Mir ist eine Veränderung aufgefallen, über die ich jetzt einfach mal berichten werde. Erstens, damit ich selbst sie nicht vergesse, und zweitens, weil ich denke, dass sie für andere, auch noch nicht allzu lange Trockene interessant sein könnte.
In den allerersten Monaten meiner Trockenheit hatte ich ziemlich heftige Gefühlsbäder. Von himmelhochjauchzend zu zu Tode betrübt und wieder zurück in einer Stunde - das war schon drin
Mittlerweile hat sich das etwas beruhigt und vor allem dauern die Phasen, wenn sie kommen, jetzt länger. Sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. Vor allem bei den Tiefs greife ich jetzt bei mehrstündiger Dauer auf eine von mehreren 'erprobt und für gut befunden'-Methoden zurück (u. a. wandern, schlafen, tanzen, baden oder duschen, gut essen; in hartnäckigen Fällen joggen, bis nix mehr geht). Das anschließende Hoch (interessanter Weise treten die Gefühle immer paarweise auf) genieße ich. Und dann - kehrt wieder Ruhe ein.
Und diese Ruhe, die finde ich ganz wundervoll. Ein zufriedenes Gefühl des Seins, auf das ich all die saufenden Jahre verzichtet habe, denn bis dorthin bin ich ja gar nie gekommen, weil ich bei den ersten Anflügen des Tiefs mit dem Betäuben angefangen habe
Bis jetzt kann ich sagen, dass mir die Nüchternheit mit zunehmender Dauer eigentlich immer besser gefällt
ich weiß genau, was du meinst. Zwar habe ich gerade in einem anderen Post gejammert, wie unzufrieden oder (übertrieben ausgedrückt) unglücklich ich bin, aber ich kann dir generell folgen, bei mir ist auch so eine Art Ruhe eingekehrt, oder vielleicht besser gesagt eine Balance, die ich früher nicht kannte.
Was du schilderst, kannte ich sogar buchstäblich, denn wie oft wollte ich zum Beispiel meine Yoga-Übungen machen (oder sonst was Sinnvolles machen, z. B. Sport oder Freunde treffen), und dann kam mir das Bier dazwischen. Wenn ich einmal mit Alkohol angefangen hatte, dann erlebte ich all das nicht mehr, das mir eigentlich gut tun sollte.
kenne ich auch diese eigenartigen Gefühlsumschwünge von jetzt auf gleich, dabei hat man doch gar nix gemacht... Dann gleich eine Runde durch den Wald gerannt, um mit Endorphin -und Sauerstoffhigh den Verstimmungen Herr zu werden.Eine Möglichkeit. Heute sehe ich es so daß oft hinter solchen "unguten" Feelings mehr steckt als zunächst wahrgenommen.Wenn ich da mal inwendig genauer blicke, stellt sich z.B.oft raus daß es eine Sache ist, der ich keine Priorität beigemessen habe und als unwichtig abgetan habe oder die ich gar schon als erledigt ansehe.Dinge,die mir nachhängen. So will ich manches nicht wahrhaben, was aber noch bearbeitet werden will. Grade heute war so ne Geschichte: ich habe wieder mal was beiseite geschoben, um es 'demnächst' zu erledigen. Keine große Sache, aber dennoch hat mich den ganzen Tag was gewurmt.Stattdessen wollte ich mit meiner Freundin einen "Top-Event-Tag" vom Zaun brechen, der dann aber in die Hose ging. Gefühlsmäßig war ich echt bääh - die ganze Stimmung im Keller. Warum? Na genau deswegen. Ich find's ne gute Methode, anstatt loszurennen oder sonstwie 'positive Energie' zu pumpen sich in die Ruhe zu begeben und den Geist zu entspannen, damit sich auch das ganze Kuddelmuddel zeigen kann.Das kann auch durch einen Dialog geschehen.Anschauen ist wichtig. Oft wird dadurch schon das meiste geklärt.Die Gestalt schließt sich und kann zurücktreten.
Jo, man hat's nicht immer leicht, aber leicht hat's einen.
ZitatGepostet von Randolf Heute sehe ich es so daß oft hinter solchen "unguten" Feelings mehr steckt als zunächst wahrgenommen.
Ja, das sehe ich auch so. Bei mir - wie wahrscheinlich bei so ziemlich allen von uns - ist durch die Sauferei viel 'liegen geblieben'. Aber ich bin auch gerade am kapieren, dass ich das jetzt nicht alles und nicht gleich werde lösen können. Mit einigem brauche ich einfach noch Zeit.
ZitatGepostet von Randolf Ich find's ne gute Methode, anstatt loszurennen oder sonstwie 'positive Energie' zu pumpen sich in die Ruhe zu begeben und den Geist zu entspannen, damit sich auch das ganze Kuddelmuddel zeigen kann.
Momentan muss ich noch recht bewusst dafür arbeiten, dass die Ruhe wiederkommt. Und das aktive Bemühen um positive Energie hilft mir, schneller dorthin zu gelangen.
Für mich ist es einfach schon ein riesen Fortschritt, überhaupt mal wieder positive Gefühle und im Anschluss daran eben einfach mal Ruhe zu haben, denn die letzten Jahre waren bei mir durch die Trinkerei von der Grundtendenz her recht selbstzerfleischerisch...
ZitatGepostet von gepard ...und dann kam mir das Bier dazwischen. Wenn ich einmal mit Alkohol angefangen hatte, dann erlebte ich all das nicht mehr, das mir eigentlich gut tun sollte.
voll oki, hab ich in der ersten Zeit auch so gemacht, und tue es heute noch. Nur Achtung bei wiederkehrenden bad feelings, denen man davonlaufen will, aber das weisst ja.
ich kenne diese gefühle auch und kann bestätigen dass davonlaufen oder positive energie tanken nur vorübergehend nützt. ich habe mich durch den alkohol und die dadurch verbundene entscheidungsunfähigkeit in ein gefühlschaos geritten, dessen ursprung lange vor meiner trockenheit zu suchen ist.
ich habe auch diese vorübergehenden tiefs abgetan als gefühlskater der sauferei, bis ich dann ziemlich unsanft gemerkt habe dass sich da ein neuer, trockener geist aufbäumt gegen die verlogenen und scheinheiligen verhaltensmuster der nassen zeit.
konkret: ich muss als trockener die probleme eines nassen aufräumen.
und sehe mich da sehr schnell wieder eben diese verhaltensmuster übernehmen. das erzeugt natürlich eine enorme unzufriedenheit, welche schlussendlich in einem tief endet.
nun hat man ja bekanntlich immer 2 möglichkeiten.
die erste, naheliegende, wäre saufen, dann stimmen verhalten und wahrnehmung wieder überein.....
die zweite, die habe ich gewählt, ist hilfe zu suchen. ich bin seit ein paar wochen in psychotherapeuthischer behandlung, weil ich meinen problemberg alleine nicht bewältigen kann. und habe mich dazu auch krankschreiben lassen.
je früher dass man diese professionelle sucht und auch in anspruch nimmt, desto früher hört dieses gedrehe im kopf, dieses krankhafte suchen nach einer für alle beteiligten passenden lösung auf.
mal grad vorneweg: es gibt NIE eine für alle passende lösung. und es gibt immer mehrere sowie gute und schlechte lösungen. lügen sind NIE eine lösung.
das was ich als nasser alkoholiker immer als die tolle lösung angesehen habe, waren nur lügen und bescheissereien.
um eine lösung zu finden muss ich das problem zuerst kennen, so banal wie das tönt so schwierig wird das in wirklichkeit.
ich probiere das jetzt an meinem konkreten beispiel zu erklären, dabei lasse ich die hosen ganz weit runter. ich bin aber der meinung dass probleme verniedlichen immer noch nasse denke sind.
ich habe das schon an einem andern ort gepostet, ich verlasse meine lebensgefährtin nach sieben gemeinsamen jahren. an und für sich keine weltbewegende angelegenheit.
an was ich jedoch fast zerbrochen bin, ist die tatsache dass eben diese frau in wenigen wochen unser gemeinsames kind auf die welt bringt.
ein grausliger sumpf aus schuldgefühlen, verletzungen, überstürzten auszügen, überstürzten einzügen, davonlaufen, augen verschliessen, andere menschen verletzen, ein endloses drehen, keinen ausweg mehr wissen, furchtbar. nur HÄTTE ich doch nicht, WÄRE ich doch nicht, schlimm, einfach nur bodenlos schlimm.
da hatte ich das erstemal den konflikt zwischem nassen denken und trockenem handeln.
das, "ich kann nicht mit jemandem leben den ich nicht mehr liebe, obwohl ich das nach den gängisten moralregeln eigentlich tun sollte. und das ich jahrelang getan habe, ich habs mir einfach passend getrunken."
da habe ich mir hilfe gesucht.
und begreife dass die trennung der einzige weg ist, um mich wieder herzustellen, um mein leben zu leben, um stark zu werden dass ich dem kind gegenüber meine verantwortung wahrnehmen kann. und nur so meiner partnerin ermögliche ihr leben zu leben.
die alternative ist ein depressiver, dem kind was vorspielender, seine partnerin pausenlos betrügender lügner, der, und da bin ich mir 100% sicher, früher oder später sich zu tode trinken würde.
in diesem trockenen jahr habe ich gelernt, zum teil sehr schmerzhaft, entscheidungen zu treffen, dann noch dazu zu stehen. dinge, die manche kinder schon können, ich brauchte 45 jahre dazu.
neuerdings mache ich das so:
-ich schreibe meine probleme auf
-auch durch wen sie verursacht wurden ( mich oder fremdperson)
-probleme sind in zukunft leitplanken für mein leben und nicht mehr richtungswechsler.
-ich bestimme mein leben selbst
-ich stehe zu meinen entscheidungen
-ich lasse meine entscheidungen NIE mehr davon beeinflussen, was andere leute über mich denken könnten.
-ich bin mir wichtig
und seit ich all diesen tatsachen, problemen ins auge schaue und lösungen suche und finde und nicht mehr nur den kopf darüber zerbreche, was jetzt wohl die nachbarn denken oder meine mutter oder der spieler, seit dem gehts mir besser. ist zwar nicht schön im moment, aber es geht was.
das brauchte jetzt sehr viel überwindung das aufzuschreiben, aber es musste mal raus.
Zitatund nicht mehr nur den kopf darüber zerbreche, was jetzt wohl die nachbarn denken oder meine mutter oder der spieler
Damit bist du als Hofschranze nicht mehr tragbar
Ein guter und wie ich finde auch notwendiger Eindruck wie du mit deiner momentanen Situation klarkommst. Nachdem du vor ein paar Wochen ja schon mal geschildert hast, dass du dich trennen willst und z.T. auch warum, war plötzlich Schluß. Ich hatte so das Gefühl, dass du über dieses Thema nicht mehr schreiben wolltest. Und das habe ich als sehr gefährlich in Verbindung mit deiner Trockenheit gesehen. Um so mehr freut es mich, dass du nun beschloßen hast, dass wir es wert sind, mehr zu erfahren.
erst durch das eingestehen und annehmen der eigenen fehler ist man offen für lösungen und, was fast noch wichtiger ist, merkt man dass man nicht alleine dasteht.
Ich merke halt schon noch sehr deutlich, dass mir da auch mein durch's Saufen kleingeholzte und noch nicht wiederhergestellte Selbstvertrauen und -bewusstsein zu schaffen macht. Nuja, ich bleib' am Ball
ein ruhiges hinsetzen, papier und bleistift vor sich, schonungslos und ungeschönt und ohne hätte, wäre, würde einmal alles aufschreiben was einen an einem selbst stört.
das gefundene nicht nur PROBIEREN zu ändern, sondern ÄNDERN. das macht keinen neuen menschen aus mir, sondern das macht endlich mal einen menschen aus mir.
das selbstvertrauen stellt sich notgedrungen ein, wenn ich mich mit selber mit meinem schrott beschäftige, mein leben endlich selber bestimme und lenke und das nicht von irgendwelchen mitmenschen tun lasse.
die angenehme nebenescheinung: für irgendwelche betäubungen jeglicher art ist da schlicht und einfach kein platz mehr.
Ich muss da jetzt mal ein dickes Danke an alle reinwefen. Ich bin in der vierten Woche trocken und merke gerade sehr, dass das sich entwickelt, was alle als schwierigen Alltag bezeichnet haben, oder einige. Nicht dass ich wieder trinken will, aber es gilt jetzt Löcher zu stopfen. Und ein unzufrieden schleicht sich ein und ein plötzlich merken, dass man ganz woanders steht wie man dachte, und merkt, man weiß nicht wirklich wo genau man denn überhaupt steht, und in welche Richtung man sich denn jetzt bewegen soll. Das Staunen ist vorbei. und hat wieder angefangen. Wenn ich von euch lese, dass nach einiger Zeit eine Balance kommt, les ich das gerne *schmunzelt*, das gibt mir irgendwie durchhaltekraft. Es ist manchmal zermürbend den ganzen Tag alles was Leben ist nüchtern anzunehmen.
Polar deine Entscheidung war sicher eine der schwersten. Aber so wie du es beschreibst das beste für alle von Euch. Das waren sicher harte Tage.
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, seit dem gehts mir besser. ist zwar nicht schön im moment, aber es geht was.
