1994 fing ich bei einer neuen Firma an. Ich war zu dem Zeitpunkt schon ungefähr 8 Monate trocken. "Natürlich" habe ich meine Krankheit verschwiegen. Ich glaubte zu diesem Zeitpunkt noch, dass ein bekennender Alkoholiker so etwas wie ein Aussätziger sei und das wollte ich ja nun partout nicht sein. Die Weihnachtsfeier fand in Berlin statt. Das heißt, ich konnte meine Abstinenz nicht mit Autofahren oder ähnlichen Argumenten begründen, da die Firma Flüge mit Übernachtung gebucht hatte. Schon Tage vorher fing ich an mit den Köpfen anderer Leute zu denken. Für mich war ganz klar, dass mein Nichttrinken für alle anderen Teilnehmer das Gesprächsthema Nummer 1 sein würde Die Angst, die mich beherrschte, lähmte mich förmlich. An der Weihnachtsfeier nahm ich ungefähr eine Stunde teil, dann fiel ich einfach um. Die Aufregung und die Panik, die jedes vernünftige Argument schon im Ansatz erstickte, führte bei mir zu einem Kreislaufzusammenbruch. So scheiße es mir ging, ich war froh, dass ich allein in meinem Hotelzimmer liegen konnte. Nach weiteren 3 Monaten gab ich mal wieder auf. Der Alk war stärker. Das ging mir in den folgenden Jahren immer wieder so, bis ich die Stärke fand, meinen Alkoholismus öffentlich zu machen. Ich hörte auf mich zu schämen und ich konnte trocken bleiben. Vor 10 Tagen war ich auf einer Feier und wurde an einem Tisch platziert, an dem ich noch keinen kannte. Ich habe mich folgendermaßen vorgestellt:" Guten Abend, ich bin Alkoholiker, darf ich mich trotzdem setzen"? Man, was hatten wir für einen Spass
deine angst ist vielleicht etwas vollkommen anderes.
Und genau das denke ich auch. Es geht nicht wirklich darum, dass du Schwäche vor den Männern (auch sehr bezeichnend) zeigen könntest, dass du Angst davor hast, wieder zu trinken. M.E. geht es eher darum, was sich hinter diesen Ängsten versteckt.
Warum bist du so nervös in einer solchen Gesellschaft? Warum hast du Angst, zu dir zu stehen? Warum traust du es dir nicht zu, genau das zu machen, was du im Kopf für richtig hältst? Was passiert denn, wenn du nicht so bist, wie du glaubst sein zu müssen?
Es geht nicht um die Feier, sondern um dein weiteres Auftreten, dein Durchsetzungsvermögen, um Dein-zu-dir-stehen, auch Selbstbewusstsein genannt.
Mir war bei solchen Feiern anfangs auch ganz flau und ist es noch, wenn ich an das morgige Klassentreffen denke. Aber ich weiß, dass ich nicht trinken werde. Schiss habe ich nicht vor dem Alk, oder dass wer fragen könnte, sondern flatterig ist mir, weil ich einfach nicht weiß, wie es laufen wird. Es kann peinliche Situationen geben, anderweitig unangenehme, es könnte langweilig und enttäuschd sein. Vielleicht gibt mir auch jemand ganz deutlich zu verstehen, dass ich 'ne dämliche Nudel bin, uninteressant, eingebildet oder weiß der Kuckuck. DAVOR habe ich Angst (was schon blöd genug ist), diese Angst habe ich dann oft weggesoffen, als ich schon längst aufhören wollte. Es war aber nie wirklich Panik davor, dass jemand fragen könnte, warum ich nicht trinke. Das hatte ich mir eingeredet, stimmte so aber nicht.
Ich nehme an, du bist heute schon weg. Dann: Und wie war es?
bin wieder zuhause und habe alles trocken und rauchfrei überstanden. Den ganzen Weg dorthin habe ich mich gefragt was eigentlich los ist mit mir, warum ich so aufgeregt bin.
Die selben Leute sehe ich auch so öfters, ok, nicht alle so geballt auf einem Haufen ( es sind alles Männer, aber durchaus keine schrecklichen Monster, eben Männer die rauhe Witze machen, fast alle wie die Schlöte rauchen und die meisten auch trinken; jedoch durchaus intelligente charmante Leute) im normalen Leben komme ich mit ihnen gut klar klar.
Meine Angst, die Panik war zum einem die Erinnerung an den (für mich total überraschenden Rückfall) auf dem Ball und ich glaube mir fehlte der SelbstGlaube (ähh Deutsch?) heute abend. Einmal versagt, immer versagen...oder so ähnlich.
Zum anderen war da die ganz normale Nervosität die man eben vor diesen Treffen hat; wird mir was Kluges einfallen? neben wem werde ich sitzen? ist der eine Mitarbeiter mit dem ich Zoff habe auch da? Werde ich gemocht? Werde ich mich wohl fühlen...? Werden die mir was tun? (Nix logisch ist aber so..)
Es kam wie es kommen mußte...alles war ganz normal, habe mich sehr wohlgefühlt bis auf den Rauch. Nach 1 Kaffee, 1 Schorle und 2 Kräutertees gings mir sehr gut. NIEMAND hat danach gefragt warum ich nichts trinke, es stand einfach nicht zur Debatte.
Ich denke ich habe diese Nervosität sonst im Leben immer mit Alkohol oder Drogen weggedröhnt. Heute wußte ich das es diese Option nicht gibt. An der Tanke habe ich mir eine Tafel Schokolade gekauft und das hat mich beruhigt....
Jemand hat hier geschrieben das das nüchterne Leben ein Leben ohne schnelle Lösungen ist, genau das war die Lektion heute abend, glaube ich. Die Spannung aushalten, merken das ich auch nüchtern und clean durchaus in der Lage bin die Nervosität auszuhalten. Lernen das ich keinen Alkohol brauche um mich zu schützen...oder anzukommen.
Zum Schluß mußte ich mich fast wegreisen, sie wollten mich nicht gehen lassen. Aber es wurde laut, ich müde, und ich möchte morgen früh gerne Sport machen.
Leute, ich bin raus aus der Wirtschaft und war einfach nur glücklich....morgen ist die nächste Feier und ich denke ich weiß jetzt wie es geht :-)
erste Feier überstanden: gut so. Und PP, glaub' mir: es interessiert keinen, ob oder ob Du nichts trinkst. Das ist nur in DEINEM Kopf.
Und selbst wenn einer fragt, sag' einfach Du möchtest nichts trinken. Dein Gegenüber akzeptiert das, weil es ihm egal ist. Es interessiert ihn nicht wirklich.
Und selbst wenn einer nachfragen sollte, warum, sag' die Wahrheit, weil Dir der Alkohol nicht gut tut. Er wird nicken und sich abwenden, weil es ihn nicht interessiert.
So war das bei mir.
Das 'Problem' existiert nur in DEINEM Kopf, also mach' Dir nicht selbst das Leben schwer. Ausser Dir (und Deinen wirklichen Freunden) interessiert es niemanden.
hab drei "bleibende" Erinnerungen aus meiner nassen Zeit welche in die gleiche Richtung gehen. Waren jeweils "Betriebsfeten" wo auch ne menge getrunken wurde.
Einmal sagte jemand , "Nein Danke, ich möchte nicht, weil mir Alkohol nicht schmeckt". Einmal, "Ich trinke nie Alkohol" und einmal "Willst du mich vergiften ?, das ist vorbei". Die ersten beiden hab ich fast sogar nen Stück bewundert, bei dem mit dem Vergiften dachte ich sinngemäß "Is bestimmt nen Alki, -siehste der is ja noch schlimmer dran als du". Aber es wurde in keinen der drei Fällen hinterfragt und akzeptiert.
Ich musst erst fertigessen mir ist vorher das halbe Brötchen runtergefallen. Ob ich jetzt noch einen kakao hole ? Ne erst schreiben. Ich hab nächste Woche dieses Betriebsdings. Eine faszinierende soziologische Fallstudie übrigens. Müsst ihr mal kucken. Jedenfalls ist mir nicht EINE/R eingefallen der da nichts trinkt. Was dass wohl bedeuten mag . Ich werde nichts trinken ich denke aber auch dass es kein Problem geben wird. Es ist leider so wie der grosse sagt. es intressiert letztlich jeden nur sein eigner A..rm . das macht es für mich einfacher. Was schwer wird ist dass sich viele sehr unwohl fühlen wenn jemand nüchtern neben ihnen steht und sie selbst betrunken sind. ich denke ich werde genötigt werden. Mal sehn ab wann sie´s kapieren. *schmunzelt*. Aber letztendlich ist es eben, und das ist wirklich Tatsache in MEINEM Kopf. Allerdings kann ich noch keine grossen Sprüche klopfen. ich muss das erst mal alles für mich neu definieren was denn da überhaupt alles drin ist in meinem Kopf. und was bleiben kann. Hm....
als erstes erstmal Glückwunsch zu dem erfolgreichen Abend. Ist doch schön, wenn man einen Abend so verbringt, wie man es sich vorgenommen hat. Geht mir nämlich genauso. Ich hatte auch meine erste Weihnachtsfeier hier in der Stadt, wo ich nicht zu fahren brauchte / durfte. Und ich habe ebenfalls nichts getrunken und keiner hat gefragt. Ich hatte mir vorher schon ausgemalt, das ich auf mein Nichttrinken bestimmt angesprochen werde.
ZitatGepostet von Spieler ...Vor 10 Tagen war ich auf einer Feier und wurde an einem Tisch platziert, an dem ich noch keinen kannte. Ich habe mich folgendermaßen vorgestellt:" Guten Abend, ich bin Alkoholiker, darf ich mich trotzdem setzen"? Man, was hatten wir für einen Spass
Sowas würde ich mich nie trauen. Von dieser Selbstverständlichkeit zuzugeben, das ich Alkoholikerin bin, bin ich meilenweit entfernt. Es geht mir noch wie dir Spieler, das ich denke, trokene Alkis werden als Aussätzige betrachtet. Naja, vielleicht kommt das noch mit der Zeit. Im Moment sage ich, das ich nichts trinken will, ohne Grund. Und da habe ich kein Problem mit.
..für lang andauernden Spass kann man sich die günstige "SchildumdenHalsArmbindenkombi" besorgen, jetzt in der Vorweihnachtszeit im günstigen Doppelpack erhältlich zusammen mit einem Eintrag unter "öffentlichen Bekanntmachungen" in der örtlichen Tageszeitung sowie einem Autoaufkleber in der Grösse 20 x 40 cm.
mußte gerade laut auflachen bei Deinem Beitrag als Dir die Augen aus dem Kopf wuchsen. Mir geht es genauso, ich könnte das auch nicht sagen (Hi, bin die Susan, Alkoholikerin, darf ich mich setzen?), will es auch nicht. Das geht die Leute nichts an und in meiner Branche wo wir alle einsame Wölfe sind und uns gegenseitig Konkurenz machen, würde so ein Outing geschäftsschädigend sein.
(Wäre trotzdem mal witzig das in einer Umgebung zu tun wo einem niemand kennt....)
Es sind immer die gleichen Leute die Saufen auf solchen Feiern. Wenn Du aufpaßt gibt es auch immer die 'Strebergruppe' die nicht auffallen, arbeitsmäßig gute Leistungen bringen und einfach nichts zu beweisen haben. Ich fand die bis jetzt immer ein wenig langweilig, gestern abend hatte ich ein Gespräch mit zwei von denen das über 3 Stunden ging. Kennt ihr die Gespräche bei denen die Zeit so schnell vergeht das 3 Stunden wie 30 Minuten erscheinen? Mit anderes Worten war es hochinteressant was sie denken und wie sie leben....
Einer meiner Chefs (hab' 3 davon) meinte gestern: WAS? Rauchen tust Du auch nicht? Na, Du kommst ganz sicher nicht in die Führungsliga'. Ich meine, WAS FÜR EIN IDIOT! Jeder weiß er hat ein Alkoholproblem, war früher bei der Stasi und viele lachen hinter seinen Rücken. Ist es wirklich so wichtig von solchen Leuten akzeptiert zu werden, oder gar gemocht...? Oder war das gar ein Witz und ich nehme das alles viel zu ernst?? Seine Gruppe ist gestern relativ früh aufgebrochen um woanders weiterzutrinken, warum wohl? Wie fühlen die sich heute? Ist mir eigentlich auch egal...Ich nehme mir von ihm das was ich brauchen kann und gehe meinen eigenen Weg....
Draußen scheint die Sonne, mir geht es gut, gehe gleich laufen und habe keinen Kater.. Das Leben ist schön!
Ich drück Euch Frischlingen alle die Daumen bei Euren Weihnachtsfeier, für mich war das bis jetzt die schlimmste Hürde beim Trockenwerden.
denn, wenn du die sache trocken überstehst, ohne dass die maske rutscht, wirst du nichts bewiesen haben. und wenn die maske rutscht, die trockene, die nasse, wirst du dir nichts bewiesen haben.
Hallo Soyyo,
ich glaube das dieses Thema ein Wichtiges ist, verstehe aber Deinen Satz nicht. Magst Du näher erklären was Du meinst?
von mir auch großen beifall, und schön das du dann sogar entspannt "mitfeiern" konntest. stell ich mir auch sehr schwer vor! wie schon erzählt mußte ich gestern mit auf den weihnachtsmarkt (nur son kleiner-aber da kennt eben jeder auch jeden) natürlich wurde ich gleich überfallen, ".......na glühwein mit schuß, oder ohne, nee? na dann wenigstens ein kinderpunsch mit schuß, oder ein sekt???? nanu, tee? was ist los? da schaltete sich mein mann ein (fand ich schon irgendwie stark, denn direkt über mein vorhaben hab ich nicht mit ihm gesprochen......) ..."sie möchte nur einen tee!
ich hab nur gemerkt wie mich das genervt hat, bin richtig aggressiv geworden. wie macht ihr denn das in solch hartnäckigen situationen?
also mich hinstellen und sagen ich bin alkoholikerin habt ihr auch was ohne alk kann ich noch nicht, obwohl das schon witzig wäre (also ich meine die reaktionen der leut)
erst mal freue ich mich für dich, dass du diese für dich so wichtige Feier trocken überstanden hast Du fragst, was soyyo mit seiner Aussage gemeint hat. Für mich steht die Antwort in seinem nächsten Satz:
Zitatdenn das trockene ist ein leben und keine einmalprüfung
Im Leben reihen sich die 'Dinge' aneinander. Gute und schlechte, Hochs und Tiefs, große und kleine, Weihnachts-, Silvester- und Geburtstagsfeiern. Und da kann man je nach innerer Einstellung eben von einem 'Test' in den nächsten geraten. Oder man hat das große Glück, dass man mit sich selbst so nah werden kann, dass daraus eine gewisse Gelassenheit im Agieren und Reagieren mit der Außenwelt entsteht. Dem Leben ist es egal, ob du Alk trinkst oder JoScho - die 'Dinge' werden sich einfach weiter aneinanderreihen, vollkommen wertfrei. Und zu DEINEM Leben werden sie erst durch dich und deine ganz persönliche Art im Umgang mit ihnen. Das trockene Leben ist also auch 'nur' ein Leben, es besteht nicht aus mehr oder weniger Beweisen von irgendwas, es wird halt nur ohne Alkohol gelebt...
So hab' ich's verstanden. Hier scheint auch die Sonne und ich geh' heut' auch laufen
ZitatMir geht es genauso, ich könnte das auch nicht sagen (Hi, bin die Susan, Alkoholikerin, darf ich mich setzen?), will es auch nicht. Das geht die Leute nichts an und in meiner Branche wo wir alle einsame Wölfe sind und uns gegenseitig Konkurenz machen, würde so ein Outing geschäftsschädigend sein.
Ich kann das auch noch nicht. Das so direkt zu sagen. Ich denke das hat schon noch mit Scham zu tun. Komisch finde ich nur dabei, das ich für mich die Krankheit doch angenommen habe. Warum habe ich bzw. ihr ja auch, Probleme sich zu outen.?
Aber vielleicht ist das ja wirklich nicht notwendig. Wichtig ist wahrscheinlich in erster Linie, das ich es für mich angenommen habe.
Hab grad so gedacht, das je länger man trocken ist, die Scham sich zu outen, vielleicht geringer wird.
Wenn es nicht noch so ein gesellschaftliches Problem wäre, das viele die Alkoholkrankheit, nicht als solche ansehen, sondern da meist in die Richtung "obdachloser Penner" denken, könnte das outen auch einfacher sein.