"On the road" diese Überschrift passt gut zu mir und so fang ich jetzt einfach mal an...
Hallo zusammen,
ich bin Mari, 55, verheiratet, und fast 4 Jahre ohne Alk. Ich würde mich nicht als trocken bezeichnen, (... was ist das überhaupt für ein Wort?) Ich mag die Bezeichnung für mich nicht und ziehe "abstinent" vor. Warum? Vielleicht weil mich immer noch "nasse" Gedanken begleiten, weil ich immer noch trauere, manchmal?
Mir fehlt das Gespräch mit Betroffenen über die Sucht, über meine Sucht(geschichte) und über mich. Nach einer ambulanten Therapie beim Caritas (Gruppe und Einzel) habe ich noch eine Weile zwei SH Gruppen besucht, die mich aber nicht wirklich angesprochen haben.
Von den wenigen Menschen, aus der Therapie-Gruppe, mit denen ich mich später manchmal privat getroffen habe zum Quatschen, ist keiner mehr trocken. Diese Kontakte habe ich, aus Sorge um mich, ausgeschlichen.
Fast vier Jahre sind ja schon mal ein guter Abstand zum Suff - empfindest du dich immer noch "auf dem Weg (on the road)" diesbezüglich? "Nasse" Gedanken ab und zu sind durchaus normal. Ich hatte kürzlich mal wieder einen - kleinen - nach 11 Jahren Abstinenz. Solange du genug kritische Distanz zu diesen Gedanken wahren kannst und nicht gleich draufspringst, können sie dir nicht allzu viel anhaben.
Erzähl mal. Wie lebst du, was tust du, was macht dir Freude, was macht dein Umfeld in Punkto Alk? Und lies hier mal rum, es gibt viele interessante Geschichten.
Grüße, sole
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
4 Jahre sind doch schom eine Hausnummer! Ich beschreibe mich auch als abstinent; das Wort 'trocken' hat für mich a Gschmäckle, da es mir als "wertend" begegnet ist - Du bist ja noch gar nicht trocken, bla blup... Apopos 'nasse' Gedanken: ich behaupte mal, die werden Dir, wenn auch in abgeschwächter Form, bis an Dein hoffentlich seliges Ende bleiben. Obwohl ich nun doch schon einiges Jahre Abstinenz hinter mir habe, läuft mir ab und an doch die Spucke im Mund zusammen, wenn ich in einem bairischen Krimi die Schauspieler ein Karg- oder Unertl-Weißbier trinken sehe. Ist doch ok so; ich spüre die Lust, aber gleich danach kommt die innere Stimme mit der Gewißheit, daß allerhöchstens der erste halbe Schluck das hält, was der Plempel verspricht. Und dann ist gut - manches Mal mit gaaanz leisen Bedauern.
Schau Dich um, erzähl a bisserl von Dir - nur wenn Du magst natürlich -. Die Jungs, auch die Madln beissen hier nicht, auch wenn es manchmal so aussieht. Aber wie im berühmten gallischen Dorf sitzen wir am Ende friedlich beim Feiern zusammen.
Herzlich willkommen Mari! Mir ist direkt die eine Frage ins Auge gesprungen wg. Trauer - geht es da konkret um Alkohol? Deine Aussage zu den Teilnehmern der ambulanten Reha weckte in mir eben ungute Gefühle. Ich bin noch in einer amb. Reha und war kürzlich beim Jahrestreffen mit ehemaligen Teilnehmer etwas geschockt wieviele doch heftig rückfällig wurden bzw. etwas verkaufen wollten, wie souverän sie mit regelmäßigen "Vorfällen" klar kommen. Aber gut. Ein Reminder, dass ich mich da vorrangig um mich selbst kümmern muss - unabhängig was anderen gelingt oder auch nicht.
Ja, vier Jahre sind eine lange Zeit und eine deutliche Distanz zum Alk, die ich auf jeden Fall bewahren möchte. Manchmal tue ich mir immer noch selbst ein bisschen Leid (besonders Nov/Dez), von wegen: "kann nie mehr" bzw. "darf nie mehr" , doch sagt mir mein Verstand: bist de eigentlich bescheuert?
Eigentlich sind es immer nur Augenblicke, die mich an die (vermeintlich) wohltuende Wirkung von Alk erinnern. Ich habe mir angewöhnt jedem "positiven" Gedanken an Alk eine harte Erinnerung entgegen zu setzen.
Alkohol spielt schon seit meiner Kindheit eine Rolle in meinem Leben. In meiner Familie gab es einige Alkoholiker: Tante, Onkel, Bruder und vielleicht auch meine Mutter. Besonders die Geschichte meines vier Jahre älteren Bruders, der als Jugendlicher schon drauf war, hat mich sehr geprägt. Mit dem Thema Sucht bin ich seit meiner Jugend beschäftigt, habe schon früh meine Familie analysiert, versucht meine Eltern, die Co´s, zu "erziehen", eine Diplomarbeit als Soz. Päd. über Spielsucht verfasst um dann selbst zu scheitern.
Aber vielleicht musste alles so kommen ... und trotzdem fühle ich mich manchmal schuldig. Von allen oben genannten lebt inzwischen keiner mehr und alle Sorge war umsonst.
Ich bin noch nass hier aufgeschlagen, das Forum war der erste Schritt auf meinem Weg in die Trockenheit. Ein ganzes Jahr nach meiner Anmeldung habe ich noch geeiert, aber dann habe ich's kapiert, Entgiftung, Therapie und anschliessend SHG bis heute. Die Shg tut mir immer noch gut, ich fühle mich wohl in der Gruppe und auch, wenn ich recht sicher bin, dass ich auch ohne Gruppe "trocken" bleiben würde, gehe ich gerne hin. All das liegt mittlerweile 11 Jahr zurück.
Wie du siehst, bin ich dem Forum (aus dem ich mittlerweile auch einige persönlich kenne) bis heute treu geblieben.
Ich freue mich, dass du hergefunden hast. Es ist eher außergewöhnlich (im besten Sinn), dass jemand, der schon 4 Jahre abstinent lebt, sich hier anmeldet.
"Mir fehlt das Gespräch mit Betroffenen über die Sucht,..."
Genau das ist es, weshalb ich noch hier bin und auch in die SHG gehe. Meine Erfahrung ist, dass man mit einem "Nichtsüchtigen" nicht reden kann, er versteht es einfach nicht und man endet immer wieder beim alten Spruch "Dann trink halt einfach nicht so viel".
Ich wünsche dir einen regen Austausch hier und dass du dein schönes "Polster" an alkoholfreiem Leben fleißig weiter ausbaust.
Liebe Grüße vom Grufti! Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)