Schrödingers Katze könnte einem wirklich Anlass für schlaflose Nächte sein, wenn wir ihr Prinzip in die Psychologie verlegen, sozusagen Quanten-Psychologie betreiben. Die für den klassischen Psychologen absolut unverständliche Aussage würde bedeuten: „Erst durch die Betrachtung eines Problems, durch die Messung, was ist es denn, wird das Problem möglicherweise erst konkret erschaffen.“ (Klingt doch gar nicht so fremd, oder?) Umgelegt auf unser globales Thema hier an diesem Ort (Wo wir auch Heisenberg wieder finden: Keiner kann sagen, wo der andere grad steht, wenn er sich so schnell weiterbewegt, umgekehrt, wenn man zu lange an einer Stelle herumdiskutiert, gibt es keinen definierten Fortschritt mehr ), wenn man sich daranmacht, sein Problem zu messen, nach Gründen und Ursachen sucht, könnte es passieren, dass man sich ein Problem schafft, das zuvor im Nirwana quantenpsychologischer Möglichkeitszustände quasi untot vor sich hingeschlummert hat. Vielleicht haben wir hier sogar den Grundstein für eine neue geisteswissenschaftliche Disziplin geschaffen, eben die „Quanten-Psychologie“, als weiteren Beitrag dazu, dass einfach alles in unserem Universum untrennbar miteinander zusammenhängt und der Weisheit letzter Schluss sich prinzipiell unserer Erkenntnis entziehen muss, weil alles nur Projektionen multidimensionaler Ursachen auf unser beschränktes Raum-Zeit Kontinuum sind und somit jeder Versuch einer Erklärung letztendlich zu vielfältigen Paradoxien führt und sich jedem menschlichen Verständnis entzieht, vielleicht wurde dieser Gedankengang aber auch schon von Generationen von Alkoholikern gedacht und der Neuheitsgehalt reduziert sich somit auf mein persönliches Aha-Erlebnis. Aber , wie auch im übrigen Leben und da insbesondere meinem beruflichen, freue ich mich auch darüber, etwas erfunden oder entdeckt zu haben, das, vom allgemeinen Stand der Entwicklung her gesehen, schon ein alter Hut ist. Auch wenn ich von anderen belächelt werden sollte – schau, hat er diese Erkenntnis auch schon gewonnen, lieb… - für mich persönlich ist sie eben neu, und wenn ich selber eine Idee entwickle, die zu Erkenntnissen führt, die schon längst Allgemeingut des Fachpublikums sind, zeigt es mir zumindest, dass meine Gedankengänge so krause nicht sein können.
Aber vielleicht gibt es auch für die quantenpsychologische Schrödingerkatze eine andere als die Kopenhagener Deutung und ganz abgesehen davon, möchte ich hiermit die quantenphysikalische Elfenbeinturmdiktion langsam wieder verlassen, sonst könnte es passieren, dass wir hier ratz-fatz plötzlich nur mehr ganz alleine diskutieren und das wäre auch schade.
Weg von der Schrödingerkatze und anderen Merkwürdigkeiten wieder hin zur eigentlichen Thematik.
Zitat: Ich habe an eine heile Welt geglaubt, weil ich sie mir zurecht gesoffen habe.
Ich sags nur ein wenig anders: Ich habe mir eine heile Welt zurechtgesoffen und auch noch an sie geglaubt. Aber es kommt auf das Gleiche hinaus. Noch habe ich die Euphorie, von der du sprichst, aber ich kann sehen, dass, wenn sie verschwindet, es tatsächlich ans „Eingemachte“ gehen wird. Und deshalb ist eine Auseinandersetzung mit meinem bisherigen Leben vonnöten. Ich sage nicht, dass es Ursachenforschung sein muss, einfach eine Auseinandersetzung mit den Geschehnissen. Ich habe vieles einfach verdrängt, weggeschoben, mir eben eine heile Welt gebastelt, in der ich scheinbar behütet und ziemlich unkritisch mir selbst gegenüber geschwebt bin. Begünstigt wurde dieser quasistabile Zustand natürlich von der Dauerumnebelung durch den Alkohol. Er hat mich daran gehindert, Jammer als Jammer zu erkennen, oder auch Glück als Glück.
Diese „letzten“ Bretter möchte ich auch fallen lassen, den Schmerz, den Jammer an mich heranlassen, ihn einmal durch-fühlen, nicht nur durch-stehen, lange Zeit nachdem die Ereignisse wirklich stattgefunden haben. Zum Zeitpunk, wo sie stattgefunden haben, musste ich einfach „funktionieren“. Da war kein Platz für Schwäche und darüber nachdenken war mir zu gefährlich. Aber wenn ich jetzt so zurückblicke, würde ich sagen, ungefähr dort war der Übergang von mehr oder weniger regelmäßig mehr oder weniger große Mengen Alkohol zu sich nehmen zum abhängigen Alkoholiker. Mein Weg war: Gelegenheitstrinker - Gesellschaftstrinker - Gewohnheitstrinker - Problemtrinker - Spiegeltrinker. Wo ganz genau dieser Übergang stattgefunden hat, ist letztendlich aber herzlich egal, wichtig ist nur, dass ich jetzt nicht mehr trinke.
Ich möchte diese Szenen aus meinem Leben hier auch beschreiben, ich sehe, dass mir dieses in konkrete Worte kleiden und jemanden lesen lassen und sich mit den Reaktionen auseinander setzen mir wirklich unheimlich viel hilft.
Meine Welt war phasenweise alles andere als heil. Sie ist es auch jetzt nicht, aber mit einer anderen Qualität. Wenn ich den Keller aufgeräumt habe, schaff ich’s vielleicht auch im Wohnbereich.
Deinen Beitrag zum Einklinken fand ich sehr interessant. Nur, wie ich aus meiner eigenen Karriere erkennen kann, lässt sich zumindest bei mir nicht klar sagen, was für ein Typ Trinker bin ich denn und somit ist alles eben eine Mischform. Ich habe getrunken aus Gewohnheit, um Probleme zu verdrängen, um den Spiegel zu erhalten, um arbeiten zu können, um nicht arbeiten zu müssen, um die oft gegensätzlichsten Effekte zu erzielen oder nur einfach so. Und ich denke, so geht es den meisten von uns. Einer klar definierten Unterart der Gattung Alkoholiker gehört wohl keiner von uns an.
…wieder der Alte sein. Irgendwann in meinen Beiträgen hab ich mal geschrieben, dass ich den abstinenten Waldschrat so ungefähr mit 15 aus den Augen verloren habe und nur mehr mit dem sehr oft alkoholisierten herumgezogen bin. Wenn ich wieder der Alte sein will, wär ich plötzlich ein pubertierender Bub. Ich glaube, ich habe auch im Laufe meines alkoholisch durchzogenen Lebens eine ganz brauchbare Entwicklung durchgemacht, es ist nicht alles zum Schmeißen. Nur an der Umsetzung hat’s ein wenig gehapert. Verarbeitung von altem Schrott und alten Schmerzen und neue Gewichtung von wesentlich und unwesentlich macht keinen neuen Waldschrat sondern einen gefestigten und bewussten.
Zitat: "du schreibst: Ich hab mir nämlich meine heile Welt geglaubt." für deine 3 Wochen trocken bist du für meine Begriffe erstaunlich aktiv.
…und du schreibst von deinem eigenen “überzogenen“ Eifer. Was meinst du mit „ für deine 3 Wochen“, so kurz und schon so aktiv, oder so lang und noch so aktiv und wieso erstaunlich, findest du es „überzogen“? Keine Sorge, ich sortiere weiter und habe auch schon eine Menge Brauchbares gefunden. Wirke ich unkritisch auf dich?
Du schreibst: Vielleicht haben wir hier sogar den Grundstein für eine neue geisteswissenschaftliche Disziplin geschaffen, eben die „Quanten-Psychologie“
Da ist euch schon einer zuvorgekommen: Stephen Wolinski, schau doch mal bei Amazon.
hallo Waldschrat, "Was meinst du mit „ für deine 3 Wochen“, so kurz und schon so aktiv, oder so lang und noch so aktiv und wieso erstaunlich, findest du es „überzogen“? Keine Sorge, ich sortiere weiter und habe auch schon eine Menge Brauchbares gefunden. Wirke ich unkritisch auf dich?" NEIN! Ganz im Gegenteil!! Ich war damals eher schüchtern und traute mich zuerst kaum was. Nach den ersten 3 Monaten taute ich dann auf. Ich hatte meiner positiven!! Verwunderung Ausdruck geben wollen, da haben die "Frischlinge" aber mitunter noch Schwierigkeiten wie man sieht. Lob annehmen, auch das muss erst geübt werden. ich grüße dich, Max
Wie versprochen, dies soll der Beginn wirklicher Aufräumungsarbeiten sein, Bewusstmachung dessen, was ich, sofort nachdem es geschehen war, versucht habe, aus meinem Leben wieder zu verdrängen. Weil ich der Meinung war, dass keine Zeit dafür da ist, jetzt in Sentimentalitäten zu versinken. Je cooler ich das wegstecke, desto besser für alle.
Ein Tag aus meinem Leben
Wir schreiben das Jahr 1998. Ich hetze noch die letzten Meter eine dunkle, nasse Strasse entlang, hinter mir eine ganze Meute geifernder Hunde, da reißt der Film und ich falle endlos in das wattegefüllte Bett, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und eine zähe Müdigkeit in jeder Faser des Körpers, die mich an jeder Bewegung hindert. Langsam dringt das Schnarren des Weckers durch den Nebel, wann hört das endlich auf, ich glaube, ich muss etwas dagegen tun. Ich ertaste meine Frau, wie sie neben mir liegt, noch ganz friedlich, als wäre nichts anders, als noch vor einem Jahr. Raus aus dem Bett, die Kinder brauchen Frühstück, ich muss noch einheizen, die Schule, haben sie gestern eigentlich ihre Aufgabe gemacht? Da war doch was… Meine Frau hat es wieder nicht geschafft, trocken zu bleiben, es wird immer schlimmer, nach der Schulrunde muss ich das Bett überziehen, aber jetzt lass ich sie schlafen. Vorsichtig taste ich noch einmal nach der Drainage, dem Säckchen, das man ihr unter der Kopfhaut eingepflanzt hat, damit wenigstens ein gewisser Druckausgleich geschaffen wird, es ist wieder prall gefüllt… Anaplastisches Astrozytom Grad IV war diagnostiziert worden, faustgroß und nicht entfernbar, jedenfalls nicht restlos. Das war vor einem Jahr. Dem vorangegangen war eine langsame Charakterveränderung, ständige immer wiederkehrende quälende Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, epilleptische Anfälle, immer schlimmere Agressionen gegen mich und andere, die Ehe, basierend auf tiefer Liebe, wurde immer mehr zur Hölle, was ich aber zuerst auf normale Abnützungserscheinungen zurückgeführt habe, es sind doch nach dem Tod meiner ersten Frau noch drei nicht ganz einfache Kinder auf einen Schlag dazugekommen zu unseren dreien, da kann es schon Überforderung geben und meinen Alkoholkonsum mochte sie auch nicht, auch wenn ich niemandem etwas zu Leide tat. Aber das war’s nicht, es war der Gehirntumor, der ihr Verhalten verändert hat. Kinder in die Schule und den Kindergarten führen und wieder nach Hause. Nein, ein Glas am Heimweg, eine kleine Pause, bevor ich mich dem unweigerlich Kommenden aussetze. Noch eins, eventuell, sie schläft sicher noch. Aber dann wirklich. Mein Auto fährt zu Hause vor, ich öffne die Tür, sie ist schon auf, ich sehe in ihrem gehetzten, fahrigen, zornigen, beleidigten Blick, das wird ein schwieriger Tag. „Gib mir den Autoschlüssel.“ „Du weißt doch, du kannst nicht fahren…“ Es wird eine endlose Diskussion, sie will mich verlassen, ich mache nichts richtig, erst gestern habe ich ihre Ordnung zerstört, indem ich etwas wohin geräumt habe, wo es nicht sein sollte, dabei räumt sie jede Woche die Küche um (Schatz, wo sind die Teller heute?) und vor zwei Wochen noch, wäre das der richtige Platz gewesen, der Streit eskaliert, mit hervorquellenden Augen und hassverzerrtem Gesicht geht sie auf mich los, schreiend, kratzend, wild auf mich einschlagend, du Scheißkerl, ich hasse dich, ich wünsch dir, dass du krepierst, wie oft hab ich das in letzter Zeit schon gehört, heute wenigstens nicht vor den Kindern, wie sonst so oft, dann muss ich ihnen, die mit angstgeweiteten Augen daneben stehen anschließend eindringlichst erklären, dass die Mama das ja nicht so meint, sie kann nichts dafür, sie ist krank und das ist leider eine Auswirkung dieser Krankheit, aber die Mama hat sie ganz, ganz lieb und mich ja auch, aber sie kann es jetzt nicht zeigen, weil ihr der Kopf so furchtbar weh tut und deshalb sieht es aus, als wäre sie so furchtbar böse….. Das Säckchen ist voll, der Druck zu groß, wir müssen ins Spital. Irgendwann tritt eine gewisse Erschöpfung bei ihr ein und mit viel Zureden kommt sie mit mir ins Auto und wir fahren ins Spital (80km). Dort angekommen ist es später Vormittag, zuhause wartet ein angepinkeltes Bett, der Beifahrersitz ist auch nass, es ist nichts gekocht, nichts aufgeräumt, nichts eingekauft, ich muss in 1-4 Stunden die Kinder von den diversen Schulen holen, kochen, Aufgabe kontrollieren, einkaufen, aufräumen, meine Frau vom Spital holen, Wäsche waschen, bügeln…… Am Abend ist es heute besser, wenn der Druck weg ist, ist es leichter, sie schläft, ich versuche, den liegen gebliebenen Berg ein wenig zu reduzieren, mit einer Flasche Wein geht das alles viel leichter, die Kinder sind auch im Bett, ich muss hier raus, ab in die Kneipe. Mein Gott, es gibt keine Hoffnung, wann hört das endlich auf, wie schlimm muss es noch werden, wann wird meine arme Frau endlich erlöst, was müssen die Kinder noch alles miterleben, nein du darfst nicht aufgeben, vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung, da war doch eine neue Therapiemethode, wenn ich an unsere erste Zeit denke…… Ich liebe dich doch.
Noch zu dem Vorherigen - ja, stimme ich zu - Mischformen. Aber wenn man zum Anfang blickt, da lässt sich vielleicht noch klar eine Form erkennen, falls man überhaupt erkennen kann, wann oder wie es anfing. Bei mir eigentlich damit, dass ich überhaupt mit Alkohol in Berührung kam, ohne zu wissen, dass er für mich in die Krankheit führen würde.
Meinen wirklich ersten Kontakt mit Alk weiss ich aus Erzählungen von meiner Mutter. Damals war ich wohl drei oder vier Jahre alt. Ein kleines Restchen aus einem Schnapsglas durfte ich mal schlecken. Danach riss ich meinem Lieblingsspieltier die Zunge raus vor lauter Übermut oder sonstwas. Davon wusste ich hinterher nichts mehr - mein erster Blackout also - und war total traurig über meinen nun zungenlosen Hund.
... wieder der Alte sein.,
stammt das von mir? Ich glaube eher wohl nicht. Denn der Alte wurde ich nie mehr, wie auch. Wäre ja so, wie der Wunsch wieder jung zu sein, aber mit der Erfahrung des Alters. Geht ja auch nicht.
-Muss man wiklich alles breittreten und in den tiefsten Tiefen der eigenen Seele rumkramen, -um wieder der "Alte" zu werden, der man sein will oder glaubte, zu sein?
Die Tiefenpsychologie würde sagen: JA. Aber sie ist nicht unumstritten, wie Du ja sicher auch weisst.
Der "Alte" stammt von beed, obiges Zitat vom Zitat aus deinem post, aber wenn so viele posts zu beantworten sind, kanns schon mal vorkommen, dass man eine Aussage falsch zuordnet, insbesondere wenn man nur aus dem Gedächtnis antwortet, sorry!
[f1][ Editiert von waldschrat1 am: 08.11.2004 12:16 ][/f]
Angesichts Deines einen Tags aus Deinem Leben bin ich nun erstmal fast sprachlos. Das hätte ich nicht durchgestanden. Nicht mal mit Alk. Ich hätte nur ständig gedacht: "Warum ich - warum mir!"