es ist an der Zeit, die Stichworte zu Yossarian fortzusetzen:
ab ca. 15 häufig Alkohol und verschiedene sog. "weiche" Drogen: Haschisch, LSD, Amphetamine ...
ca. ab 18 nur noch Alkohol weil die Beschaffung einfacher war. Menge und Häufigkeit stiegen rapide an, bis ich in einer Art von Dauerrausch lebte, arbeitete und vor allem litt.
Mitte der 20er Entzug und 4-monatige LZT weil absolut nichts mehr ging.
ca. 3,5 trockene Jahre, die wegen der Angst vor Menschen und vor der eigenen Unzulänglichkeit eine einzige Quälerei waren.
der unvermeidliche Rückfall, ein zweiter, kalter Entzug mit Hilfe der SHG und das war's ... jedenfalls bis heute.
Zum zweiten Mal war der Beginn der trockenen Zeit beinahe schlimmer als das ständige Zugedröhntsein. Die Angst vor Menschen und das Bewußtsein der eigenen Wertlosigkeit machten den Alltag zu einer enormen Belastung. Angst und Gefühl der Wertlosigkeit waren so stark, daß ich mich damit auch nicht zum Arzt wagte. Also habe ich in Eigenarbeit versucht, diese Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Es dauerte gefühlt ein halbes Leben, bis sie langsam verschwanden.
Damit ich nicht übermütig werden wurde sie durch chronische Gelenkentzündung und beginnende Depressionen ersetzt. Den krönenden Abschluß bildeten zwei Burnout innerhalb von vier Jahren, bei zweiten Mal mit 8-wöchigem Klinikaufenthalt.
Heute bin ich arbeitslos, immer noch depressiv und erhole mich in ganz winzigen Schritten vom zweiten Burnout.
Seitdem Siegfried Kauder sich zum Internet äußert, da bekommt der Begriff "Kauderwelsch" eine völlig neue Größenordnung.
irgendwie klingt das alles sehr traurig und mutlos. Angst, Wertlosigkeit, Krankheit, Depression, Burnout, Arbeitslosigkeit. Siehst du dein Leben so? Wo sind die Glanzpunkte? Ehrlich, zu meiner Rumeier-Zeit hätte mich deine Stichwort-Biografie ganz sicher nicht zum Trocknen motiviert.
Gruß von sole
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
und Danke für die Rückmeldung. Traurig ist es vielleicht, aber mutlos? Ich beklage mich nicht, ich stelle nur fest, was war und was ist. Das wichtigste Highlight meines Lebens habe ich andeutungsweise in den ersten Stichworten erwähnt: ich lebe nach wie vor suchtmittelfrei und habe nicht das geringste Bedürfnis, mich irgendwie "wegzumachen". Es gab auch andere starke Momente, doch mir ist im Laufe der Zeit immer mehr bewußt geworden, wie stark sie doch von meinen Ängsten überlagert wurden. Das wurde aber erst klar, nachdem die Ängste sich gelegt hatten und relativiert im Nachhinein die Erlebnisse ein wenig. Trotz allem bin ich mit meinem Leben zufrieden, denn ich habe viel gelernt. Zum Beispiel darüber nachzudenken, was für ein zufriedenes Leben wirklich wichtig und vonnöten ist.
Und zu den anderen Themen: - Chronische Krankheit kann passieren, Pech gehabt. Wer sich damit nicht abfinden kann wird an seinem Leben verzweifeln. - Arbeitslosigkeit? Pech. Mein Arbeitgeber hat den Laden dichtgemacht. Alters- und krankheitsbedingt finde ich sowieso nix Neues. Sagt sogar das Arbeitsamt. So what? Schaue ich also, was ich mit der neu gewonnenen Freizeit machen kann. - Depression gilt heute schon als die neue Volkskrankheit, von der ca. 1/3 der Bevölkerung ein- oder mehrmals im Leben betroffen ist. Wenn das passende Medikament gefunden ist, dann gibt es Schlimmeres.
Ich betrachte die Widrigkeiten meines Lebens einfach als Aufgabe, die es zu lösen gilt. Darüber zu jammern, warum es mich getroffen hat und warum in dieser Menge ändert nichts und versaut nur den Tag.
Zum Schluß möchte ich noch etwas zur Motivation sagen. In dieser Hinsicht scheinen wir uns sehr zu unterscheiden. Als ich mit dem Saufen aufhören wollte, da gab es keine Frage, was mich motiviert und was nicht. Ich wollte nur noch raus aus diesem unglaublichen Elend und der Rest war mir mehr oder weniger egal. Nichts konnte schlimmer sein als der Zustand, in dem ich lebte. Das reichte mir als Motivation.
Yossarian
Seitdem Siegfried Kauder sich zum Internet äußert, da bekommt der Begriff "Kauderwelsch" eine völlig neue Größenordnung.
die Rückmeldung kam daher, dass ich es schon ungewöhnlich fand, sich so vorzustellen.
Ich bin: Mutter einer erwachsenen Tochter, Hundebesitzerin, Gartenfreak, Bücherwurm, gelernte Sozialpädagogin, habe eine netten Nebenjob, ich bin gern draußen, geschieden, glücklich liiert mit einem trockenen Alkoholiker, habe einen Motorsägenschein, schwätze gern, lache gern UND bin seit fünf Jahren suchtmittelfrei.
Ich bin (auch) suchtkrank, chronisch depressiv mit Dauermedikation, übergewichtig, habe eine Hüftdysplasie und einen GdB von 50, zur Zeit eine Dauergastritis, bin Tochter einer suchtkranken Mutter damit auch Co, hab einen viel zu anstrengenden Beruf und Ärger mit dem Finanzamt.
Trotzdem steht die zweite Aufzählung für mich nicht im Vordergrund und ich würde sie bei einer Kurzbeschreibung von mir auch nicht in den Vordergrund stellen. Deshalb war ich von deiner Vorstellung so verwundert.
Und was die Motivation betrifft, so hatte ich das Glück, noch VOR dem von Dir beschriebenen Elendszustand aussteigen zu dürfen. Dazu bedurfte es sehr wohl Motivation, denn ich hatte die erste Zeit viel Saufdruck auszuhalten. Leute, die auf mich einen zufrieden trockenen Eindruck gemacht haben, waren dabei der stärkste Motivator.
Schönen Sonntag wünscht sole
Noch ein Kommentar von Tante Edith: Mit Mode hab ich nicht viel am Hut, aber die Mode aus Deiner Signatur finde ich richtig klasse.
[ Editiert von sole am 16.10.11 12:14 ]
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
ich finde es interessant, wie unterschiedlich wir das sehen. Ich bin ganz pragmatisch und so schreibe ich auch. Wie schon gesagt eine simple Beschreibung dessen, was war und war ist. Vor allem ist es total unemotional, so wie ein Text in Stichworten eben ist. Ich wollte schon mehr schreiben, doch ich mag keine endlosen postings produzieren und ich bin zur Zeit nur sporadisch online.
Yossarian
Seitdem Siegfried Kauder sich zum Internet äußert, da bekommt der Begriff "Kauderwelsch" eine völlig neue Größenordnung.
wenn ich einmal arbeitssuchend wäre und die entsprechenden existensängste hätte eine schmerzhafte polyarthritis oder ähnliches überstehen müßte, dazu noch mit emotionale erschöpfung und psychische niedergeschlagenheit zu kämfen hätte, wenn mir das alles wiederfahren würde und ich damit fertig werden müßte.... dann würde ichmich in meinem land auch nicht mehr wohl fühlen und ich würde die gründe dafür auch lieber politisch-sozial ansiedeln.
aber ich hab verstanden das du meine rückmeldung nicht magst oder willst. ist auch ok, kann ich mit leben
--------------------------------------------------------------------------------------------------- "Begehe nicht den Fehler, nicht zwischen Persönlichkeit und Verhalten zu unterscheiden. Meine Persönlichkeit ist wer oder was ich bin..... ..... Mein Verhalten hängt davon ab wer du bist."
Wenn ich in so eine Situation gerate, dann mache ich mir als erstes einen Plan für den wirklich miesen möglichen Fall. Das würde zum Beispiel bedeuten, was ich tue, wenn ein Grad der Behinderung >= 50% nicht anerkannt wird und ich von Hartz IV lenen muß. Wenn ich auf so eine Situation vorbereitet bin, dann kann sie mich nicht schrecken. Zusätzlich mache einen Plan für den anderen Fall, eben wenn die Behinderung anerkannt wird. Das fördert auch die gute Laune. Ich bin also auf den unangenehmen Fall vorbereitet, warum sollte ich da Existenzängste bekommen? Vielleicht würdest Du das alles fühlen und erleben, wenn Du in einer solchen Situation wärst. Aber deswegen muß ich doch nicht genauso denken und handeln, oder?
Was um Himmels Willen ist so schwer daran zu verstehen, daß Menschen total unterschiedlich auf solche Ereignisse reagieren? Wenn ich von so etwas aus der Bahn geworfen würde, dann wäre ich mit Sicherheit nicht heute noch suchtmittelfrei. Ich habe vor und in meiner aktiven Suchtzeit wesentlich schlimmeres hinter mich gebracht als nur keinen Job und wenig Geld zu haben. Und Krankheiten, die treffen uns halt. Soll ich deswegen Stress bekommen? Dann hätte ich schon vor etlicher Zeit an meiner Sucht verzweifeln müssen. Sieh es einfach als gegeben an, daß Du dir nicht vorstellen kannst, was in meinem Kopf in solchen Situationen vor sich geht und wie ich damit umgehe.
Können wir es damit jetzt gut sein lassen?
Seitdem Siegfried Kauder sich zum Internet äußert, da bekommt der Begriff "Kauderwelsch" eine völlig neue Größenordnung.
ich meine, dass Du Dir da Zusammenhänge zusammenschusterst, die es nicht gibt. Ich schildere Dir jetzt mal MEINEN Eindruck über yossarian: Jemand, der sein Leben nüchtern sieht. Im wahrsten und im übertragenen Sinne des Wortes. Er hat Depression und Burn-Out, ist arbeitslos und nimmt es als das was es ist, ein: Es ist eben so. Ich lese da weder irgendwelche Lamentiererei noch Mitleidsgesuche. Dazu hat yossarian offensichtlich eine offensichtlich ebenso nüchterne Betrachtung der politischen Lage. Und die ist nun mal nicht lustig.
Es gibt Menschen, denen reicht es in ihrem kleinen, eigenen (und vielleicht auch egoistischen) Glück zu leben. Und es gibt eben andere Menschen, die können zu Gunsten ihres eigenen Glückes eben nicht die allgemeinen Missstände ausblenden. Vielleicht ist es ein Segen, die allgemeinen Missstände ausblenden zu können, vielleicht ist es aber auch nur Ignoranz oder Dummheit.
Ich kann die Denkweise von yossarian sehr gut nachvollziehen. Ein Ausblenden von Mißständen kam für mich auch nie in Frage und wird auch nie in Frage kommen. Das würde für mich einer Gleichgültigkeit meinen Mitmenschen, der Umwelt oder was auch immer gleichkommen. Ein zufriedenes Leben wäre mir so schon gar nicht möglich.
Frauke
Nichts macht uns feiger und gewissenloser als der Wunsch, von allen Menschen geliebt zu werden.
ich hab auch garnichts gegen anprangern von missständen bin ganz bei euch und teile die meinung das vieles im argen liegt.
aber mir persönlich bringt das fingerzeigen alleine garnichts davon bekomm ich höchstens miese laune.
natürlich kann auch nicht jeder ein großer aktivist oder weltverbesserer werden aber ein kleiner schon
zb ich unterschreibe lieber eine unterschriften liste, als mich nur darüber aufzuregen. gehe mit der liste lieber selber auf die straße, als darüber schlechte laune zu bekommen und orgarnisiere lieber selber eine mit, als zuzulassen das es mir mit dem thema schlecht geht.
jeder kann zumindest kleine dinge tun. bringt vielleicht nicht das alles rosarot wird aber mehr als sich aufzuregen allemal.
ich hab schon oft erlebt, das sich die jenigen die schimpfen, sich aufregen und immer neue schlimme missstände anprangern dies ganz gerne tun ( aus welchen gründen auch immer) und auch genau die jenigen sind die die füße stiller halten als ihren mund.
beispiel,
als unser neffe erschlagen wurde war die empörung groß. jede menge maulhelden die sich aufregten und genau wußten wie man das verhindern hätte können.
ganz schlimme sache und dringender handlungsbedarf.
aufrufe über aufrufe die aber noch nicht mal von den aufrufern ernst genommen wurden.
aber nur eine handvoll leute haben sich dann tatsächlich für die jugendlichen eingesätzt und versucht die umstände zu ändern. und wir schafften es. es gibt nun ein jugendheim und gewalt-prefenzion in den schulen.
und das ist nur ein beispiel.
geht sogar noch kleiner, (mal das fahrad stat dem auto nehmen usw....) und natürlich auch noch größer.
aber das ist alles mit zeit und arbeit und umständen verbunden, da ist das aufregen doch praktischer.
jedenfalls finde ich es immer merkwürdig wenn sich übermäßig stark über irgendwelche missstände aufgeregt wird und hab ein ungutes gefühl bei solchen schwammigen aufrufen wie "wehrt euch" auch wenn ich vom thema auf der selben seite stehe.
wobei ich niemanden auf die füße tretten möchte sondern nur erkläre warum mich diese diskusion scheinbar kalt läßt. nicht sofort mit in die selbe kerbe zu hauen
heißt nicht zwingend naiv zu sein
--------------------------------------------------------------------------------------------------- "Begehe nicht den Fehler, nicht zwischen Persönlichkeit und Verhalten zu unterscheiden. Meine Persönlichkeit ist wer oder was ich bin..... ..... Mein Verhalten hängt davon ab wer du bist."
aus was schließt Du, dass yossarian, frauke oder ich dies nicht genauso (oder auf unser Umfeld abgestimmt) halten? Nur weil yossarian, frauke und/oder ich eben hier nicht schreiben? Vielleicht auch deswegen, weil der-/diejenige nicht auf Selbstbeweihräucherung stehen?