Heute dürfte Tag 4 sein und ich wollte dir nur sagen, dass ich sehr gerne deine Beiträge lese und nun die nächsten Tage an dich denken werde- dass du wieder mehr Licht am Tunnelende siehst bzw. schon eine gute Ahnung von der Wärme vom Sonnenlicht hast! Ist ans Universum schon als Bestellung aufgegangen für dich
Behalte dich in meinen guten Gedanken und lass alles, was mit Wäschleinen verwandt sein könnte gaaanz weit weg von dir, ja!
ZitatGepostet von Sinn Mich würde daher interessieren, wer gravierende Entzgserscheinungen durchgemacht hat und in welcher Form sich diese geäußert haben.
Hallo Sinn ,
nach längerem Ringen mit meinem inneren Schweinehund möchte ich auf diese Frage auch etwas persönlich Erlebtes schreiben, und glaube mir, leicht fällt mir das in dieser Ausführlichkeit nicht .
Bis zu meiner Entgiftung 1999 habe ich 3 mal versucht kalt zu entziehen. Alleine. Ohne Hilfe. Zuhause. Ohne Sinn und Verstand - auf Grund keines besseren Wissens .
Ich war Spiegeltrinker, auf einem Niveau jenseits der 2 Promille - am "Schluß" bei 2,5 bis 2,8. Darunter fühlte ich mich nicht gut, war nervös, zittrig, unkonzentriert, und und und ... . Unterboten habe ich diesen Spiegel jahrelang nicht, im Gegenteil: wöchentlich mußte ich unbedingt noch 1 bis 2 "Hightlights" haben. Konkrete Promillezahlen liegen mir darüber nicht vor, nach ärztlichen 'Hochrechnungen' muß ich dabei aber um die 4 Promille mit mir herumgeschleppt haben.
Die ersten 2 mal habe ich relativ früh aufgegeben, nach 2 bis 3 Tagen. Das Schwitzen, Zittern und die Schlaflosigkeit, verbunden mit Tagträumen der übelsten Art hielt ich einfach nicht mehr aus und habe mir mein "Medikament" wieder selbst verschrieben.
Beim 3. mal wollte ich es mit aller Gewalt durchziehen. Mein Vorhaben war, über ein "langes Wochenende" von Donnerstag Abend bis Dienstag Früh durch "das Gröbste" zu kommen, so daß ich ohne Fahne, ohne Restalkohol und ohne Zittern wieder auf meiner Arbeitsstelle erscheinen konnte.
Donnerstags habe ich so gegen 22.00 Uhr noch eine Flasche Bier getrunken, ab dann nichts mehr. Ich habe mich hingelegt und gewartet, daß es losgeht. Freitag Mittag zitterte ich schon so, daß ich das Wasser nur noch aus Flaschen trinken konnte. Ich schwitzte aus Körperregionen, von denen ich früher noch gar nichts bemerkt hatte . Hunger oder Lust auf irgendetwas hatte ich keinen, ich lag einfach nur regungslos im Bett und hoffte darauf, daß es bald vorbei ginge. Freitag Nacht zitterte ich schon so, daß ich nicht einmal mehr das Wasser vom Wasserhahn in eine Flasche abfüllen konnte, trank also direkt vom Hahn. Ich hatte Stiche - wie Nadelstiche - am ganzen Körper, vorzugsweise am Rücken und an den Fußsohlen. Ich fing an, im wachen Zustand die verrücktesten Dinge zu träumen bzw. sie mir einzubilden. Mitten in der Nacht habe ich versucht mir etwas auf der Herdplatte zu kochen, eine heisse Brühe oder Instantsuppe. Ich schaffte es nicht, denn ich wankte so von links nach rechts und vorn hinten nach vorne, als sei ich auf einem Hochseedampfer. Und das bildete ich mir dann auch ein : daß ich auf einem Piratenschiff wäre .....
Ab Samstag weiß ich nicht mehr genau was wann stattfand und ob es nur Einbildung oder Realität war. Im Nachhinein stellten sich aber einige Begebenheiten als wahr heraus, als real. Ich möchte ein paar davon kurz schildern: - ich saß stundenlang im Treppenhaus, mit dicken Cowboystiefeln, Jogginghose über den Jeans und einer Daunenjacke - bei fast 25° Aussentemperatur. Ich erzählte den Haus-Mitbewohnern, meine Erdgeschoss-Wohnung stünde bis zur Decke unter Wasser und die Flurtüre würde jeden Moment bersten. - ich habe um 02.00 Uhr Morgens den Nachtpförtner auf meiner Arbeitsstelle angerufen und ihm gesagt, ich müsse dort schlafen weil ich es zuhause nicht könnte. Mit der Fahrrad bin ich dann hingefahren (10 min.) und habe ihm erzählt, daß meine Holzdielen von Bohrwürmern in Besitz genommen worden seien ...... na ja ....... - ich habe versucht in einem Ruheraum auf der Arbeitstselle zu schlafen , ging natürlich nicht, und hatte den armen Nachtpförtner ganz furchtbar auf Trab gehalten .... - ich bin gegen 03.00 Uhr Nachts zum Rhein gefahren und wollte mit aller (sanften) Gewalt auf ein Schiff Richtung Nordsee ... . Das muss von So auf Mo gewesen sein. - zwischendurch war ich immer wieder zuhause, ließ aber in der Zeit von Freitag bis Montag die Wohnungstüre immer geöffnet. - ich hatte "Besuch" von einer Rettungswagenbesatzung, einschließlich einer Polizistin. Die (wirklich lieben) Nachbarn waren langsam ratlos geworden und hatten angerufen .... .Irgendwie habe ich es aber geschafft sie nicht in die Wohnung zu lassen, sondern habe ihnen erzählt, meine Freundin käme jeden Augenblick zurück. - ich habe mir mehrfach selbst in Arme und Hände gebissen, und das sehr heftig. - ich habe mir mit Nähnadeln in die Fusssohlen gestochen, weil ich dachte, das Kribbeln käme von Wasserblasen ... - ich habe meine Wohnung mehrmals durch ein Fenster verlassen bzw. bin gesprungen, zum Glück wohne ich im Erdgeschoss ....
Was ich damals geträumt habe weiß ich teilweise noch, möchte es aber nicht schreiben. Allerdings wundere ich mich noch heute, daß ich so viel Fantasie habe . Wann diese Träume waren, also Tags oder Nachts, weiß ich nicht mehr. Wie lange sie waren, auch nicht. Sie waren aber unterbrochen von unglaublichen Angstzuständen, verbunden mit einem minutenlangen krampfartigen Zittern am ganzen Körper. Es folgte dann immer so eine Art Entspannungsphase, die aber einher ging mit stichartigen Schmerzen. Irgendwann in diesen Tagen habe ich mir eingebildet, daß an diesem ganzen Chaos die Bettmatrazen und Bettwäsche schuld seien. Ich habe die Matrazen dann unter die Dusche gestellt - ein tolles Bild, 2 Matrazen a' 2.00 mal 0.90 mtr unter der Dusche ... . "Geschlafen" habe ich ab da auf den Lattenrosten, denn die übrige Bettwäsche hatte ich in "blaue Müllsäcke" gepackt und in den Keller verfrachtet.
usw. usw. usw.
Dienstag Früh bin ich sehr früh (gegen 05.00 Uhr) auf die Arbeitsstelle, war also 2 Stunden eher da. Der Nachtpförtner schaute mich sehr komisch an. Ich zitterte allerdings kaum noch, habe ihm aber wirres Zeug ohne Ende erzählt. Als mein Chef auftauchte sah er mich an und fragte mich, ob ich irgendetwas genommen hätte, Tabletten etc. ? Ich sah eine Möglichkeit eine Erklärung für das alles zu finden und sagte ihm, "ja, habe ich". Gott sei Dank (aus meiner damaligen Denkweise heraus) hatte ich von einer früheren Sportverletzung noch verschreibungspflichtige Schmerztabletten, holte sie aus dem Schrank ...usw. ... Er rief bei seinem Hausarzt an, schilderte ihm meinen Zustand und meinte nach dem Anruf, ich solle sofort zu einem Arzt. Ich versprach ihm, direkt zu meinem Hausarzt zu gehen. Er rief dort an und kündigte mich an. Das war Dienstag um 08.00 Uhr. Bei diesem Arzt bin ich am Donnerstag um 11.00 Uhr angekommen. Was dazwischen Traum und was Realität war, weiß ich nicht mehr. Die meiste Zeit muß ich wohl in der Wohnung verbracht haben ... .
Er schrieb mich übrigens rückwirkend krank. Und er bat mich mehrmals, etwas gegen meine Alkoholsucht zu unternehmen. Ich unternahm auch etwas: ich ging in den Supermarkt und ... ... Erst 1 Jahr später war ich "so weit".
tommie - 'tschuldigung, war doch etwas länger als gedacht
Gast
(
gelöscht
)
Beiträge:
05.11.2003 00:24
#23 RE: Entzugsdelir-würde mich mal näher interessieren.
so ähnlich ging es mir damals auch habe gar nicht mehr zwischen träumen und realität unterscheiden können nen nachbar kam dann zu mir und hat mir gesagt wie ich vor der haustür stand geklopft habe obwohl ich nen schlüssel in der hand hatte das hatte ich nicht mehr mitgekriegt Ich war wie du pegeltrinker wenn ich meine promille drin hatte war alles super sowie der pegel runterging war panik angesagt hatte beim einschlafen nur noch gedanken gott ist noch genug bier im kühlschrank das schaffste sonst morgen früh nicht zum penny (waren nur 100 meter) aber dann kamen wie bei dir schwindelgefühle usw habe mich noch nichtmal zum briefkasten getraut Ich bin heilfroh das das vorbei ist alleine der gedanke daran verursacht gänsehaut heute denke ich auch oft darüber nach was meine frau alles ausgehalten hat das war nen wahnsinn leider wird einem das immer später bewusst vllt sollte ich sie mal anrufen und ihr das sagen ..... aber wie du habe ich den weg der trockenheit gewählt und ich bin mir sicher das ist der RICHTIGE !
da können wir ja wirklich von Glück reden, dass es dich noch gibt und dann auch noch in der trockenen Variante! Ich freue mich, dass du es und auch viele andere hier geschafft haben, obwohl sie schon so tief drin steckten, da wieder rauszukommmen. Diese Leistung ist soetwas von stark!
Das hätte und habe ich mir lange, lange Zeit von meinem Vater gewünscht. Ich hätte so gerne einen Vater gehabt, leider hatte ich nur einen verweichlichten Alkoholiker als Vater, der sich bis zu letzt nicht eingestanden hat, dass er Alkoholiker ist. Meinen Kontakt zu ihm habe ich schweren Herzen 7 Jahre vor seinem Tod abgebrochen. Es hätte mich sonst zerstört.
Ich komme mir jetzt ganz klein vor, so eine Flasche Wein am Tag wegzulassen, null körperliche Entzugserscheinungen...eine leichte Übung dagegen, würd ich sagen!
Danke für die Geschichte, es ist sicher nicht leicht, darüber zu reden. Großer Schämfaktor. Ich hab auch solche Geschichten - wenn auch nicht der delieranten Art, eher der besoffenen - für die ich mich heute noch zutiefst schäme.
Was ich beruflicherweise weiß, ich schrieb das schon mal, aber zur Aufklärung ist das wohl immer wieder gut :
Ein Delirium tremens hat eine Letalität (= Sterblichkeitsrate) von 5 %. Das kann bis zur Intensivstationspflicht gehen. Stoffwechselstörungen, Halluzinationen, Temperaturanstieg, Blutdruck und Pulsanstieg. Man muß sich das ungefähr so vorstellen, im Bett an den Armen (zum Selbstschutz) und am Bauch fixiert (angegurtet). Urin und Stuhlinkontinenz. Ernährt, bewässert und mit Medikamenten versorgt über Infusionen, da oral nichts mehr geht. Dieser Zustand kann bis zu 2 Wochen gehen - das hab ich schon erlebt.
Du bist also durchs Fenster gegangen - ich hab damals die Tür aufgetreten. Wohnte damals im Erdgeschoss - Fenster zum Hof, noch dazu unter dem Haus eine Bank, und wenn man im Hof war stand man direkt - angeblich, sagten die Hausbewohner - über den Tresoren ! Und dort gabs - ausser Kieselsteinen gar nichts, die Chance auf den erlösenden Stoff konnte ich nur durch die Wohnungstür erreichen.
Die Scham über manche Dinge bleibt bestehen, wieviel jahre auch vergehen.
Das war das Ehrlichste, Schonungsloseste und Mutigste, was ich hier jemals gelesen habe. Bewundert habe ich Dich ja schon immer - aber dieser Beitrag verdient den allergrößten Respekt. Ich denke da wie Bea an den "Schäm-Faktor" - den zu überwinden bedarf es einer großen Stärke.
Ich bin stolz darauf, daß ich zu Deinem Board gehöre.