vor kurzem meinte meine Frau zu mir, ich hätte mich in den letzten Jahren doch wesentlich verändert, vor allem sei ich auch nicht mehr so "pingelig" und so ernst in allem. Ich sei gelassener geworden und nehme vieles nicht mehr ganz so wichtig.
Das habe ich gerne gehört. Und ich habe auch "danke" dafür gesagt. Es hat mir geschmeichelt.
Aber was steckt dahinter? In meinem früheren nassen Leben war ich in vielen Dingen sehr penibel bzw. pedantisch. Mich störte oft auch schon "die Fliege an der Wand". Ich war sehr nervös, recht "hibbelig" und leicht "auf die Palme" zu bringen. Sicher hatte das mit geringen Selbstwert zu tun. Ich war mir einfach unsicher in vielen Dingen, sicherlich im gesamten Leben. Auch hatte ich mich - so sehe ich das heute - noch nicht gefunden, wie man so sagt, ich fühlte mich zwar trotz der Sauferei recht "normal", aber unzufrieden. "Es allen recht zu machen" war meine Devise. Das kann nicht gut gegen.
Heute ist mir das bewußt. Aber dauert das denn bei anderen auch so lange, ehe "man" sich findet, mit sich einigermaßen im reinen ist?
Heute sehe ich viele Dinge gelassener. Alkohol, Nikotin sowie andere Drogen sind mittlerweile keine Option mehr für mich. Ich rege mich nicht über "jeden Scheiß" auf und merke, dass ich hin und wieder einfach so um Rat gefragt werde, ohne mich in irgendeiner Weise anzubieten. Und ich kann mich selbst sehr intensiv empfinden.
Und wenn mal was nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann ist es eben so, ich muß mich da ja nicht gleich
a) darüber aufregen,
b) mich dafür verantwortlich fühlen,
c) mir deswegen Vorwürfe machen,
d) gleich auf's Problem aufspringen,
e) ungefragt nach Lösungen suchen.
Das ist schon ganz gut so.
Welche Erfahrungen habt Ihr da so in den letzten Jahren gemacht.
Wir lesen uns.
LG Fv
Ein Zuviel an Intellekt ist durchaus geeignet, die Freude am Leben zu trüben.
ZitatGepostet von Friesenvolker [b] Heute ist mir das bewußt. Aber dauert das denn bei anderen auch so lange, ehe "man" sich findet, mit sich einigermaßen im reinen ist?
Kann es nicht sein, dass das ein lebenslanger Prozess ist?
Ich habe mir sehr die Philosophie von Marcus Aurelius zu Eigen gemacht (mein Avatar hier zeigt übrigens ihn). Die "Selbstbetrachtungen" von Marc Aurel finde ich in sehr hilfreich und versuche mich danach zu richten.
Ich empfehle die Schrift auch einfach so, mal zum reinstöbern.
Gelesen habe ich es in mehreren Übersetzungen, die beste (und auch billigste) ist die im Reclam-Verlag, die unter 5 Euro liegt. Zudem hat jede Bibliothek dieses Buch.
Leider habe ich auch nach nochmaliger Suche keine Online-Ausgabe der Selbstbetrachtungen gefunden, obwohl das Copyright sicherlich abgelaufen sein sollte
Bei Wikipedia bekommt man aber einen guten ersten Einblick zu Aurel und seiner Philosophie.
ich denke (oder hoffe) auch, dass diese "Selbstfindung" ein Leben lang anhält. Empfinde ich auch nicht als negativ, weil ich es spannend finde, immer mehr und neue Facetten bei mir zu finden, meine eingefahrenen Pfade zu verlassen und Neues zu entdecken. Solange ich das tue (tun kann) spüre ich, dass ich lebe.
LG, Tina
Alles im Leben hat seinen Sinn
Über die Steine, die ich mir HEUTE in den Weg lege, werde ich MORGEN stolpern
Ich finde, das Wort "Selbstfindung" impliziert ein wenig, daß es da was unveränderliches gibt, was ich nur bislang nicht gefunden habe.
Ich seh das ein bissel anders. Derjenige, den ich mit 25 gefunden habe, war nicht derselbe, der ich heute bin.
Bei Aussagen zur Zufriedenheit bin ich vorsichtig, denn sowas kann sich ändern. Es gibt Ereignisse, die Menschen aus der Bahn werfen und vor allem in höherem Alter - aber nicht nur - hirnorganische Veränderungen, die einen Menschen komplett anders werden lassen können.
... ist ja auch so gesehen schon eine Beleidigung, wenn ich "schmeichelnd" meinem Gegenüber, den ich längere Zeit nicht mehr gesehen habe, etwas "Gutes" rüberbringen möchte und sage: "Mensch, Du hast Dich aber überhaupt nicht verändert ...!"
LG Fv
Ein Zuviel an Intellekt ist durchaus geeignet, die Freude am Leben zu trüben.
für mich ist ein (kurzer) stillstand kein rückschritt, sondern eher ein sich mal zeit nehmen für einen blick in die weg-karte, um mich nicht zu verlaufen.
ich will immer weiter gehen und zwar dahin, wo für mich der vermeindlich best weg ist.
das heisst, dass richtungsänderungen immer stattfinden.
ich sehe das als eine entwicklung, die sich auf die gemachten erfahrungen aufbaut.
als ich aus der therapie kam, hatte ich ein gerüst, an dem ich seitdem immer zu herumbaue. letztendlich fertig wird es nie, ich versuche jedoch ihm mehr stabilität zu geben.
und da es für mich keine absolute stabilität geben kann (sprich: der zustand je wieder alkohol zu konsumieren) ist das ziel, durch ständige arbeit einen sicheren stand zu kriegen (ist mir glaube ich mittlerweile ganz gut gelungen) und diesen auch beizubehalten und weiter zu festigen.
grüsse,
ulli
"Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du ein neues Leben kennenlernen willst, lauf einen Marathon" (Emil Zatopek)