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 Kuddelmuddel
Wilma Offline




Beiträge: 2.102

17.08.2006 14:21
RE: bedingungslose Grundsicherung global Zitat · Antworten

Hallo ihr Lieben!
Bei uns wird gerade dieses Thema intensiv diskutiert.
Hier mal ein Input von mir dazu...


Autor:
Rolf Künnemann, FIAN, international secretariat, human rights director

Aufforderung zum Ratschlag Grundeinkommen, 24. März 2006

Einstieg

Eine zentrale Aufgabe der Staatengemeinschaft ist die Reduzierung des globalenNaturverbrauchs bis 2050 auf die Hälfte. Dabei kann realistisch mit kaum mehr als einem Effizienzgewinn des Faktors 4 gerechnet werden (E.U.Weizsäcker et.al. 1997). Da bis dahin sich die Weltbevölkerung etwa verdoppeln (und hoffentlich stabilisieren) wird, muss der Güterkonsum pro Kopf international (gerecht) reguliert, stabilisiert und auf dem heutigen Niveau eingefroren werden. In den Hocheinkommensländern muss entsprechend der Güterkonsum zurückgeführt werden, um Spielräume zu schaffen für ein Wachstum des Güterkonsums in Niedrigeinkommensländern: Das ist eine große Herausforderung, da bislang das Wachstum des Güterkonsums als „Geschäftsgrundlage“ der Lebensform von Hocheinkommensländern gesehen wurde. Eine neue Zivilisation ist gefragt.

Auch und gerade deshalb ist eine wichtige Aufgabe von Staat und Staatengemeinschaft die gerechte Verteilung von Einkommen und Ressourcen – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Das Versagen vor dieser Aufgabe hat sowohl die Zerstörung der globalen ökologischen und sozialen Lebensgrundlagen, als auch das Fortbestehen von massenhaftem Elend, der Unterdrückung der Frauen und ein hohes Bevölkerungswachstum zur Folge. Eine Maßnahme zur Abhilfe ist das Grundeinkommen - eine bedingungslose individualisierte staatliche Transferzahlung an alle Personen. Nur durch einen solchen „Lastenausgleich“ ergeben sich nationale und internationale Spielräume für die Stabilisierung des Güterkonsums und der Bevölkerung.

Zum Begriff Grundeinkommen gibt es unterschiedliche Diskurse, geführt etwa vom Basic Income Earth Network, attac Deutschland und Österreich, FIAN International, außerdem gibt es eine Diskussion in der EZ zu cash transfers, etwa in der WB, gtz/BMZ, dfid, die Berührungspunkte mit der Grundeinkommensdebatte hat. In Südafrika und Namibia gibt es Kampagnen zu Grundeinkommen, die von einem breiten Bündnis von NGOs, Gewerkschaften und Kirchen getragen werden. Auch in Hilfswerken wie BfdW, oder bei hiesigen Gewerkschaften wird versuchsweise über Grundeinkommen nachgedacht.

Der „Ratschlag Grundeinkommen“ möchte einige der genannten Akteure an einen Tisch bringen mit den folgenden Zielen:
1) Verschiedene Diskurse zum Grundeinkommen vorstellen
2) Verschiedene Chancen, Risiken und Strategien identifizieren
3) Synergien zwischen Diskursen und Strategien ausloten
4) Nächste Schritte verabreden

1) Menschenrechtliche Einführung in die verschiedenen Diskurse:

Im Folgenden werden Themen zu 1), 2) und 3) jeweils nur angerissen, die Darstellung ist kurz, einseitig und unvollständig: Sie soll den Ratschlag nur dazu anregen, sich im Gespräch den genannten Zielen zu nähern. 4) hängt völlig vom Verlauf des Ratschlags ab.

Allgemein wird zunächst nach Ländertyp zwischen drei Diskursen unterschieden:

a) Grundeinkommen in Hocheinkommensländern
b) Grundeinkommen in Mitteleinkommensländern
c) Grundeinkommen in Niedrigeinkommensländern

Weiterhin geht es um die Höhe des Grundeinkommens.

Schließlich kann auch noch ein Blick auf verwandte Programme gerichtet werden wie das „Partizipationseinkommen“ oder „Grundkapital“.
Die Menschenrechte können als gemeinsame Grundlage der Diskurse genutzt werden:
Nach art.11.1 des WSK-Paktes hat jeder Mensch ein Recht auf einen „adäquaten Lebensstandard, einschließlich Nahrung, ...“ Dieses Menschenrecht gilt bedingungslos, also auch unabhängig davon, ob eine Person am Prozess der Produktion und Reproduktion teilnimmt.

Was ist ein adäquater Lebensstandard? Nach art.11.1 gehören zu einem adäquatem Lebensstandard gehören adäquate Nahrung, Wohnung Kleidung – nach GC15 auch Wasser. Diese Frage ist wichtig für die Höhe des Grundeinkommens.

Nach art.11.2 ist das Recht auf Freiheit von Hunger ein fundamentales Menschenrecht, d.h. Gewährleistungspflichten gelten unmittelbar und unter allen Umständen. Nach UN Interpretation ist das Recht auf Freiheit von Hunger damit der „Wesensgehalt“ des Rechts auf Nahrung. Während Menschenrechte stets nur „so schnell wie möglich“ gewährleistet werden müssen, gilt für den Wesensgehalt die unmittelbare Gewährleistungspflicht. Hieraus ergibt sich noch einmal ein „Kernbereich“ des Grundeinkommens – das Grundnahrungseinkommen oder Grundbedürfniseinkommen.

Zum Lebensstandard gehört übrigens nicht nur Einkommen, sondern gehören auch (produktive) Ressourcen (etwa in der Form von Vermögen). Menschenrechtlich ist hierbei auch an Resourcen gedacht, um für sich und andere zu produzieren. Hier kann der Diskurs zum Grundkapital ansetzen.

Nach art. 6 besteht ein Menschenrecht, sich durch Arbeit einen Lebensstandard zu sichern, der angemessen ist (englisch: „decent“). Dieser bedingte Lebensstandard ist natürlich umfassender als der adäquate nach art.11.1. Dieser Kontext bildet (über eine Reform des Arbeitsbegriffs) den Kontext für die Diskussion von „Partizipationseinkommen“.

Nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus sozialen und demokratischen Gründen wirft die Forderung, dass ein Lebensstandard adäquat sei, nicht nur die Frage nach Untergrenzen (die durch Grundeinkommensprogramme gesichert werden könnten) auf, sondern auch nach Obergrenzen des Lebensstandards (Maximaleinkommen, Maximalkapital).

A. Grundnahrungseinkommen

Auch Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Wohnung sind weitgehend „relative“, d.h. gesellschaftlich bestimmt.

Grundnahrungseinkommen (Grundbedürfniseinkommen) versucht, gerade jenen Teil zu erfassen, der „absolut“ gilt, d.h von der physischen Struktur des Menschen vorgegeben ist. Allgemein wird als „absolute Armutsgrenze“ 1 $P pro Person und Tag (pcpd) angegeben. 0,30 $P pcpd dürfte der absolute Nahrungsmindestkonsum sein, unterhalb dessen körperliche Schäden praktisch unvermeintlich sind. Es handelt sich dabei um Erfahrungswerte von Hilfsorganisationen in Zambia (Bernd Schubert 2003, Social welfare intervention for AIDS affected households in Zambia). Je höher der Konsum einer Person, umso geringer ist der Nahrungsanteil (food share) am Konsum. Für die Definition der Armutsgrenze geht China von einem Nahrungsanteil von über 60% aus, die USA von einem Nahrungsanteil über 30%. Dabei bewegt sich China damit im Bereich der absoluten Armut, die USA im Bereich der relativen Armut. Es ist also davon auszugehen, dass ein Grundnahrungseinkommen über 0,30$P liegen sollte und (nach den chinesischen Beobachtungen) ein Grundbedürfniseinkommen über 0,50$P.

Ein absolutes Grundnahrungseinkommen ist ein Grundeinkommensprogramm, das mindestens 0,30$P pcpd an jede Person überträgt. Nur so lässt sich Freiheit von Hunger, der Wesensgehalt des Rechts auf Nahrung, sicherstellen. Dies muss global für jeder Person gelten.

Ein relatives Grundnahrungseinkommen sollte auch für Niedrigeinkommensländer eher bei 1 $P liegen als bei 0,30 $P. Hier gilt es, Menschenrechtsstandards abzuwarten über die Programm- und Haushaltspflichten von Niedrigeinkommensländern und die entsprechenden Ko-Finanzierungspflichten der Staatengemeinschaft.

Da es sich um den Wesensgehalt handelt, ist das Fehlen von Programmen, die ein solches Konsumniveau für jede und jeden sicherstellen, eine massive Verletzung der Menschenrechte. Aus Gründen, die unter B) angeführt werden, müssen solche Programme Grundeinkommensprogramme sein.

Akzeptanzprobleme für solche Programme sind geringer als bei allen anderen Grundeinkommen.

Der Transferaufwand dieser Programme liegt unter 1% des BIP für Niedrigeinkommensländern und unter 0,25% des BIP für die Ko-Finanzierung durch Hocheinkommensländer. (Rolf Künnemann, 2005, Basic Income – Option or Obligation)

Probleme (auch für die Akzeptanz) können sich aus der Frage der Administrierbarkeit in ländlichen Regionen von Staaten geringer Infrastruktur ergeben und aus der mangelnden Bereitschaft von Teilen der Hocheinkommensländer zur Ko-Finanzierung.

B. Grundeinkommen zum adäquaten Lebensstandard

Was ist das Konsumniveau für einen adäquaten Lebensstandard? Das Niveau liegt zwischen den in A und C genannten Niveaus, aber wo? Ein wichtiger Indikator für einen inadäquaten Lebensstandard ist ein Konsumniveau, das es kulturell gerade noch erlaubt, formelle staatsbürgerliche Rechte (wie das Beschreiten des Rechtswegs, etwa bei der Fehlfunktion konditionierter Sozialprogramme) wahrzunehmen. Natürlich handelt es sich hier nicht nur um die Kosten des Rechtswegs, sondern um ein Konsumniveau, das über ein komplexes Geflecht von Bildung und Kultur die Ausübung dieser Rechte überhaupt erst real ermöglicht. Für dieses Konsumniveau wäre ein Grundeinkommen zwingend, unter anderem weil konditionierte Transfers (für einen evtl. höheren adäquaten Konsum) sonst nicht mehr für die genannte Person justiziabel wären. Ich vermute diesen Indikator (das „Grundeinkommensniveau“) bei etwa 33% des Durchschnittskonsums. Sollte der adäquate Lebensstandard bei einem höheren Niveau angesetzt werden, könnten für die Differenz zwischen Grundeinkommensniveau und adäquatem Konsum auch einkommensabhängige (aber sonst unkonditionierte) Transfers genutzt werden.

Finanziell ergäbe sich für das Grundeinkommen ein Ausgabenniveau von etwa 17% des BIP (in der BRD liegt der Privatkonsum etwa bei der Hälfte des BIP). Zum Vergleich: Die Sozialleistungsquote liegt derzeit bei 33% des BIP. Die Finanzierung könnte (da es um arbeitsunabhängige Leistungen geht) nicht über den Faktor Arbeit erfolgen. Aus Gründen der wirtschaftlichen Vernunft ist die Abgabenlast des Faktors Arbeit zu vermindern und des Faktors Natur- und Güterkonsum zu erhöhen. Die Finanzierung des Grundeinkommens sollte (aus Gründen des Zielführungs-Arguments, s.Künnemann / Basic income – option or obligations) ausVerbrauchssteuern finanziert werden.

Der weitreichendste Vorschlag im Grundeinkommensdiskurs verlangt für das Grundeinkommensniveau das höchste Niveau, das nachhaltig für alle erreichbar ist (s. Philippe van Parijs / Real freedom for all)

C. Partizipationseinkommen für einen angemessenen Lebensstandard

Was ist das Konsumniveau für einen angemessenen Lebensstandard?

Armut geht mit Diskriminierung einher und mit Schwierigkeiten der Partizipation. „Working poor“ sollte es deshalb nicht geben. In der EU wird das Armutseinkommen allgemein mit 50% des Durchschnittseinkommens (alternativen Bezug auf Medianeinkommen vermeiden) angegeben.

Lohnarbeit ist jedenfalls Partizipation und sollte deshalb ein Einkommen über 50% sicherstellen. Falls es ein Grundeinkommensprogramm gibt, folgt daraus ein gesetzlicher Mindestlohn, der die Differenz abdeckt. Für andere Markttätigkeiten (Selbständige) oder Tätigkeiten im Gemeinsektor (also Gemeinnütziges, auch in der Familie, Bildung, Ausbildung etc.) ist eine staatliche Differenzleistung zwischen dem erwirtschafteten Einkommen und dem Mindestlohn sicherzustellen. Der Gemeinsektor muss gemeinsam definiert werden und Tätigkeiten müssen entsprechend bei einer Arbeitsagentur angemeldet werden. Je umfassender und großzügiger der Gemeinsektor (und damit der Begriff Arbeit im Sinne von ökonomischer Partizipation) definiert wird, desto mehr nähert sich das Partizipationseinkommen einem Grundeinkommen an.

Im Grenzfall gäbe es ein Grundeinkommen auf der Partizipationseinkommenshöhe, das nur in wenigen Fällen des offensichtlichen Missbrauchs des Gemeinsektors versagt würde. Wenn eine solche Person ihre (gesellschaftlich definierte) Mindestpartizipation vorenthält (und nicht durch Krankheit, Behinderung oder Alter gezwungen dazu ist), wird ihr von der Gesellschaft das Partizipationseinkommen vorenthalten. Ihr adäquater Lebensstandard ist aber weiterhin durch Programme gesichert.

D. Offene Fragen, die mitdiskutiert werden sollten sind:

Hier geht es vor allem um die Gestaltung des Marktsektors und des politischen Sektors. Ohne eine entsprechendes Grundkapital (das einmal im Leben ausgezahlt werden könnte), und ohne eine beschränkte Ungleichheit bei den Einkommen sind Verzerrungen der Märkte nicht zu vermeiden: Die Nachfragestruktur auf den Märkten bildet die Bedarfstruktur nicht mehr ab: Es werden Luxusgüter für wenige produziert, statt Grundbedarfsgüter für die vielen. Diese beschränkte Ungleichheit verlangt nicht nur Mindest- sondern auch Maximaleinkommen. Da Kapital eine Quelle von Einkommen ist, folgt daraus automatisch ein Maximalkapital.

2) Chancen, Risiken und Strategien

In den Hocheinkommensländern ergibt sich der Diskurs einerseits aus der (im Einstieg aufgeführten) ökologischen Überlebensfrage des Systems, andererseits aus der Notwendigkeit bestehende (auf der Belastung des Faktors Arbeit beruhende) Sozialsicherungssysteme zu reformieren als Maßnahme gegen die Arbeitslosigkeit.

Bei der Sozialreform gibt es aber noch eine neobarbarische Agenda, der es darum geht, soziale Rechte zu beschneiden oder zu zerstören, um dadurch die Belastung von Geldeliten zu verringern und scheinbare Wohlfahrtsgewinne für diese zu erreichen. (Kostensparen ist hier das Hauptargument.) Das Modell dieser Agenda ist dem Grundeinkommen sehr ähnlich: Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung, Entschärfung der Armutsfalle, Abgaben-Entlastung des Faktors Arbeit. In seiner klassischen Form (M.Freedman) führt dieses Modell allerdings zu einem sehr viel niedrigeren Mindesteinkommen.

Gewerkschaften sind wichtig für die Verteidigung sozialer Rechte. Ihre Furcht, dass bei einer Reform bestehende soziale Rechte ausgehöhlt werden, ist begründet (siehe neobarbarische Agenda). Von daher müssen sie von einem Konzept überzeugt werden, das diese Rechte stärkt (und menschenrechtlich operationalisiert). Ein solches Konzept sollte aber außerdem für die Geldeliten vernünftig dargestellt werden – am besten zusammen mit einigen vernünftigen Ökonomen (welchen?). Eine Rückführung des Güterkonsums in den Hocheinkommensländern darf nicht zu wachsender Ungleichheit führen.

In einigen Mitteleinkommensländern steht ein Grundbedürfniseinkommen zunehmend in der politischen Debatte (Südafrika, Namibia, Brasilien, Argentinien). Von der Weltbank wird stattdessen das Konzept des „conditional cash transfer“ gepusht – das einerseits oft mit Bedürfnisprüfung, andererseits mit zusätzlichen Bedingungen wie Schulbesuch der Kinder etc. verbunden ist. Diese WB-Politik muss menschenrechtlich herausgefordert und bekämpft werden. Wegen des vergleichsweise niedrigen Konsumniveaus des Grundbedürfniseinkommens (1 $P pcpd entspricht einem Ausgabenniveau für das Grundeinkommen von etwa 5% des BIP dieser Länder), ist die Finanzierung einfacher als in den Hocheinkommensländern.

In den Niedrigeinkommensländern liegt das Ausgabenniveau für ein Grundbedürfniseinkommen teilweise bei 40%, so dass das Programme ohne einen Transfers der Hocheinkommensländer nicht national zu verwirklichen wäre. Ein solcher Kaufkrafttransfer von den Hocheinkommensländern zu den Niedrigeinkommensländern (und dort in das Sozialsystem und nicht in die Konsumenten-Elite) ist auch angesichts des globalen Konsumausgleichs geboten. Dieser ist durch Wirtschaftswachstum der Niedrigeinkommensländer (selbst bei Verbrauchskonstanz der Hocheinkommensländer) allein wohl nicht zu schaffen. Übrigens ist in vielen afrikanischen Niedrigeinkommen kein Prokopfwachstum zu verzeichnen. Eine Finanzspritze für die benachteiligten Regionen, z.B. in den ländlichen Gebieten würde deren kaufkräftige Nachfrage – und damit auch die ländliche Entwicklung – stärken.

Ein Risiko ist die Verweigerung von Teilen der Hocheinkommensländer gegenüber einer koordinierten Subvention sozialer Sicherheit im Süden.

Ein weiteres Risiko für die Grundeinkommensdebatte im Süden ist

- die möglicherweise mangelnde Administrierbarkeit der Verteilung bzw. der Verbrauchersteuern in Armutsregionen.

- die Notwendigkeit, sofort mit wenig Geld pragmatische Lösungen in Extremsituationen zu finden: Etwa: Staatliche cash transfers an die 10% Ärmsten in jedem Dorf. Hierdurch könnten die Weichen erst einmal Richtung Bedürftigkeitsprüfung gestellt werden. Wichtig ist zunächst einmal, dass gerade in diesen Regionen extremer Armut überhaupt Mindesteinkommensprogramme aufgebaut werden, die Rechte etablieren, auch wenn die Programme zunächst noch nicht justiziabel sind.

3) Synergien und Strategien

Grundsätzlich stellt sich in allen drei Länderkategorien in verschiedener Weise das Problem des Übergangs zu Grundeinkommenssystemen:

In den Hocheinkommensländern müssen Sozialhilfe-Systeme (d.h. Pre-transfer targetting) durch Grundeinkommen ersetzt werden, ohne dass dadurch das Sozialhilfeniveau („adäquater Lebensstandard“ unter Arbeitsbereitschaftsbedingung) sinkt.

In Mitteleinkommensländer gibt es teilweise keine Sozialhilfe-Systeme. Was tun? Die Weltbank vertritt die Einführung der Sozialhilfe bei enger Zielführung, zusätzlichen Bedingungen
Kostenminimierung. Dem muss ein menschenrechtlich orientiertes Konzept (mit Hilfe von ILO und FAO) entgegengesetzt werden.

Es gibt hier zwei Strategieansätze für den Übergang zum Grundeinkommen:

i) Ausweitung und Stärkung der Sozialhilfe bei gleichzeitigem Abbau der Konditionen. Schließlich Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung und Reform des Steuersystems („alles oder nichts“).

ii) Pilotprojekte von Grundeinkommen in Teilgebieten des Staatsgebiets („Ländern“). Nebeneinander von Sozialhilfe in einigen Regionen und Grundeinkommen in anderen. Ausdehnung des Grundeinkommensterritoriums.

Außerdem wäre ein „Durchtunneln“ direkt zum Grundeinkommen ohne Umweg über Sozialhilfe zu erwägen. Damit ließen sich viele bürokratische Schwierigkeiten umgehen, und es werden keine Bedürftigkeitsprüfungs-Strukturen aufgebaut, die nachher hinfällig werden.

In Niedrigeinkommensländern sollte geprüft werden, ob ein „Durchtunneln“ möglich ist. Hier sollten schrittweise bedingungslose cash transfers Systeme (auch und gerade in ländlichen Regionen) aufgebaut werden, die Geld zunächst an die 10% Ärmsten jeder Gemeinde verteilen und dann nach und nach immer mehr Gemeindemitglieder umfassen, bis ein Grundeinkommen erreicht ist. Zug um Zug damit sollte eine entsprechende Änderung des Steuersystems eingeführt werden. Gleichzeitig müssen internationale Ko-Finanzierungssysteme aufgebaut werden. (Im Gegensatz zum Global Social Trust der ILO sollen diese Mittel staatliche Mittel sein, auf Grundlage eines Vertrages fließen und Rechte entstehen lassen.)

Auch wenn es sich um Diskurse mit unterschiedlichen Akzenten handelt, bilden die Menschenrechte einen gemeinsamen globalen Rahmen. Für die Popularität der Pflicht in den Hocheinkommensstaaten, Grundeinkommen in Niedrigeinkommensländern zu subventionieren wäre es sicher förderlich, wenn auch in Hocheinkommensländern Grundeinkommen bestünden – und umgekehrt. Gerade weil Grundeinkommen den Ausgleich auf unserer gemeinsamen „Insel Erde“ anstreben, sollten diese Diskurse nicht abgetrennt werden. Die Weltbank will ihre ideologische Meinungsführerschaft hinsichtlich „Sozialhilfe“ in allen drei Länderkategorien etablieren. Dem kann nur gemeinsam begegnet werden. Gemeinsam auch mit der ILO und anderen Verbündeten im UN System.


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