Hallo ihr, ich lese hier schon seit Wochen und nehme jetzt mal allen Mut zusammen, um selbst mal was zu schreiben – ich weiß nur nicht wo ich anfangen soll. Also, ich bin 33. Als ich 4 war starb meine Mutter, ein Jahr später hat mein Vater wieder geheiratet. Kindheit usw. alles o.k., wir sind zwar oft umgezogen, aber jeder Umzug war irgendwie ein Neuanfang. Als ich 19 war, habe ich irgendwann mal mitbekommen, daß mein Vater trinkt. Hab aber nie groß drüber nachgedacht, er war ja nicht aggressiv, sondern nur stumpf. Und geredet wurde eh nie drüber. Mit 22 bin ich Zuhause ausgezogen und hab dann irgendwann mal mitbekommen, daß mein Vater zu den AA´s geht und trocken ist. Das ist er jetzt seit ca. 6 Jahren, aber geredet wird immer noch nicht.
Vor 4 Monaten habe ich mich Hals über Kopf verliebt – in einen Spielsüchtigen. Er spielt nicht mehr, hat kurz bevor wir zusammenkamen aufgehört und besucht auch eine Therapiegruppe. Da gehe ich jetzt seit einiger Zeit auch mit hin und es tut mir sehr sehr gut. Und - dieser Mann redet mit mir, will auch etwas über meine Gefühle wissen, er fragt, er erkennt mich, es ist echt erstaunlich!
So – jetzt kommts: per Zufall hab ich mitbekommen, daß mein Freund sehr häufig abends nach Feierabend noch in seine Stammkneipe fährt und bei mir dann aber behauptet, er sei grade erst von der Arbeit nach Hause gekommen. Danach habe ich angefangen, gezielt einen kleinen Umweg zu machen und an der Kneipe vorbeizufahren. Mal ein Beispiel: Bin da vorbeigefahren, sein Auto stand da. Bei ihm zuhause hab ich gefragt, wie lange er schon da ist. Er hat mir zwar gesagt, seit 5 Minuten, hat aber behauptet, direkt von der Arbeit gekommen zu sein. Hat mir nur ein Mini-Küßchen gegeben und dann sofort ein Fisherman eingeworfen. (hatte ein paar Wochen vorher mal einen Spruch gemacht, weil er nach Alkohol roch, als er bei mir ankam) Ich hab ihn dann drauf angesprochen, vor ca. 2 Wochen. Er hat mich beruhigt und auch gesagt, daß er sehr vorsichtig ist, weil er eben selbst weiß, wie schnell man von einer Sucht in die nächste rutschen kann. Und daß er weiß, daß das für mich ein sensibles Thema ist. Hat mich auch erstmal beruhigt. Aber nicht zu 100%. Es ist mir einfach zu regelmäßig. Das einzige was ich geändert habe: Ich fahre jetzt wieder direkt nach Hause, ohne Umweg an der Kneipe entlang. Diese Kontrolliererei ist mir zuwider. Danke für´s „Zuhören“ Ist ganz schön viel geworden. Anja
Du brauchst nicht großartig Mut aufbringen, Du kannst Dir hier alles von der Seele schreiben und wirst von dem einen oder anderen hier herzlich aufgenommen.
Ich selber bin trockene Alkoholikerin und habe in meiner vorherigen Beziehung auch so manche Lügengeschichten präsentiert, um meine, wie sich später herausstellte, Sucht zu verbergen.
Zu Deinem Vater: Mag es sein, das er Dich nicht unnötig belasten möchte oder wollte? Es ist aber doch ein großer Schritt, sich die Sucht selber einzugestehen und dazu noch etwas dagegen zu unternehmen. Hattest Du schon einmal den Mut und hast ihn direkt darauf angesprochen? Es ihm klar gemacht, das nicht alles an Dir vorbei geht und Du es schön findest, das er sich hat therapieren lassen? Vielleicht wird er Dir gegenüber dann offener und Du kannst so dann auch auf Deinen Freund zugehen, ihn zur Rede stellen und Dich nicht mit billigen Ausreden abspeisen lassen.
Ich kenne es nur zu gut. Ich hatte viel heimlich getrunken und mir die besten Verstecke und Ausreden ausgedacht. Hatte mich damit auseinander gesetzt, welches Alkoholsortiment nicht durch den Geruch auffällt usw.
Von meinem damaligen Partner wußte ich, das der Vater Alkoholiker ist, was sich auch in der Beziehung breit gemacht hat. Meine Sucht kam angeschlichen und war letztendlich so heftig, das sich zum einen mein Trinkverhalten verschlimmerte und zum anderen war da ja noch die Beziehung, die ich aufrecht erhalten wollte. Nur beides ging nicht, trotz Therapie.
In meiner jetzigen Beziehung werden die Wörter Ehrlichkeit und Vertrauen sehr groß geschrieben. Ich musste es erst an mir lernen, da ich mich selber belogen hatte.
Ich kann Dir nur den Rat geben, auf Deinen Partner zuzugehen und dich nicht von Grübeleien verrückt machen lassen.
P.S.: In meiner Entgiftungszeit gab es auch Spielsüchtige, die dann in die Alkoholsucht geraten sind. Was aber nicht bei jedem Menschen zutreffen muss.
Ich wünsche Dir ein faires Gespräch und ein sorgenfreies und harmonievolles Leben ... und würde mich freuen, wenn Du hier weiterhin schreiben würdest.
Hui, ist doch ganz schön viel Geschreibel geworden ... *grins*
Liebe Anja, dieses "Helfenwollen," dieses "Schlimmeres verhindern wollen," dieses "Manipulieren," diese "Angst," diese "Erwartungen," diese "Enttäuschungen" und dieses "Warten" und "Kontrollieren" möchte ich als Ko- Erfahrene DIR "ersparen"! Meine bittere Erfahrung zeigt, dass das nichts nützt.
Wir können die Krankheit aber ernst nehmen, und ich empfinde Dich als sehr Wissend was Suchtverhalten und Angehörigkeit betrifft. Tatsache ist leider auch, dass wenn Du spürst, es könnte, es wahrscheinlich... es wirklich ein Problem ist.
Du hast Mühe mit dem Trinkverhalten!
Bleib Deinen Wahrnehmungen treu.
Hilf Dir Klarheit verschaffen.
Tue etwas für Dich zum Thema, und Du gewinnst es für Euch.
Ich wünsche Euch einen gemeinsamen Weg, ich empfinde Euch als Fachleute, lasst es Euch bestätigen in einer Selbsthilfegruppe. Das gibt Vertrauen, Erkenntnis und Hoffnung.
Der Ausstieg könnte klappen. ERFAHRUNG MACHT KLUG! Vertrau Deinen Wahrnehmungen Es ist der ehrliche Weg
Eine die sich viel (zuviel) schönfärben wollte Zitrin
Hallo und erstmal danke für eure lieben Antworten.
Karotte (schöner Name übrigens...), ich habe mehr als einmal drüber nachgedacht, mit meinem Vater zu reden - und vielleicht jetzt noch mehr mit meiner Mutter. Aber so bescheuert wie sich das anhört, ich traue mich einfach nicht. Gefühle - und sei es auch nur ein einfaches in-den-Arm-nehmen - gibt es bei uns zuhause nämlich nicht. Hat´s auch nicht gegeben, als wir Kinder waren. Naja - vielleicht wenn´s sich ergibt, spreche ich es mal an. Aber gezielt drauf hinarbeiten kann ich nicht. Meine Eltern wissen auch nicht, daß mein Freund spielsüchtig ist, weil ich es ihm überlasse, es zu erzählen. Sie wissen also dementsprechend auch nichts von der Therapiegruppe die ich mit ihm besuche.
Ich habe mir bei der Therapeutin erstmal einen Termin für ein Einzelgespräch geholt. Da werde ich die Geschichte mit der Kneipe und den doch sehr regelmäßigen Besuchen auch mal ansprechen. Mit meinem Freund habe ich wie gesagt schon geredet und er sagt mir zur Zeit auch immer ganz ehrlich,wann er da war (wie z.B. gestern). Dafür meckere ich auch nicht ständig...
Und Zitrin, genau das will ich nicht - ich halte mich nicht für Co-Abhängig und werde auch hart daran arbeiten, es nicht zu werden. Nur für einen Experten oder Profi auf diesem Gebiet halte ich mich auch nicht. Habe wohl ehr einen gesunden Menschenverstand und einen sehr netten Partner. Der teilt seine Gedanken und Gefühle mit mir. Und soweit ich das beurteilen kann ist er auch absolut ehrlich mit sich und mir! Anja