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Saufnix  
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Dieses Thema hat 46 Antworten
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 Akute Hilfe
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Joosi Offline




Beiträge: 2.036

07.01.2004 23:36
#31 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Hallo Gast,

toll, dass du nichts getrunken hast. Du hast recht, schau´lieber ein bißchen hier in dem Forum.

Du siehst ja, es ist immer jemand da, der seine Meinung kund tut. Ich bin so froh, über diese Unterstützung hier.


Mir geht es auch so, dass ich manchmal so eine große Leere in mir fühle, obwohl rein äußerlich betrachtet gar kein richtige "Anlaß" da wäre. Ich gehe dann sehr auf "Rückzug" und kapsele mich von allen ab. Das war bisher immer der Punkt, an dem ich wieder trank. Wie du vielleicht hier mitverfolgen konntest, habe ich das letzte Mal die Kurve gekriegt und mir auch vorgenommen hier feste zu mailen, wenn es wieder brenzlig wird (aber nicht nur dann).

Schreib´doch mal ein bißchen. Was hast du für eine Langzeittherapie gemacht?

Das mit deiner Ehe hört sich traurig an - aber nicht hoffnungslos, wenn ihr doch beide keine Scheidung wollt, dann findet ihr einen Weg. Es braucht halt Zeit und Geduld. Habt ihr euch schon nach Hilfe umgesehen?

Ich kenne meinen Mann schon 14 Jahre und wir haben auch schon einige Täler durchwandert, wo es so aussah, als kriegten wir die Kurve für unsere Beziehung nicht mehr. Haben wir aber doch! Es geht, wenn man wirklich will. Davon bin ich fest überzeugt!

Liebe Grüße
Gaby


Biene ( gelöscht )
Beiträge:

08.01.2004 09:02
#32 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Hallo lieber weiblicher Gast,

wenn ich Dir einen guten Rat geben darf,was Deine Ehe angeht:
Gewöhn Dir als erstes die Schuldgefühle ab.
Es gibt immer einen guten Grund warum ein Mensch tut was er tut,auch wenn es für die Lieben daheim oder für Aussenstehende nicht immer ersichtlich ist.
Die Frage ist immer wieder,was kam zuerst,die Flasche oder das Problem.
Wir Frauen sind leider so erzogen worden uns immer für irgendwas schuldig zu fühlen,wir müssen funktionnieren,sind der Katalysator der Familie.
Und wenn wir keinen Bock mehr haben und in die Revolte gehn,greift unser Selbstbestrafungsmechanismus von ganz allein.
Schuldgefühle sind das hinderlichste im allgemeinen Lebenslauf überhaupt und bei Trinkern wirken sie sich fatal aus,denn sie verstärken noch das Gefühl von Wertlosigkeit, was dann den Teufelskreis noch verfestigt.

Steh zu Deiner Vergangenheit,das wird auch Deinen Mann zu denken geben.
Egal,was Du getan hast,in dem Augenblick,zu dem Zeitpunkt war es für Dich das einzig Richtige und die beste Lösung.
Anderenfalls hättest Du es wohl nicht getan.


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

08.01.2004 09:24
#33 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

hi ihr

"wie komme ich da wieder raus?"

Ich erlaube mir noch eine Anfügung: das allerwichtigste aber ist dass ich was für mich tue, dass ich weiß was ich tue, wofür und nicht wogegen.
Leider ist es so, dass zu Anfang die furchtlose Analyse sein muss, und dass ich meine Verwerfungen & Verknotungen & Hilflosigkeiten & Einsamkeiten & das Alleingelassensein erkenne. Aber die Phase ist mal zu Ende, sonst wird das nichts vernünftiges. Und mündet dann in meine eigenen Entscheidungen, verbunden mit meinen eigenen Tätigkeiten, neuen Bekanntschaften und was weiß ich noch.
Und es dauert, deutlich längere Zeit.

ich grüße euch, besonders den weiblichen Gast Max


Gast ( gelöscht )
Beiträge:

08.01.2004 19:04
#34 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Liebe Joosi, liebe Biene
lieber Max:
Vielen Dank, daß Ihr mit mir korrespondieren wollt. Mein Name ist Jutta. Über meine Therapie könnte ich ein dickes Buch schreiben. Habe während meines Aufenthaltes Tagebuch geführt. Traurig war, dass ich eine der wenigen war, die aus der Ferne (450 km) angereist war. Viele der Mitpatienten wohnten in unmittelbarer Nähe und treffen sich gelegentlich, was ich klasse finde. Leider bin ich viel zur weit "vom Schuss". Der Aufenthalt war okay. Begriffen habe ich durch einen älteren Herrn, der einmal wöchentlich die Indikativgruppe Rückfallverhütung geleitet hat. Habe diese Stunde während meines gesamten Aufenthaltes besucht, da ich von und durch diesen Mann sehr viel gelernt habe. Er ist selbst betroffen und seit über 30 Jahre !! trocken.
Erschreckend war, dass etliche Patienten die Therapie zum 2. und 3. Mal gemacht haben. Es gab auch in der Klinik, auf Heimfahrten und kurz nach Entlassungen etliche Rückfälle. Die dort angegebene Quote von 50 % ist meines Erachtens unangemessen und liegt deutlich höher. Nein ! Ich kann das alles nicht mehr gebrauchen – am wenigsten ein Delir mit Wahnvorstellung und Hören von Stimmen. Weiter möchte ich hier nicht ausholen. Damals dachte ich, Langzeittherapie – nein Danke …. Brauche ich nicht …. Ich schaff das auch so. Nix war. Die Therapie war wichtig/erforderlich und ich kann sie nur jedem raten, der dieser Krankheit verfallen ist.
Samstag, als es mir mies ging, fielen mir die Worte des älteren Herrn, Conny Vry wieder ein und ich habe die Kurve gekriegt.
Was mich ärgert sind Fragen z.B. der Nachbarn wie „Na hat es denn was gebracht, die Therapie ?“ Einige von ihnen müssten mal selbst was für sich tun.
Ich bleibe stark !
Jutta


Joosi Offline




Beiträge: 2.036

10.01.2004 16:39
#35 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Liebe Jutta!

Zitat
Ich bleibe stark !



Genau, Jutta! Ich auch - und Alkohol macht nur schwach!

Meine Therapie steht noch bevor. Ich warte jetzt seit 20 Tagen darauf, dass die BFA wenigstens mal einen Bescheid schickt, dass sie die Antragsunterlagen erhalten hat. Ich werde immer hibbeliger und bin jedesmal furchtbar enttäuscht, wenn wieder nichts im Briefkasten ist. Ich denke, ich muss halt lernen mit solchen Frustrationen fertig zu werden - ist wahrscheinlich ein "Trainingsprogramm" -ich versuche es sportlich zu sehen.Das ich noch ein bißchen "wackelig" vor mich hinjogge täuscht, ich werde mein Ziel erreichen!

Ärger dich nicht über Nachbarn, die "unqualifizierte" Fragen stellen. Ich sehe das so, dass viele (nichtbetroffene) sehr hilflos sind, was das Thema Sucht betrifft. Vielleicht war es nur ein liebgemeinter Versuch, sich nach deinem Wohlergehen zu erkundigen oder vielleicht würde es ihn sogar selbst interessieren, wie man an Hilfe in Sachen Sucht kommt, wer weiß?!

Mir geht es so, dass ich mich auf die Therapie freue. Ich sehe es als wirkliche Chance, die ich für mich nutzen will - und bis dahin arbeite ich schon mal vor (heute 7 Wochen trocken :grins2. Ich werde vielleicht auch Tagebuch schreiben, eine gute Idee!

Das hilft dir doch bestimmt, wenn du jetzt immer mal wieder drin liest, oder?

Liebe Grüße
Gaby


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

10.01.2004 19:15
#36 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

liebe Jutta,

also mein Tagebuch war zum Schluss 81 Seiten lang (getippt!). Hebe dir das deine bloß gut auf, weil da alle deine Gefühle mit drinnen stehen. Die Gefühle "verdünnen" sich nämlich mit der Zeit, und du kriegst sie auch kaum wieder aufgefädelt.
Ich hatte auch so einen älteren Herren als Vorbild, straffer Alkoholiker, 20 Jahre trocken, davon 10 Jahre Knast für eine Tat, welche er gar nicht begangen hatte. Solch Mensch, gütig und freundlich war er, konnte bei mir ganz viel auslösen - im krassen Gegensatz zu den bescheuerten Nachbarn. Aber die sind leider in der Überzahl.

Grüße von Max


Gast ( gelöscht )
Beiträge:

11.01.2004 10:58
#37 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Hallo Joosi,
ich find es toll, daß Du eine Therapie machst. Daß die BFA sich so lange Zeit läßt, ist mir unverständlich. Normalerweise müßte die Kostenzusage nach 2 - 3 Wochen vorliegen. Hat sich eine Suchtberatung um die Klinik gekümmert ? Wir bist Du es angegangen ?
Bleib stark !
Jutta
Hallo Max,
mein Tagebuch werde ich behalten und später vielleicht daraus zitieren.
Auf mich wartet Arbeit. Ich melde mich später nochmal.
Jutta


Joosi Offline




Beiträge: 2.036

11.01.2004 15:30
#38 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Hallo Jutta,

ich fände es toll, wenn du mal etwas aus deinem Tagebuch zitieren würdest !

Ja, mein Suchtberater hat den Sozialbericht für mich gemacht und alle Unterlagen bei der BFA eingereicht. Ich habe nochmal nachgeschaut, das war am 15.12. Gut, man muss vielleicht noch ein paar Tage Postwege einrechnen und dann waren ja auch noch die Feiertage dazwischen. Aber langsam werde ich schon nervös. Ich habe schon überlegt, ob ich mal bei der BFA anrufe, aber da ich ja noch nicht mal eine Posteingangsbestätigung der BFA habe, habe ich ja auch keine Bearbeitungsnummer, da werden die mir bestimmt keine Auskunft geben können. Nächste Woche Donnerstag ist es dann 4 Wochen her, dann werde ich mal den Suchtberater fragen.

Wo warst du denn in LZT? Ging es bei dir schnell mit einem freien Platz?

Außer, dass ich etwas nervös zur Zeit bin und dadurch etwas schneller wegen Kleinigkeiten aus der Haut fahre, geht es mir aber ganz gut. Denn eines ist auf jeden Fall sicher: Ich WILL weiterhin nichts trinken - ausser Kaffee, Tee und Wasser

Liebe Grüße
Gaby


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

11.01.2004 19:19
#39 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

hi Gaby,
jetzt überlege ich schon 3 Stunden soll ich oder soll ich nicht. Aber wenn du nun meine Beiträge als für dich wertvoll findest, dann traue ich mich jetzt doch.
Es ist ein Stückchen Tagebuch, von ganz damals, als ich nicht mal wusste, dass es eine Beratungsstelle gibt.

Heute sind wohl die Bedingungen anders, oder besser? Meine Anstalt mit Gittern für 10 Tage hat jedenfalls genützt, weil es mir die tatsächliche Wahrheit brachte. Und DAS war die Hauptsache.

Geschlossene Station,

Der eigentliche Schrecken ist gar nicht drinnen, wie man denken könnte, sondern erst wieder draußen, in Freiheit.

Tagebuch, 30 Jahre alt: „Ich bin freiwillig hierher gegangen. Meinen Personalausweis musste ich abgeben. Ich muß zunächst auf die „Geschlossene“, die Tür scheppert zu. Jawohl, sie schepperte! Temperatur, Puls, Blutdruck, Gewicht, Personalien. Auf dem langen Gang (völlig verräuchert) stehen zweifelhafte Leute, zumeist Männer, und glotzen mich an. Das „Zimmer“ erschlägt mich fast, schwere Doppeltür mit Guckloch, ohne Klinke, Fenster vergittert. Mein Zimmerkollege heißt Uwe, er nimmt mich mit in den Speiseraum. Dort wird gerade nach Essen angestanden. Verstohlen betrachte ich die Leute. Sowohl Kleidung als auch Gesichtsausdruck eher erschütternd, deprimierend, an sich paßt „kaltes Grauen“ besser. Es gibt Kartoffeln - echt auf den Teller „geschlagen“ - und eine Kelle Fest-Flüssigkeit, die sich beim Essen als Lungenhaschee herausstellte. Nach zwei Happen war ich mit der Welt sowieso fertig. Der Nachmittag wurde „verbracht“. Ich habe keine Tasse, aber scheuslichen Durst. Es gibt keine Tasse für mich. Ein Kofferradio dudelt ständig. Ich halte es schon jetzt nicht mehr aus. Ich habe Angst, ordinäre Angst, die ich nicht weiter erklären muß. Ich weiß sofort: Hier bin ich seelisch für alle Zeit ruiniert! Rauchen ist erlaubt, aber es gibt keine Aschenbecher. Dazu dienen leere Fischbüchsen, alte kleine Metalldeckel, ein Mostrichglas - aber alles persönliches Eigentum!
Das Fernsehen dudelt und flimmert vor sich hin. Plötzlich fiel einer vom Stuhl und bekam einen epileptischen Anfall (so heißt das, wurde mir hinterher erklärt). Er spuckte Blut und Schleim, verdrehte die Augen, verkrampft und steif wie’n Brett, und stöhnte fürchterlich. Und ich noch voll im Entzug, mit „Mandolinenzittern“. Drei Leute schauten zu: Ich, weil ich dachte schau dir das an wohin der Alkohol führen kann (später bin ich angsterfüllt und zitternd weggegangen), dann Uwe der Pfleger und noch ein geistig Abgestürzter, der Tag und Nacht immer mit der gleichen (Schlafanzug)Hose lief und vor sich brabbelte „naja, naja, jaja, naja, stirbt, najanaja“.
Aufgeweckt durch Lichtmachen, scheusliche Gefühle, zittern, Angst nicht durchhalten zu können, 4 Röhrchen Blutabnahme mit fast umkippen, Vitaminspritze (rektal hätte ich fast gesagt) intramuskulär etwa 50 ml, danach wieder nichts. Es stinkt nach alten Männern, Rauch, die Fenster bleiben zu weil es so kalt ist, etwas Platzangst (die eigentlich Raumangst ist), ich bereuhe entsetzlich daß ich überhaupt hierher gegangen bin. Dann überlege ich na wie denn sonst und finde es wieder richtig?! Dialektik im Ballermannhaus! Ich bin hier an diesem Orte, wie im Knast, für meine falschen Taten betraft.
Der alte Wedel ist vor Jahrzehnten im Delirium stecken geblieben. Er kann laufen, essen, ist körperlich kerngesund, vergißt aber alles im Herumdrehen - ein „Korsakov“. Einige Alte wohnen hier sozusagen, sie könnten „draußen“ gar nicht wohnen. Bei Helmut hatte die Trunksucht eine latente Schizophrenie ausgelöst. Er sammelt immer Kippen, die er so wie sie sind (weiter)raucht und immer um Feuer bittet. Da weiß man nicht wie man es schafft, ihm die Nase eben nicht anzubrennen.
Gerstern 4 Neue eingeliefert, davon 1 „alter Kunde“ (die kommen alle 4-8 Wochen und bleiben 8 Tage), darunter 2 „Delirien“. Heinz schaut nur kurz von seinem Rätsel auf, sieht das Blaulicht und äußert „aha, Zuwachs“.
Der im Delirium von vorgestern konnte heute schon, von zwei Mann geführt, zur Toilette gehen. Heute war eine Stunde lang Ausgang. Da war die Angst vor der langen Zeit weg, aber sobald ich allein bin, kommt sie wieder. Meine Gewöhnung schreitet weiter, denn mir fällt nur noch wenig Neues auf und all das Schreckliche wird immer mehr Wirklichkeit.

Nach 10 Tagen mal offene Station. Wohlan denn!! Große Bange vor der Entlassung, jetzt schon, denn dann ist die Käseglocke vorbei und die lieblose Umwelt trommelte wieder auf unsere tapferen Häupter." (Ende Tagebuch)

Inzwischen ist das reichlich lange Jahre her (das ich dannn wirklich trocken werden konnte). Aber der eigentliche Grundstein war gelegt damals, auf der geschlossenen Station. Seit dem kann ich für mich selbst sorgen. Nüchtern, Kameraden, nüchtern. Die geschlossene Station war der Anfang für meine Wiedergeburt in Freiheit.

Liebe Gaby, dieses war der allererste Kontakt für mich mit der Psychiatrie. Und es hat nicht geschadet.

viele Grüße von Max


Peter R Offline



Beiträge: 36

11.01.2004 21:53
#40 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Hallo Max,
was Du hier schreibst liest sich beängstigend. Ich kann aber nicht so recht glauben, daß ein wie von Dir beschriebener Aufenthalt therapeutische Wirkung haben sollte. Daß Dir dieses Erlebnis auf die Beine geholfen hat ist wohl eher darauf zurückzuführen, daß Du Abstand zu dem dort herrschendem sozialen Klima halten konntest. Ich nehme an daß Du ein Ziel, ein zu erreichendes Ende dieses Aufenthaltes vor Augen hattest. Dazu gehört eine Sattelfestigkeit, die man nicht allzuoft vorfindet und mir eine gehörige Portion Respekt abringt.
Diese, so wie ich sie einschätze "Schocktherapie", war glaube ich eher ein Nebeneffekt der dort stattgefundenen Vorkommnisse und Eindrücke, denn ein so gezieltes Endergebnis ist in solchen Institutionen in der Regel nicht gewollt. Der Sinn derartiger Unterbringungen dient in erster Linie dem "aus dem Verkehr ziehen" und nicht der dauerhaften Abstinenz.
Mich trifft diese Schilderung deiner Erlebnisse deshalb so, weil sie mich justament an meine Kinderheimaufenthalte in der Nachkriegszeit mit strengen Erziehern(oder Wärtern?), 20 Personen- Schlafsälen, kollektiver Nahrungsaufnahme und deren Entsorgung erinnert.
Da hast Du was bravourös gemeistert.
Hut ab
Peter


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

11.01.2004 22:21
#41 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

hallo Peter,
kannst du aber doch glauben. Das Positive daran war, dass es die erste Stelle war, wo ich mit Alkoholismus bekannt wurde. Nach 10 Jahren immer abwärts, und ich wusste durchaus, dass alles mit dem Alk zu tun hatte, aber ich sah das immer moralisch oder als mangelhafte Persönlichkeit (meine) an. Genauso hatten mich ja alle behandelt, zu Hause oder auf Arbeit. Beschimpfungen, Moralisierungen, ich war halt das Ungetüm!! Und die alle wussten, im Gegensatz zu mir - wie's Leben geht. Toll!!
Auch ich war Heimkind zwischen 5-7 Jahren Lebensalter, das prägt doch ganz schön!
Und nun erfuhr ich die tatsächliche Wahrheit: ich war ganz einfach krank, ohne Schuldzuweisung. Sowas hatte ich nicht mal erträumt. Es war in der Tat die Erleichterung für mich, weil es endlich die Wahrheit war, auf welche ich alleine niemals hätte kommen können. Und unsere Aufklärung durch den Oberarzt - auf der offenen Station - war bis heute einsame Spitze, weil dieser Mann eine knallharte aber rein sachliche Vorlesung bot. Das und nur das war die nackte Wahrheit!

Das Ganze war in Ostberlin 1973. Ich hielt 7 Monate durch. Länger nicht, weilmeine damalige Frau mir so jeden zweiten Tag erzählte, dass ich das sowieso nicht schaffen werde. Und darum gab es einen Rückfall. Dieser dauerte 10 Jahre. Und hätte ich eine Gruppe gehabt, dann wäre das nicht passiert, bloß es gab keine bzw. ich kannte keine. Das war überhaupt nicht so wie heute, mit Internet und so.

Na alles lange vorbei. Unser Oberarzt damals war ein psychologischer Barbar, das stimmt schon. Und "seine" geschlossene Station war eben so. Da war zwischen Doktor und Lagerarbeiter alles vertreten.

Dennoch war die damalige Aufklärung der Beginn meiner späteren Umkehr, so wie ich es aufgeschrieben habe.

in der hoffnung, dass dich die Wahrheit nicht erschreckt habe möge, grüße ich dich, Max


Joosi Offline




Beiträge: 2.036

12.01.2004 16:52
#42 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Lieber Max,

danke für deinen Beitrag!

Es liest sich wirklich, als ob du in den Knast gekommen wärst und nicht auf eine Entzugsstation. Du hättest auch jammern und in deiem Elend versinken können, aber du hast diese (ziemlich haarsträubenden) Eindrücke letztendlich positiv genutzt.

Zitat
ich war ganz einfach krank, ohne Schuldzuweisung. Sowas hatte ich nicht mal erträumt. Es war in der Tat die Erleichterung für mich, weil es endlich die Wahrheit war,



Das verstehe ich sehr gut. Mir geht es genaus so. Seit ich begriffen habe, das ich Alkoholikerin bin, kämpfe ich nicht mehr andauernd damit, dass ich ein Versager bin. Dieser sinnlose Kampf hat mich jahrelang davon abgehalten mich mit mir selbst auseinanderzusetzen.

Zitat
Und die alle wussten, im Gegensatz zu mir - wie's Leben geht. Toll!!



Kann ich mindestens 3x unterstreichen. Genauso kam ich mir jahrelang auch vor.

Es ist sehr schwer, sich gegen negative Menschen, an die man emotional sehr gebunden ist, abzugrenzen. Bei mir war es meine Mutter, die mich tagtäglich für unfähig erklärte und mir stets prophzeite, dass ich in der Gosse landen werde etc. Ich bin mit 18 zu Hause ausgezogen, aber selbst heute noch, bin ich nicht immun gegen abwertende Sprüche meiner Mutter. Sie ist halt meine Mutter und ich kann ihr nicht böse sein, obwohl sie mich fast vernichtet hat.

Dein erster Kontakt mit der Psychatrie war hart und dein Weg ja dann auch noch lang - aber er war nicht umsonst!
Du schreibst sehr gut, finde ich. Wenn du mehr erzählen möchtest - ich würde es gerne lesen

Liebe Grüße
Gaby


Max mX Offline




Beiträge: 5.878

12.01.2004 20:02
#43 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

liebe Gaby,
ich komme gerade nach Hause, lese deinen Beitrag und ich freue mich.
Noch mehr? Da müsstest du mal andeuten, was ich denn noch so aufschreiben sollte?
Aber ganz spontan jetzt: Später, in der "offenen Station", hatten wir Arbeitstherapie. Da ging ich in die Heizung. Sowas gibt es heute nicht mehr, Kohlen in die Niederdruckheizung reinwerfen, und alle 3 Stunden mit einer langen Eisenstange Schlacke ziehen und Asche ziehen. Da hatte ich einen Schichtführer, der selbst Alkoholiker war, schon 2mal zur Therapie und nichts ging bei ihm. Der war aber sehr nett. Später, wieder in Freiheit, aber nach meinem Rückfall (welcher 10 Jahre dauerte), trafen wir uns noch in seiner Behausung oder Kneipe usw. Verlor sich irgandwann, weil Berlin ja so groß ist. Und ein trinkender Spritti fährt nicht ellenlange Wege! Eines Tages traf ich ihn zufällig wieder. Er sah mir so verändert aus. "Dieter, mit dir stimmt was nicht". Und er strahlte mich an: "Maxe ich trinke nicht mehr". Schock zum Quadrat!!! Der??? geht gar nicht, war aber so. (In "seiner" Heizung waren mir auch die Kohlenfahrer näher bis sogar nahe gerückt, alles echte Geisteskranke. Die waren aber ganz nett, und überhaupt nicht zum Fürchten. Die hatten eben nur alle irgendwas Merkwürdiges, aber sympatisch.)
Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war es dieser Mensch da, der mir unbewusst nicht aus dem Kopf ging. Und eines Tages machte ich mich dann tatsächlich auf, um "seine" Gruppe aufzusuchen. Und nach 3 Monaten Besuch (20 Leute am Tisch, der Räuberbezirk von Berlin Prenzlauer Berg von ganz ganz unten), mit der wirklich nackten Realität, Schulzuweisungen gar nicht denkbar, kam es dann zu meinem endgültigen (emotionalen) Zusammenbruch: Und bei eben diesem Dieter, der mich mit nach Hause nahm zwecks Ernüchterung, wurde ich dann trocken.
Das war ein inneres Fest für mich, bis heute. Ich kann es gar nicht vergessen, weil es sowas wie meine Neugeburt war.
Und weil die mich damals sooo lieb, weil schonungslos, behandelt hatten, mache ich das seit dem weiter. Und ich fühle mich jedesmal gut.
Für heute liebe Grüße von Max


Gast ( gelöscht )
Beiträge:

23.01.2004 13:40
#44 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Joosi -
wie steht es um deinen Therapieplatz ? Bist du die Joosi, die einen Platz mit Kind sucht ? Es gibt da eine Klinik in der Nähe von Fulda (30 Betten) -(reine Frauenklinik mit Kind). LZT 16 Wochen.
Jutta


Joosi Offline




Beiträge: 2.036

24.01.2004 15:58
#45 RE: Wie komme ich da wieder raus? Zitat · Antworten

Hallo Jutta,

ja, ich suche immer noch einen Platz für eine LZT mit meinem Kind.

Die Sache ist nun so weit gediehen, dass der Suchtberater meinen Klinikwunsch (Fachklinik Altenkirchen - da frauenspezifisch...habe ich mir im Internet rausgesucht) in den Antrag an die BFA geschrieben hat und mein Antrag vorgestern ENDLICH bei der BFA eingegangen ist - dieser Schritt hat jetzt schon fast 2 Monate gedauert.

Jetzt habe ich noch drei Hürden zu überstehen.
1. Die BFA muss die LZT für mich UND mein Kind (hoffentlich bald) genehmigen
(wenn nicht... :frage3
2. sie muss es für (hoffentlich) die vorgeschlagene Klinik genehmigen oder wenigstens eine andere Fraueneinrichtung.
3. Es muss ein Therapieplatz in der Einrichtung frei werden.

Da das Antragsverfahren bei mir schon so tierisch lange dauert, habe ich in der Fachklinik Altenkirchen nachgefragt und jetzt gibt es erst wieder Mutter-Kind-Plätze Ende März/Anfang April...und bis die BFA (hoffentlich!!)genehmigt hat, sind dann wahrscheinlich wieder erst Wochen später Plätze frei.

Das ist schon sehr zermürbend...sozusagen mein tägliches Frustrationstoleranztraining - ich versuche es noch mit Humor zu nehmen...aber an manchen Tagen bleibt mir das Lächeln im Halse stecken...

Warum fragst du? Hat diese Klinik etwa freie Plätze derzeit? Warst du da schon?
Erzähl doch mal!

Liebe Grüße
Gaby


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