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Saufnix  
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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Deine eigene Alkoholkarriere
richie Offline




Beiträge: 395

18.05.2002 21:16
RE: Richie Teil 1 Zitat · Antworten

So, hab jetzt zumindest einen Teil meiner Geschichte geschrieben, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, als ich das erste Mal die SHG besuchte. (alles weitere folgt dann irgendwann spaeter).
Der Versuch, es emotionslos und unpersönlich zu schreiben, ist leider nicht gelungen, ich kam nicht daran vorbei, andere Dinge aus meinem Leben zu erwähnen. Es gibt natürlich keine "Gründe" für's Saufen, aber wohl doch Situationen, die die "Karriere" beschleunigen.


richie Offline




Beiträge: 395

18.05.2002 21:16
#2 RE: Richie Teil 1 Zitat · Antworten

Geboren am 5.7.66, Großstädter (Wien); im wesentlichen eine glückliche Kindheit, keine zerrütteten Familienverhältnisse; allerdings schon immer extrem schüchtern und eher Einzelgänger.
Besonderes: Eltern ziemlich alt (Vater 50, Mutter 44 bei meiner Geburt), 2 erwachsene Halbbrüder väterlicherseits)
Silvester 79:
erster Schluck Alkohol (Sekt), reflexartig ausgespuckt (auf den neuen Teppichboden, sehr zur Freude meiner Mutter)
1980:
komme drauf, dass ich mich nach einem Bier wohler fühle, meine Probleme und meine Schüchternheit sind weggeblasen. Rückblickend kann ich heute sagen, dass ich schon damals wegen der Wirkung getrunken hab, obwohl zwischen den einzelnen Gelegenheiten, Alkohol zu trinken, anfangs noch Monate waren, waren doch schon damals Denkweisen wie "bis zum Aufbruch geht sich noch ein Bier aus" für mich normal.
Irgendwann in diesem Jahr auch meine erster Rausch: an einem schönen Sommernachmittag mit meinem erwachsenen Bruder im Biergarten, bis zum Abend 7 Bier. In diese Zeit fällt auch der Anfang des heimlichen Rauchens.
1980-1984:
Bei allen Gelegenheiten (Einladungen, Feste) trinke ich Bier zum Essen. Auch bin ich in Cliquen, in denen Rauchen und Alkohol trinken als "cool" angesehen wird. Mein Selbstwertgefühl wird somit teilweise auch darüber definiert, denn obwohl sonst körperlich eher schwächlich, stellt sich heraus, dass ich im Vergleich zu anderen kräftiger gebauten Burschen erstaunlich viel vertrage. (Oft sind die meisten schon am Kotzen und/oder können nur mehr lallen, bin ich noch einigermaßen bei Sinnen).
1984-1990:
Physikstudium, ich wohne bei meinen Eltern, habe immer noch ein zu geringes Selbstwertgefühl und leide darunter, dass ich noch keine Freundin habe. Regelmäßiger Alkoholkonsum, wenngleich noch in sozialem Rahmen (1 Bier Mittags, 1 Bier Abends und fallweise noch eines vor dem Schlafengehen)., bei Feiern oder sonstigen Anlässen jedoch deutlich mehr (Leute, die bei Feiern nichtalkoholische Getränke trinken, obwohl sie nicht Autofahren müssen, sind mir irgendwie suspekt).
1991:
Eintritt in die Arbeitswelt; außerdem lerne ich meine (heutige) Frau Johanna kennen. Der Job macht Spaß, Johanna und ich ziehen zusammen in eine Wohnung in Wien. Johanna hat einen 4jährigen Sohn (Lukas), der jedoch in der Steiermark in einem kleinen Ort (Radmer / Bezirk Leoben) bei den Großeltern wohnt, sie wollte bereits in Wien kündigen und sich dort in der Gegend nach einem Job umsehen, bleibt aber mir zuliebe in Wien. Wir machen jede 2. Woche ein verlängertes Wochenende in der Steiermark (3 Stunden Fahrzeit). Außerdem zeichnet sich schon bald "Krieg" zwischen meiner Mutter und Johanna ab.
1992 -1996:
Wir heiraten im September 1992 (Zitat meiner Mutter: "Mein Vater ist im September deportiert worden - alle schrecklichen Dinge passieren im September"). Johanna leidet sehr unter der Trennung von Lukas. So wie ich früher glaubte, alle meine Probleme wären gelöst, wenn ich nur endlich eine Freundin hätte, so glaube ich nun, alles wäre okay, wenn die regelmäßigen Streitereien wegen Wien und wegen meiner Mutter nicht wären.
Alkoholkonsum: langsam steigend, meiner Frau scheint es jedoch nicht aufzufallen (ich werde allerdings auch nie aggressiv, höchstens depressiv)
Im März 1995 wird unsere Tochter Xenia geboren.
1997:
plötzliche unerwartete Arbeitslosigkeit, mein Alkoholkonsum steigt, es kommt zu ersten Differenzen deswegen. Auch fällt mir auf, dass meine Tochter mich immer mit einer Bierflasche zeichnet. Ich erhalte die Möglichkeit, im Sommer 3 Monate in einem EU-Projekt in Marseille zu arbeiten; wir entschließen uns, dass Johanna & Xenia mitfahren.
Wenige Tage vor der Abreise kommt es zum 1. Eklat: ich habe an einem Tag ziemlich viel getrunken, obwohl ich zuvor beim Zahnarzt einige starke Spritzen bekam. Die Kombination bewirkt, dass ich ziemlich zu bin, und das erste Mal auch aggressiv. Johanna stellt mich vor die Alternative, entweder ich höre sofort mit dem Biertrinken auf, oder sie und Xenia kommen nicht mit nach Marseille. Ich trinke ab dem nächsten Tag nur alkoholfreies Bier. Der Marseille-Aufenthalt dauert etwas länger als 90 Tage, daher fahre ich eine Woche vorher mit dem Auto voraus, Johanna & Xenia kommen per Flugzeug nach. In der 1. Woche allein in Marseille trinke ich wieder wie gewöhnlich mehrere Bier am Abend, ebenso in der letzten Woche (wieder allein). Dazwischen lebe ich alkoholfrei, abgesehen von wenigen Anlässen, bei denen ich ganz normal und sozial 1-2 Gläser Wein trinke.
Diese 3-monatige Abstinenz ist für mich, und auch für Johanna der Beweis, dass ich kein Alkoholiker bin.
Zurück in A zunächst wieder mehrere Monate arbeitslos, Johanna und Xenia wohnen inzwischen in Radmer, ich pendle zwischen der Steiermark und Wien hin und her.
1998 - 2000:
Im Frühjahr 1998 ein Stellenangebot an der Uni Leoben, dies scheint die Lösung aller Probleme zu sein: ich nehme die Stelle an, übersiedle auch nach Radmer, wir sind alle eine große Familie (gemeinsamer Haushalt mit meinen Schwiegereltern, zu denen ich ein gutes Verhältnis habe), und der das "Schwiegermutterproblem" meiner Frau ist auch durch die Distanz zu Wien gelöst.
Rechnung ohne den Wirt gemacht: im neuen Job gefällt es mir bei weitem nicht so gut wie in meinem früheren, auch habe ich wahnsinnig Heimweh nach Wien, und meine Mutter hat durch regelmäßige Anrufe immer noch eine gewisse "Kontrolle" über uns.
Mein Alkoholkonsum steigt stetig, und es gibt auch immer öfter Krach deswegen - die üblichen "Spielchen" zwischen Alkoholiker und Co-Alkoholiker (Bitten, Versprechen, Schimpfen, Vorräte verstecken, Flaschen ausleeren) Ab Frühjahr 2000 haben wir getrennte Schlafzimmer, im Sommer will sich meine Frau von mir trennen - ich suche mir eine kleine Wohnung in Leoben und werde Wochenpendler.
Herbst 2000 - Mai 2001:
Mir ist alles egal, natürlich sehe ich in meinem Zustand keinen Fehler bei mir, nur die böse Umwelt ist schuld. Ich beginne nun, auch tagsüber zu trinken. Und während der Woche kontrolliert mich ja keiner, am Arbeitsplatz falle ich noch nicht auf. In diese Zeit fällt auch der Übergang von der rein psychischen Abhängigkeit zur körperlichen: wenn ich keinen Alkohol trinke, beginnen meine Hände zu zittern. Winter 2000/2001: mein Saufen wird schlimmer, meine Arbeit freut mich überhaupt nicht mehr, einmal nehme ich mir sogar ein paar Tage frei, um ungestört saufen zu können. Manchmal melde ich mich auch krank, was aber aufgrund einer zu dieser Zeit grassierenden Grippe-Epidemie nicht so auffällt. Außerdem werde ich von unerklärlichen Depressionen heimgesucht; oft möchte ich mir am Morgen die Bettdecke über den Kopf ziehen und gar nicht aufstehen. Auch Selbstmordgedanken kommen immer wieder, und rückblicken bin ich wohl nur deshalb noch am Leben, weil mir trotz intensivem Nachdenkens keine Methode eingefallen ist, die erstens absolut sicher und zweitens schmerzfrei ist (an Schlaftabletten kommt man ja normalerweise nicht so einfach ran).
Seltsamerweise wird aber durch die Trennung das Verhältnis zu meiner Frau wieder besser, jedoch halte ich mich am Wochenende auch mit dem Saufen zurück. (Jedoch kann ich kaum den Montagmorgen erwarten, wo ich unterwegs mein Bier trinken kann) Um keine Entzugserscheinungen zu haben, reichen 2-3 Bier täglich, jedoch werden es manchmal auch 10 und mehr.
Anfang 2001 geht's mir auch körperlich immer schlechter. Appetitlosigkeit und Phasen, in denen ich mich nur mehr flüssig ernähre, bereits einige Kilo abgenommen.
Mai 2001:
Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit meiner Frau, in der sie mir mit Scheidung droht (und irgendwie spüre ich, dass es diesmal ernst ist), sowie eines deutlichen Nachlassens meiner beruflichen Leistungen, erkundige ich mich nach Hilfsangeboten in der Nähe und finde heraus, dass es in Leoben 2 mal wöchentlich ein AA-Meeting gibt. Am 29. Mai begebe ich mich zum ersten Mal dort hin, nachdem ich mir vorher noch ordentlich Mut angetrunken habe.


tommie Offline




Beiträge: 10.596

18.05.2002 21:44
#3 RE: Richie Teil 1 Zitat · Antworten

Hi Richie,

woow, das erinnert mich in vielen kleinen Einzelheiten an meine eigene "Entwicklung". Da zeigt sich doch wieder einmal, daß es anscheinend doch so eine Art roter Faden gibt, der etliche Punkte bzw. Stationen miteinander verbindet.
Erstaunlich bei dir finde ich, daß du doch relativ schnell Hilfe gesucht hast. Bei mir hat das immerhin 4 lange Jahre gedauert.

tommie


richie Offline




Beiträge: 395

19.05.2002 10:36
#4 RE: Richie Teil 1 Zitat · Antworten

naja, "schnell" ist ein relativer Begriff - der Zeitpunkt, wo ich mir zum erstenmal Gedanken über meinen Alkoholkonsum machte, ist auch schon Jahre her.
Und als ich mich das erste Mal über AA schlau machen wollte, hab ich nur eine Telefonbucheintragung in Graz (zu weit weg), somit für mich die "Entschuldigung": ich wollte ja eh was tun, aber bei uns gibt's ja nix...


Sonni Offline



Beiträge: 53

21.05.2002 00:11
#5 RE: Richie Teil 1 Zitat · Antworten

Hallo ihr beiden,

ich erkenne auch immer mehr Parallelen zwischen den wenigen Fällen, die ich jetzt kenne.
Diesen "roten Faden" scheint man oft zu finden.
Bin gespannt auf den Teil 2 von Richie.

Liebe Grüße,
Sonni


Nachtigallxxx ( gelöscht )
Beiträge:

27.05.2002 00:31
#6 RE: Richie Teil 1 Zitat · Antworten

Ja, wo bleibt er denn, der zweite Teil? Ich würde ihn auch gerne lesen!

Liebe Grüße
Anja


richie Offline




Beiträge: 395

27.05.2002 11:41
#7 RE: Richie Teil 1 Zitat · Antworten

sorry, hab im Moment ziemlich viel beruflich um die Ohren - wird wohl noch ein Weilchen dauern...


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