ich bin neu hier und - ihr ahnt es vielleicht - Alkoholiker. Zuallererst möchte ich jedem und jeder Einzelnen hier danken. Ich treibe mich schon seit einiger Zeit hier (nur lesend) im Forum herum und schon lange hat mich nichts mehr so berührt. Im Klartext: Ich bin ziemlich aufgewühlt und dauernd kommen mir die Tränen.
Ich glaube, das sind Erleichterungstränen. Gab's lange nicht, tut gut.
Fühlt sich an, als hätte ich nach Jahren (Jahrzehnten) des Herumirrens ein paar Leute getroffen, die mir zwar nicht DEN Weg zeigen können, weil es DEN Weg offenbar nicht gibt, aber doch zumindest sehr genau die Richtung. Und mit Nachdruck, wohin die Reise geht, wenn ich der Richtung nicht folge.
Kurz zu meinem heutigen Stand und zu meiner Karriere: Ich bin Rauschtrinker, abends 1 bis 2 Flaschen Wein oder 5 bis 8 große Biere und ebensoviele Schnäpse. 1 bis 2 Tage pro Woche trinke ich nichts, was allerdings mit einer kaum auszuhaltenden Willensanstrengung verbunden ist. Länger als zwei Tage habe ich es seit etwa einem Jahr nicht mehr geschafft. Das Fortschreiten der Krankheit nimmt eine Geschwindigkeit an, die ich nicht mehr ignorieren kann.
Karriere: Erste Vollräusche mit 12, mit 14 per Ambulanz ins Krankenhaus wegen Alkvergiftung. Halbes Jahr Abstinenz, dann wieder angefangen, regelmäßige Abstürze (mit Zoff zu Hause), dann langsam "gelernt rechtzeitig aufzuhören" (haha), bzw. mein extremes Trinken vor meinen Eltern zu verheimlichen.
Mit 15-20 extrem getrunken (auch schon tagsüber), erste "Einsicht" nach dem Abi mit 20: etwa 3 Jahre nichts getrunken. Stattdessen permanent bekifft gewesen, hinzu kamen Amphetamine, Ecstasy, LSD, Kokain. Etwa zwei Jahre Amphetaminabhängig gewesen (7 Tage die Woche "drauf"). Die Depressionen des Entzugs (alleine) mit Alkohol gedämpft.
Da war er wieder. Und ist mir seither erhalten geblieben, abgesehen von mehreren Phasen der Abstinenz in den vergangenen 20 Jahren (Wochen, Monate, ich denke Ihr kennt das Spielchen).
Seit 1,5 Jahren gehe ich (freiwillig) in eine SHG - Erfolg: Null. Anfangs war ich engagiert aber mittlerweile wurstel und verschweige ich mich (wie gehabt) da durch, es fragt einen ja auch keiner Konkretes (ist eine AA Gruppe, wo es keinen echten Austausch gibt, nur Monologe).
Um dem über die Jahre perfektionierten Durchwursteln, Verschweigen und Lügen ein Schnippchen zu schlagen, habe ich mich jetzt zu einer Therapie entschlossen. Vergangene Woche war ich bei der Suchtberatung, die Sache läuft, ich warte derzeit auf das Formular von der Krankenkasse für die Rentenkasse, Leberwerte kamen vor ein paar Tagen (und waren erstaunlich okay, worauf ich erst mal einen getrunken habe) und in mir keimt ein kleines Pflänzchen Hoffnung. (Auch, wenn ich seit dem Beratungstermin nur zwei nüchterne Tage geschafft habe.)
Und den letzten Anstoß, mich der Sache jetzt mal ernsthaft und mit (fordernder) Hilfe zu stellen, hat mir das Lesen Eurer Posts gegeben.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Danke dafür!
Ich muss jetzt die Kinder vom Kindergarten abholen und mit ihnen Schlitten fahren. Deshalb kann ich erst mal nichts mehr schreiben. Aber los werdet Ihr mich nicht so schnell, ich komm wieder, keine Frage!
Ganz liebe Grüße von der "Verwandtschaft" im Südwesten!
Hallo Riva86, mir geht's genauso (auch das mit den AAs kann ich gut nachvollziehen). Bin auch neu hier und endlich einmal Menschen, die ohne Vorwürfe und ohne zu moralisieren mit dir kommunizieren. Ich glaube, du bist auf einem guten Weg, dass du dir Unterstützung suchst.Wünsche dir alles Gute Ulli
bei mir hat es ähnlich angefangen... .das ende meiner trinkerei. lesen, heulen, weiterlesen , und am anfang leider auch weitertrinken... es waren oft grotesske situationen..die flasche am hals ,saufnix gelesen und dabei geheult... und dann so laut gejault,dass sich alle schon die ohren zuhalten mussten!
geschafft hab ichs aber trotzdem. saufnix war dabei ein ganz wichtiges hilfsmittel. ich musste nur dranbleiben. das tat ich. ich wollte endlich suchtfrei sein!
Ich danke Dir für Deinen Beitrag, der mich sehr bewegt hat.
Das Du eine Therapie machen möchtest, finde ich eine sehr gute Entscheidung.
LG
Manuela
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Das Leben ist schön, von " einfach " war nie die Rede.
ZitatGepostet von karlbernd bei mir hat es ähnlich angefangen... .das ende meiner trinkerei. lesen, heulen, weiterlesen , und am anfang leider auch weitertrinken...
Dito, allerdings war mein "Anfang" nicht ganz so lang wie der vom kb
It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society. J. Krishnamurti
So, da bin ich wieder. Wir hatten heute Besuch, da konnte ich mich nicht an den Rechner setzen.
Tausend Dank für eure Antworten! Das motiviert. Ich war sehr lange der Meinung, dass Motivation etwas ist, das man nicht brauchen sollte, weil es von außen kommt. Nach dem Motto: wenn es wirklich eine Leistung sein soll, dann muss man das schon aus sich selbst heraus schaffen. Hab ja auch immer alles geschafft... Den "Luxus" dieser Meinung kann ich mir heute nicht mehr leisten, deshalb bin ich froh, dass da was "von außen kommt", in Form eurer Posts. (Und hoffentlich demnächst in der Therapie, die KK-Papiere kamen heute).
Wie gesagt hat mir die AA SHG nicht recht behagt wegen der Einseitigkeit der Kommunikation. Saß immer mit meinen 1000 Fragen da und durfte nicht. Die Suchtberaterin hat mir jetzt, therapiebegleitend, die Blaukreuzler empfohlen, weil dort wohl miteinander geredet wird. Hörte sich gut an. Hat jemand mit denen Erfahrungen gemacht? Würde mich freuen, dazu was zu lesen.
Und noch eine Frage habe ich, die mir schon lange unter den Nägeln brennt, vielleicht hat jemand von euch Ähnliches erlebt oder kennt jemanden, dem es auch so geht: Ich habe tagsüber nicht das geringste Bedürfnis zu trinken. Ich denke nicht mal daran, und wenn mir vor dem Abend Alk angeboten wird, lehne ich immer ab, nicht aus schlechtem Gewissen, sondern aus dem Bauch heraus. Ich verabscheue den Alkrausch tagsüber regelrecht.
Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt (zwischen 19 und 21 Uhr) packt mich der Saufdruck sowas von heftig und zwanghaft, dass ich mir vorkomme, als wäre ich unter Wasser und MÜSSTE unbedingt auftauchen und einatmen. Das geht für mich irgendwie nicht zusammen. Komme mir vor wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Und wenn ich durchhalte, ist der Druck so gegen Mitternacht meist wieder weg. Allerdings ist natürlich nüchtern an Schlaf nicht zu denken, aber das kann ich einigermaßen ab.
Wichtigste Frage: Hat jemand ein paar Tricks auf Lager, wie ich die "Saufdruck-Phase" überbrücken kann? Ich mache Sport, spiele mehrere Instrumente, lese viel - hilft alles nix. Wenn's drückt, dann drückt's mich wie einen Korken in die Weinpulle.
Die Suchtberaterin hat mir jetzt, therapiebegleitend, die Blaukreuzler empfohlen, weil dort wohl miteinander geredet wird. Hörte sich gut an. Hat jemand mit denen Erfahrungen gemacht? Würde mich freuen, dazu was zu lesen.
Ich bin mit Leib und Seele "Blaukreuzler" Viele Jahre war ich dort aktives Mitglied, habe durch meinen Umzug vor ein paar Jahren zu einer anderen Organisation gewechselt und nun wieder ins Blaue Kreuz eingetreten. Ich habe mit dort heimisch gefühlt, weil es u.a. auch meinem Glaubensverständnis entsprach.
Allerdings ist es im Grunde völlig wurscht, welcher Selbsthilfeorganisation Du dich anschliesst. Du bist DORT richtig, wo es Dir zusagt. Deshalb empfehle ich immer, sich mehrere anzuschauen, um letztlich bei einer "hängezubleiben".
LG, Tina
Alles im Leben hat seinen Sinn
Über die Steine, die ich mir HEUTE in den Weg lege, werde ich MORGEN stolpern
Danke Tina! Ich bin gespannt, was mich da erwartet. Dass man verschiedene Gruppen ausprobieren sollte, "weiß" ich aus Büchern (zB Boroviak) - getraut habe ich mich nie. Die dir sicher wohlbekannte Scham-Geschichte...
Schön, dass du das mit dem Glauben ansprichst. Ich weiß jetzt gar nicht, ob es hier einen Thread dazu gibt. Aber für mich ist das eine ganz wichtige Geschichte. Weil, knapp gesagt: Ich reagiere allergisch auf organisierte Religion - bin aber, wie soll ich sagen, einer, der starke spirituelle Bedürfnisse hat. Die guten alten Kinderfragen: wie komme ich hierher, was soll ich hier, was ist der Sinn des Ganzen? Wie kann etwas unendlich sein? Wohin gehe ich, wenn ich sterbe? Was ist ein glückliches Leben? Ein gutes Leben? Nix Neues...
In meiner Familie war Religion nie ein Thema. Da aber die nächste Grundschule eine katholische war, war es meine. Da habe ich dann "mitgemacht", mich sogar mit 9 auf eigenen Wunsch taufen lassen. Beten hat damals noch geholfen. Aber das ganze kirchliche "Brimborium" (ich war sogar Messdiener) war absolut nicht meins. Kam mir vor wie Soldatentum: Gehorchen oder Hölle.
Ich bin ganz allgemein kein Freund von Machtstrukturen, aber wenn sie in den Bereich des verletzlichsten Inneren eines Menschen vordringen, die Frage nach dem Sinn des Lebens, dann renne ich so schnell ich kann.
Bei AA kam ich erst mal ganz schlecht mit dem Wort Gott klar. Aber es gibt bei denen einen Artikel "Wir Agnostiker", der sogar einen Vernunft-Nazi wie mich nachdenklich gemacht hat.
Besser noch: C.G. Jung: Spiritus contra spiritum. Spiritualität gegen Sprit.
Und danach suche ich noch immer: Die Sinnleere füllen, nicht das Glas, das das Gefühl der Sinnleere betäubt und ansonsten nur das Fass, bis es überläuft.
Sorry für den Wortschwall um diese Uhrzeit, aber diese Glaubensfrage(n) (Kapitulation, sich als Teil von etwas Größerem fühlen...) treiben mich schon so lange um...
Hi Pueblo, und danke für die Einladung! War noch am posten, als sie kam... Und habe außer beruflich noch nie gechattet. Obwohl ich mein täglich Brot am Bildschirm verdiene.
Ich werde mich morgen (wenns klappt, zwei kleine Kinder und so...) mal informieren, wie (netiquette, Technik) ich das mache, ohne ein Desaster auszulösen.
Außerdem bin ich gerade ausnahmsweise nüchtern UND schläfrig und diese Schnäppchen kann ich mir nicht entgehen lassen.
ZitatHat jemand ein paar Tricks auf Lager, wie ich die "Saufdruck-Phase" überbrücken kann?
die Uhr vorstellen.
Vielleicht hilft es dir den Saufdruck anzunehmen. Du sagst dir z.B.: Saufdruck komm ruhig. Ich habe jahrelang gesoffen und das ist die "Strafe". Ich werde dich aushalten und irgendwann wirst du immer schwächer.
Zitatsogar einen Vernunft-Nazi wie mich nachdenklich gemacht hat.
Was ist ein Vernunft-Nazi?
Gruß Ralf
Zufriedenheit hängt nicht davon ab, wer du bist oder was du hast; es hängt nur davon ab, was du denkst.