Ich bin müde. Momentan bin ich oft müde, das kommt vermutlich von der dauernden Lernerei, der schlechten Ernährung und dem Alkohol. Vorgestern hab' ich eine Klausur geschrieben. Sie war um 16.30 Uhr. Ich war den ganzen Tag schrecklich nervös und habe immer versucht zu lernen, doch irgendwie habe ich nichts mehr in meinen Kopf hineinbekommen. Nach der Klausur war ich dann auch noch wütend, weil es nicht so gelaufen ist wie erwünscht. Ich bin unheimlich perfektionistisch und selbstkritisch.
Auf jeden Fall bin ich dann so gegen 6 heimgefahren (ca. 230 km von meinem Studienort entfernt) und habe mich abends mit zwei Freunden im Bahnhof ans Abstellgleis gesetzt (man beachte die Symbolik) und wir haben gemeinsam einen Liter Jägermeister getrunken. Gestern ging es mir dann natürlich nicht so besonders, ich bin dann etwas mit meiner Mutter spazieren gegangen und wir haben zusammen Mittag gegessen, aber um drei war ich wieder so müde, dass ich mich ins Bett gelegt und bis um acht Uhr geschlafen habe. Als ich aufgewacht bin war ich in einer ganz komischen Stimmung, wie ihr sie vielleicht kennt; man nennt diese Zeit wohl die „blaue Stunde“, kurz bevor es dämmert. Ich war allein zu Hause und den starken Drang gehabt mich irgendwie zu bewegen und dann habe ich mich ins Auto gesetzt und bin wieder hergefahren. Heute morgen bin ich so gegen 10.00 Uhr aufgewacht und dann habe ich gegen Mittag versucht, etwas zu lernen, doch so wirklich hat es nicht funktioniert. Dann habe ich mich um 15.00 Uhr wieder ins Bett gelegt und bis eben geschlafen.
Ich trinke seit ich Ende 14 bin, anfangs immer von Zeit zu Zeit exzessiv, so viel wie eben reinging bzw. bis es wieder raus kam, doch in letzter Zeit trinke ich fast jeden Tag, immer ein Bier oder einen Wein, aber dann schieße ich mich mehrmals im Monat in unterschiedlicher Intensität weg.
Ich war schon bei der Suchtberatung, ich bin auch in psychologischer Behandlung, doch das Problem ist wohl, das ich mein Problem immer wieder verdränge. Nach einem Rausch trinke ich ein paar Tage nichts oder wenig, bis der nächste Abschuss kommt etc.
Früher habe ich es öfter Mal geschafft, einen Monat nichts zu trinken, aber das gelingt mir irgendwie nicht mehr. Wenn ich wieder anfange, rede ich mir ein, dass ich iches nicht einsehe, mit dem Trinken aufzuhören, da ich es als einen Teil der Lebensqualität ansehe und mir denke: „Naja, mit 30 kannst du ja immer noch aufhören.“
Allerdings bin ich mir der Gefahr durchaus bewusst, ich hatte schon mal 'ne Gastritis und außerdem nehme ich Anti-Depressiva, die in Kombination mit Alkohol ja auch nicht ungefährlich sind.
Ihr könnt mir gerne auch noch einmal sagen, wie wichtig es ist, dass ich das Problem in den Griff bekomme, aber im Endeffekt, brauche ich etwas, das ich konkret tun kann, denn von selbst gelingt mir das nicht.
Oft denke ich auch, dass sich das mit dem Trinken mäßigt, wenn ich allgemein ruhiger werde, und daran arbeite ich auch mit meinem Psychotherapeuten. Allerdings halte ich Ihn für nicht besonders kompetent, denn irgendwie hört er sich das zwar alles an, was ich sage, aber er tritt mir nicht in den Arsch.
In der Gesellschaft in der ich mich befinde, d.h. dem studentischen Millieu, ist es auch nicht besonders leicht, so ein Problem wirksam zu behandeln, geschweige denn zu thematisieren. Ich bin 22 Jahre alt und in diesem Alter sehen es die meisten meiner Bekannten nicht ansatzweise ein, auf den Alkohol zu verzichten, sondern heroisieren ihn stattdessen. Er gehört einfach dazu, und deswegen ist die Versuchung auch immer sehr groß. Ich will auch nicht auf meine sozialen Kontakte verzichten. Allerdings weiß ich aus der Erfahrung meiner temporären Abstinenz, dass man sich irgendwie auch an das Leben ohne Alkohol gewöhnen kann, dann bekommen andere Dinge einen höheren Stellenwert, so dass man ihn nicht mehr braucht.
Er geht mir einfach gehörig auf den Sack. Irgendwie wünsche ich mir auch einen ganz anderen Lebensentwurf; dieses Uni-Leben mit der ständigen Feierei ist zwar ganz lustig aber eigentlich träume ich davon, irgendwo in Ruhe zu leben, vlt. zu schreiben, viel Zeit in der Natur zu verbringen, Menschen zu helfen. Nur den Absprung wage ich noch nicht, bzw. ich weiß nicht, wie ich es machen soll. Wenn ich großes Glück habe, bin ich noch diesen Sommer mit meinem Grundstudium fertig, vlt. sollte ich mich dann umorientieren. Aber eigentlich macht mir das Spaß, was ich studiere, nur der ganze Stress und der beschissenen Alk machen immer alles kaputt und halten mich davon ab mein Leben zu genießen.
Helft mir bitte, ich will irgendwann Frau und Kinder und vor allem will ich zur Ruhe kommen, und nicht elend vor die Hunde gehen.
Fragt mich, was Ihr wissen wollt, ich schäme mich nicht.
Naja, ich geh' dann mal einkaufen. Gesunde Sachen und Wasser.
Dein Trinkmuster kommt mir sehr bekannt vor, auch wenn ich dafür etwas länger gebraucht habe. Die verlorene Zeit ist allerdings futsch.
In meiner letzten Langzeittherapie (stationär) war ich erstaunt, dass es immer mehr junge Menschen dort gab. Ich weiß nicht, wie ich in diesem Alter reagiert hätte, noch weniger, wie ich mit meinem Umfeld dabei umgegangen wäre. Aber eines weiß ich aus heutiger Sicht:
Die Entscheidung für den oben genannten Weg ist die Richtige.
Gute 24 Stunden Bernd
"Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. "(Bertrand Russell)
Für Sachen wie Entzug, Therapie, LZT ... also alles was die Krankenkasse bewilligen und zahlen muss, ist der (Haus-)Arzt Deines Vertrauens der richtige Ansprechpartner - ansonsten helfen auch Beratungsstellen weiter.
Mir ist es ja auch egal, was die anderen denken, nur in der konkreten Situation lasse ich mich dann eben mitziehen und verdränge mein Problem bzw. spiele es vor mir selbst herunter. Und dann trinke ich eine Bier und zwei Tage später 3 und dann nach ner Woche eben wieder Schnaps und dann tut es mir leid.
Wie läuft das denn dann? Der Hausarzt überweist mich in die Klinik und da bleibe ich dann 2 Wochen und lasse mich durchchecken und die überweisen mich wiederum an 'ne Selbsthilfegruppe?
Der Hausarzt schreibt eine Überweisung an die Entgiftungseinrichtung.
Diese sind ja normalerweise für akute Fälle zuständig. Ich war aber mit Hilfe der Suchtberatung da auch mit Null Promille eingerückt. Für drei Wochen.
Vorher mit der Suchtberatung Termin für stationäre Therapie klar gemacht, weils nicht immer gleich und sofort im Anschluß geht. Ist aber besser - im Hinblick auf die 'Versuchung' (eigene Erfahrung).
Eine Selbsthilfegruppe kannst Du Dir völlig unabhängig davon suchen. Da geht probieren über studieren, denn nicht jede passt. Ich bin bei den Anonymen Alkoholikern weich gelandet.
LG Bernd
"Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. "(Bertrand Russell)
Also hab's eben schon mal geschafft, mich mit Freunden zu treffen und nix zu trinken. Obwohl alle anderen Wein getrunken und mich komisch angeschaut haben. Hab' zwar geraucht, was ich normalerweise auch nicht mag, weil mir schlecht wird und weil ich Asthma hab'.
Weißte Herr Schmidt, Deine Umwelt gewöhnt sich recht zügig daran, wenn Du nichts mehr trinken willst, dass Du nicht mehr trinkst. Das klappt schon. Die ersten zwei, drei Male gibt es noch komische Blicke und die ein oder andere dumme Bemerkung, dann ist es meistens gut.
Wie gesagt, ich bin es dann ja meist selbst, der das Problem relativiert. Natürlich kommt dann dazu, dass die anderen in etwa sagen "na also, geht doch", aber die Motivation kommt ja von mir.
Naja, heute abend wahrscheinlich Stadtfest, da muss ich mich dann mal wieder bewähren...
hallo herr schmitt, genieß das stadtfest, leute gucken, was essen, nette gespräche und freu dich auf morgen früh, wenn du mit klarem kopf aufwachst, noch genau weißt, wie du ins bett gekommen bist und dich einfach klasse fühlen wirst. ich wünsche dir viel spaß