Als neues Mitglied in diesem Forum möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich Euch kurz vorzustellen: Mein Name ist Michael, ich bin 33 Jahre alt, komme aus Duisburg und bin seit knapp 10 Jahren alkoholabhängig.
Wie so viele andere Leidensgenossen auch, kann ich nicht mehr im Detail nachvollziehen, wie es zu dieser verhängnisvollen Abhängigkeit kommen konnte. Ich weiß nur, dass ich sowohl die Trinkfrequenz als auch die Trinkmenge immer weiter steigerte, bis ich dann irgendwann jeden Tag mehrere Liter Bier trank.
Im Jahre 2005 zog ich - durch Intervention meiner damaligen Partnerin - zum ersten Mal die Notbremse und absolvierte zwei Entgiftungen und eine Langzeittherapie, die ich jedoch nach 3/4 der Zeit abbrach. Ich bin während der Therapie leider der Illusion erlegen, dass ich kein Alkoholproblem habe, sondern lediglich durch besserwissende Leute dazu überredet worden bin. In Wirklichkeit hatten die alle ein Problem - aber doch nicht ich! Denn was ist schon dabei, wenn man sich ab und an mal einen trinkt? Die Leute sind halt alle viel zu spießig!
Und so kam, was kommen musste: Ich soff weiter, meine Freundin verliess mich, ebenso wie ich viele gute Freund verlor, denn ich bin Solo-Trinker. D.h. ich sitze allein daheim und trinke. Wenn man Freunden jahrelang nur absagt oder sie gar versetzt, das hält irgendwann auch die dickste Freundschaft nicht mehr aus.
Einzig meinen Job in der Verwaltung einer Bank konnte ich bis heute erhalten. Und obwohl meine Leistungen im Laufe der Jahre immer weiter absackten, gelang es mir doch, ein gewisses Niveau zu halten, so dass ich keine Konsequenzen fürchten musste. Das ist aber in der Hauptsache der Tatsache geschuldet, dass ich freie Zeiteinteilung habe. Hätte ich einen Job, bei dem ich morgens um acht Uhr pünktlich auf der Matte stehen müsste, so hätten mir meine Alkoholeskapaden schon längst das Genick gebrochen.
Meine Arbeit trotz meiner Alkohlkrankheit auf einem gewissen Grundniveau zu erhalten, kostete aber immer mehr Kraft, so dass mein Privatleben immer mehr darunter litt. Machte ich anfangs trotz der Sauferei noch viel Sport und ernährte mich halbwegs gesund, so war es später nur noch eine tödliche Mischung aus Junk-Food, Alkohol und Zigaretten, die mein Gewicht auf sage und schreibe 132 kg bei einer Größe von 1,84m emporschnellen liessen.
Ich weiß nicht, ob jemand von Euch das kennt, aber ich weiß, dass ich bald sterben werde, wenn ich so weitermache. Ich kann das einfach spüren, wie es psychisch und physisch rasant bergab geht. Sollte ich weiterhin jeden Tag 3 - 4 Liter Bier trinken, rauchen, von Junk-Food leben und mich nicht bewegen, ist noch vor dem 40. Geburtstag Feierabend. Das weiß ich.
Und obwohl ich weiß, dass ich undankbar bin, weil ich bereits so viele Jahre ungenutzt fortgeworfen habe und das Geschenk des Lebens nicht zu schätzen wußte - ich will noch nicht sterben! Wer den Film "Das Boot" gesehen hat, kennt vielleicht die Szene, als die Briten das Boot vor Gibraltar vermeintlich versenkt haben, das Boot auf Grund liegt und es nicht klar ist, ob es dem beschädigten U-Boot gelingen kann, jemals wieder aufzutauchen. Und obwohl die Crew sich bereits mit dem nahenden Tod abgefunden hat, ruft der Kapitän den an der Oberfläche kreisenden und triumphierenden englischen Kriegsschiffen zu: "NOT YET!". Und das Wunder wird wahr, das Boot kann im letzten Moment entkommen und dem Tod ein Schnippchen schlagen.
Es ist also an der Zeit, das Steuer noch einmal herumzureissen; noch einmal alles auf eine Karte zu setzen! Ich bin seit ein paar Monaten bei einer Drogenberatung in Behandlung und habe heute meinen dritten Tag ohne Alkohol und Zigaretten. Es geht mir nicht gut und ich weiß, dass kalter Entzug nicht gut ist. Dennoch bin ich wieder bei Verstand und habe zum ersten Mal in all den Jahren die Motivation etwas für mich zu tun - und nicht für andere! Mein Ziel ist eine zufriedene Abstinenz, in der ich nicht mehr jammern muss, dass ich nicht mehr trinken DARF, sondern nicht mehr trinken WILL, weil ich weiß, dass ich mit Alkohol nicht umgehen kann und das Zeug mich fertig macht.
"Sorgen ertrinken nicht im Alkohol, sie können schwimmen." - Heinz Rühmann
"Wenn die anderen glauben, man ist am Ende, so muss man erst richtig anfangen." - Konrad Adenauer
Finde ich gut das du dein Leben umkrämpeln willst. Wie stark bist du vom Nikotin abhängig? Ich habe nachdem ich nichts mehr getrunken habe noch 1 1/2 Monate gewartet bis die Ziggis dran waren. Beides zusammen wäre für mich zu hart gewesen
ZitatGepostet von Maja82 Herzlich Willkommen im Forum
Finde ich gut das du dein Leben umkrämpeln willst. Wie stark bist du vom Nikotin abhängig? Ich habe nachdem ich nichts mehr getrunken habe noch 1 1/2 Monate gewartet bis die Ziggis dran waren. Beides zusammen wäre für mich zu hart gewesen
[ Editiert von Maja82 am 05.03.10 15:05 ]
Dankeschön!
Ja, ich weiß, dass das eine ziemlich große Zumutung ist, alles auf einmal machen zu wollen. Allerdings bin ich mit halben Sachen oft gescheitert. Jeder muss da seinen eigenen Weg finden, aber für mich funktioniert alles sofort zu ändern am besten. Würde ich weiterhin rauchen, würde ich mir auch viel schneller wieder gestatten, ein Bier aufzumachen´, das weiß ich...
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Wenn ich mich darstelle, dann tue ich das stets mit dem Wissen, andere sehen mir zu.
Am speziellsten und nachhaltigsten und wichtigsten wird es immer dann, wenn ich mich selbst geschlagen gebe und meine Person freilege Jetzt gäbe ich mich restlos frei und geschlagen. Danach kommt aber das andere Prinzip.
Wie heißt es so schön: "Ein Alkoholiker allein ist in schlechter Gesellschaft."
Grüße & viel Erfolg NL
Hallo! Ja, das stimmt unbedingt! Ich würde glaube ich wahnsinnig werden, wenn ich wüsste, dass ich mit meinem Problem mutterseelenallein wäre und niemand mich verstehen würde. Es ist doch meistens so: Man erzählt Nicht-Süchtigen von seinen Alkoholprobleme und wenn die Leute einen dann nicht sowieso verachten, dann heißt's nur: "Dann hör doch einfach auf zu trinken!".
Nein, es ist schön zu wissen, dass man nicht allein ist mit diesen Problem. Und noch schöner ist, dass es schon so viele geschafft haben, es in den Griff zu bekommen! Das macht Mut!
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Schön das Du hier bist und Du eine Entscheidung für Dich getroffen hast.
Wie stellst Du Dir denn die Hilfe vor...SHG, LZT und wann war Dein letzter ärztlicher Besuch?
LG
Manuela
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Das Leben ist schön, von " einfach " war nie die Rede.
Deine Geschichte und Dein Denken von Heute erinnert Mich ganz stark an Meine eigene stellenweise gleichzeitigen Resignation, Verzweiflung und Hoffnung...von damals
ZitatGepostet von Cookie-Monster
Ich weiß nicht, ob jemand von Euch das kennt, aber ich weiß, dass ich bald sterben werde, wenn ich so weitermache.
Jo...genauso hab ich des auch empfunden, sogar gespürt und auch noch bestätigt bekommen.
Habe das Ruder auf "gut Glück" vor 2 Jahren noch im allerletzten Augenblick rumgerissen und bin gegen jede Erwartung heute noch putzmunter und frischfröhlich am genießen Meiner neu gewonnenen Trockenheit
Also es ist so, dass ich etwa einmal pro Woche zur Suchtberatung gehe und dort erzähle, wie's mir so geht und wie ich zurecht komme. Und natürlich unterstützen die keinen kalten Entzug, sondern haben mir im Gegenteil dringend dazu geraten, eine Entgiftung und eine erneute Langzeittherapie zu machen.
Nun habe ich ja bereits zwei Entgiftungen hinter mir und wenn ich eins nicht mehr möchte, ist das eine Entgiftung. Es war einfach schrecklich dort. Ich kann von Glück sagen, dass ich bei meinem jahrelangen chronischen Missbrauch zwar eine starke psychische Abhängigkeit entwickelt habe, aber nur eine gering ausgeprägte physische. So sind die körperlichen Auswirkungen relativ gering und ich denke ich kann das verantworten mit dem kalten Entzug.
Was mich im Augenblick auch viel mehr fertig macht, ist die Zeit, die ich nicht zu füllen weiß. Normalerweise würde ich jetzt, am Freitagabend, wieder durchsaufen hier zuhause. Und jetzt hänge ich hier und mir fällt die Decke auf den Kopf... In den letzten beiden Tagen kamen noch undefinierbare Ängste und Panikzustände hinzu. Ja, ich habe Angst davor, was mich jetzt ohne meine "Krücke" Alkohol erwartet und wie ich mit der Realität umgehen soll.
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ZitatGepostet von Cookie-Monster Und jetzt hänge ich hier und mir fällt die Decke auf den Kopf...
ich denke, das ist verkehrteste was Du tun kannst.
Gerade wenn Du Leerlauf hast, und zu sehr ins Grübeln kommst wirds gefährlich. Unternimm irgendwas. Auch wenn es Dir jetzt sehr schwer fällt den Arsch auch nüchtern hoch zu kriegen.
Lenke Dich ab. Triff Dich mit Leuten. Es ist nur Übungssache den Alltag, und später die Freuden des Lebens auch nüchtern zu genießen
Willkommen an Bord von HMS saufnix, Krümelmonster!
"In den letzten beiden Tagen kamen noch undefinierbare Ängste und Panikzustände hinzu."
Würde _ich_ als Entzugserscheinungen sehen, aber ich bin kein Doc. Der Alk verändert gewaltig die Hirnchemie, und wenn er ausbleibt, gibts halt nochmal Chaos. Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen Psyche und Physis?! Das menschliche Denken/Fühlen/Glauben findet im Hirn statt, und das ist sehr wohl physisch, nicht?
Komm gut rüber!
"Wenn das das berühmte 'lange Glück' sein soll, dann lass ich meine Fenster lieber ungeputzt und beschäftige mich mit mir oder meinem Mann." -- 'Saftnase'
ZitatGepostet von dry68 Lenke Dich ab. Triff Dich mit Leuten. Es ist nur Übungssache den Alltag, und später die Freuden des Lebens auch nüchtern zu genießen