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Saufnix  
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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 1.068 mal aufgerufen
 Selbsthilfe und Gruppengespräche
Rocaille ( gelöscht )
Beiträge:

03.10.2008 17:11
RE: Hauptsache ein Ziel Zitat · Antworten

edit vorneweg: ich hatte ein längeres Pamphlet verfasst, dass nun weg ist und intensiver das gemeinsame Ziel der Selbsthilfegruppen hervorhob. Hauptsache nüchtern. Und ganz interessant fand ich gestern abend einen Gruppenteilnehmer der mit diesem 'ersten Glas', das man 'stehen lässt', bereits die Situation meint, die er meidet, bevor er an das erste Glas denken muß. Eine ganz kluge Idee, wie ich finde. Und so sanft gegen sich selbst und so rücksichtsvoll..so, schon wieder hat er mich rausgeworfen, dieser blödsinnige Kasten...

Da sich laut Bericht meiner stationären 'Entgiftung' ein ausgeprägtes psychovegetatives Entzugssyndrom nach der Detoxikation nicht zeigte habe ich auch keine Medis benötigt. Ich nahm an einem 'qualifizierten Entzugsprogramm' teil, das Sport mit einem ausgesprochen attraktiven Pysiotherapeuten, einem Polen namens Milan, implizierte; er erzählte uns mehrfach, wir (meine Zimmergenossin und ich) seien wohl die sportlichsten Patientinnen, die er jemals von der 46 gehabt hätte, und so spielten wir da zu dritt Badminton und fühlten uns wie im Urlaub.

Bei der Musiktherapie erkannte ich lächelnd und mit zunehmendem Spaß, dass ich sämtliche männliche Mittrommler (wir trommelten nahezu immer..) in Grund und Boden trommelte und der Therapeut schlußendlich anerkennend murmelte: schon wieder haben sie einen Mann eingeschüchtert. Was war ich erleichtert, als meine Zimmergenossin auch dieses Programm bekam und wir nun gemeinsam Frauenpower zeigten. Seltsam. Ich könnte jetzt ganz lang meine Philosophien schweifen lassen, aber eigentlich wollte ich ja Selbsthilfegruppe außerstationär beleuchten.

Ich gehe also wieder zum Kreuzbund. Dort wurde ich nach über einem Jahr des Fehlens aufgenommen, als sei ich erst gestern letztmals anwesend gewesen und auch meine Begleitung wurde herzlich begrüßt.

Zusätzlich besuche ich nun regelmäßig die AA in HD. Diese Gruppe erstaunt mich immer wieder aufs Neue. Ich liebe die AAs grundsätzlich. Nicht wegen ihrer Spiritualiät, manchmal schon, aber in der Hauptsache für ihre Struktur. Dass man sich meldet, bevor man Wort erhält und dass der Sprechende nicht unterbrochen wird finde ich ausgezeichnet. So wagt sich bald nur noch der zu sprechen, der tatsächlich etwas zu sagen hat und der sich im Monolog ertragen kann.

Das Zuhören schult die Wahrnehmung, nicht nur des Ohrs, sondern des eigenen Selbst, das aufnimmt, was es hört und erinnerungswürdig erachtet, was es verträgt und merkt.

Besonders eindringlich blieb mir gestern abend eine kleine zarte Frau in meinem Alter, na sie war mittelgroß, wirkte aber so ungeschminkt und müde sehr zerbrechlich.

Sie erzählte von sich und wie sie früher nur an Alkohol dachte und seine Beschaffung. So schlimm wars bei mir nie. Aber sie erzählte, dass sie nichts zu verlieren glaubte, wenn sie trinkt und dass sie weiß, worauf sie sich einläßt. Das kenne ich auch.

Ich liebe mich und mein Leben, aber ich achte es nicht so hoch, dass ich es um jeden Preis behalten wollte. Ich will leben, so wie ich fühle und ich fühle intensiv und tief.

Lieber intensiv und tief und kurz aber dafür suchend und wissend, das es kein wirkliches Finden gibt, als mittelmäßig sich zu bescheiden auf dem halben Weg zu sich selbst sich einzuschränken und zu bedauern, dass ein Leben nicht reicht um zu erfahren, was es in sich birgt.

Ich versuche mein kleines Leben zu leben. Ich habe den gräßlichen Telefonjob hingeworfen, da ich zuviele Skrupel habe, anderen auf den Wecker zu gehen, ihnen etwas aufzuschwatzen, was selbst ich im Traum niemals bräuchte...

Mein Leben ist spannend und ich liebe es und dennoch lebe ich auch davon, mich mitzuteilen, weil ich meine, etwas geben zu können dadurch.

Jetzt gehe ich regelmäßig montags zum Kreuzbund und Donnerstags zu den AA nach Heidelberg. Ich freue mich darauf und fühle mich dort sehr geschützt, geborgen und heimisch.

Und ich freue mich auf viele Kontakte zu Frauen und Männern, zu Menschen, die über den Alkohol stolperten auf ihrem Weg. Und der ihnen nun in Gedenken eine wichtige Stütze auf dem Weg zur Selbstfindung ist, indem sie sich erinnern, was wichtig ist und was sehr lässlich.

Rocaille
Verbindung zwischen zwei Stilelementen

Noch eben bemerkt: es liegt mir doch irgendwie daran, dass wenn ich meine Spitzen gebe, diese auch begriffen werden. Schließlich will ich keine ernstgemeinten mitfühlenden Hinweise und Hilfestellungen im Hinblick auf meine vermeintlichen Neurosen. Ich spreche hier von Sportlehrern und anderen trockentechnisch unerheblichen Fakten; deren Erwähnung nur mein Unverständnis hinsichtlich blödsinniger nutzloser aber kostenintensiver Progammpunkte in Psychokliniken aufzeigen soll. Lieber sollte derjenige, der die Allgemeingelder verwaltet, Resourcen in die Prävention stecken, als in nutzlose Heilungsversuche. Die gerade in der geschlossenen Abteilung meiner Klinik geradezu wöchentlich aufschlagen und den Steuerzahler immens zur Kasse bitten.

[ Editiert von Rocaille am 03.10.08 17:22 ]


Rocaille ( gelöscht )
Beiträge:

03.10.2008 19:30
#2 RE: Hauptsache ein Ziel Zitat · Antworten

Daher mir keiner antwortet, oder sich sonst zu Wort meldet tue ich das neuerdings.

Diesbezüglich muß ich lächeln, denn ein Mensch in der Selbsthilfegruppe gestern konnte ja so gar nicht mehr an sich halten in seinem Redefluss und das hat mich doch sehr an mich erinnert und meinen Rededrang. Und ich fand es erstmal unangenehm, dann bezog ich es auf seine Drogen, von denen er uns im Vorfeld erzählte. Uns später fand ich das, wovon er so im Überschwang berichtete gar nicht mehr so verkehrt und konnte es gerne annehmen, da er sich selbst annimmt und verzeiht, wie mir scheint.

Selbsthilfegruppen und deren Gespräche und Austausch sind von unschätzbarem Wert, wenn man sie an sich heranlässt; sich selbst und seine Situation und sein Leben nicht überbewertet, sondern gleich betrachtet unter den vielen.

Ich wußte das längst, habe mich aber aus Angst davor gedrückt und mir die Menschen gesucht, die ebenso ängstlich waren, wie ich in dem Moment. Die konnten mich natürlich bestätigen.

Jetzt bin ich neuerdings am Anfang und bin froh. Noch lebe ich und habe eine Chance. (Dem Leben immer noch nicht so sehr anhaftend)


Elke2311 Offline



Beiträge: 389

04.10.2008 12:24
#3 RE: Hauptsache ein Ziel Zitat · Antworten

Hallo Rocaille,
auch ich finde Selbsthilfegruppen sehr wichtig. Ich leite seit über 10 J. eine Kreuzbundgruppe und denke das der regelmäßige Austausch von Erfahrung wichtig ist. Neue in der Gruppe erinnern mich immer wieder daran wie nah ich am Abgrund stand. So gehen ich nun schon seit mehr als 17 J. jede Woche zur Gruppe und werde es auch weiter machen.
Geh deinen Weg konsequent weiter,
Elke


paula Offline



Beiträge: 2.202

04.10.2008 13:08
#4 RE: Hauptsache ein Ziel Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von Rocaille

Und ganz interessant fand ich gestern abend einen Gruppenteilnehmer der mit diesem 'ersten Glas', das man 'stehen lässt', bereits die Situation meint, die er meidet, bevor er an das erste Glas denken muß. Eine ganz kluge Idee, wie ich finde. Und so sanft gegen sich selbst und so rücksichtsvoll..(



Moin Marianne,

über diesen Einwurf habe ich mal nachgedacht ...

Mich stört der Begriff "Vermeiden" -

ich habe bei meinem ersten Trockenlauf mit Sicherheit Situationen (und Gedanken!) vermieden,
die mir gefährlich erschienen -
unterstützt durch eine Gruppe, wo solches Verhalten Konsens war und nix anderes zuließ.

Kein Wunder also, dass ich nie Saufdruck hatte -
und der Gedanke, "das erste Glas stehen zu lassen",
kam mir deswegen damals überhaupt nicht; war nicht notwendig.

Heute ist es bei mir ganz anders -

ich gehe unbequemen oder "gefährlichen" Situationen -und vor allem Gedanken- nicht aus dem Weg ...
was dazu führt, dass ich mich häufiger mit meinem Suchtgedächtnis auseinandersetzen muss,
wobei ich aber immer gewinne ...
und dann kann ich aus voller Überzeugung und ehrlicher/freier Entscheidung sagen:

Heute trinke ich nicht!

Damit komme ich sehr gut klar.
Ich merke zunehmend, wie mich diese durchstandenen/ausgehaltenen Situationen stärken und stabilisieren.

Dass Du jetzt regelmäßig in Gruppen gehst, finde ich übrigens sehr gut

Grüßle
Paula

[ Editiert von paula am 04.10.08 15:37 ]

"Lass' Dir aus dem Wasser helfen oder Du wirst ertrinken",
sprach der freundliche Affe und setzte den Fisch sicher auf einen Baum.

Japanisches Sprichwort


Viktoria Tapp ( gelöscht )
Beiträge:

04.10.2008 14:33
#5 RE: Hauptsache ein Ziel Zitat · Antworten

Ich bin`s.

Selbsthilfegruppen sind tatsächlich das A&O in Deiner jetzigen Situation. Die Gespräche da sind unendlich hilfreich- weil alle im gleichen Boot.

Ich selbst bin Kreuzbundmitglied, hier am Niederrhein und kenne Saufnix zufällig von einem Kreuzbundleiter in Stuttgart.

Der Vorteil an solcher Gruppe ist: Irgend jemanden wird man immer telefonisch erreichen können. Die Hilfsbereitschaft ist unsagbar hoch.

Das finde ich xmal besser als ein Forum.

Ich war früher zu hochnäsig, als daß ich mir vorstellen konnte, je in eine Gruppe zu gehen.

Heute: Es gibt nichts besseres, wenn man wirklich Hilfe benötigt.Übrigens: Dort habe ich meinen Ehemann kennen gelernt.

Vielleicht schaust Du einfach auf mein HP.
dort findest Du noch x- Tipps.

Ich sitze heute am PC, weil ich meine Lesung für Samstag, Kreuzbund Essen,vorbereite.

Es heißt auch nicht unbedingt, daß es nur den Kreuzbund gibt.
Alle anderen z. B. Freundeskreis für Suchtkranke, Guttempler,Blaues Kreuz der ev. Kirche,blaues Kreuz eigenständig, sind ebenfalls super.

Wichtig ist: Mach es!
Viktoria Tapp

adm. Anm.: Dieses Forum ist nicht dazu gedacht, in jedem Beitrag die URL einer eigenen HP zu promoten. Zur Promotion von eigenen HPs bitte: forum.php?forum=10127

[ Editiert von Administrator nuela am 04.10.08 14:53 ]


Ralfi Offline



Beiträge: 3.531

04.10.2008 23:16
#6 RE: Hauptsache ein Ziel Zitat · Antworten

Hi Marianne,

in deinen Beiträgen fällt mir deine Angst vor der Mittelmäßigkeit auf. Ich wünsche dir Mut zur Mittelmäßigkeit.

Gruß Ralf

Zufriedenheit hängt nicht davon ab, wer du bist oder was du hast;
es hängt nur davon ab, was du denkst.


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