Schön, daß Du hierher gefunden hast! Das Du aus Deiner beiden Karrieren berichten würdest, ist hier wohl ein guter Ansatz Laß was von Dir hören... Gruß Yonka
Ich bin 1957 in Hamburg geboren. Meine Kindheit verlief bis zum 14. Lebenshjahr sehr normal. Ab diesem 14. Lebensjahr fing ich an Alkohol zu trinken. Ich wuchs in einer Neubausiedlung in Hamburg auf. Dort gab es immer eine Fete bei irgendjemandem. Ich war damals schon immer einer der letzten die solche Partys verliessen. Natürlich immer betrunken. (Diese Einsicht kam erst bei späterer Betrachtung.) Ich trank, nach heutiger Einschätzung, damals schon mehr als die Anderen, es fiel mir und den Anderen natürlich noch nicht auf. Dann später die Bundeswehr. Ich wurde U-Bootfahrer. Dort wurde auch immer sehr viel getrunnken. Natürlich ! Und dort wurde ich zum erstenmal (ganz kameradschaftlich natürlich) auf meinen Alkoholkonsum angesprochen. "Ich doch nicht, wie kommt ihr auf das schmale Brett?" tat ich diese Einwände immer wieder ab. Mit 21 lernte ich meine erste Ehefrau kennen. Im Suff natürlich. Aber ich gefiel ihr wohl. Der Alkoholkonsum stieg immer mehr.
Was für ein tolles Leben
Meine Persönlichkeit veränderte sich. Ich fing an im Suff zu toben und sogar zu schlagen. Fuhr zwei Autos (ohne Führerschein) kaputt. Mein sohn kam zur Welt. Ich trank immer mehr. Wir zogen um nach Hannover. Ich wurde dort Beamter (wieder bei der Bundeswehr). Diese Tatsache trug dazu bei, das ich durch meine Sauferei nie meinen Job verlor - zum Glück. Ich wurde immer unerträglicher - prügelte meine Frau, und wurde unausstehlich, auch für meinen Sohn. Hatte viele Affären mit anderen Frauen, war selten Zuhause. Ein Leben auf der Überholspur nannte ich es.
Was für ein tolles Leben
Der Tag kam - Meine Frau wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wegen einer Operation. Mein Sohn kam zu Schwiegereltern - ich war alleine daheim, konnte tun was ich wollte. Saufen, Dates mit anderen Frauen. Wenige Besuche im Krankenhaus bei meiner Frau. Eines Tages kam ich von der Arbeit nach Hause - und musste feststellen das die komplette Wohnung ausgeräumt war. Bis auf den unbezahlten Fernseher, das unbezahlte Schlafzimmer und meine (bezahlten) Bierkisten. (Bei spätere Betrachtung das beste was sie tun konnte)
Was für ein tolles Leben
Ich musste nun leiden. Konnte mein Saufen durch dies unerträgliche Leid (zynisch) begründen. Ich soff nun alles was mir in die Quere kam. War Pleite, hatte viel Schulden - also kaum noch Geld für Stoff. Ich klaute dann den Stoff eben, soff ihn direkt im Kauhaus im Regal. Egal, ich brauchte ihn. Ich zitterte hatte ich längere Zeit (ne Stunde) keinen alkohol zu mir genommen. Irgendwann stieg ich um auf Wein, denn der schien mir billiger zu sein (1-Liter-Tetra-Pack von aldi, damals 99 Pfennige). Ich brauchte dann zu der Zeit - 1987 - ca. 10 - 12 dieser Liter-Tetra-Packs täglich. Ich kaufte jeden Abend 15 Stück davon. Nahm morgens 6 Stück mit zum dienst, die bis Mittags reichten. Dann in der Mittagspause holte ich von aldi 6 neue, die bis zum Feierabend reichten.
Was für ein tolles Leben - und ich empfand es als toll.
Irgendwann in dieser Zeit wurde ich geschieden. Durch ein Gericht wurde mir untersagt meinen Sohn zu sehen und mich meiner Frau weniger als 500 Meter zu nähern. Ich lernte dann meine jetzige Frau kennen. Im Suff natürlich, in meiner einzigen Jeans die ich noch besass. Aber auch sie mochte mich wohl. Oder appeliierte ich mit meinem Aussehen an ihre Hilfsbedürftigkeit? Naja wir kamen zusammen. Aber oh wunder - es wurde nichts besser. auch sie prügelte ich, auch sie beschimpfte ich - aber sie blieb bei mir.
Was für ein tolles Leben
Mein Sohn durfte mich zwischenzeitlich besuchen. Ich versuchte dann nicht soviel zu saufen, aber natürlich klappte das nicht. Irgendwann zu dieser Zeit wurde ich von einer Zecke gebissen - Ja richtig von einer Zecke. Meine Bedürnisse zu erledigen an Strassenrändern oder in Gebüschen wurde also bestraft. Mist, das Bein wurde dick - ich musste tatsächlich einen Arzt aufsuchen. Ich suchte mir einen in meiner Nähe (der erste Arztbesuch seit zwanzig Jahren). diese rArzt bestellte mich des öfteren zu Behandlungen, mal morgens, mal abend, mal mittags. Was er mir später erklärte. - Er war Mitglied in einem Suchthilfeverein und wollte feststellen ob ich zu jeder Tageszeit eine Fahne hätte. Er stellte diese fest und sprach mich darauf an. Ich erklärte natürlich das meine Fahne immer von irgendwelchen Feiern am Vorabend, Geburtstagen im Amt oder dergl. kommen würde. Er bot mir eine Untersuchung an, die ich schweren Herzens annahm. Danach sagte er mir, wenn ich noch länger Leben wolle sollte ich sofort mit dem Trinken aufhören und eine Therapie machen. Ich lehnte diese natürlich mit den Worten - Es wird schon gehen - ab. Ich bekam einen Termin am kommenden Montag bei einem Neurologen. Nachdenklich machte mich diese Aussage dann schon. Ich sass abends zu Hause, trank wieder, dachte aber nach, über das was er mir gesagt hatte. Das war am Donnerstag dem 20.Juli 1991. Am Freitag dem 21. Juli kam wieder mal mein Sohn zu Besuch. Ich nahm mir vor nicht mehr trinken zu wollen. Dieser 21. Juli war der erste trockene Tag seit meinem 14. Lebensjahr, und der erste trockene Tag meiner Nüchternheit - bis heute.) Ich schaffte es ohne Akohol zu bleiben, wurde immer zittriger, immer schwächer. Mein Sohn, meine jetzige Frau und ich besuchten ein Stadtfest. Ich wollte Cola trinken, schaffte es aber nicht, weil ich durch zitternde Hände alles verschüttete. Meine Freundihn brachte mich nach Hause.
Am Montag, wollte ich zum Neurologen, brach aber schon nach dem Aufstehen mit einem Krampfanfall zusammen. Mein Sohn war dabei (was musste er nur alles ertragen mit seinem Vater). Er war gerade dabei mit meiner Freundin zu telefonieren, als ich mich von dem Krampfanfall erholte und so tat als wäre nichts passiert. Wir machten uns auf den Weg zum Neurologen Ich war orientierungslos, wusste nicht mehr wo ich war. - und auf diesem Weg erlitt ich den zweiten Krampfanfall. Mitten am Steintor in Hannover. Mein Sohn fand zum Glück in der rumstehenden, staunenden, gaffenden Menge einen Arzt heraus. (das erfuhr ich später aus seinen Erzählungen.) Ich kam ins Krankenhaus.
Bis hierher ging mein nasser Weg
Im Krankenhaus lag ich 5 Tage im Koma. Als ich erwachte und die Ärztin die anamnese machte, anwortete ich ihr auf die Frage, wiviel ich denn so trinekn würde: "Ach Frau doktor, ganz normal, ein bisserl Bier hier, ein Bisserl Wein da." Ich beschwerte mich sogar nach einigen Tagen ernsthaft darüber, das ich auf der "Säuferstation" untergebracht war, ich bin ja Privatpatient. Ihre Antwort war aber nur ich sollte mal darüber nachdenken warum das so war. Ich erkannte danach das ich entgifetet wurde. 15 Tage lang. Ich fühlte mich von Tag zu Tag besser. Als ich entlassen wurde, nicht ohne vorher eine Liste mit Ansprechstellen in die Hand bekommen zu haben, fühlte ich mich als hätte ich nie gesofffen. Ich saß zu Hause, dachte nach, dachte auch darüber nach mir Alkohol zu kaufen, kam aber zu dem Schluss es mal nicht zu tun, es doch mal ohne zu probieren. 14 Tage saß ich da so nachdenkend rum. Meine damalige Freundin (jetzige Frau, ja ihr lest richtig, sie ist trotz alledem bei mir geblieben) fragte mich immer wieder ob ich nicht doch eine Gruppe aufsuchen wolle. Ich sagte: "weisst du ob mir das helfen wird, ich glaub ich schaffe es alleine, mir geht es doch jetzt sooo gut". Aber, ihr zum Gefallen, suchte ich eine dieser Selbsthilfegruppen auf, wollte es mir doch mal anhören. Als ich dort reinkam saßen dort 30 Frauen und Männer, alle ganz normal, keiner betrunken, keiner sah aus wie ein Säufer - wie kann das möglich sein - dachte ich so. Und das komische war, alle waren nett zu mir, begrüssten mich, sprachen mit mir. Die Therapeutin nahm mich mit in ihr Büro. eine sehr sehr liebe Frau, sie sprach ganz offen mit mir, ich log ein klein wenig (war das anders zu erwarten?). Ich setzte mich mit in die Gruppe. Hörte zu, musste von meinem Leben berichten. Das erste mal das ich zu anderen über mich sprach. Aber, erstaunlicherweise fiel es mir gar nicht so schwer. Als andere Gruppenmitglieder damals von ihren trockenen Jahren sprachen - 5, 8, 10 13 Jahre- dachte ich so bei mir, das kann doch nicht wahr sein, schwindeln die nicht ein wenig? Aber ich besuchte diese Gruppe danach immer öfter, erst einmal die Woche dann zweimal die Woche, es gefiel mir immer mehr. Ich sprach über mich, hörte den anderen zu, stellte fest, das alle das gleiche Problem hatten - den Alkohol. Ich fand paralellen zu Anderen, ich fand so schwer kann es doch nicht sein trocken zu werden - wenn die es geschafft haben, dann schaffst du es auch, dann hast du auch irgendwann 5, 8, 10, 13 jahre geschafft. Steig in ihre Fusstapfen. Gesagt getan. Ich tat alles wovon dort erzählt wurde Alkoholfreie Zone, neue Freundeskreise suchen, Saufdruck erkennen und darüber reden, eben alles wovon dort gesprochen wurde. So verging die Zeit, ich blieb trocken. 1 Woche, 1 Monat, 1 Jahr es wurde immer mehr trockene Zeit. Nach drei Jahren dort durft ich schon die ersten Gruppen selbst leiten. Später wurde ich in diesem Verein 2. Vorsitzender. So war das mit meinem trocken werden und trocken bleiben. Und ich bin es heute noch, und möchte es auch morgen sein.
Hallo Walter, da hast Du ja richtig viel Glück gehabt, dass Du gleich so einen tollen Arzt erwischt hast. Meiner empfahl mir weniger zu trinken und zu rauchen und mir eine Tonsur schneiden zu lassen und ins Kloster zu gehen. Das war ein richtiger Arsch von Internist. Ich hab aber dann Gott sei Dank eine Guttempler Gruppe gefunden die mir dann auch einen Therapieplatz vermittelt haben - war am 04.09.1982. Warst Du auch weg zur Therapie? Wünsch Dir dass Du noch lange Jahre trocken bleibst.
Nein ich war nie zur Therapie. Ich bin auch der Meinung das man sie nicht unbedingt braucht, wenn man eine funktionierende Selbsthilfegruppe und den Willen dazu hat trocken zu werden.
Aber ich denke, das ist sicher auch personen- und Umfeldabhängig.
nein Dry, es war eine frei Selbsthilfegruppe. Die größte hier in Hannover. Leider besteht sie nicht mehr. Es war der Verein für Sozialmedizin in Hannover
Hallo Wolle, danke für Deine Geschichte. Kannst uns Neuen sicher einiges mit auf den Weg geben. Freue mich darauf und sage "Herzlich willkommen!" LG Seele
herzlich willkommen hier, hast ja eine Wahnsinnskarriere hinter dir!
"Ich fand paralellen zu Anderen, ich fand so schwer kann es doch nicht sein trocken zu werden - wenn die es geschafft haben, dann schaffst du es auch, dann hast du auch irgendwann 5, 8, 10, 13 jahre geschafft. Steig in ihre Fusstapfen."
Ich finde es unglaublich toll, dass du das geschafft hast ohne Therapie etc. pp, gibt mir irgendwie ziemlich viel Zuversicht für meine eigene Zukunft.
Nun denn, steige ich jetzt mal in deine Fußstapfen, und lauf dir nach, Tag für Tag...
Ich möchte dir auch für deine Geschichte danken. Wär ja schon fast ne Schlagzeile in B... wert :
Zeckenbiss leitet das Trockenwerden ein ! Spass beiseite , Ich denke aber mal der Zeckenbiss war die 0,1% Einleitungsphase , dein Wille zum Trockenwerden die anderen 99,9%. Freu mich sehr darüber.
auch ich begrüße dich hier. Besuchst du jetzt und überhaupt noch eine andere Gruppe, nachdem deine erste nicht mehr besteht? Was du schreibst, auch zum Unterschied zwischen trocken und nüchtern, hört sich sehr nach AA an.
Ich hatte mich in meiner Gruppe anfangs auch blind an dem orientiert, was die langjährig Trockenen taten und empfahlen, mit Erfolg.