kurz vor Weihnachten hab ich was auf dem Herzen, das ich in diesem träge gewordenen Forum mal raushauen möchte. Einfach, weil's mich wirklich aufregt und ich mal hören/lesen möchte, ob eine/r von euch Erfahrungen zu dem Thema hat.
Ich arbeite in einer ziemlich großen Kreisverwaltung. Seit letzten Dezember habe ich dort das ehrenvolle und -amtliche Pöstchen der Schwerbehindertenvertretung.
Klar hat die Verwaltung eine Kantine/Cafeteria, die seit meinem Wechsel hierher(2012) schon vom dritten Caterer bewirtschaftet wird. Ab und zu esse ich da mal, meist vegetarisch, manchmal eine Suppe, nie ein Fleischgericht.
Kürzlich meinte eine meiner Kolleginnen, die Suppen da seien häufig mit Alkohol "gewürzt", daher esse sie die nicht mehr (ich weiß nicht, ob sie das nicht mag oder alkoholkrank ist, ist ja auch wurscht).
Nun hatte ich gestern das zweifelhafte Vergnügen, eine deutlich mit Wein "aufgepeppte" Blumenkohl-Cremesuppe zurückzugeben und mit zwei angestellten Köchen, leider nicht dem Chef der Truppe, ein Gespräch über Alkohol im Essen zu führen. Ich bat darum, solche weinseligen Suppen und sonstige mit Suff versetzte Speisen doch bitte als solche zu deklarieren. (Wohlgemerkt: Milch, Sellerie oder Glutenhaltiges Getreide werden sehr wohl deklariert).
Die Köche schauten mich an, als habe ich darum gebeten, doch einmal frische Frösche zu servieren. Wie bitte? Warum denn? Schwierig für alkoholkranke Mitarbeiter? Na die dürfen hier sowieso nie essen, denn hier kommt ja an fast jede Sauce Alkohol. Das sei völlig normal und doch nicht deklarationspflichtig. An alle Grundsaucen komme doch Alkohol, die xy, die z, die Jus, alle Saucen werden mit Wein zubereitet. Und beschwert habe sich auch noch niemand.
Ich war einen Moment sprachlos, und das kommt bei mir selten vor. Wieder halbwegs berappelt, wies ich die Herren darauf hin, - dass ein trockener Alkoholiker sich bestimmt nicht in der Kantine outet, sondern wahrscheinlich einfach nicht mehr kommt, - dass man meines bescheidenen Laienwissens nach sehr wohl in vielen anderen Küchen sehr gut ohne Alkohol kochen kann, ob jetzt in Kliniken, Kantinen oder Restaurants, - und dass ich als Schwerbehindertenvertretung die Selbstverständlichkeit, mit der hier Alkohol im Essen als "normal" bezeichnet und statt dessen homöopathische Sellerie-Dosen deklariert werden, gerne in Frage stellen möchte.
Nun, ich möge mich an den Chef wenden. Ganz sicher werde ich das tun, und zwar mit dem Personalrat im Schlepptau.
Sacht mal, geht's noch? Ich erlebe Kopfschütteln bei jedem, mit dem ich darüber spreche, ob mit dem Thema Alkoholkrankheit vertraut oder nicht. Sind die aus dem vor-vorigen Jahrhundert? Stimmt das, dass Alkohol nicht deklarationspflichtig ist?
Liebste Grüße an alle, die mal wieder hier vorbei schauen.
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
da ich mit dem Thema am Rande zu tun habe, ist mein bisheriger Stand, dass a) Zusatzstoffe, b) Allergene und c) gentechnisch veränderte Zutaten deklariert werden müssen. Alk hingegen nicht, auch, wenn ich mich eindeutig zu den Alk-Allergikern zähle ;-)
Meinung ist hier aber nicht angesagt, sondern Fakten bzw. das, was im Lebensmittelrecht (mittlerweile meist schon auf EU-Ebene) geregelt ist. Velleicht hilft das hier schon mal ein bisschen, den Rahmen abzustecken: https://www.bzfe.de/inhalt/kennzeichnung...arten-1879.html Interessant, dass stark coffeinhaltige Getränke extra erwähnt werden...
Da an meinem Arbeitsplatz letztens Kontrollen des örtlichen "Amtes für Verbrauchherschutz" stattfanden, wäre vielleicht dieses Amt auch bei Dir ein kompetenter Ansprechpartner? Es ging auch bei uns um Gemeinschaftsverpflegung. Habe gerade mal mit dem Amt hier telefoniert; die beiden Damen, die als zuständig benannt wurden, sind jedoch nur vormittags zu sprechen; so kann ich diese Woche leider nicht mehr erschöpfend Auskunft einholen ;-)
Ich finde Deinen Vorstoß gut und bin gespannt auf Deine bevorstehenden Erfahrungen und den Erkenntnisgewinn in dieser Angelegenheit.
Viel Erfolg, Susann
----------------------------------------- Optimismus ist, bei Gewitter auf dem höchsten Berg in einer Kupferrüstung zu stehen und »Scheiß Götter!« zu rufen. (Terry Pratchett)
kaum vorstellbar, dass sich, unbeschadet der juristischen Aspekte, ein Kantinenbetreiber in 2019 noch ernsthaft dem Wunsch, Alkohol im Essen auch auszuweisen, widersetzen wird. Wenn die Küche es so einfach und schlicht halten möchte, wie sich ihre Mitarbeiter geben, dann doch bitte in dicken Lettern "Achtung! Alle Speisen können mit Alkohol angerichtet sein" unter die Karte schreiben. So sparen sich alle viel Fragerei.
Die vermutlich wichtigste Frage ist allerdings, warum das überhaupt so ist und inwiefern eine Behördenkantine Essen mit Alkohol zubereiten muss. Vermutlich gibt es eine ganze Reihe Mitarbeiter und auch Gäste, die aus unterschiedlichsten Gründen keinen Alkohol im Essen haben möchten. Da läge es doch nahe, entweder ganz drauf zu verzichten oder eben Speisen mit Alkohol als Ausnahme zu deklarieren.
Eine Extra - Essensausgabe mit dem Schild "Hier nur bleifrei für die Alkis" wäre vielleicht nicht der beste Weg...
Ich drück Dir die Daumen, dass Du schnell eine gute Lösung finden kannst.
ja daran sieht man mal wieder wie Ignorant, hirnrissig und emphatielos viele Menschen doch sind, wenn's um Alkohol geht! Aber warscheinlich dürfte die eigene Involviertheit, die damit zusammenhängende Verleugnungs- und Verdrängungsdendenzen ursächlich für deren Borniertheit sein.
Euch allen an dieser Stelle ein besinnliches, konsumzwangfreies Weihnachten und gutes Neues auch natürlich!
Das ist schon der Hammer, dass es in eurer Behördenkantine so viele beschwipste Speisen gibt.
Juristisch kennen ich mich da leider nicht aus, aber ich finde es klasse, dass du dich nicht hast kleinreden lassen und der Sache nachgehst.
Es sind ja nicht nur alkoholkranke Menschen betroffen davon. Manche nehmen aus religiösen Gründen keinen Alkohol zu sich. Andere, weil es ihnen einfach nicht schmeckt. Und dann soll es sogar solche geben, die Alkohol einfach NICHT WOLLEN. (jaja, wir haben dieses Recht auf einen freien UN-Willen!) Und was ist, wenn mal Kinder kommen und mitessen wollen?
Das Verhalten der (sogenannten) Köche finde ich dumm und grenzwertig bis körperverletzend. Das weiß doch jede*r, dass Soßen und Suppen und auch alles andere alkoholfrei möglich sind und köstlich sein können.
Ich bin gespannt auf die Fortsetzungen ...
Lasst es leuchten - und habt schöne Feiertage!
ame (aka amethysmena) „Die subversivste Droge ist ein klarer Kopf.“
Also ich meine mich aus meiner Therapie erinnern zu können, das eine Kennzeichnung nicht zwingend ist. Da war Alk in Lebensmitteln auch oft Thema und ich selbst frage beim Bäcker bei Kuchen schon noch manchmal ob da was drin ist. Imho war da ein Unterschied zwischen industriell und handwerklich gefertigten Lebensmitteln, genau weiß ich das aber nicht mehr.
Die Köche, die ich kenne haben schon einen beruflich bedingten, ähm, "sehr engen Bezug" zum Alkohol. Kochen ohne Sprit im und besonders auch nach dem Essen kaum denkbar.
Ich würd in solchen Fällen immer erstmal das persönliche, unaufgeregte Gespräch ohne Empörung mit dem Kantinenchef suchen. Wenn das nicht fruchtet bin ich dann aber auch völlig schmerzfrei andere Register zu ziehen.
Ich kann auch ohne Alkohol traurig sein. (Simon Borowiak)
Der Kollege des Personalrates - ich habe früher eng mit ihm zusammengearbeitet und weiß, dass er Alkohol auch konsequent meidet - hat meine Anregung aufgenommen und genau jenes persönliche und aufgeregte Gespräch gesucht.
Seither ist eine Kennzeichnung "kann Alkohol enthalten" erfolgt. Das allerdings bei so vielen Gerichten (z.B. Tomaten-Basilikum-Sauce), dass man wirklich als Alki sehr wenig alkoholfreies zu essen findet. Einige Beschäftigte haben das mir gegenüber schon moniert und fragen sich, was Alk in derlei Gerichten zu suchen hat - kann ich nur hoffen, dass sie diese Frage auch der Kantinenmannschaft stellen.
Ich hoffe jetzt auf reichlich Rückmeldungen aus der Kundschaft oder eine "Abstimmung mit den Füßen", damit die Küche langsam auch zu alkoholfreien Koch-Varianten findet.
----------------------------------------------- when in doubt: go to the water and swim
Äh, schön, eh, dass " genau jenes persönliche und aufgeregte Gespräch" schon einmal eine Verbesserung brachte ;-)
Dann mal weiter auf dem Erfolgsweg.
Viele Grüße, Susanne
----------------------------------------- Optimismus ist, bei Gewitter auf dem höchsten Berg in einer Kupferrüstung zu stehen und »Scheiß Götter!« zu rufen. (Terry Pratchett)
super gemacht: Innovation (Veränderung) entsteht nur, wenn "man" (also Du) neue Wege betrittst. Du warst nicht still und hast die Problematik dem richtigen vorgetragen, wohl auch mit der richtigen Intonation. Nur meckern und Nichtstun hätte nichts bewirkt.
Tip-top Werner
---------------------------------------------------------------- It's nice to be a Preiss, it's higher to be a Bayer