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Saufnix  
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Dieses Thema hat 31 Antworten
und wurde 2.897 mal aufgerufen
 Deine eigene Alkoholkarriere
Seiten 1 | 2 | 3
Inessi Offline



Beiträge: 4.791

06.03.2008 07:44
#16 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Moin Michaela,

Zitat
Obwohl ich meine Geschichte schon einige Male Menschen erzählt habe, nimmt es mich doch mit. Aber diesmal nicht so sehr, dass ich mich völlig verzweifelt fühle, sondern in einem guten Sinne. Ich spüre, dass ich sie mit viel viel Verständnis für mich selbst


das kann ich nachempfinden, mir geht es da auch so.
schließlich gehört auch dieses zu meinem leben, meiner vergangenheit; und manchmal macht mich das immer noch traurig. aber wie du schon schreibst, eher im positiven sinne.

danke fürs neu sortieren und aufschreiben deiner "geschichte".

fühl dich


nina58 ( gelöscht )
Beiträge:

06.03.2008 07:58
#17 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Hallo Friedi,

du hast vollkommen recht mit deiner Meinung!

Ich habe die Psychotherapie in zeitlichen Abständen gemacht. Wird ja auch nicht nahtlos jahrzehntelang bezahlt.

Bei der zweiten Therapie (als ich schon getrunken habe) habe ich das dem Therapeuten nicht gesagt, dass ich sehr viel Alkohol trinke und ebenso sinnlos war auch die ganze Angelegenheit. Ich hatte mir damals aber eingeredet, es läge an der Therapiemethode: es war eine psychoanalytisch orientierte Therapie, der ich nicht so wohlgesonnen gegenüberstehe. Aber im Grunde genommen war es wahrscheinlich eher so, dass ich in diesem Zustand garnicht therapierbar war. Als ich dann den Therapeuten wechseln wollte und wieder zu dem Therapeuten wollte, der die erste Therapie sehr erfolgreich damals mit mir machte, fragte der mich gleich im Erstgespräch nach Suchtmitteln und da ich den nicht anlügen wollte und die Wahrheit sagte (allerdings nicht die ganze, was die Alkoholmenge betraf, da schämte ich mich doch), sagte der mir, dass er erst dann mit mir eine Therapie macht, wenn ich keine bewusstseinsverändernden Substanzen mehr zu mir nehme.

Da die Depressionen aber schlimmer wurden, fand ich dann doch einen Arzt/Therapeuten, der mir erstmals das Seroxat verschrieb, das ich (trotz des Alkohols) gut vertrug und auch die Stimmung verbesserte sich.

Was allerdings erst in der Fachklinik ans Tageslicht kam: Diese Depression hatte ihren Ursprung lediglich im Alkohol selbst! Traurig, aber wahr! (Aber noch ein Grund, nicht mehr zu Trinken!)


LG nina


*Michaela* ( gelöscht )
Beiträge:

06.03.2008 09:25
#18 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Fortsetzung 2
Meine leibliche Mutter hat mich ab dem Zeitpunkt „du-musst-Mutti-zu-mir-sagen-“ geschlagen bis zu meinem 17. Lj. Da erhob sie wieder mal den Arm und ich stellte mit kalter Wut klar: „noch einmal und ich geh in die Küche, hol das Küchenmesser und stech dich ab!“
Ja, DAS ist auch die „liebe“ Michaela. Das werfe ich mir aber nicht vor. Seitdem war Ruhe mit dem ständigen Schlagen. Was ich wegen dieser Frau blaue Flecken, Nasenbluten und Angst hatte!

Meine Mutter hatte geheiratet und die beiden meinten nun, da war ich 9 Jahre alt, Vater, Mutter, Kind spielen zu wollen. Sie meinten es gut. Sie hatten die schönsten Pläne und malten mir Deutschland und die Umgebung, in der ich wohnen würde, in den schönsten Farben aus. Ich war zwar ein freches und ein abenteuerlustiges Kind. Obwohl ich Angst hatte vor meiner Mutter, ließ ich mich leicht von der Begeisterung meiner Mutter und meines neuen Vaters, der mir seinen Namen gab, anstecken.
In meiner Erinnerung ist dieser Umzug, ein wahnsinniger Verlust, anders kann ich es nicht benennen, sehr sehr schlimm. Was hatte ich Heimweh! Was hab ich geheult, ich verstand die Welt nicht mehr. Und schön war es weiß Gott nicht in dieser tristen Vorstadtsiedlung. Und meine geliebte Johanna – auch weg.
Ich möchte hier was einschieben, was erst später kommen wird. Eine Therapeutin in Altenkirchen sagte zu uns oft: was uns angetan wurde, war schlimm. Aber wir selbst überholen uns bei weitem in dem, was wir uns schließlich als Erwachsene selbst antun. Das kann ich ohne zu zögern bestätigen. Ich habe über 20(!) Umzüge hinter mir. Und im Jahre 2006 bin ich einfach so, ohne mir groß zu überlegen, ob ich das psychisch verkrafte, von Karlsruhe nach Nürnberg gezogen. Bei aller Zuneigung zu meinem jetzigen Mann, - es war zum einen natürlich eine Flucht vor einer giftigen Beziehung, doch vor allem war es das unbewusste Wiederholen von etwas, was mir so nicht gut tat.
Beide Eltern arbeiteten in der Gastronomie. Ich musste von heut auf morgen den ganzen Tag alleine mit mir klar kommen. Zum Glück gab es im Haus eine Familie mit zwei Mädchen, eine davon in meinem Alter. Die nahmen mich sozusagen unter ihre Fittiche und ich durfte bei ihnen oft frühstücken und auch sonst aufhalten.
DAS sind Ressourcen, auf die ich zurückgreife und an denen ich mich festhalte. Da kann ich aus vollem Herzen danke sagen, auch wenn ich keinen Kontakt mehr zu ihnen habe.
Beide arbeiteten nicht nur in Kneipen, beide kamen auch spät heim und waren betrunken. Sie stritten oft und ich lag bibbernd im Bett und hörte mir das Geschrei an. Während mein Stiefvater ruhig war, war meine Mutter um so lauter. Nun war sie wohl auch oft genug tagsüber betrunken, das wusste ich als Kind nicht. Ich wunderte mich bei allem Horror und Schock aufrichtig über ihre Unberechenbarkeit, die sie völlig irr reagieren ließ. Z.B. mich mit sämtlichen Klamotten in die Badewanne zu schmeissen und mich kalt abzuduschen und zu kreischen: du kommst nie wieder nach Graz. (Meine Heimatstadt). Oder sie versteckte sich vor mir. Ein grausames Spiel, war sie doch in meiner kindlichen Vorstellung, sie sehr ich sie ablehnte und Angst vor ihr hatte, eine winzige Möglichkeit, wieder nach Graz zu kommen. Sie hasste mein Heimweh, sie hasste es, mich nachts in den Schlaf heulen zu hören, obwohl ich es so leise wie möglich tat. Sie hasste meine Unbeholfenheit in der deutschen Umgebung, meinen Dialekt - hier sagt man „Guten Tag“ und nicht „Grüß Gott“ - klatsch, hatte ich wieder eine im Gesicht. Hab mich eh schon geschämt über das Lachen der anderen Kinder. Ich wurde immer aggressiver und war fast gar nicht mehr zu Hause, trieb mich meistens draußen rum.
Im Sommer kam ich nach Deutschland, im Herbst war ich dann schon im Kinderheim. Nächster Schock. Also das Kinder- und Jugendheim müsst ihr euch tatsächlich so vorstellen, wie es früher in Kinderheimen abging. Ich habe miezegelb's Geschichte gelesen und ich vermute, dass sie das so ähnlich erlebt hat. Alle 17 Mädchen schliefen in einem großen Schlafsaal, es galt das Recht der Stärkeren. Das musste durch Prügeleien unter Beweis gestellt werden. Ich wurde leider immer verklopft, gehörte nicht zu den Starken. Dort gab es Maden im Reis, der aber gegessen werden musste, dort musste ein Mädchen vor unseren Augen ihr Erbrochenes wieder essen usw. Da hab ich zum ersten Mal angefangen, einen echten Ekel vor dem Essen zu kriegen. Es gab eine Heimschule, d.h. im Grunde war das nichts anderes als eine Sonderschule. Ich kam nämlich später in der normalen Schule erst mal nicht mehr mit. Also das Kinderheim war bekanntermaßen eines der schlechtesten in Deutschland. Hab später einen Bericht darüber gelesen.
Von dem Heim bin ich drei mal abgehauen. Ehrlich gesagt: im Nachhinein finde ich das klasse!
Meine Eltern „probierten“ es noch mal mit mir. In der Zeit erzählte ich meiner Mutter vom Missbrauch. Sie sperrte mich ein, bezichtigte mich der Lüge. Da erwog ich tatsächlich, aus dem Fenster zu springen. Weniger, weil sie mir nicht glaubte, sondern weil ich eingesperrt war. Kurzfassung der drei Monate: Mutter ging in Kur, Stiefvater trank und befummelte besoffen meinen sprossenden Busen, ich sowieso bockig und aufsässig, ging zur Nachbarin und nicht mehr in die Wohnung, haute wieder ab, Mutter kam zurück, beide schleiften mich tretend und schlagend durchs Treppenhaus in ihre Wohnung – ich sprach nichts mehr mit ihnen und trat in den Hungerstreik. Da war ich 11 ¾.
Dann kam ich nach Marburg in ein Kinderheim. Es war ein gutes Kinderheim, viel moderner und nachdem ich alle in meinem Alter verklopft hatte um klar zustellen, wer der Boss ist, wurde ich doch relativ friedlich.
Bald kam ich wieder in Berührung mit Alkohol. Ich erinnere mich sehr gut an unsere Partys. Wir waren ein paar Jugendliche und haben uns regelmäßig Alkohol und Zigaretten besorgt. Für die Raucher: damals kostete ein Päckchen mit 10 Zigaretten in so einer labberigen Staniolverpackung 1 DM. Ich rauchte – weißt gar nicht mehr wie das geschrieben wird: Steuvesant (?). Übrigens hatte ich große Mühe mir das Rauchen anzugewöhnen. Da kam ab und zu so ein Knirps mit 9 Jahren, der bettelte mir immer Zigaretten ab und ich, mit meinen 12, 13, 14 Jahren machte mir Sorgen über dieses Kind, das schon abhängig war. (!) Ich möchte ihn so, diese zarte Gestalt und im Gesicht sah er aus wie ein Engel.
Wir feierten nicht jeden Tag, aber an den Wochenenden bzw. wann immer sich eine Gelegenheit ergab. Sehr früh fing ich dann an, so mit 16, 17 Alkohol alleine zu kaufen und alleine für mich zu trinken. Es war wie eine Erlösung für mich. Vor allem konnte ich mit Alkohol meine traurigen Gefühle zulassen und brauchte für die paar Stunden nicht mehr zu kämpfen.
Jetzt muss ich aufhören und räumen gehen, ich bin echt traurig.
Aber: es ist vorbei!
Fortsetzung folgt


Ruby Offline



Beiträge: 2.697

06.03.2008 10:42
#19 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

hallo michaela
danke für deine Geschichte, die mich sehr berührt.
Sei einfach mal stolz auf dich, wie weit du schon gekommen bist.
Gruß Ruby

es sind die kleinen Dinge im Leben...


*Michaela* ( gelöscht )
Beiträge:

06.03.2008 15:52
#20 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Fortsetzung Teil 3

Im Moment ist mir die Ausräumarbeit bleischwer....

Dass mich die damalige Heimleitung nicht in ein anderes Heim verlegt hat, dafür bin ich auch sehr dankbar. Ich hatte starke Wutanfälle, denen ich selbst hilflos ausgeliefert war. Ich sah buchstäblich rot – das habe ich heute noch manchmal in angetrunkenem Zustand bzw. in der ersten Zeit des Trockenwerdens gehabt.
Nun, ob Wutanfälle oder nicht – das letzte Mal rastete ich am 10. Januar wegen meiner Mutter aus; ich darf trocken bleiben, wenn ich es will.
Ich denke schon, dass das dortmals schon Auswirkungen vom Alkohol waren.
Auf der einen Seite frech, wütend, aufmüpfig, zornig, angeberisch mit Geschichten, die erfunden waren, auf der anderen Seite bedrückt, niedergeschlagen, total verklemmt wegen meines nun fraulichen Körpers, ich wurde in der Pubertät sogar moppelig,- beschäftigte ich mich schon früh mit dem „Sinn des Lebens“. Ich suchte und suchte und suchte etwas und interessierte mich für Philosophie, Religion – selbstverständlich anti- nach dem Motto: Hauptsache dagegen! - und Politik. So kam es, dass die Studenten und Studentinnen, die vor unserer Schule den „Roten Morgen“ verkauften, schnell mit mir ins Gespräch kamen.
Bald wollte ich nun mit der Waffe in der Hand für die Diktatur des Proletariats kämpfen.
Es wurde viel diskutiert, geplant, um die „richtige Linie“ gestritten - und wo fanden die Diskussionen statt? Na, im Wirtshaus. Einige der KPD/MLer waren im Grunde genommen Wirtshausrevolutionäre. Ich trank dort auch mit, aber meine hauptsächliche Passion war, abends alleine zu trinken. Da konnte ich dann außerdem Rockmusik hören und alles das zusammenphantasieren, was so gar nicht zur proletarischen Moral passte. Die Sauforgien beschränkten sich auf Freitag und Samstag, denn ich wollte so bald als möglich aus dem Kinderheim raus und dann NIEMAND davon erzählen, dass ich jemals da war. Ich log auch ziemlich viel – schon in Graz. Ich war nie bei einer Pflegefamilie, ich war auch nie im Heim. Ich erzählte immer von einer bunten, schönen, großen, liebevollen und märchenhaften Familie mit Mama und Pappa und vielen Kindern und einem großen Haus, mit Schwimmbad und ach – was weiß ich.
Das macht mich grad wieder sehr traurig.
Es ist vorbei. Ich weiß.


*Michaela* ( gelöscht )
Beiträge:

06.03.2008 21:01
#21 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Nachdem ich meine Lehre abgeschlossen hatte als Fernmeldeinstallateurin (für mich kam SELBSTVERSTÄNDLICH NUR EIN MÄNNERBERUF IN FRAGE) konnte ich endlich aus dem Heim ausziehen. Ich wollte soweit wie möglich weg und zog nach Karlsruhe – angezogen von einem Paar, das sich nun auch wieder innerhalb der KPD/ML störrisch zeigte. Wie erwähnt, gefiel mir das „gegen-den-Strom-schwimmen“ an sich. Als Fernmeldeinstallateurin bekam ich keinen Job, daher bemühte ich mich um eine andere Ausbildung und begann nach zwei Jahren jobben die Ausbildung zur MTR. Ich wohnte in einem Zimmer zur Untermiete und meine Vermieter hatten eine Getränkehandlung. Was ich da an Alkohol gestohlen habe!
Ich war sehr robust und vertrug einiges. Manche Menschen sprachen mich zwar auf meine Fahne an, aber ich schaffte immer so die Kurve zu kriegen ohne auffällig zu werden. Meine Ausbildung interessierte mich, machte mir bald Spaß und mir war daran gelegen, das Staatsexamen zu bestehen.
Außerdem fand ich an meinem massiven Alkoholkonsum nichts seltsames. Ich hatte absolut kein Gefühl dafür, dass etwas nicht stimmen könnte. Vor der Ausbildung zur MTR hatte ich keine Lust mehr in dieser Partei mitzumachen. Hauptsächlich deshalb, weil mir der menschliche Umgang darin miteinander immer kruser vorkam. Ich bin ja selbst nicht wirklich aus politischen Motiven zu ihnen gestoßen, mochte ich mir selbst das auch noch so vormachen. Diese Erkenntnis kam aber erst viel später.
Als ich das Staatsexamen in der Tasche und sogar eine Anstellung in einem roßen Krankenhaus hatte, gings richtig rund. Schon während der Ausbildung wurde aus meinen immer mal wiederkehrenden Crash-Diäten zunächst eine Magersucht und anschließend wurde daraus die anorektische Bulimie. Das war heftig, denn nun trank ich nicht nur Alkohol, klaute psychotrope Medikamente samt Utensilien, um mir das Zeug zu spritzen, sondern ich kotzte mir die Seele aus dem Leib und nahm Drogen, wo ich sie kriegen konnte. Da ich im Grunde ein totaler Angstschisser bin, hab ich mich nicht getraut, zu klauen und andere Dinge zu treiben, die Drogenabhängige so drauf haben in ihrer Not. Bald hatte ich hohe Schulden.

Natürlich wurde ich auffällig und schließlich legte mir eine eigentlich eher entferntere Bekannte meiner WG nahe, doch Hilfe zu suchen. Ich erkannte deutlich, dass ich ein Problem mit dem Essen hatte, doch fand ich es klasse immer dünner zu werden; scheiße war, dass ich kotzen und hungern musste, aber naja. Ich kam nicht nicht nicht! auf die Idee, dass ich mit Alkohol und Medikamenten auch ein Problem hatte, obwohl ich Unfälle hatte, auch mal zu spät zum Dienst kam, obwohl ich mich z.B. betrunken schwer verbrühte oder meine Mitbewohner nachts das Licht und die laute Musik ausmachen mussten, weil ich „schlief“ bei dem Krach oder nächtelang unterwegs war und mit Restalkohol zur Arbeit bin usw. usf.

Nebenbei war ich insgesamt willig und zuverlässig bei der Arbeit, hauptsächlich wohl, um das viele Geld, das ich für meine Sucht brauchte, ranzuschaffen, war trotzdem an vielem interessiert, ich suchte und suchte und suchte immer noch, habe auch viel gefunden, aber vieles tat ich im Grunde auch mit der Intention: wollen wir mal die Kuh fliegen lassen.

Der Rest meines Lebens ist im Grunde schnell zusammengefasst. Es folgten weitere 30 Jahre Sucht mit allem, was eine Suchtkarriere ausmacht und die sich alle ähneln.

So bekam ich zwar stationäre Aufenthalte genehmigt, sogar recht früh. Zunächst die pschychosom. Aber ich wusste überhaupt nicht, was die von mir wollten. Die sollten mir meine Symptome nehmen, mich gesund machen und fertig und dann? Ja, was dann? Dann hab ich weiter gesoffen und bald wieder aufgegeben. Im Nachhinein kann ich zusammenfassend sagen, dass ich das Leben trocken nicht gemeistert habe und das, was mir die Therapeuten versuchten nahe zu bringen, konnte oder wollte ich nicht kapieren. Die Sahnehaube (denn das waren keine „Häubchen“) waren meine chaotischen und schlimmen Beziehungen. Ich suchte mir totsicher Süchtige, Durchgeknallte und schwierige Menschen aus, die mich manchmal noch nicht mal bemerkten, die, haha! ICH aber wie die Stecknadel im Heuhaufen fand und in die ich mich schrecklich „verliebte“, verstrickte, Dramen lebte, an sie dran hängte und mich anklammerte mit dem festen Glauben, dass die Liebe alles übersteht - und plötzlich landete ich über kurz oder lang wieder an der Flasche. Schließlich war es dann soweit hier in Nürnberg, dass ich so tief im Schlamassel steckte nach einer Flucht vor einer furchtbaren Beziehung - ich hang an dem Mann und ich wusste keinen Ausweg mehr, als meine Heimat aufzugeben (Karlsruhe), dass ich auf Entgiftung musste. Denn ich fühlte mich so fremd und elend hier in Nürnberg und alles hatte ich aufgegeben und zurückgelassen. Das gleiche Trauma wie damals als ich 9 Jahre alt war. Ich trank wie ein Fass ohne Boden. Na, wie überraschend aber auch!!!!
Ich habe immer „die Liebe geglaubt“ Bis zum Schluss-
so wenig ich begriffen habe, dass die Sucht mich umbringt und dass ich überhaupt gar nichts lerne wenn ich mich zumache und damit vor mir selbst weglaufe, egal wie und mit was, so sehr hab ich alle Warnungen einschließlich meiner Therapeutin in Altenkirchen in den Wind geschlagen, meinen Ex ganz klar zurück zu weisen und mich von ihm fern zu halten. Dabei haben wir noch besprochen, was mich am schnellsten an die Flasche zurück bringt. Ich sagte: wenn mein Ex anruft.
In der Essenz hab ich in den Therapien zwar nicht nichts kapiert, aber eben nicht das Wesentliche erreicht für mich:
mich nämlich in ALLEN Aspekten für ein trockenes Leben zu entscheiden.
Ich glaub, wenn man wie ich mehrere Möglichkeiten hat, sich zu zuknallen, dann geht’s entweder schneller oder langsamer, bis der Bodensatz erreicht ist.

Ich konnte über die Jahre jedenfalls schön hopsen. Erst in Altenkirchen wurde das alles im Zusammenhang therapiert.
Mit welcher Einstellung ich nach Altenkirchen bin, das ist hier im Forum nachzulesen. Mit Angst ja, aber am Ende widerstrebend und eben so wie es in meinem Beitrag vom 6.11.2006 rüber kommt.
Kurz vor meiner Fahrt nach Altenkirchen zettelte ich noch eine heftige Diskussion um die AA an – frag mich heute, was das sollte oder ob ich einfach mal bissl was im Forum aufmischen wollte? Spieler meinte noch, du musst dir jetzt aber nicht mit Gewalt einen Grund zum Saufen basteln oder so ähnlich. Friedi meinte: du bist doch schon wieder abgereist, gell? Und andere, die merkten, irgendwie kämpft sie an Nebenschauplätzen. Da bin ich übrigens spitze drin.
Ich hab mich bemüht in Altenkirchen und kam auch relativ wohlgemut wieder. Dann rief mein Ex an, ca. eineinhalb Wochen nachdem ich wieder da war - was ich im Forum in einem Nebensatz erwähnte. Und zack – da hatte ich meinen Kick. Friedhelm warnte mich: jetzt nicht abheben! Ich war bereits abgehoben und bald wieder mit einem Bauchplatscher im Sumpf gelandet. Der Kontakt mit meinem Ex endete in einer Katastrophe und wohl nicht zuletzt aus lauter Selbstverurteilung und Verzweiflung wie das nun wieder geendet ist schließlich im Suff. Nebenbei bemühte ich mich wochenlang eine „normale“ Maske zu tragen bzw. nach außen hin eine sog. „Normalität“ zu schauspielern. Ging weiter in die Nachsorge, die Therapeutin war gescheit betrübt, das hab ich trotz ihrer um Ruhe bemühten Fassade gemerkt. In Wirklichkeit brannte nämlich das Haus. Am Schluss lag ich oft total besoffen und bewusstlos im Bett und ich wusste nicht mehr: hab ich die Katzen jetzt gefüttert und was hab ich gesagt und hab hier Szenen gemacht und und und... es war so schrecklich. Mein Arzt sagte, nachdem ich ihm sagte: ich geh in keine Klinik mehr! Dann probieren wir es noch mal ambulant, zwei Wochen gebe ich Ihnen und dann gehen Sie doch in eine Klinik. - entweder, sie machen jetzt einen ambulanten Entzug oder ich weise Sie ein. Tja, und dann bin ich zu AA..., die ich ja schon gut kenne...

Ich merke selbst, dass ich noch einen weiten Weg vor mir habe (bis ich zufrieden mit mir bin). Ich kenne mich ja gar nicht wirklich. Ich merke nur, wieviel Angst ich in Wirklichkeit habe – vor Dingen, die ich gar nicht mit meinem klugen Köpfchen nachvollziehen kann. So kindisch sich das anhört: ich habe immer noch eine panische Angst vorm Zunehmen. Und ich nehme zu, wenn ich normal esse!
Mit dem normalen Essen komme ich trocken schwer klar. Als ich trank, brauchte ich fast nix. Praktisch, aber auch nicht die Lösung, gell. Nein, will keine Witze machen, das ist nur meine Hilflosigkeit.
Da ist jedenfalls noch eine große Baustelle, die mir richtig richtig Sorgen macht. Ich fühle mich so machtlos gegen diesen Speck (ob eingebildet oder echt). Es hört sich kindisch an...für mich ist es ernst.

Zum realen Ex zieht mich absolut nichts mehr. Mittlerweile hab ich unterscheiden gelernt zwischen dem inneren Ex und dem realen Ex. Da liegen Welten dazwischen.
:-).

So, das war meine Geschichte und jetzt bin ich platt und erleichtert.


Callysta Offline




Beiträge: 8.240

06.03.2008 21:11
#22 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Ich bin auch platt - und Du hast meinen Respekt! Mehr schreib ich jetzt erstmal nicht - ich muss das erstmal verdauen

Wenn die Musik beginnt, dann dreht sich der Tanzbär...


Greenery Offline




Beiträge: 5.854

06.03.2008 21:19
#23 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von *Michaela*
So, das war meine Geschichte und jetzt bin ich platt und erleichtert.



Gut

It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.
J. Krishnamurti


Miss_Rossi Offline




Beiträge: 3.901

06.03.2008 21:28
#24 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Gudrun,

danke für deine Geschichte und danke für deine Ehrlichkeit.
Am meisten kannst du allerdings dir danken, für deine Ehrlichkeit an dich!


Missi.

PS. Ich bin grad am Heulen, weil ich merke, wie unehrlich ich zu mir bin ...


relaunch ( gelöscht )
Beiträge:

06.03.2008 21:53
#25 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von Miss_Rossi
Gudrun,

danke für deine Geschichte und danke für deine Ehrlichkeit.
Am meisten kannst du allerdings dir danken, für deine Ehrlichkeit an dich!

Missi.

PS. Ich bin grad am Heulen, weil ich merke, wie unehrlich ich zu mir bin ...



Hmmm. Liebe Rossimaus. Ich schreib dir hier nur, weil mir an dir liegt und nur deshalb.

Ich glaube nicht, dass du unehrlich, respektive ich weiß, dass du ehrlich zu dir selbst bist. Du bist sehr ehrlich zu dir selbst und das macht dir zu schaffen. Du erkennst, wie wenig deine Ehrlichkeit mit dir selbst und deiner dich umgebenden Welt in Einklang zu bringen ist.

Deine Ehrlichkeit kennt außergewöhnliche Werte. Sie ist verletzbar. Sie ist antastbar und sie verlangt Wiedergutmachung. Deine Seele, deine wahre Gestalt, dein Innerstes kennen diese Werte.

Kein Mensch kann sie schützen.

M.


paula Offline



Beiträge: 2.202

06.03.2008 22:00
#26 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Danke für's Erzählen, Michaela
und meinen Respekt für Deinen Mut, das zu tun.

Ich wünsche Dir ganz viel positive Energie für Deinen weiteren Weg.

Alles Liebe
Paula

"Lass' Dir aus dem Wasser helfen oder Du wirst ertrinken",
sprach der freundliche Affe und setzte den Fisch sicher auf einen Baum.

Japanisches Sprichwort


isahn Offline



Beiträge: 141

06.03.2008 22:25
#27 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

mir fehlen die worte.
am leibst würde ich dich jetzt innig umarmen, dem verletzen kind in dir das kopferl streichen und dich ein bisschen halten.


michaela, ich wünsch dir von ganzem herzen, dass du das verarbeiten kannst und erfahren kannst, dass das leben auch schöne seiten hat.


alles alles liebe

Alles, was uns an anderen missfällt, kann uns zu besserer Selbsterkenntnis führen.
Carl Gustav Jung


*Michaela* ( gelöscht )
Beiträge:

07.03.2008 15:00
#28 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Hallo, liebe isahn
danke für deine Worte.

Hoffentlich kam die Geschichte nicht lediglich so rüber, dass ich ein armes Hascherl war. War ich sicher auch.

Ich wollte den "Geschmack", unter dem ich anfing, mich mit Alkohol wohlzufühlen, schildern. 'Jedes Suchtverhalten entsteht aus emotionaler Not' wurde uns in Altenkirchen gesagt - also für mich kann ich das schon so sehen.
Natürlich, ich hab auch viele viele schöne Seiten des Lebens kennen gelernt und erlebt.
Nur - ich hatte genauso viele Chancen, trocken zu werden und zu bleiben, wie jede andere Süchtige auch. Ob da nun zuerst die Henne oder das Ei war, das ist dann letztendlich egal.
Mir gehts jetzt drum, und das hab ich beim Schreiben deutlich gespürt:
ich kann, ich will, ich muss es tun und vor allem ICH DARF trocken bleiben und auch mit dem Essen den Genesungsweg gehen. Schlicht und ergreifend weil ich noch MEHR Leben will. Nüchtern, und das Leben zu seinen Bedingungen, mit den guten und den weniger guten Seiten.
Außerdem hab ich mittlerweile das starke Bedürfnis nicht mehr abzuhauen. Es fehlen mir noch die Worte, warum.


genaro Offline




Beiträge: 5.488

07.03.2008 15:30
#29 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Hi Michaela,

So wie ich Dich jetzt lese und auch in N erlebt habe, habe ich das Gefühl, daß diese zarte Frau, DU, vor Energie nur so strotzt.

"Nur was aus der persönlichen Geschichte rekapituliert ist,
kann verabschiedet werden und hat keine "Macht" mehr über mein heutiges Leben"?
frei nach CC und T. Abelar, gell?

Danke Dir fürs Aufschreiben und Einstellen,
und überhaupt freue ich mich grad, dass ich jetzt auch schon einige Gesichter zu den Beiträgen hier kenne.

Wünsch Dir was,

LG Günter

Du wirst Dich wundern was man alles kann, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht. Juan Matus


nina58 ( gelöscht )
Beiträge:

07.03.2008 21:07
#30 RE: Das Wasser stand mir bis zum Hals.... Zitat · Antworten

Hallo Michaela,

mich hats auch sehr "mitgenommen", das zu lesen, was du durchgemacht hast in deinem Leben.

Vieles davon kenn ich ja auch von mir. Mir imponiert sehr, wie mutig du dich durchsetzen konntest, das konnte ich nicht.

Mein Therapeut hat mir einmal gesagt: "Wenn Sie nicht so früh schon festgestellt hätten, wie alleine Sie sind, währen Sie nicht diese starke Frau geworden, die Sie heute sind".

Das denke ich mir jetzt auch im Zusammenhang mit dir und mit deiner Lebensgeschichte.

Ich hab dich sehr gern..


LG nina

[ Editiert von nina58 am 07.03.08 21:08 ]


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