hab' schon eine weile mitgelesen, habe aber trotzdem ein paar fragen:
bin seit knapp 8 monaten trocken und auch aktiv in der shg. die ersten monate nuechtern waren gar nicht so schwer und ich war sogar teilweise euphorisch. seit gut zwei monaten aber habe ich extreme stimmungsschwankungen, die von zu tode betruebt ueber gluecklich alles innerhalb von 24 stunden auftreten koennen. war auch schon beim arzt und der hat mir antidepressiva verschrieben, aber irgend wie helfen die nicht.
kennt sich jemand aus, bzw. hat aehnliches im ersten jahr erlebt? in den ersten paar monaten haette es ja sinn fuer mich ergeben stimmungsschwankungen zu haben, aber bei mir kam es erst so nach sechs monaten.
HI Vinnie, über dieses Thema habe ich mir viele Gedanken gemacht, siehe auch den Thread Burnout der auch hier steht.
Ich kann dir meine Meinung mitteilen und meine Erfahrung. Ich erlebe es oft in den Gruppen das Leute Stimmungsschwankungen haben, aber halt bei weitem nicht alle. Es ist für einen Alkoholiker wie ein Start in ein neues Leben, trocken. Ich denke ein gesunder Mensch würde sich nicht immer die Rübe zuhauen, es ist also auch oft ein Grund da um zu saufen, weil ich mit mir selber und dem Leben nicht klarkomme. Durch das Trinken wird die Entwicklung gehemmt, ja es ist eher eine Art kranker Entwicklung. Nun wirst du trocken, oft gibt es erst die Euphorie, hurra ich bin trocken. Dann kommt nach einem halben Jahr plötzlich der Umschwung, innen und außen soll sich das Leben normalisieren. Bei mir war es eher das Gegenteil. Ich bin völlig durchgedreht. Ich war oft so angespannt das ich Kaufräusche hatte, bin in die Rotlichtviertel und habe mich da rumgetrieben. Ich saß vorher zu Hause und wollte mich belohnen bzw. oft dachte ich ich muss was extremes tun um das Leben aushalten zu können, um Linderung zu kriegen von meinen inneren Schmerzen. Aus meiner Kindheit bin ich wohl auch traumatisiert (Gewalterfahrung, sexueller Mißbrauch, Scheidungskind, Alkoholikerfamilie); Ups und downs wechselten sich schön ab; Höhenflüge, Tiefflüge; aber die richtige Höhe traf ich selten, konnte ich nicht treffen. Meine Instrumente waren zu durcheinander. Nun nach einigen Jahren der Trockenheit, Selbsthilfegruppenbesuchen und Therapien, komme ich der Höhe die richtig ist oft näher. Ab und zu kommen noch downs, dann aber richtig, genau wie die ups, aber im Großen und Ganzen fliege ich auf meiner für mich einigermaßen sicheren Höhe. Nicht so hoch, also. Ich persönlich glaube daran was einige in der Gruppe sagen, du bist so alt seelisch gesehen solange du trocken bidst. Es ist wohl nicht ganz zu belegen, aber es ist zumindest mal anzudenken. Stimmungsschwankungen sind in der Trockenheit eher normal. Du musst das trockene Leben ja erst neu lernen, wenn du aber einen langen Atem hast, ist die Chance groß das hinter sich zu lassen. Natürlich kann es sein das du neben dem Alkoholismus noch weitere Krankheiten hast, Komorbidität im Fachjargon, auch dafür ist die Trockenheit gut. Das wird die Zeit zeigen, du brauchst halt eine langen Atem. Ich selber habe an mir arbeiten müssen, geguckt wo ich es mir schwer mache. Scham und Angst sowie Wut liegen wohl hinter allem; daraus resultiert sich eine Art Stolz bei mir, ich denke ein gutes Leben stehe mir zu, daher kommt bei mir der Perfektionismus und ein zu hoher Anspruch an mich und ans Leben. Nun weiß ich das, akzeptiere das und hoffe auf Linderung dieser Fehleinstellungen. Das Zauberwort ist für mich tatsächlich Akzeptanz, völlige Akzeptanz meiner Person mit ihren Schwächen und guten Seiten. Im Laufe der Jahre konte ich da wahnsinnig viel aufdecken und mich kennenlernen. Dies ist wohl kein Muss in der Trockenheit, war aber mein Weg den ich nur empfehlen kann. Ich nehme übrigens kein Medikament, das muss aber jeder selber entscheiden.
erst einmal ganz herzlich willkommen an bord! und meinen allergrößten respekt für die bereits hinter dich gebrachten acht monate ohne alkohol!
was genau die ursache deiner stimmungsschwnkungen sein kann, weiß ich natürlich nicht. ich kann nur ein bißchen von mir berichten:
bei mir war es in den ersten anderthalb, zwei alkoholfreien jahren so, als ob mein körper und meine seele sich immer wieder neue tricks "ausgedacht" hätten, um mich dazu zu bewegen, wieder zu trinken. es war als ob sie mich einlullen wollten: "ohne alkohol geht es uns schlechter als mit, also gib uns die droge zurück!" ich habe mich nicht überreden lassen, sondern ausgehalten.
schlimme kopfschmerzen, seelische tiefs, sogar seelische hochs - alles mögliche wollte noch mit bierweinsektgrappa begossen werden, um sich 'echt' anfühlen zu können.
ich habe mich nicht beirren lassen und bin abstinent geblieben.
vielleicht sind deine stimmungsschwankungen so ein 'trick' deines suchtgedächtnisses.
vielleicht hat es auch damit zu tun, dass es sehr anstrengend sein kann, keinen alkohol zu trinken - aber die direkte belohnung für diese anstrengung bleibt aus. mein süchtiges gehirn war daran gewöhnt, für jede anstrengung erst einmal belohnt zu werden - darauf einen düchardeng!
auch der gehirnstoffwechsel muss sich erst neu einpegeln. serotoninchen und dopaminchen und noradrenalinchen und wie sie alle heißen müssen erst lernen, sich auch ohne stimulanz alkohol zu organisieren. das kann ein weilchen dauern.
mit den antidepressiva .... na ja. es gibt verschiedene meinungen. mir haben sie damals und für eine gewisse zeit lang gut geholfen, aber meine symptome waren andere als deine.
ich weiß, dass ärztInnen die mittel heute verschreiben als ob es bonbons wären. innerhalb weniger jahre hat sich der verbrauch in deutschland verzehnfacht (das las ich neulich).
einerseits finde ich es in ordnung, ein medikament zu nehmen, wenn es mir denn hilft. andererseits habe ich gerade bei antidepressiva oft den verdacht, dass damit symptome kuriert werden, die wurzel des problems jedoch erhalten bleibt.
zumal die ärztInnen selbst ja auch nicht in deinen kopf hineinschauen können um herauszufinden, welches medikament denn genau für dich das genau geeignetste sein könnte. statt dessen verordnen sie die medikamente oft auf verdacht - try and error (und oft sicher auch aus hilflosigkeit) - um so zu tun, als ob sie helfen könnten ....
damit wird eine neue abhängigkeit geschaffen, dir mir sehr suspekt ist.
leider weiß ich da nicht mehr zu zu sagen, vinnie, als: horche achtsam in dich hinein und tu, was dir richtig erscheint.
alles was heilt hat recht. die hauptsache ist doch, dass du weiter auf deinem abstinenten weg der genesung bleibst.
Wir hatten das Thema Stimmungsschwankungen am Montag in der SHG. Gut fand ich die Ansatz, schlechte Stimmung zu versuchen zu akzeptieren. Und: Nicht hinterfragen. Wenn Du gut drauf bist, fragst Du ja auch nicht - "oh ich bin gut drauf, was habe ich denn alles richtig gemacht?". Daher frage auch nicht was Du alles falsch gemacht hast, wenn Du schlecht drauf bist.
ja genau das wurde in meiner shg auch gesagt, akzeptanz und selbstvertrauen und wenn ich es mir tausendmal im kopf sage hilft es auch fuer eine weile, aber dann falle ich wieder zurueck. muss wohl echt geduldiger sein
lieben dank fuer die antworten, denn auch das hilft
viele Alkoholiker haben auf dem Weg der Trocknung zwischen 1/2 und 2 Jahren nach Beginn der Abstinenz eine (reaktive sagte man früher) Depression. Hier muss man unterscheiden, ob es "nur" Stimmungsschwankungen sind oder eine "echte" Depression geworden ist. Ich vermute mal, Deine Chance auf eine Depression ist relativ hoch, weil Du auch den "Honeymoon" (die euphorische Phase) hattest. Wie lange nimmst Du schon das AD und welches in welcher Dosierung?
du glaubst gar nicht wie mir dein beitrag geholfen hat. ich hab' echt schon gedacht, dass ich durchknalle.
ich habe schon seit jahren mit depris und panickattacken zu tun und mich immer schoen mit der flasche selbst mediziert plus einnahme von prozac; alkohol allerdings meist nur am wochenende, aber bis zum blackout von morgens bis abends, also bingetrinker. durch das "NUR" am Wochenende trinken hat es auch jahrelang gedauert, bis ich meine sucht ueberhaupt erkannt habe.
nehme jetzt 150 mg zoloft und noch was fuer die schilddruese, aber es scheint mir nicht zu helfen. kommt mir so vor, als wenn ich ein placebo einnehme.
vielleicht sollte ich mal gar nichts einnehmen, aber ich habe angst vor einem rueckfall und traeume auch oft davon.
Nimmst Du Dein neues(?) AD denn schon mindestens 14 Tage? Wenn es keine Wirkung zeigt, kann es einfach auch das falsche AD sein. Sprich mit Deinem Arzt. Ich hatte vor über 20 Jahren Aponal für 1/2 Jahr genommen. Effekt: Null. Vor 5 Jahren nahm ich Citalopram, Effekt: Kontraproduktiv. Jetzt seit 4 Monaten Fluoxetin (Prozac), Effekt: Genau in die richtige Richtung. Anderen hilft Citalopram oder Aponal. Also sprich mit Deinem Arzt.
Wenn Du Alk schon als "Medikation" gegen den Depress missbraucht hast, ist es wenig erstaunlich, dass die Depressionen auch wieder aufgetaucht sind. Allerdings sind sie ohne Alk deutlich besser zu händeln. Musst Du nur noch ein Bisschen üben.
ja, nehme zoloft jetzt seit gut drei wochen und vorher hatte der doc mich von prozac auf lexapro (lebe in US, weiss nicht wie die auf deutsch heissen)umgeschrieben. die habe ich ueberhaupt nicht vertragen - ganz finstere dinger.
ich werde wohl noch etwas geduld haben muessen und vielleicht noch ein paar andere austesten muessen. wow, haette nie gedacht, dass die so unterschiedlich wirken koennen, sind doch alle SSRI's.
sorry, gehoert wohl eher ins depri forum, aber bei mir gehen die mit der flasche hand in hand
viele Alkis sind auch depressiv. Deswegen ist das nicht immer trennbar. Du nimmst die erst 3 Wochen. Es kann sein, dass die Wirkung noch gar nicht da ist. Das kann manchmal bis 6 Wochen dauern, bis bei einem SSRI die Wirkung spürbar ist. Hab' einfach etwas Geduld mit Dir.
Liebe Grüße Suse
PS: ich habe gerade nachgegoogled: Lexapro scheint das Gleich wie Citalopram zu sein. War für mich auch Horror. Reines Zombie-Gefühl.
ich denke auch, dass ADs eben eingestellt werden müssen. Manchem hilft das eine, manchem das andere. Ein wenig experimentieren gemeinsam mit dem Arzt (übrigens allg. Mediziner oder Psychiater mit Erfahrung zum Thema Sucht?) ist sicher nicht verkehrt. Ich bin selbst auf AD in schwacher Dosierung - wegen Panikatacken und Angstzuständen in gewissen Situationen. Ist inzwischen wieder gut. Ich nehme übrigens Paroxetin.
Ich hab auch gute Erfahrungen mit ADs, ich nehme seit der Entgiftung Trevilor, und ich binziemlich ausgeglichen, was meine Emotionen angeht. Ich nehme alles wahr, auch alles deutlicher als hinterm nassen Schleier, aber eben nicht übertrieben euphorisch, ängstlich oder depressiv. Ich denke, es ist eine sinnvolle Begleitung zumindest in der ersten Zeit, in der man mit der ungetrübten Welt konfontiert wird.
Wenn die Musik beginnt, dann dreht sich der Tanzbär...
also ich bin immer wieder erstaunt. da werden manchmal menschen hier angemacht, sie seien noch nass, schreiben deshalb blödsinn und denken nicht klar. doch selber haben manche mitglieder auch keinen "klaren" kopf, da er mit medikamenten beeinflußt wird. komme ich gerade drauf, weil wir letztens kurz im meeting darüber gesprochen haben und ich hier über ad lese.
meine persönliche ansicht dazu ist: nur, wenn ich gar nichts nehme (drogen, medikamente usw.) - nur dann habe ich einen wirklich klaren kopf.