"Unzufrieden macht mich der tägliche Alltagstrott, ich bin dauernd beschäftigt mit Kindern und haushalt, Arbeit, einkaufen, Sport, shg, Einladungen, und dann auch noch ne gute ehe führen. Für alles bin ich zuständig, und ich will das alles gut machen."
aus deinen Beiträgen der letzten Tage habe ich den Eindruck, dass du zur Zeit eine Art "Midlife-Crisis" erlebst, wie Millionen andere Leute auch. Ich glaube nicht, dass dieses Erlebnis direkt mit deinem Alkoholismus zu tun hat. Nur ist dir als Alkoholikerin die Möglichkeit genommen, sich deswegen mal die Kante zu geben, die der Nichtabhängige hat, und das ärgert dich.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich jeder mit seiner "Midlife-Crisis" selbst auseinander setzen und sie "überwinden" muss. Auch der Nichtabhängige hat ja am nächsten Tag nach seinem Rausch das Problem noch genauso wie vorher.
Insofern glaube ich, ist dein aktuelles Erleben ziemlich normal und bestimmt kein Grund zu trinken.
Was mir noch aufgefallen ist:
"Schlechte Note aus der Schule: ich habe versagt. Freundin ist komisch: liegt bestimmt an mir. Mittlerweile fühle ich mich sogar meinem Mann gegenüber schlecht, der hat auch einen stressigen Job, und kann abends nicht mal mit mir zusammen was trinken..."
Diesen Charakterzug kenne ich auch gut von mir selbst und er war bei mir bestimmt einer von vielen Gründen, warum ich getrunken habe. Durch die Therapie hat sich da einiges gebessert, aber vom Grund her habe ich dieses "Manko" immer noch.
Du fragst, ob der Saufdruck nach so langer Trockenzeit normal ist. Da gibt es einen Thread, in dem das (unter anderem) Thema ist:
Liebe Grüße vom Grufti! Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden (Mark Twain)
ganz so früh hab ich die Kurve nicht bekommen, aber doch auch schon mit 27.
Ich kenne die Gedanken, etwas verpaßt zu haben nur ganz vom Anfang. Ich war relativ schnell der Meinung, es ist gut, so früh die Bremse gefunden zu haben, noch so lange Zeit meines Lebens bewußt wahrnehmen zu können, vieles frei entscheiden zu dürfen ohne das der Alk erste Wahl ist. Als ich Anfangs mal äußerte das ich den Kick, den Rausch vermisse, meinte meine Sponsorin, das Leben sei der Kick. Damals habe ich ungläubig den Kopf geschüttelt, heute kann ich das ohne Bedenken unterschreiben.
Aber ich kenne die Zeiten der Unzufriedenheit, des Vakuums. Da auch Gedanken an Alkohol, wobei trinken bisher immer keine Option darstellte, die Gedanken daran eher den Wunsch symbolisieren, aus diesem Zustand entfliehen zu können. Mit nicht trinken und viel reden bin ich da immer recht gut herausgekommen.
Keine Ahnung was Dir helfen kann. Ich habe heute in meinem Stammmeeting ähnliches gehört wie von Dir - mit 22 aufgehört, immer das Gefühl, etwas verpaßt zu haben, nach 8 Jahren rückfällig geworden, mehrere Jahre weitergesoffen und heute das erste Mal seit Jahren nüchtern und im Meeting. Die Frau sah nicht aus, als hätte die Sauferei sie jetzt weitergebracht - im Gegenteil. Ich musste an Dich denken, als ich sie hörte.
Sprich darüber wie Du Dich fühlst, immer wieder. Ich denke, dann kann der Knoten platzen. Ein bisschen glaube ich, ganz heimlich weißt Du was es ist, Du traust Dich nur noch nicht.
Liebe Grüße Uta
"Großer Gott, laß meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird!"Selma Lagerlöf
Ich habe Angst davor, dass ich WIEDER meine berechtigten Wünsche an das Leben im wahrsten Sinne des Wortes runterschlucke.
Da habe ich auch Angst vor, meine eigenen Wünsche habe ich viel zu wenig beachtet, nur noch alle Pflichten verrichtet und mich zu wenig um mich selbst gekümmert. Ich bin wirklich glücklich und auch stolz auf mich, das Ganze bisher trocken gemeistert zu haben. Ich hatte mich zwischendurch schon fast selbst überredet, doch mal das KT auszuprobieren, oder zumindest zu überlegen, ob es denn wirklich sooo schlimm war... Ich denke, in dem Moment, wo man diese Hintertür aufmacht, kann man schnell wieder in die alten Verhaltensweisen und damit die Sucht abrutschen. Erschreckend!
Hallo dirk,
was mich teilweise traurig macht, ist, dass ich jetzt wohl eine Lebensphase abgeschlossen habe. Kinder kriegen, Nest einrichten, große Gefühle!!! Nun beginnt eine neue Phase, Arbeit, Kinder werden größer, und ich frage mich: wars das jetzt? Was kommt nun? Wo will ich hin? (Jedenfalls nicht dahin zurück, wo ich vor langer Zeit war...:sly.
Das Gefühl, alles "liegt" an mir, mich für alles verantwortlich zu fühlen und alles auf mich zu beziehen, will ich jetzt auch in der Therapie bearbeiten. Ich glaube auch nicht, dass ich das ganz wegbekomme, aber zumindest besser damit leben können wäre schön.