Hallo zusammen, ich war vor einigen wochen schon mal da - da war ich mir zwar schon ziemlich sicher, ich bin alkoholikerin, konnte aber noch nicht endgültig "adieu" sagen. dann gings doch: seit 2. april bin ich trocken.
am wochenende vor diesem zweiten april war ich auf einer tagung zum thema "alkoholsucht". da gab es auch einen vortrag zum thema "gesundheitliche auswirkungen von alkoholmissbrauch" - der vortragende zählte ungefähr zehn symptome auf (von mangelnder feinmotorik über übermäßiges schwitzen bis hin zu gefühlsstörungen) und ich stellte fest: von den zehn symptomen habe ich mindestens fünf. das saß erst mal. am montag rief ich meinen hausarzt an und vereinbarte für mittwoch (2.4.) einen termin mit ihm. er kennt mich sehr gut, und ich vertraue ihm. wir haben uns lange unterhalten. er hat wohl auch gemerkt: es ist mir ernst. seit vier wochen trinke ich nun nicht mehr, nehme campral gegen das craving und dominal, damit ich schlafen kann (habe damit große probleme, auch einer der gründe, warum ich getrunken habe). und seit montag dieser woche bin ich in einer ambulanten klinik mit dreimal wöchentlicher gruppentherapie.
was mich sehr überrascht: nicht mehr zu trinken ist das geringste problem. viel mehr zu schaffen macht mir mein gemütszustand, der unbeschreiblich schlecht ist: ich wache morgens übellaunig auf, möchte am liebsten alle und jeden zusammenbrüllen und bin ganz allgemein eine gefahr für die menschheit.
kennt ihr das auch? hört das auch irgendwann wieder auf? ich bin schon ziemlich verzweifelt, weil das jetzt schon länger als eine woche geht. ich habe auch nur wenig energie, kann mich kaum aufraffen, schlafe viel und habe irgendwie das gefühl, am leben vorbei zu leben.
wie gesagt: erstaunlicherweise vermisse ich den alkohol nicht mehr. am anfang war das natürlich schon noch da, aber mittlerweile ist es schon recht weit weg.
ich freu mich über jede nachricht - und darüber, wieder hier zu sein - diesmal ohne alkohol.
willkommen im forum. das mit den launen kenne ich zu gute,es lässt sich steuern je länger du trocken bleibst,die gedanken ans trinken werden auch wieder kommen,ganz unverhofft,weil es ja programmiert ist. dranbleiben,bleibe stur,auch wenn du morgens ein ungeheuer bist es wird alles gut werden,braucht halt zeit
lieber rainer, danke für deine antwort. und wie lassen sich diese grässlichen stimmungsschwankungen steuern? bin für jeden vorschlag dankbar. alles liebe emily
mir ging's in der ersten Zeit der Abstinenz auch immer grottig, und ich hab das ein paar Mal durch: Behämmert und müde, unkonzentriert, schlecht drauf, antriebslos. Aus diesem Grund habe ich auch so lange rumgeeiert, bis ich mich endgültig zum Ausstieg entschließen konnte. Soo oft wurde mir gepredigt, wenn ich nur aufhöre zu saufen, würde alles besser. Mir ging's aber wochen- ja monatelang SCHLECHTER und das war für mich oftmals ein willkommener Grund weiterzusaufen, sollen die Abstinenz-Apostel doch reden, was sie wollen.
Ein wenig Durchhaltevermögen wird jetzt schon nötig sein. Aber: Es wird. Ganz bestimmt. Auch bei wir wurde es.
Good Luck sole jetzt über 7 Jahre trocken
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
Zitat von Emily Beagle im Beitrag #3 und wie lassen sich diese grässlichen stimmungsschwankungen steuern? bin für jeden vorschlag dankbar. alles liebe emily
Einfach mal lassen, wäre mein Vorschlag. Du bist gerade am genesen von einer schweren psychischen und körperlichen Erkrankung. Da kann und darf so einiges deregluliert sein. Sei einfach nachsichtig mit dir.
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
ich nehme Johanniskraut und zum schlafen Tryptophan. Beides ist gut für die Serotoninproduktion und Serotonin macht glücklich (Glückshormon). Lese aber mal wegen Johanniskraut im Internet die Wechselwirkungen nach, das Johanniskraut kann die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Johanniskraut wirkt allerdings erst nach 2-3 Wochen, ich nehme 650 mg. täglich, Tryptophan nur immer 2-3 Tage abends 1-2 g.
Die moderne Medizin kümmert sich um Ihre Krankheiten. Von diesen lebt sie. Um Ihre Gesundheit müssen Sie sich selber kümmern. Von dieser leben Sie.
Hallo Emily, ist nur ein wenig Hirnchemie, die da aus dem Lot ist. Mit dem Wissen, dass auf eine schlechte Stimmung auch wieder eine gute folgen wird, versuche Ich meine Gefühle nicht mehr so ernst zu nehmen.
Ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren auf "dem Weg", es dauert und es tut gut die richtige Richtung eingeschlagen zu haben.
hallo, darüber habe ich mir auch schon gedanken gemacht. die suchtautobahn im hirn braucht eben eine weile, bis sie verschwindet. trotzdem: wann haben die stimmungsschwankungen bei dir aufgehört? alles liebe
ich habe mich in den ersten Monaten wie ein emotionaler Squashball gefühlt. Rasend schnelle Wechsel im gesamten Spektrum. Warum auch nicht? Habe ich sie doch jahrelang betäubt und künstlich im Zaum gehalten.
Mir hat über die Zeit geholfen, mir immer wieder zu sagen, das dies "nur" Gefühle sind. Das die da sein dürfen, mir nichts tun und es irgandwann wieder milder wird. Außerdem war es wichtig, mir immer wieder bewußt zu machen, das es mir so geht weil ich lange gesoffen habe und nicht, wie mir meine Sucht des öfteren weiß zu machen versuchte, weil jetzt der Alkohol fehlte.
Schlafen konnte ich auch nicht richtig, hat sich alles von allein gegeben.
Aushalten, Geduld, Zulassen, Gelassenheit. Alles Fähigkeiten, die uns süchtigen erstmal nicht so nah sind, die wir aber mit der Zeit lernen können und müssen.
Nur für heute, ein Tag nach dem anderen, ob nun nicht saufen oder fühlen oder was auch immer.
Atmen nicht vergessen!
Liebe Grüße Uta
"Großer Gott, laß meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird!"Selma Lagerlöf
in meiner letzten saufphase ging es mir nur noch schlecht. die katerstimmung und wirren wodkagedanken haben mich fast in den wahnsinn getrieben. ich empfand daher die erste abstinenzzeit als segen. mir schien jede nüchterne stimmungslage noch besser, als mein befinden zu trinkzeiten. die einzige sorge war, ob ich es diesmal schaffe. aber darauf habe ich meinen ganzen focus gerichtet. alles andere schob ich erstmal weit von mir. hauptsache nüchtern. nach ca 4-6 wochen stellten sich sogar hoch und glücksgefühle ein. denn so lange hatte ich noch nie durchgehalten. es lohnt sich, die gefühle auszuhalten. das muss die seele erstmal wieder lernen. das aushalten hatte ja jahrzehnte lang der alkohol übernommen.
Zitat von Ilo132 im Beitrag #11 ... bis die Seele es lernt Gefühle auszuhalten.
..das ist wohl auch der Punkt, der zum Alkkohol geführt hat. Das man Gefühle nicht zulassen wollte, verdrengen; dass man sich diese Gefühle zu sehr zu Herzen genommen hat.
oh ja - du sprichst mir aus der seele. während es bis ende der vergangenen woche ruhiger lief, ging es auf der gefühlsachterbahn in den vergangenen beiden tagen wieder mal ganz tief runter. heute in der gruppe konnte ich kein einziges wort sagen, war wie eingefroren. nachher hat mich die gruppenleiterin gefragt, ob ich noch mit ihr reden will. ich brach in tränen aus. ich fühle mich verzweifelt, als versagerin und habe das gefühl, es wird nie mehr besser. mir wird langsam klar, welche menge an gefühlen ich mit hilfe des alkohols unterdrückt habe. aber: ich bin immer noch trocken. unglücklich, aber trocken. und das bleibe ich auch. jetzt erst recht!