Ich fürchte mich davor, noch weiter abstürzen zu müssen, um dann so "weit" zu sein, "richtig" trocken zu werden und nicht mehr nur immer längere und reflektiertere Trinkpausen zu machen.
Nachdem ich mich jahrelang immer und immer wieder und in immer kürzeren Abständen für immer längere Zeit bis zur Bewußtlosigkeit weggesoffen habe, wurde mir der Stress zuviel, der danach entstand. Ich habe ja stets aufhören können. Wenn ich es nicht mehr zur nächsten Pulle geschafft habe, oder wenn das Geld zu Ende ging, oder wenn ich mal wieder den "großen Sprung" aus der Misere vor mir hatte.
Versäumnisse aufarbeiten, da Existenz richtig bedroht, mich für Peinlichkeiten und Ausraster schämen und entschuldigen, die Dutzende lebensgefährlichen kalten Entzüge mit Angst vor Krampfanfall und Delir (eins habe ich erlebt), Schwitzen, Zittern, Kotzen, Durchfall, sich nicht bewegen können - F10 2 kann das besser schildern
Wer, zum Teufel, möchte oder kann so leben? Ich jedenfalls nicht mehr. Was, zum Teufel, sollte mir da fehlen? - Nichts. Verzicht - auf dieses Elend? - Nein, ein völlig neues Lebensgefühl ist da, angenehm.
Und eines habe ich auch erfahren. Alkoholiker, die es lange geschafft haben, aus "Verlustängsten" heraus nicht zu saufen, sind die unausgeglichensten und aggressivsten Typen, die ich kenne, die reinen Pulverfässer hinter einer tollen Fassade - manchmal.
Ohne Hilfe habe ich das alles nicht geschafft. Erst habe ich gelernt, um Hilfe zu bitten. Das war nicht leicht, denn ich war ja ein Alles-alleine-Könner... dann habe ich Hilfe angenommen. Gruppen, Suchtberatung, erste LZT, saufnix, AA, zweite LZT, AA, saufnix, AA... Nicht zu vergessen, die armen Co's an meiner Seite...
Und nun habe ich mich aufgemacht, das trockene Leben zu fühlen, nach meinen Möglichkeiten zu leben und zu erleben, und es gibt sogar Menschen, die daran teilnehmen...
Und jeden Tag wird's besser.
Vor ein paar Tagen habe ich mir einen Crosstrainer bei ebay ersteigert. Nun habe ich mit dem Training angefangen. Für mich die optimale Lösung, zeit-, orts- und finanziell unabhängig etwas für meinen Körper zu tun. Ich wohne zwar am Stadtrand, aber Joggen geht nicht, wegen 10 Schrauben im rechten Sprunggelenk. Die müssen da auch bleiben. Mit dem Frühlingsanfang steige ich wieder jeden Tag auf's Fahrrad. Auch das macht mir Spass, war doch undenkbar im Suff... Und mal sehen, wie sich's mit Arbeit entwickelt, ich habe da etwas kochen, auf kleiner Flamme.
Und ich weiß noch, Bernd, wie Du Dich gegen Kapitualtion aufgelehnt hast, alleine der Begriff hatt Dich zu einigen Zeiten auf die Palme gebracht. Das Blöde ist ja, das man niemanden dahin bringen kann. Das Schöne ist, das es dann dennoch klappt (manchmal). Ganz ehrlich Bernd, über Dich freue ich mich ganz besonders. Wollte ich schon lange mal sagen. Lieber Gruß Merryl
Und eines habe ich auch erfahren. Alkoholiker, die es lange geschafft haben, aus "Verlustängsten" heraus nicht zu saufen, sind die unausgeglichensten und aggressivsten Typen,
wenn du dir schon deiner Probleme und Konsequenzen mit Alkohol so bewusst bist, dann kannst du nur dann die Finger vom Alkohol lassen, wenn du auch dein Hirn etwas anstrengst und dir dein Handeln so richtig gut überlegst
Sorry, falls das jetzt frech rübergekommen ist, aber bei mir war das zumindest so. Bei mir hätte es keinen Sinn gehabt zu warten, dass sich mit meinem Appetit oder sonstigen Zuständen etwas ändert, sondern ich musste meine ganze Vernunft und Entschlossenheit einsetzen, um mich bedingungslos vom Alkohol zu verabschieden. Ohne das Vernunfts-Wissen, dass das alkoholfreie Leben für mich besser ist, und ohne die Entscheidung, die ich mit Hilfe meines Denkens gefällt habe, hätte ich nie aufgehört. In diesem Fall war es eben nötig, dass ich mehr auf mein Hirn höre als auf mein Herz.
Es kann ja nicht funktionieren, wenn ich denke: "Ich möchte unbedingt davon loskommen, aber wenn mich der Appetit wieder überkommt, dann kann ich auch nichts dafür - hoffentlich bin ich irgendwann mal so weit, dass ich diese Gier nicht mehr habe." Klar, irgendwann bin ich so weit, und zwar wenn ich lange nicht mehr getrunken habe. Die Nerven verlangen immer weniger und immer seltener nach Alkohol. Voraussetzung ist, dass man nicht mehr trinkt und ganz stur alkoholfrei bleibt.
im Laufe meiner Suche nach einer Gruppe, in der ich mich wohl fühle, habe ich sehr viele mehr oder weniger trockene Alkoholiker kennen gelernt.
In einer war es ganz extrem. Da wurden die Mitgliederlisten nach Dauer der Trockenheit absteigend sortiert an die Wand gepinnt und laufend "aktualisiert". Da lief nichts ohne den "Gruppen-an-leiter" von der Suchtberatung. Da wurden Neulinge regelrecht ins Kreuzverhör genommen. Der von der Liste "ganz oben" nahm mich immer in seinem BMW mit (in die Nachbar-Stadt), bis ich mir gesagt habe - lieber saufe ich mich tot als mich von dem an den Baum fahren zu lassen. Eine so aggressive Fahrweise habe ich auf eigenen Erdumkreisungen im PKW noch nicht erlebt. Zu Hause war er wie ein "Deckchen", "ja - mein Schatz, gerne, mein Liebling..." im Auto hat er dermaßen abfällig über seine Frau gesprochen, dass er die nur hätte, weil er nicht kochen könne und waschen, und da wäre ja noch der "späte Unfall" - das Kind, und wegen dem Haus usw., das würde dann alles den Bach runter gehen, wenn er wieder anfangen würde...
Wahrscheinlich hielt er mich auch für einen "richtigen Mann"... Aber Irren ist nicht immer menschlich...
Na, und der war nicht der einzige...von dieser Sorte.
ZitatKlar, irgendwann bin ich so weit, und zwar wenn ich lange nicht mehr getrunken habe. Die Nerven verlangen immer weniger und immer seltener nach Alkohol. Voraussetzung ist, dass man nicht mehr trinkt und ganz stur alkoholfrei bleibt.
alles andere ginge bei mir nicht. Ganz oder garnicht..ist leider so, wie beim rauchen.
Aber ich finde es immer ganz schwierig Ratschläge zu geben. Kann immer nur von mir erzählen. Als ich aufgehört habe, war mir klar, dass ich den Rest meines Lebens abstinent bleiben muss, ansonsten würde ich sofort wieder voll dabei sein. Alles andere könnte ich nicht. Bin auch ganz froh, dass es so ist. Brauche scheinbar für mich diese Klarheit.
ihr habt sicher Recht. So eine Eingebung wie beim Minitiger erwarte ich für mich nicht - so leicht wurde es mir noch nie gemacht. Sturheit ist eine Eigenschaft, die man mir zuweilen nachsagt... vielleicht kann ich sie hier ja nutzbringend einsetzen
@ faust
Naja, Trocken werden muss ja nicht immer mit einer Läuterung des Charakters einhergehen... Gibt sicher ne Menge Leute, die nass A...löcher sind, und trocken auch A...löcher
Naja, Trocken werden muss ja nicht immer mit einer Läuterung des Charakters einhergehen... Gibt sicher ne Menge Leute, die nass A...löcher sind, und trocken auch A...löcher
Oh ja,die gibt es auf jeden Fall.Ohne jemanden nahe zu treten,merkt man das hier bei Saufnix auch an manchen Beiträgen. Aber insgesamt gehen wir doch menschlich miteinander um,das ist das schöne an Saufnix.Hart aber herzlich
ZitatGepostet von sole Sturheit ist eine Eigenschaft, die man mir zuweilen nachsagt... vielleicht kann ich sie hier ja nutzbringend einsetzen
Das gefällt mir!
Mir haben auch zwei Sprüche geholfen, die man ohnehin immer wieder liest, wobei ich den ersten nicht so gerne mag, aber mit dem zweiten komme ich ganz gut zurecht:
Mir fällt dazu noch etwas ein, das in der Verhaltenstherapie bzw. in den theoretischen Grundlagen dazu vorkommt, an das ich schon länger nicht gedacht habe. Das ist nämlich bei dieser Besprechung gerade sehr treffend:
Wir Suchtmenschen tun uns schwer, eine Befriedigung aufzuschieben. Mit dem Suchtmittel haben wir einen Mechanismus eingeübt, von dem wir nicht so schnell wieder loskommen: Wir haben Verlangen, und mit dem Suchtmittel können wir es sofort stillen. Aber das hat in vielen Fällen (z. B. bei der Alkoholkrankheit oder beim Rauchen) fatale Folgen. Jetzt der Kick, - und wie es mir später geht, ist jetzt egal. Das habe ich Tausende Male geübt.
Man kann die Befriedigung aufschieben (... mal etwas aushalten können!) zugunsten eines langfristigen Vorteils. Also statt schneller Befriedigung einen Aufschub, mit der Hoffnung (und auch der Gewissheit), dass das Unbefriedigtsein abflaut und das Leben auf lange Sicht zufriedener und glücklicher wird. Mit "glücklicher" meine ich jetzt nichts Pathetisches, sondern "mehr Glück, besseres Gelingen in vielen Bereichen".
Wenn man das längere Zeit gemacht hat, ist es egal, dass es früher mal ohne Droge schlimm gewesen wäre. Jetzt ist es nicht mehr schlimm.
Zitat...sondern ich musste meine ganze Vernunft und Entschlossenheit einsetzen, um mich bedingungslos vom Alkohol zu verabschieden. Ohne das Vernunfts-Wissen, dass das alkoholfreie Leben für mich besser ist, und ohne die Entscheidung, die ich mit Hilfe meines Denkens gefällt habe, hätte ich nie aufgehört. In diesem Fall war es eben nötig, dass ich mehr auf mein Hirn höre als auf mein Herz.
Ich glaube nicht, daß Intelligenz und Vernunft bei Sucht besonders hilfreich sind. Ich habe zumindest noch nie gehört, daß man ab einem bestimmten IQ nicht mehr süchtig wird oder das intelligente Menschen weniger trinken als weniger Intelligente.
Ich halte es für ein Merkmal von der Sucht, daß die Vernunft ausgeschalten wird. Ich mußte mein Wissen, daß der Alkohol mir mehr schadet als er mir bringt von meinem Hirn in das Herz bringen. Erst danach konnte ich mir ein Leben ohne Alkohol vorstellen.
Hallo Bernd,
ZitatDa wurden die Mitgliederlisten nach Dauer der Trockenheit absteigend sortiert an die Wand gepinnt und laufend "aktualisiert".
Davon halte ich wenig. Der Abstand vom Alkohol ist keine Gerade die mit der Zeit wächst sondern es gibt immer wieder Ausschläge nach oben und unten. Der Abstand sollte aber tendenziell immer größer werden und die Ausschläge immer kleiner. Setze ich mich aber längere Zeit nicht mehr mit meiner Krankheit auseinander nähere ich mich langsam dem Alkohol wieder an. Dies kann auch bei regelmäßigem Besuch einer SHG passieren, wenn der Besuch nur eine "Pflichtübung" ist.
Ralfi, ich habe nicht von Intelligenz geschrieben, sondern von der Tatsache, dass man beim Trockenwerden ganz stark die Vernunft braucht. Man kämpft in der ersten Zeit sozusagen mit den Gedanken dagegen an, dass ein Appetit auf die Droge da ist.
Wie sonst, wenn nicht durch eine Entscheidung mit dem Kopf, hast du denn aufgehört?? Das hat mit Intelligenz auch nichts zu tun, denn jeder Mensch kann denken.
ZitatGepostet von Ralfi Ich halte es für ein Merkmal von der Sucht, daß die Vernunft ausgeschalten wird.
Die Umkehrung ist genau das, was ich gemeint habe. Um von der Sucht loszukommen, muss man die Vernunft einschalten.