25 Jahre bin ich alt. Mit 13 war ich zum ersten Mal betrunken. Seit dieser Zeit ist der Alkohol mein ständiger Begleiter. Mir den Schädel vollzuknallen erschien mir immer wie eine Art Zauberei. Ich konnte, wann immer ich wollte, mich der sog. Realität entziehen. Alkohol kann ich auch stillschweigend für mich allein „genießen“. Dieses „für mich alleine saufen“ ist es unter anderem, was mich von meinen „nur am Wochenende saufenden“ Freunden unterscheidet.
Ich trinke nicht jeden Tag –auch trinke ich keine harten alkoholischen Getränke. Dafür trinke ich regelmäßig. Alle drei bis vier 4 Tage wird es Zeit für einen Rausch. Meist sind es so 3-4 Liter Bier oder 1- 2 Flaschen Wein, manchmal mehr, manchmal in Kombination. Nach dem ersten Schluck gibt es kein Entrinnen mehr.
Schlimm daran ist, dass ich mich vollkommen verändere wenn ich betrunken bin. Es ist eine zweite Persönlichkeit. Mir ist alles egal –ich habe keine Hemmungen und keine Angst mehr. Alle Sorgen und die Beklemmung, die mir am Tage die Luft zum atmen raubt, werden fortgespült. Jedoch hält dieser Effekt nicht lange an. Oft schlägt meine Stimmung in morbide und zerstörerische Gedanken um. Hinzu kommt eine totale Unberechenbarkeit meiner Launen. Ich werde manisch. Manchmal beschimpfe ich wahllos irgendwelche Menschen -ungeahnte Aggressionen werden frei. Oder ich rufe im Suff alte Freunde an und führe peinliche Gespräche über das Leben.
Am nächsten Tag habe ich immer einen Kater, ein schlechtes Gewissen und nicht selten einen Filmriss. Der komplette Tag danach ist die Hölle –ich kann nur im Bett liegen, mich hin und wieder übergeben und mich schämen.
Ein ziemlich schlechtes Preis-Leistungsverhältnis kann man sagen. Dennoch falle ich immer wieder darauf hinein. Es ist nicht so, dass ich einen bestimmten Grund zum Saufen brauche –ich bin der Grund. Ich bin leer und befangen –komme nicht aus mir heraus und brauche einfach Urlaub von mir selbst. Es ist als fehlte mir etwas Elementares, welches meine Nicht-Alkoholiker-Mitmenschen offenbar besitzen.
Fakt ist, dass ich damit aufhören will. Ich kann den Gestank des Alks nicht mehr ertragen –die Ausfälle, das Schamgefühl –es ekelt mich an. Ein dreiviertel Jahr lang schaffte ich es abstinent zu bleiben. Das ist etwa drei Jahre her. Dann ging wieder alles von vorne los.
Jetzt bin ich auf der Suche nach einer Methode mich nachhaltig zu kurieren. Ich brauche etwas, dass mir die Gewissheit gibt nicht mehr zu trinken. Das es so etwas nicht gibt ist mir klar –aber vielleicht gibt es einen Anfang –eine Hoffnung. Ich werde mich nach SHG umsehen und mir Literatur zum Thema suchen. Sicherlich ist auch eine Therapie angebracht.
Während ich dies schreibe, zweifle ich ehrlich gesagt schon am Erfolg. Gibt es Menschen die einfach für den Rest ihres Lebens einen Knall haben und niemals normal Leben können?
wenn du mal ein dreiviertel Jahr abstinent warst, dann hast du ja schon mal einen Vergleich (die Zeit mit Alkohol, die Zeit ohne Alkohol). Wie war das denn ohne Alkohol, wie ist es dir dabei gegangen, wie hast du seinerzeit aufgehört (war das schlimm?), und wie dringend war das, dass du wieder anfangen musstest?
Fragen über Fragen. Ich habe mir selber diese (und noch mehr) Fragen gestellt bzw. über diese Dinge nachgedacht, und ich muss sagen, dass es mir für das endgültige Aufhören sehr geholfen hat, das alles genau abzuwägen. Ich habe dann wirklich nicht mehr getrunken und wollte auch nicht mehr.
Möchtest du auf den Alkohol nicht verzichten? Jetzt bist du noch sehr jung, und es würde sich so richtig lohnen, wenn du nicht mehr trinkst. Je länger du wartest, desto schwieriger wird das Aufhören und Trockenbleiben.
Nach der Methode brauchst du nicht lange suchen. Die Methode ist, nicht mehr zu trinken. Probier's noch mal. Wenn es dir schwerfällt, lass dir helfen. Anlaufstelle wäre eine Suchtberatung - die können dir jede Info geben, die du brauchst, Adressen, Möglichkeiten etc.
kommt drauf an,was du unter einem Knall verstehst.
Wenns ein Knall ist,daß ich keinen Broccoli mehr essen darf,weil ich mich davon übergeben muss... Oder jemand wegen Diabetes seinen Zuckerkonsum kontrollieren muss...ein Anderer kein säurehaltiges Obst essen darf,weil er davon Ausschlag bekommt...
...oder ganz einfach jemand keinen Alkohol (mehr) trinkt,weil er ihm nicht mehr oder sowieso nicht bekommt..
Wenn das für dich ein Knall ist...dann wünsch ich dir ein herzliches Willkommen im Club der Durchgeknallten.
Oder andersrum gefragt...ist man nur "normal",wenn man Alkohol konsumiert oder konsumieren kann?!?
Zitat:
Es ist als fehlte mir etwas Elementares, welches meine Nicht-Alkoholiker-Mitmenschen offenbar besitzen.
Das "Elementare" hattest du vielleicht auch schon mal und du hast es durch das Trinken verlernt...oder aber,du hast es noch nicht gelernt. Das kannste aber im konsequent nüchternen Zustand aufholen.
Dauert zwar etwas länger,als der kurzfristige Rausch,ist dafür aber umso nachhaltiger.
ZitatEs ist eine zweite Persönlichkeit. Mir ist alles egal –ich habe keine Hemmungen und keine Angst mehr. Alle Sorgen und die Beklemmung, die mir am Tage die Luft zum atmen raubt, werden fortgespült.
Hallo irrläufer,
willkommen im Forum.
im Prinzip hast du dir ja schon Antworten selbst gegeben.
Du spülst fort, deine Hemmungen, Ängste, Sorgen und Beklemmungen.
Was ist denn bei dir anders als bei deinen Freunden die nur am Wochenende trinken ?
Warum bist du in der Woche allein?? Vor was hast du Angst und Hemmungen ??
Fragen über Fragen die du dir stellen solltest und nüchtern mal das eine oder andere Gefühl zulassen um herauszufinden wo es denn klemmt.
Erst einmal vielen Dank für die schnellen Antworten.
Den Grund für mein damaliges Aufhören lieferte ich mir selber, als ich mich auf einer Party dermaßen daneben benahm, dass es seinesgleichen sucht. Ich war wie ein vom Teufel besessenes Monstrum. Der Schock darüber ließ mich den Alkohol verbannen.
In der Zeit meiner Abstinenz ging es mir grundsätzlich besser. Ich hatte keine Entzugserscheinungen. Zunächst war ich stiller und in mich gekehrter. Ich ging nicht auf Partys, um der Konfrontation mit Alkohol vorerst aus dem Wege zu gehen.
Nach zwei Monaten traute ich mich wieder raus und stand verklemmt in der Ecke rum. Gegen zwei Uhr morgens, wenn die ersten Schnapsleichen kollabierten wurde meine Laune besser. Am nächsten Morgen war ich dann unendlich glücklich darüber gesund und munter aufstehen zu können und mir keine Gedanken über eventuelle vorabendliche Katastrophen machen zu müssen.
Wenn ich in der Öffentlichkeit strikt alkoholische Getränke vermied, kam ich mir allerdings immer wie ein Aussätziger vor (hätte ich gesoffen, hätten sicher alle anderen mich für einen Idioten gehalten).
Irgendwann nach fünf Monaten ließ der Schock über das Ereignis langsam nach. Die Beklemmung und Leere in mir allerdings nicht. Wie ein ödes zermürbendes Nagen, wie ein Korsett das mich einschnürt kam das Bedürfnis nach dem Rausch. Einfach aufatmen, einfach loslassen wollte ich. Ich zwang mich dennoch es nicht zu tun.
Nach ca. acht Monaten war ich in einer anderen Stadt auf einem großen Festival. Ich unterhielt mich, ich lernte nette Leute kennen –ich wollte trinken. Und ich tat es. Es fühlte sich scheiße an. Mir war schwindelig und der Rausch war unangenehm. Dennoch hörte ich nicht auf. Nun war die Hemmschwelle gefallen und der Vorsatz über Bord.
Mit „einen Knall haben“ meine ich dieses Bedürfnis nach dem Rausch, sich eine Auszeit zu nehmen von den eigenen Gedanken. Den Gemütszustand korrigieren –Das ist es! Mein Leben lang fühle ich mich unbehaglich, beobachtet, -bin nervös und sehr nachdenklich (nach außen wirke ich dabei angeblich völlig anders -nämlich arrogant und desinteressiert wie ich oft hörte). Das ist auf Dauer ziemlich anstrengend. Warum das so ist weiß ich nicht. Nur, dass es eben immer schon so war.
Warum meine Freunde die Möglichkeit sich alleine zu besaufen nicht wahrnehmen ist wohl darin begründet, dass sie es einfach sinnlos finden –womit sie letztlich auch Recht haben. Es ist müßig nach Gründen zu suchen. Vielleicht fehlt mir ein Botenstoff im Dachstübchen oder ich komme mit unserer leistungsorientierten Angstmacher-Gesellschaft nicht klar.
Sicherlich gilt es einen Weg zu finden diesen Mangel an Gelassen- und Zufriedenheit nüchtern zu erlangen. Die große Frage ist nur: Wie? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so manch einem nicht ähnlich geht wie mir.
klingt nicht völlig unbekannt was du schreibst. Bevor du große pläne machst mit shg und soweiter, geh einfach mal zur suchtberatung. Kann ich empfehlen.
ZitatGepostet von irrlaeufer und mir Literatur zum Thema suchen.
Hallo Irrlauefer !
3 Literaturtipps von mir:
1. Ralf Schneider: Die Suchtfibel, Schneider-Verlag, ISBN 3-89676-474-8
2. Johannes Lindenmeyer: Lieber schlau als blau, Verlagsgruppe Beltz, ISBN 3-621-27502-9
3. Felix Tretter, Angelica Müller: Psychologische Therapie der Sucht, Hogrefe, ISBN 3-8017-1450-0
Die beiden ersten Bücher habe ich noch in meiner nassen Zeit gelesen. Aber sie haben mir damals ziemlich geholfen, endlich vor dem Alkohol zu kapitulieren.