die nächste Kategorie auf der Homepage wird sein: "Alkohol in Schwangerschaft und Stillzeit". Da ich als Mann diesbezüglich logischerweise über keinerlei Erfahrungen 'am eigenen Leib' verfüge, bin ich sehr empfänglich für Anregungen etc. . Ich habe mich zwar mit genügend theoretischen Fakten und Infomaterial eingedeckt, versuche auch, das auf ein vernünftiges und lesbares Format zu bringen, aber Erfahrungen bringen vielleicht mehr als pure Theorie. Ihr könnt mir eine nmail schreiben, natürlich auch Emailen ohne.alk@gmx.de oder hier schreiben.
Die Risiken, denen Kinder aus Alkoholikerfamilien unterliegen sind groß, die Schädigungen können ebenso groß und recht vielfältig sein.
In Bezug auf körperliche Schäden und Auswirkungen ist zunächst an (teils bleibende) Beeinträchtigungen durch Mißhandlungen zu denken. Diese Folgen mißbräuchlicher Ausübung des elterlichen Sorgerechts können sich in Familien in denen mindestens ein Elternteil abhängigkeitskrank ist -ebenso wie auch die sexuellen Mißbrauchs- leichter und schneller ergeben, als in anderen Familien. Dies ist zum einen der jeweils akut enthemmenden Wirkung der Droge Alkohol zuzuschreiben, andererseits dem im Verlauf der Suchtkarriere sich steigernden ethischen Abbau dem der Betroffenen unterliegt. Verschiedenste Desorganisations-erscheinungen des Familiensystems können im Verlauf zur Verschärfung der psychischen Belastung aller Beteiligten führen, was die Tendenz zu Mißbrauch und Mißhandlung verstärken kann. Zu bedenken sind in diesem Zusammenhang ggf. auch Mangelerscheinungen und Krankheiten die bei den Kindern aufgrund schlechter / einseitiger Ernährung und unzureichender Hygiene auftreten können.
Ein besonderes -und besonders trauriges- Kapitel stellt sich in Gestalt der Kinder dar, deren Mütter während der Schwangerschaft Alkoholmißbrauch betrieben. Der Fachbegriff für die sich ergebenden Schädigungen lautet "fetales Alkoholsyndrom" oder "Alkoholembryopathie".
Nach einer langen Zeit des (Ver-)Schweigens sind nun auch diese Schäden untersucht und dargestellt worden. Merfert-Diete (1997,S.2-3) führt hierzu folgendes aus:
"Unter fetalem Alkoholsyndrom (oder Alkoholembryopathie) versteht man eine Schädigung des Kindes, die durch übermässigen und / oder dauerhaften Alkohol-konsum der Mutter während der Schwangerschaft entstanden ist.
Selbst für den erfahrenen Arzt ist es nicht immer einfach, das Vorliegen eines fetalen Alkohol- syndroms festzustellen, besonders bei leichteren Fällen.
Zwar gibt es eine Reihe typischer körperlicher Anzeichen, wie
kleiner Kopfumfang (Mikrozephalie) Hautfalten an den Augenecken kleine Augenöffnungen tiefe Nasenbrücke kurze abgeflachte Nase dünne Oberlippe kleine Rinne zwischen der Oberlippe und der Nase (philtrum) Minderwuchs und Untergewicht In vielen Fällen bewegen sich jedoch kleine Körperanomalien an den Extremen des normalen Entwicklungsspektrums.
Dies gilt auch für Verhaltensauffälligkeiten und geistige Entwicklungsverzögerungen, wie
Hyperaktivität Aufmerksamkeitsmangel Lernschwierigkeiten Gestörte Feinmotorik Schwierigkeiten, sich an neue Bedingungen anzupassen verzögerte geistige Entwicklung Sprachstörungen Hörstörungen Eßstörungen ... In schweren Fällen können auch an Herz, Geschlechtsorganen und Nieren sowie an Extremitäten und dem Skelett Fehlbildungen auftreten und irreversible Hirnschäden entstehen. Für leichtere Schädigungen des Fetus durch Alkohol hat man den Begriff der ‘fetalen Alkohol- Effekte’ (FAE) geprägt. .. Unter allen vorgeburtlichen Schadstoffen hat Alkohol die größte Verbreitung und die größte medizinische Bedeutung. Obwohl das fetale Alkoholsyndrom eine der häufigsten Schädigungen ist, bei welchen Substanzen Mißbildungen hervorrufen, wird es kaum zur Sprache gebracht: es wird allenthalben verdrängt, verharmlost und verschwiegen. Zwar gibt es in Deutschland keine Statistik über die Häufigkeit des fetalen Alkoholsyndroms, doch lassen Studien aus Deutschland, den Vereinigten Staaten und Frankreich den Schluß zu, daß auf tausend Geburten drei Neugeborene alkoholgeschädigt sind."
Hiermit ist eine recht umfassende Darstellung der möglichen (Dauer-)Störungen gegeben. Klar wird, daß, zumindest bei schweren und schwersten Schädigungen, diese Kinder in den sogenannten "normalen" pädagogischen Einrichtungen (Hauptschule, offene Einrichtungen, u.ä.) tendenziell nicht zum Klientel gehören. Hingegen werden sie in speziellen sonderpädagogischen Einrichtungen durchaus nicht selten zu finden sein.
Weiterhin wird klar, daß in diesem Feld physische und psychische Schäden relativ schwer voneinander isolierbar sind und in der Praxis ja auch oft genug kombiniert auftreten.
Einige der beschriebenen Phänomene (wie Aufmerksamkeitsmangel, Lernschwierigkeiten, usw.) können, müssen aber nicht auf vorgeburtlichen Schädigungen beruhen. Die Ursache kann hier nämlich auch die erst nach der Geburt manifest gewordene Suchterkrankung eines Elternteils sein, d.h. aufgrund der (immer desolater werdenden) Lebens- und Familiensituation entwickeln sich diese Symptome.
Diese Störungen des (Familien-)Lebens können unterschiedlich geartet und auch unterschiedlich gravierend sein. Grundsätzlich aber eskaliert die Situation, wenn auch oft erst über einen Zeitraum von Jahren hinweg.
Die Kinder werden (sehr) früh stark gefordert und überfordert: Geschwister sind zu versorgen, die Mutter muß beruhigt und getröstet werden, der Vater wird von Ihnen aus der Stammkneipe abgeholt, sie erleben "Besäufnisse", Entzugssituationen und ähnliche Peinlichkeiten mit. Streitereien (teils tätliche) und/oder äußerst angespannte "Ruhe" begleiten zunehmend das emotionale Leben der Familie.
Gefühle von Zuverlässigkeit, Geborgenheit, u.ä. gehen mehr und mehr verloren.
Ähnlich schildert dies auch Gilbert Fritsch vom Deutschen Guttempler-Orden:
"Wir sind davon ausgegangen, daß ein Kind umso stärker in seiner seelischen und sozialen Entwicklung gestört wird, je jünger es in der Krankheitsphase des suchtkranken Elternteils ist. Am meisten gefährdet ist also das Kind, von dem die Eltern meinen, es sei ja noch zu klein, um das Geschehen zu begreifen. ...
Die fortschreitende Suchterkrankung besetzt aber in dem Netz der Familie einen derartig großen Raum, daß für kaum etwas anderes Platz bleibt. Vor allem nicht für das Kind und seine Bedürfnisse. Es findet, je jünger es ist, kaum die Gelegenheit, in der es Geborgenheit, Sicherheit und Bindung erfährt. Es erlebt vielmehr Unsicherheit, Kälte und distanzierte Bedürfnisbefriedigung; es fühlt sich alleine gelassen und kann keine Identifikation im Sinne seiner Ich-Entwicklung erfahren. Oft wird es nicht einmal mit dem Nötigsten versorgt. Schwere schizoide Störungen können die Folge sein. Im Laufe der Zeit vergrößern sich seine Ängste, seine Verwirrtheit und die ständige Überforderung möglichst selbständig sein zu müssen. Dieses Dilemma des Kindes wird von dem nicht suchtkranken Elternteil nicht wahrgenommen, da dieser durch die Krankheit des Partners oder der Partnerin ebenso verunsichert, verwirrt und überfordert ist." (Ministerium für Kultur, Jugend, Familie und Frauen Mainz (Hrg.),1997,S.90)
Diesen Ausführungen und Schilderungen ist nicht mehr allzuviel hinzuzufügen. Ein beeindruckendes Bild der möglichen, ja wahrscheinlichen körperlichen und geistig-seelischen Schäden wird hier gezeichnet.
Dennoch ist der "Negativ-Katalog" damit noch nicht abgeschlossen: neben die physischen und psychischen Beeinträchtigungen treten die sozialen Folgen und Spätfolgen, die Kinder aus Alkoholikerfamilien erleiden. Auch diese bleiben den Kindern oft noch bis ins Erwachsenenalter oder auch für immer "erhalten".
Die belastende, ungute Familiensituation "strahlt" sehr schnell auch auf das Verhalten der Kinder außerhalb der Familie "aus". Dies betrifft ihr Erleben und Verhalten im Kindergarten, in der Schule, der Freizeit, usw.
Eine interessante Analyse der Situation von Kindern aus Alkoholikerfamilien in der Schule liefert in diesem Zusammenhang Bertling (1993,S.138):
"... nicht nur die Kinder von Alkoholikern tun sich schwer mit mitmenschlichen Beziehungen. Auch die Mitschüler und Gleichaltrigen bauen eventuell eine initiierte mißtrauische Grundhaltung auf, in der die sozial-strukturelle Gewalt deutlich zum Ausdruck kommt und enge, gute Freundschaften zu Kindern aus Alkoholikerfamilien unmöglich macht. Das bei einigen mitbetroffenen Kindern auftretende aggressive und hyperaktive Verhalten kann ebenfalls zu dem Verhalten der Mitschüler beitragen, mit diesen Kindern nur den absolut zwingendsten Kontakt aufzunehmen, aber darüber hinaus diese innerhalb der Klassengemeinschaft zu isolieren. Die Absicht der Kinder von Alkoholikern, sich durch ein derartiges Verhalten Aufmerksamkeit zu verschaffen, gelingt zwar, aber eine engere Beziehung bleibt ausgeschlossen. Finden Kinder von alkoholkranken Eltern über eine lange Zeit keinen Kontakt zu ihren Mitschülern oder bauen keine Freundschaften auf, so werden sie immer unsicherer in der Kontaktaufnahme und wissen im Laufe der Zeit gar nicht mehr, wie dieser hergestellt wird. Die daraus folgende soziale Isolation, sei sie durch eigenes oder fremdes Verhalten hervorgerufen, läßt einen erneuten ,,Teufelskreis" beginnen, aus dem diese Alkoholikerkinder ohne fremde Hilfe nicht mehr herausfinden und dessen Ende sich dann unter Umständen in Neurosen der Kinder widerspiegelt."
Dieses Szenario läßt sich nach Ansicht des Verfassers ohne weiteres auf die Situation der Kinder etwa in Kindergärten, offenen Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, u.ä. übertragen.
Kann in dieser Lebenssituation nicht gezielt interveniert und geholfen werden, sind negative Auswirkungen auf das spätere Leben des jeweiligen Kindes sehr wahrscheinlich. Treten gar noch traumatischere (Einzel-)Erfahrungen, wie z.B. besondere Gewalttaten / Tötungsdelikte des suchtkranken Elternteils, sexueller Mißbrauch, o.ä. hinzu, ist die "beste" Grundlage für ein schwer gestörtes, späteres Leben als Erwachsener gelegt, die nur äußerst schwer bzw. gar nicht mehr sinnvoll aufgearbeitet oder überwunden werden kann.
Diesen Schluß legen zumindest -unter anderem- auch verschiedene Untersuchungen an erwachsenen Kindern von suchtkranken Eltern nahe.
Negative Auswirkungen auf das (spätere) soziale Leben der Kinder können sich demnach in den Bereichen Schule, Beruf, Partnerschaft, etc. ergeben.
Ein recht umfassendes Bild der Risiken und Schäden wurde bis hierher bereits gezeichnet. Es sollte die Wichtigkeit des Themas "untermauern", aber auch erste Hinweise geben, die das Erkennen derartiger Kinder und Jugendlicher erleichtern, denn dies ist Voraussetzung für adäquate Hilfe.
Bevor dieser Abschnitt aber abgeschlossen werden kann, soll noch ein besonderer Hinweis zum Stichwort "Suchtkrankheit" erfolgen. Nur allzuoft nämlich geraten Kinder süchtiger Eltern ihrerseits in den Sog der Abhängigkeit. Dies stellt eine Tatsache dar, wobei man sich allerdings vor Generalisierungen wieder einmal hüten sollte.
Hallo Tommie, in Bezug auf deine Frage hat Burkard die richtigen wissenschaftlichen Fakten genannt.Aber eines ist aus eigener Erfahrung anzumerken: Eine Frau, die psychisch vom Alkohol abhängig ist und offen für das emotionale Erleben einer Schwangerschaft und dem Gefühl ein eigenes Kind in den Armen zu halten, das einen so braucht kann das Trinken aufgrund dessen sein lassen. Zumnindest mir ist es so gegangen. Als ich erfuhr, dass ich schwanger bin - und das hatte ich mir immer gewünscht, sah ich einen neuen Sinn im Leben und das hat mir geholfen aufzuhören. Ich hatte echte Scheiss- Schwangerschaften, was meine psychische Verfassung anging, aber das Kind in meinem Bauch hat mir geholfen stark zu sein. Da ich zwei Kinder innerhalb von 14 Monaten bekommen habe und die entsprechende Stillzeit drangehängt war, war ich fast zwei Jahre trocken. Die ganze Zeit hatte ich eine echte Horrorehe und war total fertig. Ich habe eine andere Sucht entwickelt - das Laufen mit Babyjogger.Gesundheitlich unbedenklich - im größerem Ausmaß haben mich ja auch meine Kinder gestoppt. Dann war ich alleinerziehend, die Kinder sind nun 3 + 4 Jahre alt, durch Job, Kinder und andere Verpflichtungen kann ich jetzt einfach nicht mehr so raus wie ich will. Also habe ich wieder angefangen zu trinken.Weil auch das Gefühl akut gebraucht zu werden nicht mehr so stark ist. Die Kleinen sind schon an Tagesmutter und Kindergarten delegiert (war für mich ein schwerer Schritt)und ich rede mir ja immer ein, sie merken es nicht wenn ich abends trinke. (Ich berichtete schon im Beitrag zu chaosgirl) Ich will damit zwei Dinge sagen: Zum einen kann das gebären eines Kindes ein guter Schritt in Richtung Aufhören sein, wenn man dieses emotional zulässt. Dann muss aber auch eine Phase folgen, in der die psychologisch ungünstige Trockenheit (nämlich wegen anderen-den Kindern) in eine Trockenheit sich selbst zuliebe umgewandelt wird. Das kann dann durch die Gewohnheit nicht zu trinken einfacher sein. Ich selbst habe die zweite Phase verhunzt. Aber um richie zu zitieren.still fighting!