anderen zu tun, funktioniert wohl in den meisten Fällen nicht, es sei denn, es hat schon vorher "Klick" gemacht. Daher gehe ich auch nicht davon aus, dass mein Partner mitzieht. Auch wenn er gelegentlich einsichtig ist. Trotz aller Liebe.
Ich denke, mein größtes Problem war, dass ich nie begriffen habe, was es mit dieser sagenumwobenen "zufriedenen Abstinenz" auf sich hat. Ich war zwar abstinent und das ist mir nicht einmal schwer gefallen, aber ich habe nicht mehr gelebt und zufrieden war ich schon gar nicht. Womit ich nicht behaupte, dass ich heute zufriedener bin. Es kann sein, dass ich vieles falsch gemacht habe, aber auch damit habe ich es geschafft, 5 Jahre trocken zu sein. Und dann kann es ja so falsch nicht gewesen sein, jeder findet ja bekanntlich seinen eigenen Weg und es gibt m.E. keinen einzig wahren. Aber ich habe mich während dieser 5 Jahre wie abgeschnitten erlebt, getrennt von meinen Gefühlen, wie versteinert. Freude, Trauer, Schmerz und Lust konnte ich nicht mehr empfinden. Ich hatte keinerlei Zugang mehr zu meinen Gefühlen. Heute habe ich zumindest meine Gefühle zurück.
Ich habe mich immer strikt von Alkohol ferngehalten, somit auch von Menschen, die Alkohol trinken. Damit habe ich mich geschützt. Aber ich habe mich auch isoliert und irgendwann habe ich mich wohl von der Welt da draussen abgeschnitten. So sicher ich auch in meinem Schneckenhaus war, so einsam war ich auch. Und ich habe jetzt Angst, dass für mich ein Leben nur in diesem Schneckenhaus möglich ist.
Was mir spontan einfiel, hängt mit der Wahl deines Nicks zusammen- immerhin singt diese Märchengestalt ja "Ach wie gut das niemand weiss..."
Weiss denn dein jetziger Partner von deiner Alkohol- und Tablettensucht? Bzw. machst du das zum Thema?
Thera haste gemacht, also auch vielleicht die gute Chance eines "Lern-und Verhaltensüberblicks" zu dir selber bekommen können... also "wissen" tust du denke ich dann schon das wesentliche für dich- jedenfalls was deinen Selbstumgang angeht im Zirkel "Funktionieren, Gefühle aushalten bzw. diese manipulieren...etcpp."
Drum versteh ich nicht, dass du denkst, du müsstest dich zu erst verändern, um dich zu verändern
Hallo Rumpelstilzchen, (das war mein Spitzname in der Grundschule )
ich hab 15 Jahre gesoffen, war 4 Jahre trocken und hab dann wieder 5 Jahre gesoffen. Jetzt erst schaff ich wieder den Weg in die Trockenheit mit entsprechender Hilfe. Als ich damals aufhörte, dachte ich auch, hurra, kein Alk mehr und alles wird gut. Pustekuchen. Mir ging es nach einer Weile ganz, ganz schlecht... es stellte sich heraus, dass ich Depressionen habe und diese jahrelang versucht habe mit Alk zu "therapieren" - was übrigens nicht wenige machen. Als Suchtknochen war ich natürlich nicht begeistert davon, Antidepressiva zu schlucken. Aber ich tat es. Eine Psychotherapie hab ich auch gemacht. Das half zwar alles, aber so richtig glücklich und zufrieden war ich nicht, und Tabletten und Thera schützen einen nicht vor dem ein oder anderen ganz finsteren Tal. Depressiv ist man ja nicht traurig, sondern irgendwie völlig betäubt, als habe Körper und Seele eine Zahnarzt-Spritze bekommen.
Auch ich habe mich phasenweise unter Alkoholeinfluss lebendiger gefühlt und so was wie Zugang zu Gefühlen, die sonst irgendwo vergraben sind, bekommen. Mit dem Ergebnis, dass ich mich mit meiner Sauferei wieder ziemlich runtergewirtschaftet habe und jetzt viel schlimmer dran bin als vor zehn Jahren. Ich habe fünf Jahre wieder getrunken und erst beschlossen Hilfe anzunehmen, als ich merkte, dass ich auf einen Abgrund zusteuere. Ich hoffe, dass ich jetzt wirklich den Weg in so etwas wie "zufriedene Abstinenz" schaffe - habe ich eine Wahl?
Hallo !! Kennst Du denn noch die ersten Schritte wie Du aus einer so langen Suchtzeit rausgekommen bist?
Ich hoffe JA.
Ein Rückfall ist nicht schlimm, zumindest Du Dich damit einigermassen anerkennst. Wenn Du selber weiß, was Dir passiert ist, kannst Du schon mal was positives draus ziehen.
Schuld selbst bist Du nicht. Jetzt bitte ich Dich gehe folgenden Schritt. - Führe ein Trinktagebuch ( Ich mache es im Kalender) - Suche Dir eine Beratungsstelle, die DIR gefällt - stelle schon jetzt einen Anatrag auf eine REHA, das Formular kann man online abrufen und Ausfüllen - Lenke Dich mit ein wenig Sport ab ( Gut zur Zeit ist radeln nicht schön)
Also ich Drücke Dir auf jedem Fall die Daumen.
Ich war 3 1/2 Jahre trocken und dann kam bei mir der Rückfall. Nach einem 1/2 Jahr läuft bei mir wieder alles seine Bahnen.
MFG Arne
1Aldebaran
(
gelöscht
)
Beiträge:
17.01.2006 20:15
#14 RE: 25 J. Sucht, 5 J. trocken, Rückfall, wie weiter??
"......aber mein Leben vorher ohne Alkohol war zwar selbstbestimmt, aber leer und ohne Hoffnung. "
Hier liegt der Hund begraben!....genau DA ist dein Denkfehler. "Hoffnung und Fülle" haben nichts damit zu tun, ob man alleine lebt und/oder geliebt wird. Das kommt von ganz tief innen heraus - aus dir selber.
...alles andere stellt "nur" eine Bereicherung dar. Aber mach` das bitte nicht von anderen abhängig, sonst findest du dich umgehend in der nächsten "Ab-Hängigkeit" wieder.
Was habe ich für eine Wahl? Milliarden, Susanne...Milliarden!
diese Leere ist im Grunde eine Depression und sie wird dir trotz Ablenkungen noch oft begegnen. Es fehlen Gefühle und diese werden vermutlich durch Angst blockiert. Welche Angst?
Zitatbinnen kürzester Zeit waren alle um mich herum sternhagelvoll und ich saß als Aussenseiter daneben. Und habe mich noch nie so unwohl und deplaziert gefühlt.
Du fragst nach einer Wahl? Erstens gehen, wenn es zu blöd wird, zweitens zu so was erst gar nicht mehr erscheinen.
Aber nun sitzt du ja auch schon wieder ohne Party drin. Du musst offenbar etwas anders machen, als bei deinem damaligen Ausstieg.
Es ist nicht wichtig, was du machst, sondern wie du es machst. Erlebe ALLES bewusst, ob Putzen, Arbeiten oder auch Feiern. Fühle dich.
Alles Gute.
PS: Aldebaran, das unterschreibe ich genau so. Nur den Denkfehler halte ich mehr für einen "Fühlfehler".