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Saufnix  
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Dieses Thema hat 5 Antworten
und wurde 2.160 mal aufgerufen
 Arbeitsplatz und Alkoholmißbrauch
Ingmarie Offline




Beiträge: 3.832

26.11.2006 23:11
RE: Vergangenheit wirft mir Schatten aufs Gemüt Zitat · Antworten

Derzeit laborier ich an einer Sehnenverletzung herum, die es notwendig machte, dass ich letzte Woche von der Arbeit zu Hause bleiben musste und das demnächst wegen einer notwendigen Operation wohl nochmal sein werde.

Es ist das erste mal seit meiner "Trocknung" vor knapp drei Jahren, dass ich auf Arbeit gefehlt hatte, und ich merke, es macht mir irgendwie schwer zu schaffen, hab ein komisches Gewissen als hätt ich nur "krankgefeiert"..

Ich muss dazu erläutern: Meine letzte Krankmeldung vorher war bedingt durch die Blüte der Endphase meiner Trinkerlaufbahn. 2003 im Spätherbst, also auch noch ziemlich genau um dieselber Jahreszeit rum.

Seither habe ich keine Stunde am Arbeitsplatz gefehlt; und auch wenn das hauptsächlich daran liegt, dass es mir die ganze Zeit über einfach gut ging - ich merke, ich habe dazu auch einen sehr strengen Maßstab bei mir selbst entwickelt,was Arbeitsmoral, Selbstdisziplin und auch den Umgang mit Unpässlichkeiten angeht. Ich habe an mich selber seitdem unwahrscheinlich hohe Ansprüche und lasse mir so gut wie nix "durchgehen", das ist mir im Lauf der letzten Woche klargeworden als ich merkte wie extrem unwohl ich mich mit diesem ärztlichen "Aus-demVerkehr-ziehen" fühlte und fühle.

Auch wenn es natürlich diesmal was ganz andres ist: stellt Euch vor, mir ist nun ganz mulmig, morgen wieder ins Büro zu gehen!

Und das obwohl ich sowohl mit Job als auch Kollegen und Arbeitsklima seit jeher rundum zufrieden bin. Meine Krankheit ist übrigens am Arbeitsplatz nicht auffällig oder bekannt geworden, auch nicht gegen Ende. Ich habe selbst bei Feierlichkeiten noch nie auf Arbeit auch nur einen Tropfen getrunken, selbst in meiner "besten Glanzzeit" nicht - ich gehörte zu den in ihrem 4 Wänden verschanzten Stille-Kämmerleins-Trinkern. Ich ging auch so gut wie nie aus, und wenn, dann niemals Alk in der Öffentlichkeit, nicht mal in Bars oder so (wusste wohl instinktiv schon, warum: mal begonnen, wärs bestimmt unbezahlbar geworden :grins2. Dennoch hätte ich heute natürlich keine Schwierigkeiten, wenn es die Situation ergibt zu mir und meiner Krankheit zu stehen - das war bisher schlicht und ergreifend einfach noch nicht nötig. Krampfhaft vertuschen um jeden Preis würde ich es nicht - schon zu meinem eigenen Schutz.

Die Angst, dass man mir im Kollegenkreis einen Rückfall oder Unredlichkeit unterstellen könnte, ist also schon mal nicht die Erklärung der Wahl (zumal alle denken dass ich aus Prinzip mein Lebtag lang schon abstinent lebe), und vor allem: sie mögen und schätzen mich als Kollege und Mensch sehr - was sie mir auch zeigen.

Trotzdem fühle ich mich ganz genauso wie damals, als ich ja als einzige wusste, dass die haarsträubende Geschichte, die ich den Kollegen als Hintergrund meiner Krankmeldung verkauft hatte, in Wirklickeit von vorn bis hinten gar nicht stimmte. Sogar mein Arzt hatte mir damals ja die Geschichte abgenommen; die einzige die weiß was wirklich dahintersteckt, war und bin ich (wie entsetzlich, welch verlogene Schauspielaktionen ich da bringen musste, um meine Sucht zu decken,da wird mir ja jetzt noch schlecht wenn ich nur dran denk).

Und jetzt fühle ich mich abermals so, als würde ich die Kollegen wieder genauso betrügen - was natürlich kompletter Unsinn ist.

Es liegt also wohl daran, dass ich offenbar unterbewusst Parallelen zu meinem letzten "Krankenstand" ziehe und das schlechte Gewissen darüber, wie die Krankschreibung DAMALS denn zustande kam (da war viel Unehrlichkeit im Spiel), mich heute einholt und ich dadurch nicht in der Lage bin, die freie Zeit jetzt (von den Schmerzen mal abgesehen) einfach zu genießen. Außer mich um meine Tochter und den machbaren Teil der Hausarbeit schaffte ich es grade mal noch, wenigstens hier im Forum etwas aktiver als sonst vertreten zu sein (was mir ja sonst in dem Umfang gar nicht möglich ist)

Darüber hinaus habe ich eigentlich aus der vielen Zeit nichts wirklich Sinnvolles gemacht, und das erinnert mich noch viel mehr an meine "nasse" Krankschreibung und erfüllt mich mit ganz irrationalen, diffusen Ängsten, die keinerlei Grundlage haben. Dabei freute ich mich urspünglich auf die freie Zeit und hatte mir viel vorgenommen, was ich schon imemr gerne tun wollte. Und dann verplemper ich die Zeit so sinnlos, steh mir mit meinen negativen Erinnerungen so im Weg! Die Tage vertan, genau wie in alten Zeiten - nur natürlich gottseidank klaren Kopfes.

Die Schatten der Vergangenheit haben sich also regelrecht auf mein heutiges Gemüt gelegt - und auch wenn die Situation heute eine komplett andre ist, so merke ich doch, dass ich es noch nicht als gewesen ablegen kann und "heute ist anders" wirklich verinnerlicht und mir verziehen habe.
Traurig, das.

Vermutlich lach ich morgen drüber, wenn ich ausm Büro heimkomme, alle freuen sich ja mich wiederzuhaben und ich werde sicher einen schönen Tag dort haben - wie immer.

Nur heut - da hab ich echt Manschetten; als hätt ich nur blaugemacht und jeder wüsste das.

Musst ich loswerden, es grüßt ne wohl ziemlich doofe und seltsam ängstliche

Ingmarie

[ Editiert von Ingmarie am 27.11.06 0:22 ]


Hermine 2 Offline




Beiträge: 3.177

27.11.2006 02:11
#2 RE: Vergangenheit wirft mir Schatten aufs Gemüt Zitat · Antworten

Moin Ingmarie,

für dich:

wie du ja selber schreibst, heute abend wirst du darüber lächeln können, über deine ängste. Vielleicht kannst du ja jetzt die möglichkeit nutzen mit diesem teil deiner vergangenheit abzuschließen, dir selbst zu verzeihen.
Nobody is perfect! Und das ist auch gut so!
Ab und an sind fünfe eben doch gerade........nimmst halt einen weg oder gibst einen dazu, dann passts schon.

Einen besonders schönen tag dir gewünscht
esthermine


starman ( gelöscht )
Beiträge:

27.11.2006 05:41
#3 RE: Vergangenheit wirft mir Schatten aufs Gemüt Zitat · Antworten

Hallo Ingmarie,

Deine Beschreibung erinnert mich doch sehr an meine eigenen, gesundheitsschädigenden Bestrebungen, immer der Beste sein zu müssen. Auch wenn meine "Aktivzeit" schon ein paar Tage vorbei ist, so sind die "erlernten" Muster doch noch latent vorhanden und melden sich ab und an vehement zu Wort.

Das heißt: Krankschreiben lassen nur mit dem Kopf unter dem Arm und auf jeden Fall die gesteckten Ziele mit Bravour meistern. Im Ergebnis darf ich dann ab und an mal mit Erkältungskrankheiten aufwarten, weil ich mir zuviel auflade und einfach nicht klein bei geben will. Irgendwann schreit dann der Körper "Auszeit" und ich muß mitmachen

Und dann muß ich es mir dreimal laut vorsagen: Du warst nie und wirst nie perfekt! Du darfst auch mal Fehler machen und dafür kritisiert werden und Du darfst auch mal krank werden. Kein Mensch käme auf die Idee, daß ich besoffen in der Ecke rumläge und meine Krankmeldung auf komatöse Erscheinungen zurückzuführen ist. Auf diesen idiotischen Gedanken komme ich nicht mal selber mehr.

Ich nehme mir jedesmal aufs Neue vor, meine Arbeit besser zu managen und auch "Nein" zu sagen, wenn ich meine, daß es nicht mehr geht. Und ich glaube, daß es mir in den letzten zwei Jahren gelungen ist, das besser in den Griff zu kriegen nachdem mir klar geworden ist wie sehr ich vom Alcoholic zum Workaholic mutiert war.

Was die "lieben Kollegen" angeeht: Meine Kollegen wissen, daß ich mal ein ganz schlimmer Finger war und auf Weihnachtsfeiern etc. ist, obwohl wir nur ein kleiner Haufen von ca. 30 Leuten sind, immer das Essen gekennzeichnet, was "nix für mich" ist. Für mich hat es sich immer ausgezahlt, offen mit dem Thema umzugehen und meine Kollegen sind auch sehr froh, daß sie mich offen auf alles ansprechen können und kein Mummenschanz um das Thema veranstaltet wird.

Ich hoffe, Dein erster Arbeitstag wird genauso super, wie ich das annehme (mal abgesehen davon, daß Montage nur begrenzt "super" - tauglich sind )


Uns allen gute 24h

der Sternenmann, derzeit in Singapur zwischengelandet


Yonka Offline




Beiträge: 2.822

27.11.2006 08:29
#4 RE: Vergangenheit wirft mir Schatten aufs Gemüt Zitat · Antworten

Hallo Ingmarie !

Wenn Du dies Post liest, hast Du wahrscheinlich Deinen Arbeitsplatz wieder verlassen und bist hoffentlich entspannt und fern Deiner gestrigen Sorgen!

Ich habe mich volle Kanne wiedererkannt!
Vor allen Dingen bei den Sätzen, wo Du die verplemperte Zeit in den Krankentagen ansprichst...

Weißt Du, ich glaube, all das was da in unseren Köpfen rumspukt, dies vornehmlich schlechte Gewissen, zeigt doch mal wieder, was wir uns selbst wert sind und wie wir im Grunde genommen auf uns achten

Wenn ich mir vorstelle, wie ich jedesmal Schweißausbrüche gekriegt habe, wenn ich mich telefonisch krank gemeldet habe...

Heute steh ich auf dem Standpunkt: Nur und ausschließlich ich höre auf und in mich hinein und wenn ich der Meinung bin, ich muß jetzt auf mich achtgeben, dann versuch ich mein Bestes, es auch zu tun !!!

Liebe Grüße
Yonka


amethysmena ( gelöscht )
Beiträge:

27.11.2006 09:18
#5 RE: Vergangenheit wirft mir Schatten aufs Gemüt Zitat · Antworten

sálü ingmarie!

ich sage ja immer:

besondere ereignisse erfordern besondere maßnahmen ...

wenn damals eine erlogene krankschreibung dir geholfen hat, abstinent zu werden: sei's drum ...!

es ist ein irrtum dieser gesellschaft, dass menschen hauptsächlich über die geleistete arbeit beWERTet werden.
schon das WERTen an sich halte ich für gefährlich, weil es ganz schnell zum ABwerten führt und sowieso nur dazu da ist, sich mit anderen zu vergleichen.

sich mit anderen zu vergleichen, selbige womöglich für besser und mich selbst für unzulänglicher zu halten, ist nasses denken und gehört abgestellt.

also, wenn ich mal anfange, mich zu vergleichen, dann immer nur mit den allerallerallerbesten ihres faches - und anschließend werde ich ganz klein im gemüt und depressiv und selbstverächtlich und die ganze abwärtsspirale nimmt ihren lauf ... pfui!
das hat mir der arzt verboten.
aber nicht nur deswegen lass' ich's!

wie oft passiert es denn, dass wir im vergleich mit anderen tatsächlich besser dastehen und es uns auch erlauben, uns selbst wahrzunehmen so gut wie wir sind und vor aller welt dazu zu stehen?

pah! sagt das christentum, diese brutstätte abhängigen und co-abhängigen gedankengutes:
"eigenlob stinkt!"
und
"stolz ist eine der sieben todsünden!"
hah! von wegen!

ich finde, du machst das super, ingmarie.
auf deine eigene art und weise.
und irgendwann, davon gehe ich jetzt einfach mal aus, wirst auch du in der lage sein, in aller ruhe nichts zu tun und das sogar ohne krankschreibung aus vollem herzen zu genießen!

ich wünsche beste besserung!


Ingmarie Offline




Beiträge: 3.832

27.11.2006 23:24
#6 RE: Vergangenheit wirft mir Schatten aufs Gemüt Zitat · Antworten

Hallo ihr Lieben,

danke fürs Ermuntern -
liebe Hermine, es war tatsächlich so wie Dus in alter Hexenmanier mal wieder vorhergesehen hast - und dass ich mir nun am Ende dieses für mich ausgesprochen schönen Tages (sieh an, sieh an!:grins2 tatsächlich ein gewaltiges Stück mehr "verzeihen" kann als noch gestern, das liegt auch an Euren Denkanstößen und aufbauenden Worten. Auch unerwarteterweise mal regelrecht gelobt zu werden tat mir unendlich gut, ich habe gemerkt, dass ich das unbewusst durchaus vermissen musste und es mir auch selbst nur sehr zögerlich zollen kann. Ich brauch gewiss nicht dauernde Selbstbestätigung von außen, aber es macht mich doch sehr glücklich wenn ich sie dann unverhofft bekomm - so wie Blumen von einem Unbekannten.

Ich bin froh, dass ich dieses vergleichsweise lächerliche Problemchen hier ausgebreitet habe, durch das Feedback geschah so einiges an Aussöhnung weil ich von Euch Licht in Ecken gerichtet bekam, die ich alleine bisher nicht erhellen konnte.

Unser ferner Starman hats ganz gut auf den Punkt gebracht und meiner Selbsterkenntnis (die mir ja schon selbst in Ansätzen dämmerte) noch zusätzlich gewaltig auf die Sprünge geholfen. Danke Dir dafür nach Fernweitwech! Wenn ich mal wieder zu Superwoman an allen Fronten mutieren will, dann werd ich sicher mit als Erstes an Deine Zeilen denken und versuchen, mich auch dann gut (genug) zu finden wenn ich nicht 25 Stunden am Tag die eierlegende Wollmilchsau mit Turbofähigkeiten gebe.

Yonka, Du ermöglichst mir Versöhnung mit mir selbst indem Du mir klar machst dass es keinen Grund gibt, mich selbst nicht genauso wichtig zu nehmen wie meine "Rundherummen" und bei Bedarf einfach auch ruhigen Gewissens "gut" zu mir zu sein. Und dass ich nicht die einzige bin, die solchen Schiet gebaut hat ist tröstlich.

Der Satz des Tages stammt jedoch von Dir, Amethysmena.

"Besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen .... und wenns half - sei's drum

Genau! DAS isses!

Dieser Satz ließ mir ein Licht in Größenordnugn der Bühnenbeleuchtung der Rolling Stones aufgehen und traf mich wie ein heilsamer Stromschlag. Das schlechte Gewissen von damals war auf einen Knall eliminiert, nachdem Du mir damit erst bewusst machtest, dass ich ohne diese "kranken" zwei Wochen von 2003 heute mit Sicherheit gar nicht trockenen Kopfes und Körpers da wär wo ich heute bin.

"Das stimmt!" dachte ich mir, "mein Gott, das stimmt doch!"

Du hast mich darauf aufmerksam gemacht, dass der Zweck doch die Mittel heiligt.

In diesen zwei Wochen begann ich immerhin, hier auf saufnix aktiv zu werden (damals noch unangemeldet), besuchte zum ersten Mal eine SHG und vor allem: trank mein letztes Glas. Ebenfalls in dieser Zeit setzte ich mich - soweit ein gräßlicher kalter und bodenlos leichtsinniger Entzug, den ich zur Nachahmung nicht empfehle dies zuließ - zum erstem mal so richtig intensiv mit meiner Situation und was ich tun kann auseinander. Letztlich ja erfolgreich bis heute, bisher immerhin 1080 x 24 Stunden..... und DAS zählt. Wegen dieser zwei Wochen lebe ich vermutlich überhaupt noch!

Also habe ich ja damals genau das getan, was zu tun war und hab vor allem etwas Gutes draus gemacht, oder? Das gibt mir enorm viel Frieden da innen drinne.

So lass ich ein Stückchen Ballast zurück auf meinem Weg und pack es mir sicher nicht mehr wieder in den Rucksack.

Viele Male dankeschön an Euch und gute Nacht
von Ingmarie


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