Gestern war ich für unsere AA-Gruppe zu einem Erfahrungsaustausch der Selbsthilfegruppen des Kreises, zu dem die Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werkes eingeladen hatte.
Wenn es sich an dieser Stelle um eine Tagesschau- oder Heute-Meldung handeln würde, stünde jetzt hier so ein Satz:
„Das Treffen verlief in einer freundschaftlichen Atmosphäre. Dabei wurden multilateral interessierende Fragen erörtert.“
Da ich aber nicht für’s „Staatsfernsehen“ arbeite, kann ich solche Dinge schreiben, mit denen geneigte LeserInnen auch etwas anfangen können.
Von Seiten der Suchtberatungsstelle wurden wir umfassend über die bestehenden Angebote informiert – bis hin zu den persönlichen Ansprechpartnern. Das versetzt uns in die Lage, Menschen, die in die Gruppen kommen, über die konkreten Hilfsangebote vor Ort aufzuklären. Auch die Verfahrensweise der Suchtberatungsstelle, die sie anwendet, wenn Hilfesuchende dort anrufen, wurde noch einmal erläutert.
Beim ersten Anruf oder Aufsuchen der SB wird entschieden, ob dringende Intervention erforderlich ist oder ob der weitere Weg über das Aufsuchen der nächsten öffentlichen Sprechstunde führt. Letztere Verfahrensweise ist nicht unumstritten, da es Argumente gibt, zu sagen: „Ja, wenn sich die Betroffenen schon mal durchgerungen haben, um Hilfe zu bitten, warum gibt es dann nicht gleich einen Termin für ein Einzelgespräch?“
Das Gegenargument lautet, dass eine ganze Reihe von Hilfesuchenden zwar anruft, dann aber zu dem vereinbarten Termin nicht erscheint und damit wertvolle Arbeitszeit der Mitarbeiter verschwendet wird.
Ich stelle das auch mal hier zur Diskussion.
Im weiteren Verlauf der Einzelgespräche gibt es in unserem Kreis dann die Möglichkeiten:
- eine Motivationsgruppe zu besuchen (8 Termine) - eine ambulante Therapie zu machen (1 Jahr 1x wöchentlich Gruppentherapie, Einzelgespräche alle 14 Tage, an besondere Voraussetzungen gebunden) - Vermittlung in Entgiftung und/oder stationäre Therapie - Nachsorge (20 Gruppentermine + 2 Einzelgespräche) (ich habe meine persönlichen Erfahrungen dazu hier im Forum geschrieben und gestern auch so wieder gegeben) - Betreutes Wohnen für Menschen, die ihre Wohnung nicht verlassen wollen (oder können), aber allein nicht mehr zurecht kommen (Unterstützung bei Haushaltsführung, Gesundheitsfürsorge, Finanzen, Behördengängen usw.)
Und nicht zuletzt – und das ist noch neu (außerhalb von Großstädten):
Kontakt zu einer speziellen Entgiftungsabteilung für Kinder und Jugendliche von 11- 18 Jahren – natürlich gemeinsam mit den Eltern. In diesem Zusammenhang war ein weiteres Diskussionsthema der Umgang mit der wachsenden Zahl der immer jünger werdenden Hilfesuchenden in den Gruppen. Einerseits erfreulich – eine Verjüngung in den Gruppen, andererseits ein Problem, auf die konkreten Anforderungen zu reagieren.
Da ist wohl in den meisten Konzepten der verschiedenen Selbshilfegruppen(verbände) noch eine Lücke.
Bisher fanden solche Treffen im Zwei-Jahres-Rhythmus statt. Wir haben uns darauf verständigt, das künftig jährlich zu machen.
Darüber hinaus werden wir uns im April erneut treffen, um ein gruppenübergreifendes Treffen aller Gruppenmitglieder zu organisieren.
Ein ziemlich großes Vorhaben, aber es ist Ausdruck dessen, was gestern auch eine Rolle spielte:
Es gibt keine Konkurrenz der Gruppen und Verbände, jeder Hilfesuchende sollte sich die Gruppe suchen (können), deren Modalitäten ihm die besten Genesungschancen bieten – mit anderen Worten, in der er sich wohl fühlt. Mit diesem „Zusammenrücken“ wollen wir auch einen möglichen Wechsel erleichtern, der in jedem Falle besser ist, als ohne Gruppe da zu stehen.
Und da komme ich auch schon zum Schluß.
Ohne die ehrenamtliche Arbeit vieler Menschen ist ein funktionierendes Gemeinwesen undenkbar. Um so unverständlicher, dass in einem reichen Land wie Deutschland die Mittel für diese Arbeit immer weiter gekürzt werden. Es geht um die Rahmenbedingungen, deren Schaffung nun mal Aufgabe der Politik ist. Mich freut es, dass endlich das zarte Pflänzchen der Erkenntnis die ersten Blätter aus dem Erdreich streckt, dass die Suchtproblematik zwar ein ganz persönliches Problem ist, aber in keiner Weise unabhängig von den gesellschaftlichen Prozessen gesehen werden kann.
Nachtrag: Natürlich spielte auch die Verbesserung der Angebote für speziell für Frauen, darüber hinaus auch für Angehörige und Kinder von Suchtkranken eine Rolle.
LG und gute 24 Stunden Bernd
Vielleicht kommt bald der Wunsch auf, ich sollte es lieber bei einem ==> KLICK bewenden lassen?
[ Editiert von Faust am 01.03.07 10:05 ]
"Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. "(Bertrand Russell)
hallo Faust, " . . Hilfesuchenden zwar anruft, dann aber zu dem vereinbarten Termin nicht erscheint und damit wertvolle Arbeitszeit der Mitarbeiter verschwendet wird." // Mit kommen glatt die Tränen, da erscheinen die die bösen Alkoholiker noch nicht einmal. Und dann noch eine "Konkurrenz" der Hilfe Anbietenden, einfach Spitze!
noch was zur Einteilung des Bordes: in solche wo man anklicken muss, und solche die schon selber formulieren können, ist das besser jetzt? mX
Hut ab vor Deinem persönlichen Engagement und Deinem informativen Bericht über die Arbeit der Kontaktstelle. Mögen Dir weiterhin die Eigenschaften Beharrlichkeit, Verbindlichkeit, Verläßlichkeit, Vertraulichkeit, Offenheit, Verschwiegenheit sowie Hilfsbereitschaft gepaart mit Kompetenz und dem ehrlichen Bemühen um den Mitmenschen erhalten bleiben - ich wünsche es Dir von Herzen.
LG Volker
Ein Zuviel an Intellekt ist durchaus geeignet, die Freude am Leben zu trüben.