Und nun zitiere ich mal aus deinem ersten Post. „Ich traue mich nicht allein auf die Strasse zu gehen oder mit der Bahn zu fahren. Ich brauche erst mal ein Glas.“
Da sehe ich vor mir einen Mann der vor einigen Jahren große Probleme hatte alltägliche Bitten auszusprechen. Wenn der Mann im Linienbus am Fenster saß und es kam seine Aussteigehaltestelle ist er weitergefahren. Er hätte ja sonst den am Gang sitzenden Nachbarn ansprechen müssen. Oder er hat morgens ein Glas Wein getrunken. Dann konnte er den Aussteigewunsch äußern. Später mussten es dann mehrere Gläser Wein sein. Und noch später kam der Mann oft tagelang gar nicht mehr aus dem Haus. Allerhöchstens wenn er Nachschub brauchte. Irgendwann wurde es dem Mann zu blöd. Er ging zu seinem Arzt und war 2 Tage später in der Klinik zur Entgiftung. Danach machte der Mann eine Therapie und ging regelmäßig in die SHG. In der SHG hat der Mann gelernt, seinen Mund aufzumachen und seine Wünsche zu äußern. Nach 5 Jahren leitet dieser Mann eine eigene SHG Gruppe. Es macht ihm auch nichts mehr aus vor 50 Leuten eine Geburtstagsrede zu halten obwohl er für eine Rede gar nicht vorbereitet ist und diese Rede aus dem Stegreif halten muß.
Liebe Linda, mach den ersten (zweiten) Schritt und gehe zum Arzt. Er kennt die richtigen professionellen Hilfsmöglichkeiten in Eurer Gegend.
was mir bei dir auffällt ist deine Sorge um die Eltern (und andere), wie sie auf ein Outing von dir reagieren würden usw.und dass du sie nicht immer stolz gemacht hast.
Liebe Linda, du bist nicht auf der Welt, dass deine Eltern stolz auf dich sind, sondern du musst mit DIR zufrieden sein. Du willst deinen Eltern kein Leid zufügen und merkst gar nicht, dass du dir selbst großes Leid antust. Dich musst du zuerst lieben und das kannst du nicht, wenn du Alkohol trinkst. Mit Alkohol glaubst du, die zu sein, die du nüchtern gerne wärst. Den Anfang machst du, wenn du konsequent heute das 1. Glas stehen lässt. Und mit jedem "heute" musst du bereit sein, deine Persönlichkeit zu entdecken. Es reicht auf Dauer nicht, nur das Glas stehen zu lassen. Das mag Tage, Wochen oder Monate gut gehen. Aber sobald deine innere Zerissenheit übermächtig wird, um eine nur für DICH angemessene Entscheidung zu treffen, meldet sich die Sucht, die dir einredet, dass Alkohol dein Problem löst. Und bei Sucht wird schon der schiefe Blick des Nachbarn zum Problem, was gar kein Problem ist. Das ist eine unendliche Spirale, die immer weiter nach unten geht - und je weiter unten, desto steiler ist der Weg nach oben. Manche kommen gar nicht mehr nach oben...
Ich war auch eine exzessive Schnapstrinkerin und glaub mir, ich habe mir meinen Zustand selber angesehen und versucht mit Schminke und Pfefferminz zu verdecken. Eine tolle Selbstverarschung: Gesicht maskiert und Persönlichkeit ersoffen und doch als Trinkerin erkannt.
Heute bin ich ein ganz anderer Mensch. Es gibt kein verquollenes Gesicht mehr, keine roten Augen, keine strohigen Haare und keine Fahne. Und das allerbeste: Ich bin endlich ICH. Von einer im Selbstmitleid zerfliessenden Jammertussie ist nichts mehr übrig. Weisst du eigentlich, wie toll es ist, selbstbewusst durchs Leben zu laufen, ohne Angst falsch zu reden oder zu handeln? Bestimmt nicht! Okay, ich mache immer noch Fehler und Probleme müssen gelöst werden. Es ist nicht alles Sonnenschein, auch dunkle Tage gehören dazu, aber nüchtern ist das für mich alles viel besser zu regeln und auszuhalten.
Nach über 21/2 Jahren Trockenheit, kann ich nur noch den Kopf schütteln, über meine vertrunkene Zeit und dem Glauben, ohne Alkohol nicht leben zu können.
Ich kann dich nur ermutigen, neugierig auf das alkoholfreie Leben zu werden und alle Hilfe anzunehmen, um aus dem Teufelskreis rauszukommen. Voraussetzung ist, dass du es wirklich willst bzw. die Trinkerei mehr Last als Lust ist. Dann gibt es keine Ausrede mehr, um das Trinken zu rechtfertigen.
Freiheit beginnt da, wo Sucht endet, hat hier mal jemand geschrieben. Da kann ich nur zustimmen, und du wirst das auch können......hoffentlich bald, wünscht dir
Ein Leben ganz ohne Alkohol konnte ich mir bei meinem ersten Versuch der Trockenheit auch nicht vorstellen und genau das war mein Fehler. Ich habe noch zuviel positives mit dem trinken verbunden. Nie vergesse ich unseren Betriebsausflug, an dem ich richtig in Depristimmung gefallen bin und das alles nur, weil ich mich selbst bemitleidet habe, das ich nichts trinken darf. Meinen Lebensgefährten habe ich sogar angepflaumt, das auch er nichts trinken soll, mit der Begründung er solle mich mehr unterstützen. Fadenscheinige Gründe, wie ich jetzt weiß. Wenn wir heute weggehen ist von vornherein klar, das ich fahre und er kann seine 2-3 Bier trinken. Das ist jetzt ok für mich, denn ich weiß er hat kein Problem damit, sein Bier zu trinken und dann aber auch wieder auf zu hören. Dieses Problem habe ich. Ich könnte dann nicht aufhören und ich würde mich besaufen bis nichts mehr reinpasst. Seit dem ich diese Einstellung geändert habe, hat sich meine Trockenheit verändert. Momentan kann sich neben mir eine ganze Armee besaufen, es ist mir egal, da ich weiß, für mich bedeutet das der "Anfang vom Ende".
Wer bei mir alles bemerkt hat, das ich getrunken habe, ist mir jetzt egal. Ich habe nicht aufgehört damit sich die Leute nicht das Maul über mich zerreißen, sondern ich habe für mich aufgehört, weil ich diesen Zustand nicht mehr will.
Auch habe ich nicht für meine Eltern aufgehört. Dieses Gefühl, sie nicht zu enttäuschen, kann ich nämlich sehr gut nachempfinden. Ich habe mich viel zu lange, vor allem von meiner Mutter, beeinflussen lassen. Habe die meisten Entscheidungen von ihnen treffen lassen und das alles mit dem Hintergrund, das ich sie so nicht enttäuschen kann, denn es war ja ihre Entscheidung. Geändert hat sich das durch die heutige räumliche Trennung. Jetzt lebe ich mein Leben für mich. Sie versucht zwar noch weiterhin, sich in alles einzumischen und denkt sie muß mich telefonisch mehr als einmal an den Zahnarzttermin für meine Tochter erinnern, aber ich gehe damit jetzt anders um. Anfänglich habe ich mich so sehr darüber geärgert aber auch nichts dagegen getan. Dann habe ich versucht etwas dagegen zu tun und sie mehrmals darauf aufmerksam gemacht, das ich ihr handeln und tun nicht in Ordnung finde. Wie gesagt, es war nur ein Versuch etwas zu ändern und er bis heute gescheitert. Als ich mit meinem Latein am Ende war, habe ich zwei Therapiestunden mit diesem Thema gefüllt und mein Therapeut, hat mir dann die Augen geöffnet: Ich bin nicht in der Lage meine Mutter noch zu ändern, aber ich kann mich und meine Einstellung dazu ändern und für mich eine Grenze ziehen. Der Gedanke der bei mir dahinter stand ist identisch mit Deinem: Meine Mutter soll stolz auf mich sein und nicht denken das sie mich an alles erinnern muß. Sie soll nicht denken, ich bin eine Rabenmutter, die noch nicht mal einen Zahnarzttermin für Ihre Tochter auf die Reihe kriegt. Doch im Endeffekt, hatte sie genau das damit erreicht. Für sie bestimmt unbewußt, jedoch für mich um so bewußter. Wenn sie heute wegen solchen Angelegenheiten anruft oder wie auch immer, sage ich mir diesen o.g. Satz, denn ich bin alleine in der Lage mein Leben zu leben.
Ich bin nicht für andere Menschen verantwortlich und ich bin auch nicht dafür zuständig sie zu ändern aber ich kann an mir arbeiten und mich und meine Einstellung ändern.
Ich hoffe, das ich Dir damit einen Denkanstoß gegeben habe. Natürlich bedarf das auch einiger Übung. Du wirst Dich nicht sofort abgrenzen können. Ich berichte meinem Therapeuten jede Woche darüber und ich merke, das es Schritt für Schritt immer besser wird.
Huhu Tina, schönes posts das. Ich finde es immer wieder fazinierend welche handlungsspielräume sich eröffnen dadurch, dass wir nicht mehr trinken und etwas für uns tun! Dein beitrag drückt für mich aus, wie schön und konstruktiv es ist, sich auf den weg zu uns selbst zu machen. Freu mich mit dir und na klar, auch für mich, diesen weg beschritten zu haben. Schöne woche dir gewünscht Hermine
vielen Dank für diese lieben Nachrichten.Ich bin sehr froh, dieses Forum gefunden zu haben!
Ich bin wohl noch nicht so weit, wie viele von Euch hier, d.h. entweder schon trocken oder in Therapie und ich weiß natürlich auch nicht, ob ich es jemals schaffen werde.
Ich habe diese komischen Gedankengänge, wenn ich getrunken habe, kann ich mir eingestehen, ein Problem zu haben, doch bin ich mal nüchtern für einen oder auch mehrere Tage, dann denke ich "siehst Du, geht doch, hast ja gar kein Problem!"...
Es ist nicht so, dass ich morgens aufwache und unbedingt sofort etwas zum Trinken brauche. Wenn ich Arbeit habe, die mir gefällt,zum Beispiel, trinke ich den ganzen Tag nichts und dann am Abend ein oder zwei Gläser Wein, ich muß nicht einmal die ganze Flasche trinken!
Wenn ich Arbeit habe, die mir nicht gefällt, dann trinke ich zwar tagsüber auch nichts, aber denke daran...
Wenn ich keine Arbeit habe, trinke ich entweder den ganzen Tag durch, oder trinke die ganze Woche über nichts, "gönne" mir nur einen Tag in der Woche eine Flasche Wein oder so, je nachdem, ob ich mich gerade in meiner "Gesundheitsphase" befinde, oder nicht.
Ihr könnt Euch vermutlich denken, in welcher Phase ich mich gerade befinde, denn sonst würde ich hier wohl kaum schreiben...
Ich habe diese komischen Gedankengänge, wenn ich getrunken habe, kann ich mir eingestehen, ein Problem zu haben, doch bin ich mal nüchtern für einen oder auch mehrere Tage, dann denke ich "siehst Du, geht doch, hast ja gar kein Problem!"...
Hi Linda, das kenn ich doch von irgendwoher.... genau diese Gedankengänge hatte ich ja auch! Jack London nennt das in seinem Buch "John Barleycorn" die "Weiße Logik". Man kommt zu "Erkenntnissen", die in dem Moment für einen selbst total logisch sind, aber letzten Endes nicht haltbar. Nüchtern sagt man sich "Klasse, geht ja ohne!", aber spätestens wenn der Saufdruck wiederkommt, ist alles nicht mehr wahr....und dann kommen die Selbstvorwürfe wieder. Die sind dann oft Grund genug, die schlechten Gefühle wegzuspülen. Ein Kreislauf....aber den kannst Du durchbrechen!
Na denn Prost linda, alles lässt sich im Rausch leichter ertragen oder ? Schön trinken , schön reden und schön schreiben !! aber selbstmitleid bringt dich nicht weiter.
Viele Tipps hast du schon von den anderen Vorschreiber bekommen, ich gebe dir auch noch einen...Trockenlegen kann dich hier keiner, Du mußt es auch wollen !
Ich hoffe zu verzeihst mir meine harten aber ehrlichen Worte, denn ich halte nichts vom.. " um den süßen Brei reden ", der Weg zum Ziel ist dir hier aufgezeigt worden, den ersten Schritt musst du tun!
Es ist keine Schande Alkoholiker zu sein,.. aber nichts dagegen zu unternehmen!!
ich habe auch nicht versucht, Mitleid zu erregen oder sonst irgendetwas. Ich habe nur versucht, meine Geschichte zu erzählen und die Gefühle und Gedankengänge zu beschreiben, die ich habe. Ich weiß, dass ich schon viele tolle Antworten bekommen habe, und dafür habe ich mich bedankt.
Ich dachte, man kann und soll hier seine Geschichte, Gefühle, Gedanken beschreiben?...
Oder habe ich da was falsch verstanden???
Ich bin nun eben mal "erst" in der Phase des Eingestehens und des Akzeptierens, und des Wissens, dass ich etwas unternehmen muß. Es war schwer für mich, zu diesem Eingeständnis zu kommen, aber wenigestens bin ich schon mal da!!!
schreib und äussere dich, am besten nicht nur hier. die anderen tun das auch. deshalb gefällt nicht jede antwort.
nicht jede antwort jederzeit. phasen sind endlich.
mir scheint, du bist in der phase, in der du es (noch) nicht wagst, deine gesundheitsphase ohne distanzierende anführungszeichen zu verwenden. du kannst in die phase übergehen, in der du es geniessen kannst, dein projekt gesundheitsphase ohne gänsefüsschen zu gestalten.
Genau dieses Abgrenzungsproblem mit meiner Mutter habe ich auch.
Beispielsweise wenn meine Mutter in meiner Abwesenheit kommt, im Keller die Fenster putzt ist das für mich wie ein Schlag ins Gesicht nach dem Motto: ich bin zu blöd das selbst zu machen. Für mich klare Grenzüberschreitung.
Und auch ich mach ja ne Therapie um da ranzukommen, warum habe ich dann solche Gefühle und fühle mich wieder als kleines Kind ?
Ich hab da eine Frage an dich : in solchen Situationen, bei dir bsp. das mit dem Anrufen wegen Zahnarzttermin, wie reagierst du jetzt ? Was sagst du zu deiner Mutter ? Das interessiert mich sehr, weil es mich auch betrifft.
gut, daß du hergefunden hast. Das ist ein wichtiger Schritt gewesen. Deine innere Zerissenheit bei der Frage, ob du abhängig von dem Zeug bist, oder nicht, kann hier auch jeder nachvollziehen. Und bei wahrscheinlich keinem Forumsteilnehmer kam die Einsicht, abhängig zu sein, sofort, als man feststellte, möglicherweise ein Problem mit Alkohol zu haben. Auch ich habe Jahre dafür gebraucht, bei den meisten anderen ging es vermutlich auch nicht viel schneller. Und das Selbstmitleid, das aus deinen Posts durchklingt, ist auch nicht neu oder überraschend, das haben hier doch auch alle durch. Hier haben oder hatten doch durch die Bank alle das IAS-Syndrom (ich arme Sau):-)
Das du die Sache nicht im Griff hast, weißt du eigentlich selbst, ganz langsam scheint die Verleugnungsmaschinerie bei dir auch nicht mehr zu funktionieren. Prima:-)
Ich bin auch ganz neu hier, aber was mich am meisten fasziniert ist, daß man offenkundig ohne Alkohol hervorrragend leben kann. Das beweisen ja die Posts der länger- oder langfristig Trockenen jeden Tag. Das will ich auch haben!!! Du auch?
Danke Ralf für die Links, werde sie mir anschauen!
@Fisch, danke auch für Deine Nachricht!
Dass ich abhängig bin vom Alkohol weiß ich, das war nie meine Frage, sonst wäre ich nicht hier gelandet! Ich weiß, dass ich ein Problem habe und dass ich dieses in den Griff bekommen muß, was nur mit kompletter Abstinenz zu schaffen sein wird.
Und ja, DAS
"aber was mich am meisten fasziniert ist, daß man offenkundig ohne Alkohol hervorrragend leben kann. Das beweisen ja die Posts der länger- oder langfristig Trockenen jeden Tag. Das will ich auch haben!!! Du auch?"