Der Kleine Prinz und der freiwillige Suchtkrankenhelfer
Der Kleine Prinz traf einen ehrenamtlichen Helfer (mit einem Verbandsabzeichen am Jakett). „Guten Tag“, sagte der Kleine Prinz, „Guten Tag“, sagte der ehrenamtliche Helfer. „Was machst Du da?“, fragte der Kleine Prinz den ehrenamtlichen Helfer, der in seiner Landesgeschäftsstelle hinter einem Berg Broschüren und Plakaten an einem Schreibtisch saß und mit Papieren hantierte. „Ich berate die Menschen, die Probleme mit Alkohol oder Medikamenten haben“, sagte der ehrenamtliche Helfer nicht ohne Stolz – „hast Du solche Probleme?“, fragte er. „Mein, warum?“, entgegnete der Kleine Prinz. „Fast alle haben heute Probleme und die meisten Menschen haben Suchtprobleme“, stellte der ehrenamtliche Helfer fest. „Ich spreche mit ihnen, und wenn sie ihre Probleme ebenso sehen wie ich, dann lade ich sie in meine Gruppe ein und sage ihnen, das sie aufhören müssen zu trinken und eine stationäre Behandlung machen müssen. Vorher und nachher müssen sie jede Woche in unsere Gruppe kommen und nach der Therapie müssen sie als Mitglied in unsere Gruppe und in unsrem Verband werden und bleiben.“ „Das ist aber seltsam; und woher weiß Du, was diese Menschen brauchen, kennst Du sie alle genau?“ fragte derselben Prinz. „Du siehst, ich habe zu tun“, antwortete der ehrenamtliche Helfer, dem diese Frage nicht gelegen kam und wandte sich seinem Aktenkoffer zu, um den Terminplaner herauszusuchen. „Ich muß noch meine Porto- und Telefonkosten des vergangenen Monats aufschreiben, alle ehrenamtlich gefahrenen Kilometer zusammenstellen und meinen kritischen Landesverbandsvorstzenden einen Erfolgsbericht über den letzten Monat vorlegen mit einer Statistik über die Anzahl der Menschen, denen ich in der Gruppe oder alleine geholfen habe. Dann muß ich noch die eingegangenen Mitgliederbeiträge zählen, überweisen und die ausstehenden anmahne.“ Der Kleine Prinz wiederholte: „Und woher weißt Du, was diese Menschen brauchen?“ Denn er verzichtete nie auf die Beantwortung einer Frage. „Ich bin selbst ein ehemaliger Alkoholiker und ein Mensch“, antwortete der ehrenamtliche Helfer knapp, „außerdem habe ich die Ausbildung zum freiwilligen Suchtkrankenhelfer absolviert und besuche monatlich Wochenendseminare und Arbeitstagungen unseres Verbandes“, fügte er hinzu, um das Gespräch von sich aus zu beenden. Der Kleine Prinz wurde lebhaft: „Das Du ein Mensch bist, das sehe ich. Aber was hast Du gelernt – etwa Menschenkunde?“ „Nein, vieles Wichtige: Die Enstehungsbedingungen und Phasen der Suchterkrankung, Psychologie, Gruppendynamik und Gruppenleitung; ich weiß Bescheid über die Art und weise, wie ich mit einem Suchtkranken sprechen und umgehen muß; ich kenne das Suchthilfesystem und die Verbandsstrukturen; ich kenne genau die Satzung unseres Verbandes du bin gut informiert über Finanzierungs- und rechtliche Fragen in Zusammenhang mit Suchtproblemen. Ich habe einen Video- und einen Auto-Führerschein, haben einen Grundkurs in Rhetorik, in Methoden der Öffentlichkeitsarbeit und in Computerkunde belegt, um die Mitgliederverwaltung nicht mehr manuell machen zu müssen. Und schließlich besuche in einen Supervisor – das ist ein Berater-Berater.“ „Oh“, sagte der Kleine Prinz etwas kleinlaut. „Das ist ja sehr viel. Aber was hat das alles mit diesen Menschen zu tun?“ Und im Fortgehen begriffen fügte der leise hinzu: „Wenn ich Probleme hätte, würde ich einen ganz langen Spaziergang machen, und mich anschließend mit einem meiner Freunde unterhalten, der ein ähnliches Problem schon einmal hatte und diese Situation ganz gut kennt ... Es gibt ja doch seltsame Menschen – ehrenamtliche Helfer – warum machen die das?“
Einen schönen Abend noch.
LG Fv
Ein Zuviel an Intellekt ist durchaus geeignet, die Freude am Leben zu trüben.
Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden
Saufnix-Chat
0
Offline
