Heute hatten wir ein sehr interessantes Thema, nämlich die Ambivalenz. Jeder, der sich längere Zeit mit Süchtigen beschäftigt hat begegnet ambivalenten Personen und Verhalten.
Jeder Mensch ist zu bestimmten Zeiten ambivalent. Wir merken das beispielsweise, wenn sich hier jeman d so äußert: Ich würde alles tun, um mit dem trinken aufzuhören. Ich werd's jetzt erst mal allein versuchen. Eine Gruppe brauche ich nicht. Oder: Therapie? lt. Statistik werden nach einer Therapie 60% rückfällig
Wie gesagt, jeder ist zu einem Bestimmten Zeitpunkt ambivalent. Der Begriff leitet sich aus den wörtern "ambi"= beide, doppelt und "valere" = stark sein ab.
Wenn man von ambivalenz spricht, dann sind damit Gedanken, gefühle, Empfindungen oder Verhaltensweisen gemeint, die einander widersprechen, aber gleichzeitig vorhanden sind
"Zwei Seelen wohnen, ach in meiner Brust", klagt Faust
Ambivalenz ist ein Begleiter in allen wichtigen Lebensentscheidungen und damit auch eine häufige Begleiterscheinung psychischer Probleme und Störungen
Im zusammenhang mit süchtigem Verhalten ist Ambivalenz ein sehr zentrales Phänomen. Die Ursachen der Ambivalenz bei Menschen mit einer Suchtproblematik liegt in einem sog.
Annäherungs-Vermeidungs-Konflikt
der besagt, dass der Suchtmittelkonsument sich in einem Gefangensein oder einem Hin- und Hergerissensein zwischen den angenehmen und den unangenehmen Folgen des Konsums, zwischen weitermachen und aufhören befindet
Das Problem ist also meist, dass uns eine Entscheidung anfangs schwer fällt oder in seine Gänze auch überfordert. Veränderungen sind für süchtige Menschen anfangs auch schwerer zu verarbeiten oder ziehen größere innere Konflikte mit sich
Das ist jetzt nur mal ein kleiner Anstoß. Man kann sich zu dem Thema auch noch weiter Informieren
siehe auch: Das Rad der Veränderung nach Pochaska oder Stadien der Veränderung nach Prochaska
für dein angesprochenes thema ambivalenz, bin ich wahrscheinlich ein beispiel. ich habe immer das gefühl, zwei seelen in mir zu haben. ähnlich wie bei dr. j. und mr. hyde.
mein enormer wille, mit dem trinken aufzuhören!....stunden später eine ganz andere einstellung!
als ich damals bei mir die diagnose borderline erfahren hatte, war mir, als hätte man mir den boden unter den füßen weggezogen! ICH DOCH NICHT! so ging meine saufkarriere erst richtig los. denn jetzt hatte ich ja einen weiteren grund.
die ambivalenz ist aber kein grund, es nicht auch schaffen zu können. ich hoffe, es gelingt mir auch.
lg, Bea
[color=black][color=white]Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite,als du sie bisher sahst; denn das heißt ein neues Leben beginnen. (Marc Aurel)[/color][/color]
für dein angesprochenes thema ambivalenz, bin ich wahrscheinlich ein beispiel. ich habe immer das gefühl, zwei seelen in mir zu haben. ähnlich wie bei dr. j. und mr. hyde.
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die ambivalenz ist aber kein grund, es nicht auch schaffen zu können. ich hoffe, es gelingt mir auch.
lg, Bea
Hallo Bea,
nein es kein grund es nicht zu schaffen, aber es ist oft die Ursache. Ich find das übrigens sehr mutig von dir, dass du selbst so offen darüber sprichst, obwohl du betroffen bist.
Ich hab das hier mal herein geschrieben, weil das für einen Außenstehenden oft sehr schwierig zu verpacken ist, aber es ist gerade in dem Kontakt mit Süchtigen etwas völlig normales. Ich kann vollkommen nachvollziehen, dass es beispielsweise für den Co völlig entnervend, anstrengend und auch aggressionsgeladen ist, wenn er seinen Partner zu einem Umdenken bewegen möchte und dann immer wieder gegen so was schwammiges...nicht greifbares rennt.
Auf der anderen Seite weiß ich eher, was ich einem noch nassem Alkoholiker raten kann, wenn ich abschätzen kann, an welchem Stadium in seiner Entscheidungsfindung er noch ist
Jedem fällt eine Entscheidung in irgendeiner Art schwer(mehr oder weniger). Jede Entscheidung hat ja auch Folgen und zieht eine Veränderung nach sich. (Höre ich auf zu trinken, hört ja auch ein Teil meines Lebens auf bzw. meines Tagesablaufes auf).
Ich mach jetzt noch mal was, was so ein wenig theoretisch klingt, aba eigendlich nicht ist. Ich erklär mal
die Stadien der Veränderung
Um eine bestimmte Verhaltensziel zu erreichen z. B. die Aufgabe des Rauchens, müssen dieser Handlung vorausgehenden Stufen notwendigerweise absolviert werden. Man hat durch Langzeitstudien an Suchtkranken 5 Stadien formuliert: Absichtslosigkeit (Precontemplation), Absichtsbildung(Contemplation), Vorbereitung(Preperation), Handlung (Action) und Beibehaltung(Maintenace)
Absichtslosigkeit oder Sorglosigkeit: es fehlt das Bewustsein, dass sich das eigene Verhalten negativ für die eigene Gesundheit oder Person auswirken könnte. Entsprechend fehlt ein Vorsatz zur Verhaltensänderung. Gutgemeinte Anregungen zur Änderung provouzieren nur Widerstand. Zum Arzt geht man in dieser Phase nur, wenn sich Krankheiten manifestieren oder auf Druck von Verwandten.
Absichtsbildung oder Bewußtwerdung: Sie ist die erste Stufe des geänderten Verhaltens. Zwar wird dem Betroffenen allmälich klar, daß ihr Verhalten negative Konsequenzen für sie oder ihre Umgebung hat. Eine Entscheidung zur Veränderung ist jedoch nicht gefallen. Ein Abwägen des für und wider ist typisch für diese Situation
Die Vorbereitung: Der Entschluss ist gefasst. Kleine Verhaltensschritte (z.B. 2 Ziggarretten am Tag weniger). Meist hat man in der Vergangenheit -meist Vergebliche- Versuche der Verhaltensänderung unternommen
Die Handlung: Hier können erste Faßbare Änderungen des Verhaltens festgemacht werden. Subjektiv haben sich die Betroffenen vor sich oder anderen zu einer Änderung verpflichtet. Allmählich machen Sie die Erfahrung dass sie die Kontrolle über Ihr Verhalten wiedererlangen. Sie vermeiden Auslöser für unerwünschtes Verhalten und belohnen sich für vollzogene Änderungen. Achtung: Ohne Vorbereitung durch die Vorhergehenden Phasen haben diese Verhaltensänderungen keine Aussicht auf erfolg!
Beibehaltung oder Festigung: Das ist ein durchaus aktiver Schritt. Um jederzeit Rückfälle zu verhindern müssen Betroffene und ihre Umgebung aktiv an einer Stabilisierung arbeiten. (Also weiter zur Shg gehen oder sich aktiv mit dem Thema Sucht auseinandersetzen)
(du scheinst in der Vorbereitung fest zu stecken Bea)
das schlimme ist...ich habe selber jahrelang in der psychiatrie und später auf einer psychosomatischen station gearbeitet. somit hätte ich auch "theoretisch" eher aktiv gegensteuern können. nein, im gegenteil.....mit dieser auseinandersetzung/kopfkino wurde es nur schlimmer.
erst jetzt, nachdem ich dort nicht mehr arbeite, gelingt es mir wieder, sich mit meiner person auseinanderzusetzen. ich muss nur noch lernen, hilfe anzunehmen.
lg, Bea
[color=black][color=white]Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite,als du sie bisher sahst; denn das heißt ein neues Leben beginnen. (Marc Aurel)[/color][/color]
Zitaterst jetzt, nachdem ich dort nicht mehr arbeite, gelingt es mir wieder, sich mit meiner person auseinanderzusetzen. ich muss nur noch lernen, hilfe anzunehmen.
lg, Bea
dieses "nur noch" ist ein wichtiger Schritt. Ich glaub das Zauberwort heißt hier "vertrauen" und "akzeptanz". Akzeptanz, dass du es nicht alleine schaffst. Versuch, versuch und versuch und jeder kostet Kraft.
Vertrauen musste du natürlich auch. Nicht von vornherein, damit würdest du dich selbst vielleicht zu verletzlich machen. Es ist völlig verständlich, dass du deine Seele für schützenswert betrachtest. Auch ein Therapeut muss sich mein bzw. dein Verrtrauen erst verdienen. Ich lern den kennen und sag nach ner gewissen Zeit: Ja, mit dem arbeite ich zusammen...oder eben nicht. Man hat bis zu 5 Stunden bevor man sich entscheiden muss.
Mach dir doch einfach mal einen Termin für ein Vorgespräch. (SB oder Therapeut)Du gehst keinerlei Verpflichtung ein. Sieh es einfach mal so: Er muss bei dir bestehen, deinen Ansprüchen genügen. Ich denke, du hast mittlerweile auch die Schnau* voll von diesen Versuchen.
In kleinen Schritten denken; dieses große ganze was man alles erarbeiten muss und ändern muss und..undund... das ist zuviel. Du überforderst dich mit solchen Vorgaben. Du bist sicher, dass das was du jetzt machst nicht mehr willst. Das reicht. Mach einen Schritt da raus
danke dir für deine zeilen. vertrauen können/nicht können....ich denke, jeder hier weiß, dass das eines der größten schwierigkeiten ist.
ich kann vor xbeliebig vielen leuten ein referat halten, aber mir kommen kaum 3 worte über meine person über die lippen. ich glaube, da gilt es anzusetzen und vielleicht auch mal über seinen eigenen schatten zu springen.
lg, Bea
[color=black][color=white]Betrachte einmal die Dinge von einer anderen Seite,als du sie bisher sahst; denn das heißt ein neues Leben beginnen. (Marc Aurel)[/color][/color]
Wie gesagt, du hast alle zeit der Welt, dich daran zu gewöhnen. Also wir hatten in meiner Therapiegruppe einige(u.a. mich) die auch so angefangen haben. Zuhören, drüber nachdenken reicht ja beizeiten auch. Gezwungen wirste nicht.
Hallo zusammen, ich finde euer Gespräch sehr interessant. Ich war auch in dem Konflikt gewesen, dass ich wusste, ich muss mein Trinkverhalten ändern (morgens mit dickem Kopf habe ich mir das auch vorgenommen), dann war der Tag vorbei und diese gedanken wurden mit Bier runtergespült Ich bin mittlerweile seit 61 Tagen ohne einen Tropfen Alkohol und zwar ohne Hilfe. Es ist manchmal nicht leicht, aber das Nichttrinken gehört immer mehr zu meinem Tagesablauf wie morgens aufstehen und abends ins Bett gehen. Wenn ich so von euren Problemen lese, komme ich mir mit meinen Problemen ganz klein vor und wie ein Alki light und nicht wie eine Alkoholikerin vor. Ist das immer so? Ich habe auch sehr viele private Probleme, am schlimmsten ist es, dass ich vor einem halben Jahr arbeitslos geworden bin und ich mir nutzlos vorkomme, aber wie gesagt, eure Probleme kommen mir viel schlimmer vor. Ich drücke dir, Bea ganz fest die Daumen, dass du die Kraft besitzt und ganz schnell den richtigen Weg einschlägst, deinen Weg. Du hast in deinem Kopf schon mal eine wichtige Sache drin und zwar weisst du, dass du ein Trinkproblem hast. Bis bald:-) Viele Grüße Pitje