der Weg den Dein Mann gegangen ist, ist ja interessant. ähnelt meinem. Auch ich habe Krankenschwester gelernt und die meißte Zeit meiner beruflichen praxis in der Onkologie verbracht. Ich bin zwar auch nicht abgestumpft, gott sei dank, aber mußte mir irgendwann Gedanken machen, ob ich mitleiden oder mitfühlen will. Ob ich Privates und Berufliches trennen kann. Meißt gelang es mir, bis auf "ganz harte Fälle", sprich Patientenschicksale, die nahm ich dann doch mit nach Hause. Es kam dann die Zeit, da wude das Trinken weniger. Selbst mein Chef, ein wunderbarer Arzt und Mensch, begann zu trinken. Starb ein Patient, dann saß er oft weinend im Schwesternzimmer, zweifelte nicht selten an seinen Entscheidungen, ja auch er war ein sehr weicher, mitfühlender Mensch. Das Trinken wurde immer mehr und ich konnte ganz bewusst beobachten, wie der Alkohol ihn veränderte.
Ich entschied mich dann irgendwann nicht mehr in der Onkologie und nicht mehr mit ihm zu arbeiten. Heute arbeite ich in der Orthopädie und damit ist die zweifelslos große psychische Belastung sehr gering.
etwa 2 Wochen habe ich hier jetzt nicht geschrieben. Zwei Wochen, in denen ich dem Rückfall näher war als in den 23 Jahren davor (mit Ausnahme der Zeit direkt nach dem Entzug). Zwei Wochen, die die Hölle waren. Wieder einmal liegt mein Leben in Trümmern und ich muss mein Totalversagen eingestehen - diesmal als Mutter. Die Erkenntnis, meinem Kind nur noch helfen zu können, in dem ich es in Obhut kompetenter Menschen zu geben (in eine Klinik), auch wenn er das nicht will, hat mir das Herz zerrissen. Und auch die Gewissheit, dass der ältere Sohn und ich nicht mehr zusammen wohnen können, weil wir einander nicht gut tun. Aber er ist fast erwachsen. Das Eingeständnis des totalen Versagens als Mutter. Ich wollte nur noch, dass ich nichts mehr spüre. Manchmal habe ich mir vorgestellt die Cola-Flasche vor mir wäre Wodka. Der gierige Blick. Meine Hände waren zittrig wie früher. Ich habe vorsichtig nach der Flasche gegriffen und der Verschluss aufgeschraubt. Zittig zum Mund geführt und dann die Cola wie Schnaps die Kehle runterrinnen lassen. Nur - der Effekt trat nicht ein. Kein Vergessen. Nur Heulen, Panikattacken, Zusammenzucken bei jedem Telefonklingeln. Nein - ich habe keinen Alkohol getrunken. Aber es war und ist die Hölle. Und ich als Alkoholiker kann mir einfach kein Vergessen holen. Das sind die Zeiten, wo ich die Menschen beneide, die kein Suchtproblem haben. Die Alkohol manchmal als Genussmittel verwenden können oder in Ausnahmefällen als Medizin. Da ich leider ein hohes Suchtpotential habe, kommen für mich in solchen Fällen auch keine Medis in Frage, weil ich auch bei diesen nach schon 5 Tagen einen Entzug durch mache, selbst wenn ich den Stoff nie in meinem Leben vorher konsumiert habe (2x mit starken Schmerzmitteln erlebt ohne die es aber nicht ging.)
Sicherheit gibt es eben nie. Auch nach über 20 Jahren nicht.
das haut mich jetzt um, hab es gerade erst gelesen!
Ich denke, Du schaffst das, wie Du auch über 20Jahre bisher geschafft hast!!!
Warum siehst Du Dich als Versagerin? Du hast doch alles für Deine Söhne getan, was Du konntest!
Auch wenn Dein "Kleiner" das jetzt noch nicht realisieren kann, dass die Klinik im vielleicht hilft, ist es vl. doch erstmal das beste für ihn, die Erkenntnis kommt immer erst hinterher!
Gibt´s denn dort nicht auch Elterngespräche oder ähnliches?
Och, mönsch mir fällt jetzt leider nicht mehr so wirklich kluges dazu ein, außer "DICHMALGANZFESTEZUDRÜCKEN"
Ganz liebe Grüße, Su
Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder, als jener, der ohne Ziel umherirrt.
ich möchte Dir ne Frage stellen und hoffe, daß ich Dir damit nicht zu sehr auf den Schlips trete.
Ich finde das ganz toll, wie Du das durchhälst, aber irgendwie find ichs verwunderlich, daß Du da so am kämpfen bist. Du hast schon bei Deiner Vorstellung geschrieben, wie schwer Dir das Trockenbleiben manchmal fällt.
Kann es sein, daß Du mit dem Thema Alkohol irgendwie noch nicht ganz durch bist?
Solche Druckgefühle, wie Du sie hast, kenn ich nur aus meinen Anfangstagen, deswegen staune ich eigentlich immer wieder Gibt es nix, was Du noch ändern könntest, damit das Trockenbleiben irgendwie lockerer für Dich wird? Oder brauchst Du die Anspannung irgendwie zu Deiner Zufriedenheit - was ja immerhin sein könnte, denn manche trauen ihrem eigenen Frieden einfach nicht?
Warum ich mich als Versagerin fühle? Weil ich meinen Kindern nicht bieten konnte, glücklich, zufrieden und gestärkt erwachsen zu werden - und das ist es was ich mir für sie gewünscht habe (wie vermutlich jede Mutter)
Und ja, es gibt Elterngespräche. Es ist eine mE sehr gute Klinik, sowohl seine Therapeutin und Ärztin, wie auch seine Betreuer sind wirklich gut. Sie sind fachlich prima, aber was mich am meisten freut, ich merke, dass sie meinen Sohn wirklich mögen. Und dort ist keine Trauerstimmung, sondern da wird gelacht und Blödsinn gemacht und dort haben die Mitarbeiter dort wirkliches Interesse an den Kindern - und das ist schön zu sehen.
Und ja, mir ging es auch über 20 Jahre so. Klar, man denkt mal daran, man hat mal einen Alptraum, manchmal kommt auch eine verklärte, sentimentale Erinnerung an die Saufzeit hoch. In schlimmen Krisen kam mal der Gedanke, aber nie ernsthaft. Nie, dass ich gefährdet gewesen wäre. Ich hatte sogar ziemlich Schwierigkeiten mir vorzustellen, was langjährig Trockene in den Rückfall treibt.
Aber ja seit einiger Zeit kämpfe ich wieder.
Ob ich damit fertig bin? Nein. Ist ein Alki je fertig mit dem Thema? Ich glaube nicht. Wir trockenen Alkis haben die Erkrankung nur zum Stillstand gebracht. Nicht mehr, nicht weniger. Oder würdest Du von einem Diabetiker, der gut eingestellt ist sagen, er sei mit seiner Krankheit fertig?
Ich sag' mal so. Ich fühlte mich sicher. Die Sicherheit war trügerisch. Ob es anderen auch so geht, die so lange wie trocken sind kann ich nicht beurteilen, denn ich kenne niemanden mit einer so langen Trockenheit. Ich kenne mehrere Leute die nach 12-15 Jahren ihre Rückfälle gebaut haben. Es scheint also kein Einzelphänomen bei mir zu sein, dass nach langen Jahren ein Einbruch kommt. Das Phänomen ist wohl eher, dass es solange gedauert hat, dass ich an diesen Punkt gekommen bin. Aber wie gesagt, ich kann aber nur für mich reden.
ich selbst bin erst knapp 6 Jahre trocken, aber hier im Forum und auch woanders kenn ich mehrere, die 25 Jahre und länger trocken sind, der Dinosaurier ist bei 37 Jahren, wenn ich mich nicht irre.
Scheint bei einigen einfach so ohne Trinkdruck weiter zu gehen. Von daher glaub ich eigentlich schon, daß es manche schlicht hinter sich haben.
Ich kenn allerdings auch einige, die dann irgendwann wieder damit anfangen. Bei manchen ist mir allerdings aufgefallen, daß sie ihre Trockenheit an irgendwelchen Ankern festgemacht hatten, z.B. "ich machs wegen den Kindern" und das fällt dann halt weg, wenn die Kinder erwachsen werden, oder "wenn ich in Rente gehe, denk ich nochmal drüber nach", also wo irgendwo im verborgenen der Wunsch bestanden hat, doch noch mal zu trinken, wenn die Gelegenheit günstig erscheint oder der "Grund für die Trockenheit" wegfällt oder einer meint, so kurz vor knapp gibt er sichs nochmal.
Hab keine Ahnung, wie das bei Dir ist, aber vielleicht hattest Du Dir ja auch irgendwo tief drinnen so ne Zeitspanne gesetzt, die abgelaufen ist
Und auch die, die wieder angefangen hatten, hatten keinerlei "Anker", wie Du es nennst. Es gab bei den meisten nicht mal irgendetwas im Leben, was auch nur entfernt einen Hinweis gegeben hätte. Keine Lebenskrise, keine Veränderung, nicht mal vorher eine Unzufriedenheit mit dem Leben. Dies ist aktuell bei mir natürlich nicht der Fall. Ich habe eine Lebenskrise. Von daher ist das Bedürfnis groß. Wie ich ja schrieb, geht es um das Vergessen - und dies hat mir Alk früher ermöglicht.
Ich habe nämlich eigentlich einen ganz einfache Wahlspruch:
Nicht trinken schadet auf keinen Fall. Trinken vielleicht nicht, aber ich will es nicht ausprobieren. Das Risiko ist mir zu hoch.
Wie gesagt, ich denke zu glauben man sei fertig damit ist ein Trugschluss.
ZitatGepostet von zai-feh Wie gesagt, ich denke zu glauben man sei fertig damit ist ein Trugschluss.
das könnte aber auch eine "sich selbst erfüllende Prophezeiung" sein...ich bin - nicht alleine, wohlgemerkt - der Ansicht, es passiert oft das, was man glaubt bzw. erwartet.
ZitatGepostet von minitiger2 [quote]Gepostet von zai-feh
das könnte aber auch eine "sich selbst erfüllende Prophezeiung" sein...ich bin - nicht alleine, wohlgemerkt - der Ansicht, es passiert oft das, was man glaubt bzw. erwartet.
Da haben einige Leute aus meinem Umfeld andere Erfahrungen. Ich GSD eben nicht. Die sind rückfällig geworden aus der Sicherheit damit "fertig" zu sein.
Wie gesagt: Alkoholismus ist nicht heilbar, er ist nur zum Stillstand zu bringen. Wie kann dann jemand damit "fertig" sein? Das ist mir einfach unverständlich. Wenn Du damit "fertig" wärst, dann würdest Du nicht in einem Alki-Forum posten. Oder wir verstehen unter "fertig" sein etwas verschiedenes.
Und es ist auch definitiv keine selbsterfüllende Prophezeiung - und nebenbei bemerkt: Ich habe NICHT gesoffen. Deine Post klingen so, als hätte ich das getan.
Gegenbehauptung: Vielleicht bin ich ganz schlicht in der Lage, meine Probs und Schmerzen wahr zu nehmen und bin so gefestig, dass ich es nicht nötig habe "fertig" zu sein.
hallo zai-feh, " . . . mein Leben in Trümmern und ich muss mein Totalversagen eingestehen - diesmal als Mutter." // Vorneweg: Max, seit knapp 24 Jahren trocken und froh, auch fröhlich. Auch bei mir war die klapprigste Grfährdungszeit diejenige kurz nach der Trockenlegung, wo ich noch so unsicher war wie das überhaupt werden soll. Dein Satz, da oben, gefällt mir nicht. 1. Da wird nicht das ganze Leben in Trümmern sein. 2. Wer meint "versagt" zu haben, muss irgendwelche Leistung nicht erbracht haben. Das geht aber nicht "nach Leistung" 3. Es war offenbar nicht dein erstes "Versagen". Ich habe mich selber gemocht, auch wenn ich wierder mal "versagt" hatte (nach Trockenlégung). Meist war es so, dass erst einige Zeit später das angebliche Versagen gar keines war, sondern bloß eine falsche d.h. überzogene Vorstellung wie das Leben nun gefälligst zu sein hat. Meine Schiffbrüche, immerhin 3 Scheidungen (an denen beide Parteien beteiligt waren!!), habe ich abgearbeitet also getrauert bis zu Ende. Meine kleinere Tochter aus 1. Ehe wollte urplötzlich? vor etwa 10 Jahren nichts mehr von mir wissen, ohne jeden akuten Anlass. Auch ohne jede Begründung, das war sehr herbe. Mit meiner Ulrike (Vater/Tochter-WG) ging das sehr gut, keine Ahnung womit ich das 'verdient' hatte. Heute trinke ich nicht. Auch heute will ich nicht unfröhlich sein, als Minimum. Meine tatsächliche Kraft habe ich immer nur für heute, das kann ich überschauen. Ich bin mir meiner Fehler bewusst, genauso meiner Stärken. Dieses schrieb ich jetzt auf, weil du keine Langjährigen weiter kennst, ich kenne etliche, mein Dienstältester ist jetzt 32 Jahre trocken, und der bei dem ich ernüchterte 30 Jahre trocken). Gruß Max
ZitatGepostet von zai-feh Wenn Du damit "fertig" wärst, dann würdest Du nicht in einem Alki-Forum posten.
vielleicht verstehen wir unter "fertig" wirklich was verschiedenes. Ich meine damit "ich hab mit dem Thema Alkohol abgeschlossen, für mich selbst zumindest".
Daß ich in einem Alkoholikerforum poste, hat für mich in erster Linie damit zu tun, daß das Thema und das Umfeld ne Menge interessante Gesprächsthemen und Charakterstudien bietet, ich könnte genausogut in einem Softwareforum posten, da find ich die Leute aber in der Regel weniger interessant. Ich müsste aber auch nicht süchtig sein, um dort mitzuschreiben.
Ich selbst fühle mich heute davon eher weniger betroffen, mir würde nix passieren, wenn ich das Thema einfach ablegen würde, da bin ich mir sicher, aber nach mehr als 25 Jahren Trinkens und anderer Drogen kann ich eben ganz gut mitreden. Es ist mehr wie ein Hobby für mich, meine tägliche Soap, hier mitzumachen.
Für Schumi war das anscheinend ein ganz guter Anfang, um seine Schäfchen ins Trockene zu bringen, aber ich habs halt verpasst und backe folglich etwas kleinere Brötchen