Ich habe „erst“ vor 10 Jahren begonnen, Alkohol zu trinken. „Sozial anerkannt“ am Anfang, und bald die positiven Wirkungen kennengelernt, wurde der Alkohol schnell zum Problemlöser. Allerdings schmeckte er mir nie wirklich und war letztendlich auch zu teuer, und ich begann vor ca. 8 Jahren, ihn mit Benzodiazepinen (Tranquillizer) zu kombinieren. Endlich schien das ideale Mittel gefunden.....nun genügte viel weniger Alkohol, vielleicht zwei Bier, und ein, zwei Pillen, und ich war „high“, dieser Ausdruck passt fasst besser als betrunken. „Nur“ betrunken jedenfalls habe ich solche Abstürze nie erlebt.....und nie solches Wohlgefühl. Erst mal war Schluß mit dem morgendlichen Kater, nur ein wohlgesonnenes Müdigkeitsgefühl und eine gewisse Gleichgültigkeit.
Irgendwann mußte ich dann aber doch – wie könnte es anders sein – die Dosis steigern, der Alkohol wurde mehr, zum Bier oder Wein kam Hochprozentiges dazu, mehr Pillen. Ich hatte die ersten Aussetzer, mir fehlten ganze Nächte in meiner Erinnerung, ich wußte nicht mehr, mit wem ich den Abend verbracht hatte oder wachte neben scheinbar Unbekannten auf.....Nach solchen Abenteuern war ich immer erst einmal geläutert, ich konnte bis zu Wochen abstinent bleiben. Nach beendeten Liebesaffären oder unglücklichem Verliebtsein waren meine Abstürze immer am häufigsten und schlimmsten. Vor zwei Jahren dachte ich, alleine (ich hatte zwar 1996 eine Psychoanalyse begonnen, die allerdings überhaupt keinen positiven Einfluß auf mein Suchtverhalten hatte) nicht mehr klar zu kommen und ging auf Anraten meines Psychoanalytikers für zwei Monate in eine psychosomatische Klinik. Leider gab es dort überhaupt kein therapeutisches Setting für Suchtkranke, ich war scheinbar der Einzige, hatte eine wirklich schöne Zeit dort mit vielen Freiheiten, ich sah die Zeit eher wie einen verlängerten Urlaub. Ich machte zwar jede Therapie mit, Gruppen und Einzelsitzungen (bei letzteren war auch die Sucht immer das Hauptthema), aber als ich nach zwei Monaten nach Hause kam, hatte sich eigentlich in mir nichts verändert.
Alle Probleme waren wieder da, ich fühlte mich einsam, und nach wie vor kannte ich nur eine Möglichkeit, aus meiner Isolation herauszukommen. Alkohol und Benzos, und schon war ich besser gelaunt oder kommunikativ oder dachte, verliebt zu sein, ja, konnte mich geradezu hineinsteigern in eine Gefühlsebene zu Menschen, die nüchtern keinerlei Bedeutung für mich hatten. Aber wieder kamen bessere Phasen mit wochenlangen Abstinenzen, vom Alkohol wurde ich nie körperlich abhängig, vom Benzodiazepin schon, sobald ich es bemerkte, dosierte ich mich langsam herunter und schaffte auch wieder Wochen ohne, nur mit „normalem“ Alkoholkonsum.
Im letzten Oktober ging wieder eine kurzfristige Beziehung zu Bruch, ich wurde verlassen....und es tat dermaßen weh, ich trank und trank – und merkte zum ersten Mal in meinem Leben: Ich kann nicht mehr aufhören zu trinken. Nach jedem Tequila war der Schmerz erträglicher, nach einer halben Stunde kam er aber wieder, und ich konnte und wollte ihn nicht mehr aushalten. Der Exzess dauerte ein paar Tage, dann ging es mir langsam besser, ich trank täglich „nur noch“ ein bis zwei Flaschen Wein oder eine Flasche und ein paar Schnäpse. In der Zeit merkte ich wieder, wie schlimm ich schon „dabei“ war. Ich suchte eine Suchtberatung auf und bekam einen Platz in einer Motivationsgruppe, die die Vorbereitung für eine Entgiftungstherapie, eine ambulante Therapie oder eine Langzeittherapie sein sollte. Da ich ja nach wie vor tagelang nichts trinken konnte und auch keinerlei Entzugssymptomatiken hatte, entschloß ich mich zur Anmeldung für eine Langzeittherapie, 16 Wochen waren von meiner Sozialarbeiterin beantragt und von der Versicherung auch bewilligt worden. Das war Ende Dezember.
In der Zwischenzeit geht es mir psychisch wieder besser, der Liebeskummer ist vorbei. Ich trinke fast täglich, oft nur ein Bier, dann auch wieder mal eine Flasche Wein oder auch mal Härteres dazu. Schlimme Abstürze wie früher hatte ich nie, der Benzodiazepin-Gebrauch ist selten....gelegentlich, wenn ich in „besondere Höhen“ gelangen möchte......
Was mache ich mit meinem bevorstehenden Klinik-Aufenthalt? Ich müßte nur noch anrufen......aber jetzt hab ich kalte Füße bekommen. Da ich nicht mehr saufe wie noch vor wenigen Wochen und immer wieder tagelang abstinent bin, denke ich, es alleine schaffen zu können, zumindest mit einem weniger aufwendigen therapeutischen Setting, z.B. einer ambulanten Gruppe, Einzeltherapie oder einer SHG. Die 16 Wochen erscheinen mir zu viel, zu aufwendig, das dann erforderliche Outing beim Arbeitgeber erschreckt mich, nein, so krank bin ich doch nicht.....
Jeden Tag verschiebe ich meine endgültige Entscheidung, ja, nein, ja, nein, alleine das stresst mich ungemein. Ein riesiger Berg, den ich nicht alleine bewältige. Jetzt hab ich dieses Forum letzte Woche entdeckt, in vielen, vielen Stunden beinahe alle Beiträge durchgelesen. Vielleicht findet jemand meinen Beitrag und kann mir helfen, klarer zu sehen.....mir helfen, mich zu entscheiden. Übrigens, ich bin jetzt gerade – wohl durch eure Beiträge – drei Tage trocken.
Ist in meiner Situation vielleicht ein bißchen blöd ratschläge zu geben, aber auch ich kann nur sagen ruf an. Habe es mir auch sehr schwer gemacht mit diesem Schritt, habe Einweisung schon vor 3 Monaten erhalten, und immer nur geschoben. Ich hatte auch tausend Gründe, warum nicht gleich, habe mir auch eingeredet die übertreiben alle, das ist nicht so schlimm, ich bin nicht krank...., könnte noch tausende von, für mich Ausreden, aufführen. Es ist nicht leicht den Schritt zu tuen. Aber es geht dann irgendwann.
Hallo Waschbaer! Deine Unentschlossenheit ist verständlich, doch möchte ich Dir sagen, daß sich eine Langzeittherapie für Dich lohnt, sofern Du dort mitarbeitest... Meine LZT ist noch gar nicht so lange her, am 12.11.2002 wurde ich (nach 20 Wochen) wieder in die alkoholgetränkte Realität entlassen. Die Therapie selbst wurde ein Lebensabschnitt, eine Zeit, in der ich mich kennenlernen durfte. Nie möchte ich diese Erfahrung missen, diese Thera hat mir das Leben gerettet! Bitte nimm doch diese Chance die man Dir gibt an! Wenn Du mehr wissen möchtest, melde Dich einfach. Liebe Grüße weimel
danke für die Nachricht, ja, ich würd gern mehr wissen über Deinen Aufenthalt...kann Dich leider nicht persönlich kontaktieren, da Du noch nicht angemeldet bist.....
Vielleicht kannst du Dich einfach bei mir melden oder hier schreiben, was Deine Erfahrungen waren, wie der Tagesablauf etc., und warum Du glaubst, daß Du mit diesen gemachten Erfahrungen Dein weiteres Leben "draussen" meistern wirst.....
Gruß, Waschbaer
Weimel
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gelöscht
)
Beiträge:
27.02.2003 12:04
#9 RE: Langzeittherapie - oder gehts noch ambulant?
Hallo Waschbaer! Toll das Du Dich gemeldet hast. Wenn`s Dir recht ist, melde ich mich morgen nochmal bei Dir,muss gleich weg (dieses Jahr nicht auf die Fastnacht). Bis dahin einen schönen Tag noch. liebe Grüße weimel
Weimel
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gelöscht
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Beiträge:
28.02.2003 10:27
#10 RE: Langzeittherapie - oder gehts noch ambulant?
Hallo Waschbär! Sorry, konnte mich noch nicht früher melden, auch ich habe Fasching gefeiert; zum 1. Mal ohne Alkohol... War gar nicht sooooo schlimm! Zu Deinen Fragen, ich möchte Dir nur mal einen ganz normalen Tagelablauf schildern. Wobei auch hier jeder Tag anders aussieht, es gibt Wochenpläne, und es war mir in 20 Wochen keine Stunde langweilig. 6 Uhr 30 aufstehen 7 Uhr 5 bis 7 Uhr 35 Frühstück ab 8 Uhr Therapieprogramm z. B. Gruppentherapie, Beschäftigungstherapie, Arbeitstherapie, Malen oder Tonen, Sport... 12 Uhr 5 Mittagessen ab 14 Uhr weiter im Programm mit Entspannungsübungen, Kneippen, Tanzen, KBT (konzentrative Bewegungstherapie)evtl. je nach Wetter auch Fahrradtouren, wandern... 18 Uhr 15 Abendessen danach Zeit zur freien Verfügung, die man sich mit seinen Mitpatienten auch sehr lustig gestalten kann. 21 Uhr 30 Anwesenheit im Zimmer 22 Uhr Nachtruhe
An den Sonntagen darf man eine Stunde länger schlafen, und auch eine Stunde länger aufbleiben.
Auch hier ändern sich die Wochenpläne, zu Beginn der Therapie ist der Plan für die Woche noch lange nicht so vollgepackt mit Programm wie später. Davon abgesehen, ich selbst wäre gar nicht in der Lage gewesen, so einen vollgestopften Plan ganz zu Beginn schon durchzustehen...
Das wars erst mal. Noch Fragen? Liebe Grüße weimel
jaaaaa z.B. kam man am Anfang auf eine Art "Überwachungsstation", eine Art medizinischer Bereich, von dem aus man später in den Wohnbereich ziehen konnte? Meine Klinik hat so etwas ähnliches geschrieben....
Dann: Wie war es mit Übernachtungen zu hause?? Freie Wochenende?? Wie war das Programm zum Wochenende?? Hattest Du ein Zimmer für Dich alleine?? Und wie sah es bei Dir mit Suchtverlagerung aus, hast du dafür mehr geraucht oder gegessen oder irgend sowas bemerkt??
Danke für Deine Geduld,
Waschbaer
Weimel
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gelöscht
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Beiträge:
24.03.2003 09:34
#14 RE: Langzeittherapie - oder gehts noch ambulant?
Hallo Waschbär! Schön das Du Dich wieder meldest, ich möchte Dir echt gern helfen wo ich kann. In der Klinik in der ich meine Therapie gemacht habe, ist es so, daß man entgiftet ankommt. Es gibt also keine extra Station für die neuen. In den ersten Wochen hat man mit einer Mitpatientin zusammen ein Zimmer, Einzelzimmer gibt es erst später. Besuch darf man ab dem 3. Wochenende bekommen, dann alle 2 Wochen, also nicht jedes Wochenende. Ab dem 5. Wochenende darf man Samstags mit in die Stadt fahren. Nach 12 Wochen steht eine Heimfahrt für die Dauer von 3x24 Stunden auf dem Plan. Wenn Du Besuch bekommst sieht das folgendermaßen aus. 3 Tage vorher beantragen bei Einzeltherapeut, Arbeitstherapeut und Küche. Dann solltest Du Dich um Übernachtungsmöglichkeiten für Deinen Besuch kümmern, Zimmer gibts dort in der Umgebung genung. Dein Besuch kommt z.B. Freitags um 16 Uhr, bleibt dann bis Sonntag 16 Uhr. Zu den Mahlzeiten, Abendessen war bei uns Anwesenheitspflicht. Nach dem Abendessen konnte ich mit meinem Besuch das Klinikgelände bis zum nächsten Tag um spätestens 10 Uhr 30 verlassen.Kurzes Zurückmelden beim zuständigen Tagesdienst (Blasen), danach wieder Freizeit mit dem Besuch bis zum Abendessen. War immer ganz toll. Suchtverlagerung gab es bei mir zum Glück keine, etwas zu viel Kaffee vielleicht, ich war ja auch noch wegen meiner Essstörung in der Klinik... Freue mich schon darauf, wieder etwas von Dir zu lesen... Bis dahin liebe Grüße Weimel
Hallo Waschbär, ich kann zwar nix zu Deinen Fragen in Sachen stationärer Therapie sagen.... aber will unbedingt den vielen Stimmen zum GEH HIN noch eine anfügen. Was hast du zu verlieren? Es gibt nur zu gewinnen. Verlass Dich drauf. Und schreib weiter. Wir hören Dir zu.