Ich bin vor ein paar Tagen hier gestrandet und habe schon einiges gelesen und bin begeistert von dem Forum hier! Ich denke, man kann sich hier echt wohl fühlen und bekommt gute Tipps, Anregungen, Hilfe usw.
Dann stell ich mich mal vor, damit Ihr Euch ein Bild von mir machen könnt:
Ich bin 37 Jahre, bin mit einem lieben Mann verheiratet und wir haben einen 5-jährigen Sohn und wir leben in geordneten Verhältnissen. Ich bin jetzt gerade mal den 14. Tag trocken und will es für IMMER bleiben!
Als Teenie hab ich schon immer mal gerne Alk getrunken, aber nie oft, nie zu Hause und selten zu viel. Klar, auf Parties hat man schon mal einen über den Durst getrunken, aber es war nie bedenklich.
So mit Mitte 20 trank ich dann regelmäßiger, zwar immer nur abends, aber da schon fast jeden Abend - immer nur Weißwein. Es war aber m.E. kein Zwang da, ich hab mir damals keine Gedanken darüber gemacht, weil ich eigentlich nie über die Stränge schlug. Abends zum Essen oder wenn man sich mit Freunden traf 2 Viertel Wein - es machten ja fast alle Leute.
Vor 9 Jahren zog ich dann zu meinem Mann. Wir leben hier in einem der größten Weinanbaugebieten Deutschlands und es ist eigentlich hier schon "normal", wenn man auch mittags schon zum Essen Wein trinkt - abends gehört das sowieso dazu. Nicht dass ich sagen will, dass hier alle Alkoholiker sind, aber eine Tendenz zum viel trinken ist hier schon gegeben.
Damals trank ich dann wohl auch noch so ca. 2 Viertel Wein abends, aber auch, wenn ich zu Hause war.
Als ich dann Anfang 2000 schwanger wurde, hab ich während dieser Zeit fast nix getrunken - evtl. am Wochenende mal 1/4 WeinSCHORLE, aber nicht jedes Wochenende und wenn, dann nur an EINEM Tag am Wochenende. So auch während der Stillzeit.
Mehr wurde es dann wieder Ende 2001. Der Übergang war - wie so oft - schleichend. Von der Vieltrinkerin zur Alkoholikerin......wobei ich mir eigentlich erst vor ca. 4 Wochen eingestanden habe, dass ich eine Alkoholikern bin. Vorher dachte ich immer, ich wäre "nur" jemand, der gerne trinkt, den Wein "genießt", aber mehr eben nicht.
Wann wurde es schlimmer??? Hm, schwer zu sagen, ich denke mal ab Sommer 2005. Ich trank inzwischen jeden Abend (mein Mann kommt abends beruflich bedingt oft erst gegen 22 h nach Hause), manchmal auch schon mal nachmittags, wenn ich mich mit einer Freundin traf (aber da nur ein Gläschen). Mein Sohn kennt mich Gott sei Dank nur nüchtern!!! Abends, wenn ich ihn ins Bett gebracht hatte (so gegen 19 oder 19.30 h) war mein erster Gang zum Kühlschrank und die 1. Weinschorle wurde getrunken - so lange bis die Literflasche leer war. Wenn wir am Wochenende weggingen, dann trank ich auch schon mal mehr.
Mein Mann trinkt Gott sei Dank kaum Alkohol - wenn er trinkt, dann nur am Wochenende, wenn wir weggehen und dann auch nur 1 Glas Wein zum essen - das wars!
Er hat mich öfter darauf angesprochen, dass mein Konsum schon ziemlich hoch sei, aber ich wollte es nicht kapieren und hab es immer runtergespielt.
Vor einiger Zeit fing es dann bei mir an, dass ich Filmrisse bekam. Ich wusste manchmal nicht mehr, wie ich überhaupt ins Bett gekommen bin, wusste nicht mehr, wie ein Film im TV ausgegangen ist, wusste nicht mehr, über was ich alles mit Freunden erzählte etc. etc. Ich fiel immer öfter in einen komatösen Schlaf, hörte nicht, wenn mein Sohn nachts rief, merkte nicht, wenn ich zur Toilette ging......
Irgendwann fing ich an, nachts nicht mehr direkt zur Toilette zu gehen, sondern die Treppen nach oben in die Küche zu laufen oder irgendwo andershin. Ich habe davon nichts mitbekommen - wie ein Schlafwandler. Mein Mann äußerte immer größere Bedenken und ich wollte es immer noch nicht kapieren. Ich glaubte ihm nicht oder wollte es nicht glauben, dass ich nachts "herumgeisterte". Ich dachte, er sagt das nur, um mich vom Trinken abzuhalten. Ich weiß noch, wie oft ich ihm vorwarf, er wolle mir meinen Genuss nehmen, wenn er sagte, es wäre wohl besser, wenn ich gar nix mehr trinken würde. Ich wurde immer aggresiver, sobald das Thema "Alkohol" angesprochen wurde. Ich wollte nicht aufhören, ich glaubte immer noch daran, dass ich alles unter Kontrolle hätte und nur wegen des Genusses "meinen" Wein trank.
Er hat mich dann ein paar Mal nachts beim Herumgeistern mit der Kamera aufgenommen und mir es dann "präsentiert". Ich war schockiert und habe Angst vor mir selbst bekommen - dachte, was könnte ich noch alles machen im Schlaf, vielleicht würden irgendwann furchtbare Dinge passieren - z.B. die Treppe runterfallen und schlimmeres......Ich habe dann Mitte Dezember erstmal angefangen darüber nachzudenken, mich im Internet mit dem Thema "Alkohol" auseinanderzusetzen usw.
Am 01.01.06 hab ich als 1. Schritt mit dem Rauchen aufgehört und am 07.01.06 habe ich das letzte Mal Wein getrunken. Ich wusste durch die vielen Infos, die ich mir zwischenzeitlich geholt habe, dass ich keine großen körperlichen Entzugserscheinungen haben werde, deshalb habe ich alleine entzogen. Das einzige, was ich körperlich merkte, waren furchtbare Einschlafprobleme und nächtliches Schwitzen - sonst Gott sei Dank nichts.
Der körperliche Entzug ist nun vorbei und nun geht es darum, trocken zu bleiben. Bis jetzt klappt es ganz gut, hatte bisher nur 1 x furchtbaren Saufdruck, den ich aber durch Ablenkung und Lesen von Geschichten anderer Betroffener gut "besiegt" habe.
Langsam fange ich an, mich bei unseren Freunden zu "outen". Klar kennen sie mich als eine Frau, die lustig ist und gerne trinkt - sie trinken ja alle gerne, aber sie haben den Kontrollverlust, den ich in der letzten Zeit immer hatte, nie mitbekommen.
Ich habe eingesehen, dass ich nicht mehr kontrolliert trinken kann und deshalb auf Alkohol verzichten muss.
Da ich ja tagsüber fast nie was trank, war es abends natürlich eine Riesen-Umstellung anfangs - aber gerade vor 2 Tagen merkte ich an einem Abend, dass es mir schon normal vorkommt, zum Kühlschrank zu gehen und mir einen Saft einzuschenken.
Am Wochenende gehen wir meistens mit Freunden weg, die alle trinken. Da ist es noch etwas komisch, wenn ich dann Apfelsaft statt Wein bestelle, aber ich fühle mich wohl und es ist schon erschreckend zu beobachten, wie sich die Leute doch im Laufe des Abends, wenn sie dann das 2. oder 3. Glas trinken, verändern........
So, das wars erstmal von mir! Ich freue mich auf Antworten und auf eine gemeinsame "trockene" Zeit bei Euch!
Nicht zu fassen: Du hast meine Geschichte geschrieben!
Ich bin nun fast 16 Monate trocken und kann nur sagen:Es lohnt sich,die Brühe wegzulassen.Mein Leben hat einen ganz anderen Wert bekommen.Ich kann wirklich sagen:Ich bin zufrieden abstinent,und-ich spüre keinerlei Verzicht!!!
Auch von mir ein herzliches Willkommen. Klasse, wie du das machst! Ich wünsche dir, dass du nicht nur 'durchhältst', sondern es bald auch so richtig genießen kannst, ohne deine Droge zu sein!
So manches in deiner Geschichte hat mich an meine eigene erinnert (die ich hier immer noch nicht aufgeschrieben habe....):
Auch ich habe meinen leckersten Lieblingsweißwein irgendwann mit Wasser gestreckt (welch ein Frevel, bei französischem Sancerre!) - damit er länger hält und ich mehr davon trinken kann, ohne allzu schnell betrunken (= bettschwer) zu sein...
Auch ich habe oft abends allein getrunken - und die erste Zeit ganz ganz konzentriert damit verbracht, abends vor dem Fernseher zu sitzen und KEINEN Alkohol zu trinken. Statt dessen Saftschorle. Und auch davon mindestens so viel wie vorher Bier, Wein oder Schorle (so anderthalb Liter Minimum!). Die Flüssigkeit brauche ich heute noch: ich bin einfach ein durstiger Mensch!
Anders als du, habe ich sehr viel länger als du sehr viel mehr getrunken: Weil ich mich so geschämt habe, zu den 'versoffenen Schlampen' zu gehören... habe ich Jahre gebraucht, um mir Hilfe zu holen, obwohl mir längst klar war, dass ich ein Problem hatte. Ich habe den Entzug dann auch nicht alleine gemacht. Aber wie auch immer der Weg ist: Hauptsache das Ziel stimmt! Heute bin ich mehr als sechs Jahre ohne Alkohol und sehr zufrieden mit mir.... JA!
Seit knapp vier Jahren lebe ich 'im schönsten Winzerdorf der Welt', die Reben gleich hinterm Haus und die Winzergenossenschaft schräg gegenüber. Dass ich auch noch in einer 'Winzerstraße' wohne, die direkt an der "Weinstraße" liegt, ist ein Treppenwitz meiner persönlichen Geschichte.
Mir geht es gut hier - und in nassen Zeiten hätte ich niemals gewagt, hierher zu ziehen: aus Angst vor dem eigenen Kontrollverlust und der gleichzeitigen sozialen Kontrolle durch die dörfliche Nachbarschaft...
Ist das für dich wirklich in Ordung, daneben zu sitzen, wenn andere Alkohol trinken? Für mich ist das manchmal auch heute noch nicht einfach. Am Anfang war es mir unmöglich, und ich hatte dann auch nicht den Ehrgeiz, solche Situationen regelmäßig ertragen zu müssen...
Hallo Tanja, recht herzlich willkommen auch von mir. Ich bin auch noch nicht so lange on board. Ich finde es ganz toll, wie Du Dein Problem angehst. Weiter so. Ich freue mich mit Dir.
Vielen Dank erstmal fürs Willkommen heißen und danke, dass Ihr mich bestärkt, indem Ihr sagt, es ist gut so wie ich es angehe.
Am meisten muss ich wohl meinem Mann danken, der mich wachgerüttelt hat - wenn er nicht gewesen wäre, wer weiß, wie lange ich noch weitergesoffen hätte und es wäre ja sowieso immer mehr geworden.
Amethysmena - klar fällt es mir nicht immer leicht, wenn ich daneben sitze und alle den Wein trinken, den ich auch immer getrunken habe - vor allem nach 14 Tage nicht!
Aber der Stolz, den ich hinterher verspüre, wenn wir nach Hause gehen und ich Saft getrunken hab, überwiegt. Was ich mir auch immer sage und das hilft mir ungemein ist:
"Was soll ich mit dem EINEN Glas Wein, wenn ich nicht die ganze Flasche trinken darf?"
Das hat mal eine Betroffene geschrieben und es trifft voll zu. Es gibt nunmal kein kontrolliertes Trinken und ich habe eingesehen, dass es für mich kein reiner Genuss war (gut, vielleicht das 1. Glas - aber dann gings NUR NOCH um die Wirkung und sonst um gar nix mehr!!!).
Ich wohne auch an der Weinstraße!!!!!!!!!! Wer weiß, vielleicht sind wir ja Nachbarn. Wo wohnst du denn ungefähr, wenn ich fragen darf? Ich sags mal so, ich wohne nicht sooo weit von Mannheim entfernt (südwestlich).
Es gibt ja mehrere Weinstraßen in dieser Republik.... ich bin südlich von Freiburg, im Markgräfler (Gutedel-)Land. Unsere Weinstraße geht rund ums Dorf und heißt wirklich so. Gleichzeitig ist sie ein Teil der 'Badischen' Weinstraße.
Ich höre jetzt mal lieber auf - sonst denkt womöglich noch jemand, er/sie sei im falschen Forum gelandet...
Ich habe deine Geschichte mit grossem Interesse gelesen weil ich mich selbst darin wieder gefunden habe. Es ist schon komisch, aber meine eigene "Alk-Karriere" hört sich fast genauso an. Wenn ich in der kommenden Zeit die notwendige Kraft gesammelt habe werde ich meinen Weg hier auch mal posten.
Ich freue mich dass du so tapfer deinen Weg gehst und es nun doch schon eine ganze Weile geschafft hast trocken zu sein. Hut ab!!
Ich persönlich bin nun auch seit 2 Wochen trocken, bisher hat es auch sehr, sehr gut geklappt und mir macht es auch nichts aus auf meinen allabendlichen Wein zu verzichten und an Stelle dessen einen Saft oder ein Saftschorle zu trinken. Bisher halte ich mich damit ganz gut und bisher ohne grösseren Schmacht über Wasser. Mal sehen wie es so weiter geht.
Es wäre toll weiterhin von dir hier zu lesen. Es macht so viel aus zu sehen, dass man mit seinem Problem nicht alleine dasteht und man weiss, dass es anderen Menschen doch ganz ähnlich geht.
ist ja schon komisch, dass viele von Euch fast dieselbe "Saufkarriere" hinter sich haben wie ich.
Als ich mir noch nicht eingestanden hatte, dass ich Alkoholikerin bin und alles runtergespielt habe, da hab ich mir unter Alkoholikern was GANZ anderes vorgestellt (Ihr wisst schon, was ich meine). Ich konnte nicht kapieren, dass ICH (ich meine, mir sah man es wirklich nicht an, dass ich trank) als ALkoholikerin gelten sollte.
Und ich bin auch froh, dass ich mich hier austauschen kann. Gina, es stimmt, es hilft ungemein - vor allem, falls mal der Saufdruck kommt, dann hilft es mir, von anderen zu lesen, die es gemeistert haben und es gibt mir Kraft.
Heute ist mein 25. Tag und ich bin sehr stolz.
Amethysmena, inzwischen ist es auch nicht mehr so, dass ich "durchhalte" - nein, es ist für mich normal geworden, abends Saft oder Cola zu trinken. Ich denke oft gar nicht mehr an den Wein.
Es gab aber auch schon kurze Momente, an denen ich dachte:"Du DARFST also nie nie nie wieder Wein trinken - wie schade....." Aber dann kam sofort mein anderer RETTENDER Gedanke:"Was soll ich mit EINEM Glas, wenn ich nicht die ganze Flasche trinken darf." Es geht nur um die Wirkung, nicht mehr um den Genuss. Genuss kann ich inzwischen auch verspüren, wenn ich eine eiskalte Cola trinke oder einen leckeren Cappuccino oder eine heiße Schoki.