Für Zigarettenhersteller und Produzenten von alkoholischen Getränken ist Werbung nicht mehr so einfach zu gestalten wie bisher. Sie setzen inzwischen auf die Vernunft der Kunden. Wie der Spirituosenkonzern Diageo versucht, mit "ethical advertising" zu punkten.
Werbespot zum verantwortungsvollen Trinken Eine junge Frau begrüßt ihre Freunde auf einer Party. Sie hält einen Drink in der Hand, ist aber nüchtern. Als sie umherblickt, sieht sie sich selbst in verschiedenen Versionen - mal unterhält sie sich mit einem anderen Partygast, mal stößt sie ein Weinglas um, mal fummelt sie mit einem Mann, trinkt aus der Flasche und endet sturzbesoffen auf dem Fußboden. Während ihr betrunkenes Selbst die Kontrolle verliert, sieht sie den Abscheu auf den Gesichtern ihrer Freunde. Eine Frauenstimme aus dem Off rät, verantwortungsbewusst zu trinken. Der Werbespot endet mit den Logos von Diageo, dem weltgrößten Spirituosenhersteller, und fünf seiner Marken, darunter Baileys, Guinness und Smirnoff.
Bewusstsein soll geschärft werden Der Werbespot ist das jüngste Beispiel für unternehmensfinanzierte Fernsehwerbung, die das Bewusstsein junger Leute für den Umgang mit Alkohol schärfen soll. Diageo hat in Irland bereits eine Werbekampagne um einen jungen Mann an der Bar getestet. Die Brauerei Coors, über ihre Marke Carling Sponsor der schottischen Fußballvereine Celtic und Rangers, wandte sich in den letzten beiden Jahren mit Werbespots an 18- bis 30-jährige Männer. Dabei warnen die Manager der Fußballclubs die Fans, nicht zu oft zur Flasche zu greifen.
"Sicheres Trinken" im Blick Die Diageo-Kampagne, die dieser Tage in Großbritannien anläuft, folgt auf die Liberalisierung der britischen Schankgesetze. Diese soll die immer häufiger auftretenden Alkoholexzesse eindämmen. Diageo zufolge ist die rund 2,2 Mio. Euro teure Fernsehkampagne Teil seines "anhaltenden Engagements für sicheres Trinken". Die Branche finanziert seit langem Kampagnen gegen übermäßiges Trinken, aber wie wirksam ist diese neue Form von Fernsehwerbung, und wer profitiert davon am meisten - die Gesellschaft oder die Alkoholbranche selbst?
Wirkung bisher weitgehend unklar Der Verein Alcohol Concern hält es nur für recht und billig, dass die Hersteller für verantwortungsvolles Trinken eintreten. Schließlich würden sie ja auch jede Menge Geld für konventionelle Alkoholwerbung ausgeben. Allerdings sollten diese Kampagnen Verhaltensänderungen herbeiführen, was schwer nachweisbar ist, sagt der Verein. Bislang sei noch nicht geklärt, welche Botschaften tatsächlich wirken. Das sieht Diageos Europa-Marketingchef Andy Fennell anders. Er sagt, die Ergebnisse aus Verbraucherumfragen in Irland seien vielversprechend. 80 Prozent der Befragten erinnerten sich an die Botschaft des Werbespots mit dem Mann an der Bar, und 70 Prozent sagten, sie würden auf Grund dessen erwägen, weniger zu trinken. Voruntersuchungen würden nahe legen, dass britische Verbraucher ähnlich reagieren werden, sagt Fennell.
Betrunkene verlieren an Ansehen Um die Zielgruppe der 18- bis 24-Jährigen zu erreichen, sei Realitätsnähe wichtig, sagt Cilla Snowball von der Werbeagentur, die den Spot mit der jungen Frau entwickelt hat. Komme ein allzu großer Wink mit dem Zaunpfahl, fühlten viele Leute sich nicht mehr angesprochen. Die Analysen haben zwei Dinge herausgestellt: Jugendliche möchten wie Erwachsene behandelt werden, und sie möchten vor ihren Freunden nicht dumm aussehen. Wer zu viel trinkt, verliere an sozialem Ansehen, sagt Snowball.
Langwieriger Prozess Gute Vorsätze zu schaffen ist das Eine, aber folgen daraus auch Verhaltensänderungen? Fennell glaubt, dass Meinungsänderungen Frühindikatoren für Verhaltensänderungen sind, räumt aber ein, dass es beispielsweise Jahre gedauert hat, bis sich die Haltung gegenüber Alkohol am Steuer geändert hat. Entsprechende Gesetze und Strafen haben ihr Teil dazu beigetragen.
Positives Image für Alkoholhersteller Wie sieht es aus mit den positiven Auswirkungen auf den Ruf des Unternehmens? Diageo befürworte die Selbstregulierung und wolle zeigen, dass sie effektiv ist, so Fennell. Ein positives Image sei für jetzige und künftige Angestellte wichtig. Aber die Unternehmensleitung halte dies ohnehin für den richtigen Weg; es sei langfristig im Sinne der Alkoholhersteller, wenn die Genussmittel bewusst konsumiert würden und Verbraucher nicht durch eine verantwortungslose Minderheit dabei gestört würden. Die Behauptung, Diageo würde an seinem Ruf arbeiten, um die Selbstregulierung zu erhalten, sei zu einfach, meint Fennell.
Jugendliche und ihre Familien Dennoch könnte die neue Kampagne erhebliche Auswirkungen auf das Image des Konzerns haben. Die Werbespots laufen in Großbritannien in beliebten Programmen wie "Footballers' Wives" und "Coronation Street" sowie in Vorabendwerbeblocks. Diageo will mit seiner neuen Kampagne vor allem junge Leute erreichen, bevor sie abends ausgehen. Im Idealfall werden aber auch andere Familienmitglieder zum Nachdenken angeregt.