ich finde es sehr eindrucksvoll, wie du deinen Weg (wenn auch auf Umwegen) gegangen bist.
Ich glaube, du kannst bestimmt viel berichten,wenn du magst, damit auch die Unschlüssigen vielleicht begreifen, dass bei allen Widrigkeiten im Leben der Alkohol ein denkbar schlechter "Berater" ist.
Ich freue mich, dass du dein ICH gefunden hast und den Alkohol verlieren durftest. Im Grunde bist du zweimal neu geboren, das ist schon sehr bemerkenswert.
So, nach einiger Zeit und etwas in mich gehen habe ich meine Geschichte nochmal "neu" geschrieben mit ein klein wenig mehr Tiefgang.
1. Teil
Ich wurde im Jahre 1955 als Junge zweier Alkoholkranker Eltern geboren. An meine Mutter kann ich mich nicht erinnern, sie hat 1 Jahr nach meiner Geburt entschieden das sie nicht mehr leben will. Das hatte zur Folge das ich die nächsten Jahre in Kinderheimen verbringen musste, genauer gesagt in zwei. Erinnern kann ich mich dieser zeit nicht, ist irgendwie ausgeblendet worden. Wenn ich Bilder aus der Zeit betrachte kann ich also keine Verbindung zu Menschen, Begebenheiten oder Dingen herstellen. Jedenfalls heiratete mein Vater wieder und damit kam ich in eine neue "Familie". Mein Vater trank immer noch (konnte sich bis zu seinem Tod auch nicht von diesem Suchtmittel befreien). Die Frau die er heiratete hattte noch 2 Kinder so das ich jetzt zwei Stiefgeschwister hatte. Jedenfalls war das Leben in dieser Familie für die familie und für mich ein andauernder Überlebens- und Existenzkampf. Mit Streit und Schägen zwischen Vater und Mutter und die "Geschwister" reagierten ihren Frust bei mir ab. Als Empfindsamer und eingeschüchterter Junge bestand meine" Aufgabe "hauptsächlich darin den Tag gut zu überstehen. abzuschätzen wenn ich mich lieber dünne mache.. Zu dem wurde mir natürlich in einer Alkoholikerfamilie auch "Verantwortung" übertragen. Zum Beispiel zum Kaufmann gehen wenn das Geld nicht langt und anschreiben lassen. Natürlich war ich überfordert und "lernte" so das ich mit so was wie Verantwortung nicht umgehen kann. Und ich lernte noch etwas, das wenn genug alkohol im Haus war das es dann verhältnismäßig friedlich zuging.
Jedenfalls ganz so doof konnt ich nicht gewesen sein denn unter diesen Umständen bin ich noch durch alle Schulklassen bis hin zur 10 Klasse mit befriedigend.
Die ersten persönlichen Kontakte mit Alkohol mit zwölf, dreizehn Jahren als wir in Gruppen auf Plätzen und Ecken herumstanden. Eine eigene Meinung zu irgendetwas hatte ich nicht, ich wollte immer nur irgendwo auch mal dazu gehören....
In der Lehrzeit trank ich dann schon ziemlich oft und regelmäßig, als ich ausgelernt hatte arbeitete ich ein Jahr in der schönen Stadt Schwerin, schon mal weil ich weg wollte von zu Haus, es gab dann auch täglich Alkohol und ich spürte körperliche Abhängigkeit ich musste trinken um zu funktionieren. Wieder zu "Hause" gestaltete sich das Leben etwas ruhiger, meine Stiefgeschwister saßen im Knast wegen Republikflucht und mein Leben Bestand aus arbeiten gehen und saufen. Gleichaltrige begannen sich Freundinnen zu suchen, ich konnte aber mit Nähe, Zärtlichkeit und Beziehung nichts anfangen gleichzeitig waren Frauen was dominantes weit über mir irgendwie unerreichbar. so hielt ich mich für schwul, reagierte meinen Sex in der Schwulenszene ab und soff um die innerliche leere nicht zu spüren.
Irgendwann kamen dann die ersten Grenzen, die Arbeit funktionierte nicht mehr so gut und ich wurde genötigt sozusagenmal etwas gegen meinen Alkoholkonsum zu tun. Ich sagte natürlich ja , wie immer, denn von einem eigenen Selbstwert konnte keine rede sein. ich erfüllte Erwartungen. So kam es zu dem ersten Versuch eines ambulanten Entzugs, ich bekam Tabletten mit nach Hause und sollte halt nichts trinken. das blanke Desaster, ich nahm die Tabletten (ich weiss nicht was das war, hat mich auch nicht gekümmert zu diesem Zeitpunkt) und trank weiter. Jedenfalls ging mein Leben so im Suff noch eine Weile weiter und wurde schlimmer um früh aufzustehen nahm ich mir abends eine Flasche Bier mit ans Bett um morgens überhaupt aufstehen zu können. ich konnte nichts mehr essen und trank und kotzte. So folgte mein erster Krankenhausaufenthalt,, denn meine Leber wollte es nicht mehr mit machen. Sie wurde gespiegelt die Leber reichlich Fettleber und ich durfte sie mir auch auf den Bildschirm mit anschauen. So was wie mit der Höhe der Leberwerte kann ich hier nicht aufwarten, so etwas interessierte mich überhaupt nicht. Mir ging es verdammt schlecht und so nach 2 Monaten Krankenhaus ging es mir aber wieder sehr ordentlich es hatte sich alles so weit regeneriert das ich mich wieder wohl fühlte körperlich, ich konnte wieder essen und war natürlich auch der Meinung wenn sich das trinken in Grenzen hält dann kann das nicht Schaden. ich muss halt nur ein bisschen Maß halten.
Es hat drei Monate gedauert da lag ich wieder dort, ich wog noch 37 kg als ich eingeliefert wurde ins Krankenhaus und habe selbst den Alkohol den ich zu mir nahm wieder rausgekotzt. Diesmal sagte die Frau Doktor es sei ernst, Leber wurde punktiert (dabei wird eine Gewebeprobe entnommen und zur Untersuchung eingeschickt.) Sie meinte jedenfalls noch einmal würde ich das nicht überleben. Es wurden mir Psychologe ans Bett geschickt, doch ich wollte mit niemand reden und gleich gar nicht über mich. Irgendwie wollt ich aber auch nicht sterben und gleich gar nicht so, denn ich hatte schon einen kleinen Vorgeschmack bekommen wie es sein muss wenn man an der Krankheit stirbt. Ich wusste aber auch nicht wie es weiter gehen soll.. ich hatte einfach Angst vor der Zukunft, weil ich weder wusste wohin noch was denn nun passieren soll.
Die folgende Zeit war geprägt von Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit einem Gefühl wo ich einfach keinen Faden finden konnte. Ich hatte zwar jetzt eine eigene Wohnung aber absolut keine Lust und Antrieb etwas zu tun. Heute weiß ich das der Körper sich erstmal regenerieren musste... danach habe ich langsam begonnen mir in meiner Wohnung Wohlfühlecken zu schaffen, erst ein Zimmer und dann immer weiter. ich hatte etwas für mich ganz allein, was mein war, wo ich mich zurückziehen konnte wo ich mich wohlgefühlt habe. Beruflich ging es auch wieder aufwärts, was den Selbstwert steigen lies. Privat nahm ich auch wieder an Dingen Teil die Spaß machten, Kegeln gehen, Skatspielen etc. , das andere dabei Alkohol tranken störte mich nicht, es weckte bei mir nie das Bedürfnis auch trinken zu wollen. Allerdings füllte ich privat auch noch viel Leere aus , ich ging schon mal ins Kino obwohl der Film bestimmt nicht besonders animierend war einfach um etwas zu tun.
Ich versteckte noch etwas vor anderen... meine Gefühlswelt, meine sexuellen Bedürfnisse. obwohl mich ein Frauenkörper sexuell anregte, war eine Frau etwas weit mehr wie ich, etwas über mir, unerreichbar, dominant. anderen seits etwas was man nicht verletzen durfte, nicht berühren, warscheinlich weil jede Berührung für mich selbst schon eine Grenzverletzung war (wenn man die Haut mal als meine äußere Grenze betrachte)
Sexuelle Gefühle hatten für mich etwas mit "Siegen und besiegt" werden zu tun. Und so kam ich in die Schwulenszene und probierte mich dort aus, hielt mich auch dafür und outete mich dann auch irgendwann meinem Umfeld als Schwul. Was ein großer Schritt war auf dem Weg in eine eigene Identität, ich war erstmal wer , wenn auch Außenseiter in einer Gesellschaft aber ich konnte dazu stehen (der Weg ist oft wichtiger als das Ziel).
Ich suchte aber immer noch, denn irgendwie merkte ich das ich dabei immer Grenzverletzungen zulassen musste. ich suchte Nähe um Sex abzureagieren, war sie da die Nähe war sie abstoßend. Ich stellte natürlich auch fest, das ich zum befriedigen meiner Sexuellen Gefühle, Damenwäsche Kleidung etc. brauchte. also mich irgendwie Frauen nähern wollte auf eine bestimmte Art und Weise.
Jedenfalls beschloss ich erstmals so 1987 mit einigen die ich kannte eine kirchliche Gruppe aufzusuchen wo sich Schwule und Lesben trafen, war nämlich nicht legal zumindest überhaupt nicht gern gesehen in der ehemaligen DDR. Meine Erkenntnisse wurden jedenfalls erweitert und ich wusste das ich weiter suchen musste....
Im Jahre 1989 gründeten dann einige darunter auch ich mit, einen Verein für Schwule und Lesben und dort konnte ich dann eine Gruppe gründen für Transvestiten und Transsexuelle. Ja, ich lernte erstmal Leute kennen denen es so ähnlich ging wie mir, aber die waren auch schon weiter wie ich, die wollten auf keinen fall in einen Schwulen Club, die hatten damit gar nix am Hut, die waren zum großen teil verheiratet hatten Kinder einige hatten sich auf den Weg zur Geschlechtsangleichung gemacht und die anderen wollten einfach mal zeitweise ihre Bedürfnisse ausleben.
Und so ging es die Folgezeit erstmal in meiner Wohnung recht bunt und turbulent zu.
Am Endeüberwogen aber die Vorteile die so ein Verein bot, was man organisieren und gemeinsam tun kann gegenüber den Hemmungen für Schwul gehalten zu werden.
Und um so mehr ich andere Lebensgeschichten hörte, vergleichen konnte und deren gefühlsbeschreibungen den meinen ähnlich war um so mehr Begriff ich das ich wieder auf einen Weg war den ich gehen musste, denn ich fühlte mich wohl in den Kleidern und beim tanzen dort meine Gefühlswelt von innen nach außen zu tragen, all das was ich nicht in Worte fassen konnte und ich wollte mehr davon....
ja, 1992 war es dann so weit, ich wurde aus der Firma eh entlassen, weil sie Pleite war, so nutzte ich die nachfolgende Arbeitslosigkeit um als erstes einen Antrag auf Vornamensänderung zu stellen, damit kam der "Stein" ins rollen. Ich musste Gutachter aufsuchen (Psychotherapeuten, die auf dem Gebiet spezialisiert sind) was mir sehr gut tat, dort nochmal meine Lebensgeschichte zu erzählen um für mich am Ende auch zu realisieren das es nichts abstraktes ist Transsexuell zu sein sondern wiederum mit meiner Vergangenheit ,den Persönlichkeitsstörungen der Kindheit zusammen hängt. Mit diesen Gutachten konnte ich dann eine Hormonbehandlung beginnen und am Ende auch die Geschlechtsangleichende OP durchführen lassen. Das war dann am 21. Juli 1994.
Wer jetzt glaubt ich hätte nun meine Identität gefunden der irrt, ich glaubte es schon erstmal wieder, aber ich wollte Frau sein wie andere auch passte mich an wo es nur ging um meine Vergangenheit zu verbergen und stellte wieder mal fest das dies nicht möglich ist, ein 40 jähriges Leben vorher einfach auszulöschen, den Weg bis dahin, den Tag der Operation, alles Dinge die ich hätte nicht machen müssen, wenn ich eben Frau wäre wie jede andere. Ich wollte schon wieder anfangen zu verstecken, zu vertuschen wo es nichts zu vertuschen gab vor allem in mir war es eben nicht stimmig.
Erst wo ich erkannt habe das das vergangene eben zu mir gehört auch mit den vielen männlichen Anteilen, die ich heute ja sogar anfangen kann zu leben (mit steigendem Selbstwert) was mir früher halt nicht möglich war. Mich durchzusetzen , meine Meinung vertreten, überhaupt eine zu haben. etc Und so schließt sich der Kreis wieder und wichtig ist mir dabei nur das es mir gut geht.
Ich habe anschließend noch eine Ausbildung gemacht zur Altenpflegerin, da wo ich meine Praktika gemacht habe, habe ich einen Job bekommen, eben aus dem Grund der Leistung und heute arbeite ich in der gleichen Firma in einer Sozialtherapeutischen Wohnstätte für psychisch Kranke.
jetzt ist mir auch heute doch wieder klar aufgegangen, warum ich hier am board sein will.
ich grüsse dich und begrüsse deinen mut (und die prima idee, deine geschichte nochmal aufzuschreiben, weil ja in den beiträgelisten der mitglieder immer nur die letzten 75 angezeigt werden, ich so aber auf deine geschichte habe treffen dürfen),
habe deine Geschichte nun auch erst entdeckt und gelesen. Ich sach einfach: danke für´s Erzählen
Deinen letzten Satz, dass du Frieden in dir gefunden hast, das darf ich dir sagen, strahlst du auch aus Hoffe, dich mal wieder live auf einem der Treffen zu sehen
hi ramona... ich stelle nun beim lesen, der überarbeiteten version deiner geschichte voll überraschung fest, dass du ja als rechter methusalem in sachen trockenheit unterwegs bist. na so ganz verwundert bin ich denn doch nicht, habe ich beim lesen deiner beiträge doch immer das gefühl: die weiss wo sie herkommt, die weiss wo sie ist, die weiss wo sie hin will und ganz besonders warum .
wir sind ja beide zu ungefährer zeit hier vorstellig geworden, und ich muss dir sagen, dass ich mich in den ersten monaten mit deinen beiträgen sehr schwer getan habe. ich suchte immer nach deiner meinung in den beiträgen, (wenn es mal galt eine zu finden :grins2 und fand immer nur etwas, was gleich fisch , sowohl auch fahrrad hätte sein können.
jetzt wo ich davon lese, du hättest schwierigkeiten stellung zu beziehen, muss ich daran denken. und denken muss ich auch, dass du diese schwierigkeit inzwischen , aller achtung wert, gelöst hast. denn inzwischen habe ich überhaupt keine schwierigkeiten mehr zu erkennen was deine meinung ist!
bleibt ein respektvoller gruss, zu einem viertel jahrhundert trockenheit, und glaubwürdiger zufriedenheit.
da muss ich noch mal einhaken, so ein Forum wie saufnix ist schon notwendig und gut find ich, genau wie eine Selbsthilfegruppe, es kommt nur auf die Erwartungshaltung und was ich denn eigentlich will an.
Ora, hatte das schön beschrieben als Spiegel,Selbstreflektion, Orientierungshilfe um zu mir und dadurch meinen Weg zu finden. ich muss diese Hilfen nutzen um über mich nachzudenken, mich zu analysieren, meinen Fehlern und Irrwegen auf den Grund zu gehen. Eben das wichtigste sollte der Beschäftigung mit sich selbst dienen...
Solange ich aber hier im Forum bin und diese Antworten von anderen erwarte die ich mir nur selbst geben kann und andere müssten mir helfen weil ich selbst nicht will oder der Meinung bin allein kann ich nicht...
dann kann das eben auch bisschen zum Bummerang werden und ich komme überhaupt nicht vorwärts, weil ich das Forum dann warscheinlich nutze um eher von mir abzulenken....