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Saufnix  
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Dieses Thema hat 43 Antworten
und wurde 5.379 mal aufgerufen
 Ganz, ganz viele Fragen
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dry68 ( gelöscht )
Beiträge:

26.01.2011 11:22
#31 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von newlife
Werde hier nicht so richtig warm und schreibe seit meiner Anmeldung irgendwie immer das gleiche.

Gruß
Dirk[/b]

Ja?.....findest Du?

Dann will ich Dich mal wieder etwas aufbauen
Ich lese ja nun wirklich viel hier, aber das ist Mir zumindest noch nicht aufgefallen
Ganz im Gegensatz zu einigen anderen hier


Und außerdem isses doch besser, immer das gleiche zu schreiben, als jedes mal was anderes



newlife ( gelöscht )
Beiträge:

26.01.2011 11:37
#32 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Ne, das ist ja nicht weiter tragisch.

Ich glaube einfach nur, dass es mir mehr liegt mit Personen zu arbeiten, die mir gegenübersitzen.
Ich empfinde da mehr und kann da ganz einfach besser drauf eingehen, als wenn in einem Forum was geschrieben steht. Da kommt halt mehr rüber, wenn ich die Personen sehe. Ich fühle dann auch anders und kann mich besser in die Betroffenen reinversetzen.

Ist für meine Entwicklung aber auch wichtig. Es ist ein großer Schritt gewesen, dass ich überhaupt mal was in die Hand nehme. Früher konnte ich bzw. wollte ich kaum noch mit irgendjemand was zu tun haben. Hab mich lieber um die Flasche gekümmert.

Gruß
Dirk


orchideen Offline



Beiträge: 14

26.01.2011 12:15
#33 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Katha82,

Ja, wenn ich so drei Wochen lang am Stück um die Häuser gezogen bin, als junge Frau alleine.........
Ich danke heute, wem auch immer, dafür, dass ich nichts Schlimmes erleben musste. In jeder Kneipe lernte ich Männer kennen, Saufkumpane. Es ist immer gut gegangen. Zum Beispiel bin ich mal mit einem Mann in die Wohnung, der hatte dort einen Schäferhund. Da habe ich es mit der Angst gekriegt. Aber dann kam ich ins andere Zimmer, da lagen jede Menge selbstgestrickte Pullover und Strickzeug, die Pullover hatte er alle selbst gemacht. Weiß ich noch wie heute. So, oder so ähnlich ist es immer abgelaufen, aber meine Alleingänge waren brandgefährlich. Saufkumpane für einen Tag oder auch länger, dann bin ich alleine weitergezogen, habe bei irgendeinem Mann drei Tage entzogen und bin dann klappernd nach Hause, das heißt, zu einem festen Freund, eine eigene Wohnung hatte ich jahrelang nicht, so dass ich diesen Freunden irgendwie immer ausgeliefert war.

Ich bin dann auch mit dem Gesetz in Konflikt gekommen: Ich habe (immer wieder) Taxis bestellt, obwohl ich genau wusste, dass ich kein Geld in der Tasche hatte. Die meisten haben mich einfach rausgesetzt. Aber einer holte die Polizei. Ich kam vor Gericht und bekam Bewährung. Die gleiche Masche habe ich bei jedem folgenden Rückfall abgezogen, es kam wie es kommen musste, der nächste Termin vor Gericht.

Man hatte mich mit 3,7 Promille im Blut aufgegriffen, da bin ich noch einigermaßen gerade gelaufen und hatte auch kaum Filmriss. Der Richter hat nur den Kopf geschüttelt, wie diese Alkoholmenge sein kann. Und ich bekam vier Wochen Bewährung oder Geldstrafe. Geldstrafe konnte ich natürlich nicht zahlen, dann lief deswegen ein Haftbefehl. Und irgendwann bin ich ihnen dann mal ins Netz gegangen, in betrunkenem Zustand natürlich. Nun hatte ich vier Wochen im Frauenknast verbracht und hätte vielleicht mal in die richtige Richtung denken sollen. Aber mitnichten, ich habe die Tage gezählt, wo ich wieder rauskam und hatte nichts anderes im Kopf als meinen damaligen Freund anzurufen, mich mit ihm zu verabreden und weiterzusaufen. Der Frauenknast war nicht abschreckend, er war damals neu gebaut, Erstbezug sozusagen. Die Abteilung setzte sich nur aus "Kurzstraflern" zusammen, das war leicht. Aus dem Grund, nicht mehr im Knast zu landen, hätte ich bestimmt nicht aufgehört.

Das mit den Taxis hört sich jetzt witzig an, war es aber nicht. Ich kann bis heute nicht darüber lachen. Es zeigt, wie ein Alkoholiker im Suff immer wieder die gleichen Verhaltensweisen an den Tag legt.

Und, Katha82, um mal genauer auf deinen Beitrag einzugehen: Bei mir war es auch so, dass ich in den ersten Jahren Alkohol getrunken habe, um mich leicht und selbstsicher zu fühlen. Ich hatte 5 Kilo Übergewicht (ein Witz eigentlich) und fand mich hässlich.

Das Thema, "Verständnis" der lieben Mitmenschen ist auch das Gleiche. Es ist aber vergebliche Liebesmüh, einem Nichtalkoholiker klar machen zu wollen, wie die Krankheit wirklich ist. Geht der nicht auch in eine Gruppe, eine Angehörigengruppe, wird er nie begreifen, worum es geht.

Dass du in der Gruppe nicht in deiner Muttersprache sprechen kannst, ist ein Problem. Ich weiss nicht, ob du in einer größeren Stadt lebst und ob da ein größerer Anteil an Deutschen ist. Dann hättest du vielleicht die Chance, eine deuschsprachige Gruppe zu finden. Ist nur so eine Idee.

Man muss reden, das hilft beim Trockenwerden.

Und hallo Dirk, ich weiß ja nicht, was du meinst, wenn du sagst, du bist im falschen Tread. Wenn du etwas von dir erzählen möchtest, dann könnte ich es auch verstehen. Vielleicht hast du Lust, deine Gedanken aufzuschreiben.

Liebe Grüße
Sabine


minitiger2 ( gelöscht )
Beiträge:

26.01.2011 12:51
#34 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Zitat
Gepostet von newlife
@minitiger

das ist unterschiedlich und liegt wohl auch an der Persönlichkeit. Für meine Begriffe erreiche ich in den Gruppen viel, weil es reale Personen sind, die in der Runde sitzen. Ich komme vorwärts beim Kreuzbund, mache auch im Februar die Helferschulung und habe außerdem die Vorstellungsrunde in unserer Entgiftungsklinik übernommen. Vielleicht gelingt es mir auch, ein paar Jüngere für meine Gruppe zu gewinnen.

Ich habe hier im Forum manchmal den Eindruck, dass das vielleicht nicht so mein Ding ist. Werde hier nicht so richtig warm und schreibe seit meiner Anmeldung irgendwie immer das gleiche. Aber ich denke trotzdem, dass es dem ein oder anderen Neuankömmling hilfreich sein kann.

Gruß
Dirk



ich glaube, das hängt auch mit der völlig unterschiedlichen Ausgangssituation zusammen.

Ich bin nicht mit Gruppe trocken geworden, sondern hatte das erste Jahr Trockenheit schon fast hinter mir, als ich es halt "mal probiert" habe, um meine Stressbewältigung in den Griff zu kriegen. Und dann war ich da in so einer Rentnergruppe, wo die meisten nüchtern gar kein Arbeitsleben mehr mitgekriegt hatten. Deren Lösungsvorschlag war dann auch - in Rente gehen.

So in dem Stil gings weiter. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass hier auf dem Land die Auswahl auch nicht so groß ist.

Ich bin dann halt immer nur in Gruppen, wenn ich grade ein konkretes Anliegen hatte, und dabei erwiesen sich diese Gruppen für mich immer als ungeeignet.

Und nachdem ich ja trotzdem keinen Saufdruck habe und auch 10 Jahre trocken bin, hab ich das Thema dann irgendwann abgehakt.


newlife ( gelöscht )
Beiträge:

26.01.2011 13:58
#35 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

@minitiger

keine Einwendungen.

@Sabine

Zitat
Und hallo Dirk, ich weiß ja nicht, was du meinst, wenn du sagst, du bist im falschen Tread. Wenn du etwas von dir erzählen möchtest, dann könnte ich es auch verstehen. Vielleicht hast du Lust, deine Gedanken aufzuschreiben.



Meine Karriere steht hier ziemlich detailliert beschrieben. Sowie auch in zahlreichen anderen Beiträgen immer wieder mal was.

Gruß
Dirk

[ Editiert von newlife am 26.01.11 13:58 ]


katha82 ( gelöscht )
Beiträge:

26.01.2011 19:58
#36 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Sabine,

deine Geschichte hört sich wirklich schockierend an. Um so besser, dass sie letzten Endes doch noch so gut ausgegangen ist. Und nein, auch die Sache mit den Taxis finde ich gar nicht lustig!

Und du hast umheimliches Glück gehabt, dass dir, trotz der ganzen Bekanntschaften in Suff, nichts passiert ist. Ich habe natürlich (da ich ja sowieso immer in der Öffentlichkeit gesoffen habe) auch ständig irgendwelche Leute, vornehmlich Männer kennengerlent und bin oft in fremden Wohnungen gelandet. Nicht weil ich keine eigene hatte, sondern weil ich nicht wollte, dass "die Party" ein Ende hat, weil ich in meinem betrunkenen und teilweise sentimentalen Zustand nicht allein sein wollte, dann lieber mit völlig fremden. Es ist auch immer mehr oder weniger gut gegangen (obwohl ich auch öfter mal in einer fremden Wohnung wach wurde und nur noch ausschnittsweise die Nacht davor rekonstruieren konnte).

Vor drei Monaten war dann jemand, nach einem Saufgelage in Kneipen, mit in meiner Wohnung, von dem ich nicht mehr mal weiß, in welcher der Kneipen, in denen ich unterwegs war, ich ihn kennengelernt habe (oder vielleicht auf der Str., auf dem Weg nach Hause? Keine Ahnung...). Der Typ hat mich letzten Endes bedroht, beschimpft, angeschrien, sich geweigert meine Wohnung zu verlassen, etc....ich hatte eine schreckliche Angst und war völlig fertig und will gar nicht wissen, wie es vielleicht ausgegangen wäre, wenn nicht der Freund meiner Mitbewohnerin da gewesen wäre und mich gerettet hätte. Dieses Erlebnis hat mich so geschockt, dass ich danach wusste: "Wenn du weiter trinkst endet das irgendwann ganz ganz böse". Das war mein persönlicher Tiefpunkt. Seitdem gabs für mich keinen Schluck Alkohol mehr!

Es grüßt euch alle

Katha


orchideen Offline



Beiträge: 14

28.01.2011 12:56
#37 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Katha,

entschuldige, dass ich gestern nicht geschrieben habe, aber ich habe (ausnahmsweise) einen ganzen Tag gearbeitet, weil eine Kollegin nicht da ist. Sonst arbeite ich immer nur halbe Tage.

Ich finde es einfach nur schön, dass du so ehrlich warst und deine Geschichte nicht beschönigt und für uns alle aufgeschrieben hast.

Viele Frauen halten sich da bedeckt. Wäre ich mal vergewaltigt worden,hätte ich das eventuell hier auch nicht erzählt, weiß ich nicht. Wenn trockene Alkoholikerinnen nichts erzählen, dann wohl aus Scham. Es hat ja auch nicht jede außerhalb der Wohnung getrunken.

Meine ältere Schwester zum Beispiel trinkt immer alleine in der Wohnung und hat bis heute nicht kapituliert. Sie sagt trotz vier Therapien heute noch, sie wäre gar keine richtige Alkoholikerin, sie trinke ja nur Wein. Dabei säuft sie schon seit über 20 Jahren. Ich habe für diese Äußerung nur eine Erklärung, sie baut geistig durch den Alk ab. Ihr ganzer Charakter hat sich geändert. Wir konnten früher zusammen Pferde stehlen gehen, bis vor 20 Jahren waren wir fast ständig zusammen. Nichts und niemand konnte uns auseinanderbringen. Dann hat sie weitergesoffen und ich habe aufgehört. Wir können nicht mehr miteinander reden, wir haben uns nichts mehr zu sagen. Sie ruft auch nicht mehr an, weil sie ganz genau weiß, dass ihre markigen Sprüche bei mir nicht ziehen. Sie nervt dann lieber Nichtalkoholiker, denen kann sie erzählen, im Himmel ist Jahrmarkt.

Ungefährlicher als du und ich hat sie natürlich auch nicht gesoffen. Alleine zuhause, da ist sie mal gestürzt und hat sich den Kopf aufgeschlagen. Sie hat jahrelang zuhause mutterseelenallein entzogen. Das kann sie heute nicht mehr, weil ihr Körper das nicht mehr mitmacht.

Aber ich komme vom Thema ab. Was da alles bei mir im Suff abgelaufen ist, wurde mir erst nach und nach bewusst, als ich trocken war. Vorher wollte ich davon nichts hören. Als ich in die Therapie gegangen bin, war ich eine dumme Göre. Während der Therapie bin ich im Zeitraffer "nachgereift". Du wirst die gleiche Entwicklung bei dir vielleicht auch feststellen.

Es war mir in meiner nassen Zeit einfach nicht möglich, Nähe aufzubauen oder auch nur ein wenig Mitleid mit Mensch oder Tier zu haben. Alles nur oberflächlich, meine Empfindungen waren abgestorben.

Ich habe früh gelernt, dass man sich wehren muss, wenn man durchkommen will. In meinem Elternhaus wurde nicht gesoffen, aber ich hatte einen cholerischen Vater, der in Abständen die ganze Familie verprügelt hat. Anfangs mich mit, aber ich war sein Liebling, der Nachkömmling und ich bin immer rechtzeitig zur Nachbarin abgehauen, bis er sich ausgetobt hatte.

Ich hatte immer eine große Klappe, habe mir nichts mehr sagen lassen, auch von meinem Vater nicht. Er hat es dann einfach gelassen. Ich war viel mit den falschen Freunden unterwegs. Wenn ich um 23 Uhr zuhause sein sollte, bin ich zur Tür rein und zum Fenster wieder raus. Bis sie mich mal erwischt haben. Aber auch das blieb ohne Folgen für mich.

Meinen ersten Rausch hatte ich zwei Häuser weiter bei einem Nachbarn. Ich weiß das noch wie heute. Ich hatte mit 15 Jahren eine Flasche Blaubeerlikör getrunken und hatte einen Filmriss. Wir haben gefeiert und an was ich mich wieder erinnern kann, ich habe wieder mitgefeiert, nachdem der Filmriss vorbei war. Meine Mutter stand drüben auf der Terrasse und hat mich dann nachts geholt.

Sie muss doch bemerkt haben, dass ich besoffen war! Aber sie hat dazu nichts gesagt. Vielleicht auch, weil mein Vater dann wieder hätte ausrasten können. Und dann hätten es zumindestens wieder meine Mutter und meine Schwester abgekriegt.

Ich habe des öfteren etwas angestellt, und meine Schwester hat dafür die Prügel bezogen, weil mein Vater wieder sauer auf mich war und sich abreagieren wollte.

Was ich mit dem Ganzen sagen will: Mir wurden in der Kindheit und Jugend nie Grenzen gezeigt, ich habe mich immer erfolgreich durchgesetzt. Klassensprecherin, immer die Anführerin, immer vorne weg. Und ich konnte für meine Eltern keine Liebe empfinden, meine Mutter hat sich sehr gekümmert, aber mich nie in den Arm genommen. Ich hatte gelernt, Nähe einfach nicht zuzulassen.

Ich habe heute auch keine negativen Gedanken gegen meinen Vater. Er hatte es schwer mit mir, auch konnte er eben nicht aus seiner Haut. Er hat andererseits finanziell gut für die Familie gesorgt. Ich habe auch anderen Menschen gegenüber keinen Groll mehr. Heute ist von meiner Seite Verständnis für andere da, und warum jemand so ist. Man muss eben sein ganzes Leben lang lernen, das ist für mich auch in Ordnung so.

Heute helfe ich meiner inzwischen sehr alten Mutter, wo ich kann. Sie hat es verdient. Und sie freut sich, das wenigstens eines ihrer Kinder sich nicht von ihr abgewendet oder anders ausgedrückt, wieder zu ihr gefunden hat.

Und ich habe heute einen kleinen Hund, der bei uns ein richtig gutes Leben hat.

Meiner Meinung nach kann man mit Rachegedanken im Kopf gar nicht oder zumindest sehr schwer trocken werden. Ich bin heute mit meinen Mitmenschen und mit mir im Reinen. Das gibt mir Zufriedenheit und manchmal auch ein wenig Glück.

Ich glaube, dass sehr viele Alkoholkarrieren in einem kaputten Elternhaus ihren Anfang haben.

Bleib auf diesem Weg!

Liebe Grüße
Sabine


katha82 ( gelöscht )
Beiträge:

28.01.2011 18:39
#38 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Ja, wie gesagt, ich hatte noch einmal "Glück im Unglück", dadurch dass noch andere Leute im Haus waren. Aber diese Situation hat mir gezeigt, dass ich haarscharf an einer Katatrophe vorbei gerutscht bin zu der es, wäre ich nüchtern gewesen, so nicht gekommen wäre.
Auch habe ich z. B. schon einmal eine Nacht im Krankenhaus verbringen müssen weil ich betrunken auf den Kopf gefallen bin. Und und und...die Liste könnte ich noch weiterführen.

Dass viele Alkoholikerkarrieren bereits mit einem problematischen Elternhaus beginnen, mag sein, kann ich aber nur schwer umfassend einschätzen. Ich habe ein sehr enges und gutes Verhältnis zu meinen Eltern, aber einfach war meine Kindheit sicher auch nicht. Meine Schwester starb mit noch nicht mal 2 Jahren, genau an meinem 4. Geburtstag. Danach war bei Vater einige Wochen bei einer anderen Frau, meine Mutter versank in Depressionen und ich war als 4jährige nach diesem Schock emotional auf mich gestellt und habe mich schuldig an allem gefühlt. Das hat sicher viel in mir kaputt gemacht damals, aber, ob es letztendlich der Auslöser fürs spätere Sauafen war, kann ich nicht sagen. Ich denke, dass da mehrere Faktoren zusammen kommen.

Was bei mir aber definitiv auch der Fall war, ist dass man mir nie ernsthaft Grenzen aufgezeigt hat. Vielleicht waren meine Eltern auch häufig komplett hilflos da ich immer einen starken eigenen Willen hatte, den ich im Zweifelsfall mit Wutanfällen durchgesetzt habe. Als ich dann mit 13 mit dem Trinken anfing, haben Sie das definitiv mitbekommen. Ich weiß, dass sie verzweifelt waren, aber sie wollten mich wohl auch nicht einsperren. Also haben sie mir erlaubt, mich weiter mit meinen Freundinnen zu treffen, mit denen ich dann oft getrunken und geraucht habe. Ob das nun falsch oder richtig war?! Ich weiß es nicht...Verbote hätten sicher auch nichts gebracht, wenn dann eher das konstruktive Aufzeigen anderer Freizeitalternativen, vielleicht der Besuch einer Beratunsstelle, o.ä. Aber das ist nun eh Vergangenheit und nicht mehr wandelbar.
Ach ja, und wie du auch schon schriebst Orchideen, hat man sich in meiner Familie auch nicht in den Arm genommen oder sich gesagt, dass man sich gern hat, o.ä. Man hat sich sehr um mich gekümmert, schulisch und intellektuell wurde ich viel gefördert. Von meinem Vater habe ich alles über Literatur und Musik gelernt, von meiner Mutter wie ich mich am besten gesund und vollwertig ernähre (und natürlich noch vieles), was Dinge sind die mir sehr geholfen haben für mein weiteres Leben. Wie ich jemanden in den Arm nehme oder meine positiven Gefühle gegenüber einer Person ausdrücke hat man mir nicht wirklich vermittelt, weswegen mir das bis heute noch sehr schwer fällt und ich des öfteren damit zu kämpfen habe, dass man mich als kühlen Menschen bezeichnet.


orchideen Offline



Beiträge: 14

29.01.2011 12:15
#39 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Katha,

das liest sich wie eine leicht abgewandelte Biographie von mir. Deine Eltern waren bei dir sicherlich so nachgiebig, weil sie ein Kind verloren haben. Ich könnte es nachvollziehen, wenn sie deshalb das zweite Kind, das ihnen noch geblieben ist, zu sehr verwöhnt haben.

Das Gefühl des Alleinseins und keine Schulter zu haben, an der man sich ausweinen kann, lese ich zwischen deinen Zeilen auch. So lernt man früh, seine Empfindungen für sich zu behalten.

Ich habe lange ebenso kühl und unnahbar gewirkt, genau genommen bis zu meiner Therapie. Wenn andere sich am Strand unterhalten haben, habe ich zum Beispiel etwas abseits gesessen und nur beobachtet. Das ist mir damals gar nicht aufgefallen. Aber bloß nicht jemanden an sich ranlassen.

Noch später habe ich Bekannten nichts von mir erzählt, ich dachte, das brauchen sie alles nicht wissen, ist alles meine Sache. Das hat sich erst langsam geändert. Vielleicht auch, weil wir vor 12 Jahren nach Süddeutschland gezogen sind und die Menschen hier aufgeschlossener sind als im hohen Norden. Aber egal, ich habe es gelernt, und es ist sehr befreiend.

Die Kindheit ist nur ein Glied in der Kette, die in die Sucht führt, da hast du Recht. Ich habe in der ersten Zeit meiner Trockenheit überhaupt nicht in der Vergangenheit rumgewühlt. Wichtig war das hier und jetzt. Die Gedanken kamen später nach und nach und man kapiert die Zusammenhänge. Aber das ist für das Trockenwerden nicht wichtig. Aber das weißt du ja.

Ich finde es eigentlich bemerkenswert, wieviel du über die Sucht weißt, ohne Therapie und ohne Gruppen.


katha82 ( gelöscht )
Beiträge:

29.01.2011 12:31
#40 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Orchideen,

dass ich keine Therapien gemacht habe stimmt nicht ganz. ich habe schon 2mal jeweils eine Jahr lang eine Pschychotherapie gemacht, die ich einmal wöchentlich besucht habe. Nicht primär wegen des Alkohols. Auslöser war jeweils meine extreme Angst vor dem Verlassenwerden, wie auftritt sobald ich eine partnerschaftliche Bezihung beginne. Natürlich kam aber mein Umgang mit Alkohol in den Therapien auch zur Sprache. Dort habe ich aber über die Sucht nicht wirklich viel gelernt. Die erste Therapeutin, bei der ich war, hat mit mir einen Plan zum kontrollierten Trinken aufgestellt...na ja, kann man sich ja denken, wie lange ich mich an den gehalten habe

Das meiste, was ich zur Alkoholsucht weiß, habe ich mir angelesen (hier, durch andere Internetquellen und zahlreiche Bücher). Da ich ja schon ewig weiß, dass mit meinem Trinkverhalten was "nicht stimmt", habe ich auch schon relativ früh angefangen mir erste Informationen zu besorgen....

Diese Situation, die du beschreibst...dass du am Strand außerhalb der Gruppe gesessen hast, das ist bei mir schon anders. Ich begebe schon in Gruppen und bin dann auch eine von denjenigen die relativ viel redet (obwohl da natürlich bei komplett Fremden zunächst schon etwas Überwindung vorhanden ist). Ich bin jedoch niemand, der Menschen schnell sagt wie gern er sie hat oder jemanden, den ich nur flüchtig kenne, etc. möchte ich nicht in den Arm nehmen. Aber ich denke mir, dass das auch eine Art natürlicher Schutz ist. Mir ist auch mak aufgefallen, dass ich immer mal wieder auf Menschen treffe, die mir von Anfang an sehr sympathisch sind und bei denen ich mich wohl fühle, so dass mir das Aufbauen von Nähe leichter fällt. Ich denke, wenn ich einem Menschen gegenüber z.B. instinktiv mit einer abweisenden Körperhaltung gegenübertrete, hat das auch seinen Sinn. Das weiß ich zumindest jetzt. Nicht zueletzt habe ich ja auch so viel getrunken um "everybodys darling" zu sein, mich JEDEM gegenüber locker und aufgeschlossen geben zu können, auch mit denen ein "locker-leichtes" Gespräch zu haben, mit denen mir eigentlich jede Gesprächsbasis fehlt....

Grüße

Katha


orchideen Offline



Beiträge: 14

30.01.2011 14:03
#41 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Katha,

eine abweisende Körperhaltung ist dein gutes Recht. Jedenfalls etwas, womit andere Menschen eben klar kommen müssen. Bei der guten Menschenkenntnis von trockenen Alkoholikern wird deine Abwehr meistens begründet sein.....

"Everybody's darling", ja so war es in der Kindheit und Jugend bei mir. Ich hätte es einfach nicht ertragen, irgendwie nicht im Mittelpunkt zu stehen. Ob das eine Reaktion auf mein Zuhause war, weiß ich nicht. Seinen Charakter hat ja ohnehin jeder.

Was ich mit meinem Bericht eigentlich sagen wollte: Ich bin später wirklich von diesem Extrem ins andere gefallen. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als der hohe Alkoholkonsum zum Problem wurde, die ersten Quartalstouren kamen und ich die Menge nicht mehr steuern konnte, fing ich an, immer nach meinen Entzügen den totalen Rückzug zu machen. Ich habe mich weitgehend von anderen ferngehalten, wollte niemanden sehen. Wenn ich nicht gerade einkaufen musste, bin ich auch schon mal eine Woche durchgehend alleine zuhause gewesen, nur mit meinen Katzen. Das hat mich überhaupt nicht gestört. Es war nicht so, dass ich die Wohnung oder mich vernachlässigt hätte, im Gegenteil, nett zurecht gemacht, Kleidung hübsch und die Wohnung immer sauber.

Aber ich habe halt meine Mitmenschen vernachlässigt und sie mussten eine Menge so hinnehmen, sie kannten mich ja. Das da nur wenige Leute übrig geblieben sind, ist mir egal gewesen, ich hatte ja immer wieder Kneipenbekanntschaften. Na ja, und die Gespräche, wie du schon sagst, meine Güte. Es hat sich dann hinterher nach den Entzügen rausgestellt, dass die meisten wirklich bekloppt waren. Doch es waren schon auch Menschen darunter, mit denen ich nüchtern auch gut klarkam. Nur, dass einer immer gerade am Trinken war.

Bei meinen Touren durch die Kneipen habe ich mich dann kaum gepflegt und meine Wohnung sah aus, 80 leere Bierflaschen unter dem Tisch usw.

Zu den Therapien noch: Ich habe insgesamt zwei "normale" Therapien gemacht und eine Entwöhnung vom Alkohol. Beides kann man nicht miteinander vergleichen, aber da erzähle ich dir sowieso nichts Neues. Auf der Entwöhnung nur Alkis, und die gingen des öfteren nicht sehr fein miteinander um, wenn einer mal zu viel Blödsinn redete. Das war gut. Manch einer hat es dann auch vorgezogen, lieber wieder zu gehen, Richtung Kneipe, als sich dem weiter auszusetzen. Aber die meisten haben das gepackt. Es war ja auch nie so gemeint, dass man einem Mitpatienten schaden wollte, sondern ihm helfen.

Die Maueröffnung habe ich in Westberlin in der Therapie mitgemacht. War das toll, mit anderen etwas so Schönes zu erleben, reden zu können, nüchtern halt.

Obwohl man während der Entwöhnung zwar körperlich einigermaßen wieder in Ordnung ist, aber die Psyche braucht länger. Körperliche Probleme hatte ich damals auch noch, Schlafstörungen, ein schlechtes Nervenkostüm, aber das wurde besser.

Und Thema Psychiaterin, kann ich auch nur negativ bewerten. Ich war ein Jahr lang bei einer, die hat vorzugsweise mit mir Kochrezepte ausgetauscht und nur über unwichtige Dinge geredet. Die hat es sich leicht gemacht, der ging es wohl nicht um die Patienten. Der würde ich den Plan gepflegt zu trinken, auch ohne weiteres zutrauen.

Grüße einstweilen
Sabine


katha82 ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2011 14:24
#42 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Orchideen,

ich habe gerad nicht so viel Zeit, da ich gleich ins Kino aufbrechen werde...deswegen nur kurz.

Ja, das Problem in "normalen" Therapien ist glaub ich oft, dass es ja allgemein ausgebildete Pschychotherapeuten sind, die sich aber zumeist nicht auf ein Problem genau spezialisiert haben und somit über den Umgang mit "Alkoholismus" nicht immer ausreichend informiert sind. Die Psychotherapeutin damals war zudem noch recht jung und hatte wahrscheinlich erst wenige Jahre Therapieerfahrung. Was ich jedoch auch sagen muss, ist dass ich zum damaligen Zeitpunkt auch noch gar nicht so weit war denn Alkohol für immer weglassen zu wollen. Sie konnte mich natürlich somit schlecht "zwingen". Die paar Wochen kontrolliert Trinken haben mir aber so oder so 0,0 weiter geholfen.

Nun habe ich eine Freundin, die auch Psychologin ist, so alt wie ich (also 29) und seit einem halben Jahr therapiert. Und auch sie hat nun u.a. einen Alkoholiker bei sich in der Therapie, der zwar wegen Depressionen zu ihr gekommen ist, aber auch säuft. Sie versucht ihn nun auch dadurch zu heilen, dass er dauerhgaft kontrolliert trinken soll. Über das Thema habe ich mich neulich dann fast mit ihr gestritten, weil ich natürlich der Meinung bin, dass diese Methode nicht funktionieren wird. Diese besagte Freundin hat selbst nie Alkohol getrunken und kennt sich zumindest mit der Thematik aus eignener Erfahrung auch gar nicht aus.

Na ja, lange Rede, kurzer Sinn...ich halte es für schwierig zu "irgendeinem" Psychologen zu gehen, wenn die Gafahr scheinbar des öfteren ernsthaft gegeben ist, dass die einen dann mit diesen Methoden "um die Ecke kommen". Viel mehr sollte man sich wohl doch an Suchtspezialisten wenden, denen klar ist, dass eine Sucht nun mal eine SUCHT ist, von der man nicht durch die Reduktion des Suchtmittels los kommt.

Lieben Gruß

Katha


orchideen Offline



Beiträge: 14

30.01.2011 16:04
#43 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Katha,

sag deiner Freundin mal, dass sie sich mal die Zeit nehmen soll, in eine Gruppe zu gehen. Vielleicht kapiert sie dann, dass Alkoholkranke nicht mehr kontrolliert trinken können. Sie muss doch während ihrer Ausbildung das Wort "Kontrollverlust" mal gehört haben. So viel Ahnungslosigkeit ärgert mich dermaßen. Und sie hat ja noch einige Jahrzehnte Berufstätigkeit und damit viele, viele Patienten vor sich, denen sie bestimmt helfen will.

Unfassbar irgendwie!

Morgen mehr.

LG
Sabine


orchideen Offline



Beiträge: 14

31.01.2011 14:59
#44 RE: Wann war der Zeitpunkt der Einsicht? Zitat · Antworten

Hallo Katha,

seit gestern habe ich immer wieder über das Verhalten deiner Freundin nachgedacht. Es ist ihr ja gar kein Vorwurf zu machen, in der Ausbildung wird wahrscheinlich das Thema Sucht überhaupt nicht behandelt.

Bei Ärzten ist es jedenfalls so. Die meisten haben keine Ahnung, woher auch. Es ist einfach erschreckend, ich konnte es anfangs gar nicht glauben, dass die nicht wissen, wovon sie reden.

Ich habe das hier, glaube ich, schon gesagt. Es ist ein ziemlicher Kraftaufwand, jemandem die Mechanismen der Sucht begreiflich zu machen. Meiner Meinung nach auch völlig sinnlos.

Andererseits sind viele Angehörige doch in der Lage, Sucht zu verstehen.

LG
Sabine


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